Protokoll der Sitzung vom 07.05.2020

Es ist Hoffnung für Kulturschaffende, die vor einem kleinen Publikum wieder auftreten können. Es ist Hoffnung für Fußballfans, die nun wieder wissen, wie sie die Samstagnachmittage gestalten können.

(Lebhafter Beifall Lars Harms [SSW] und Annabell Krämer [FDP])

Wir sind noch lange nicht am Ende und haben noch viele offene Fragen zu klären: Wie geht es für die Kinder weiter? Wie schützen wir beim zunehmen

(Eka von Kalben)

den Öffnen unsere besonders gefährdeten Mitmenschen?

Ich wurde in den Fraktionssitzungen immer wieder darauf hingewiesen, dass wir gerade für diese Themen noch überhaupt keine Antwort haben: Wenn alles offen ist und ich lungenkrank bin, muss ich immer zu Hause bleiben. - Dieses Themas müssen wir uns sicherlich noch einmal annehmen.

Und dann ist die große Frage: Wie begegnen wir den wirtschaftlichen und haushalterischen Folgen? Da bin ich immer wieder dankbar, dass wir unsere Finanzministerin haben, die uns dabei unterstützen wird. - Vielen Dank dafür.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Unsere Aufgabe ist es, auch auf morgen und übermorgen zu schauen. Wir müssen die Zukunft gestalten und die Erkenntnisse aus der Krise mitnehmen. Dazu - das ist vielleicht der positive Blick in die Zukunft - brauchen wir ein gut ausgestattetes Gesundheitssystem mit vielen pflegenden und heilenden Menschen, die anständig bezahlt werden. Da müssen wir uns vielleicht wirklich einen Knoten ins Taschentuch machen, damit wir nach der Krise diese Erkenntnis - bitte, bitte! - nicht wieder vergessen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Tobias Koch [CDU])

Die Digitalisierung kann den persönlichen Kontakt nicht vollständig ersetzen, aber trotzdem sehr hilfreich sein. Dabei müssen wir darauf achten, dass alle die Möglichkeit haben, an digitalen Angeboten teilzuhaben. Wir werden das nachher im Nachtragshaushalt beschließen. Ich bin sehr froh, dass wir da ein sehr deutliches Zeichen setzen und insbesondere für die Kinder und Jugendlichen, die nicht die Möglichkeit haben, vorankommen.

Das Leben in einer globalisierten Welt bringt des Weiteren auch globalisierte Probleme mit sich. Wenn auf einmal die Kontakte nach außen abbrechen, merken wir, wie vernetzt wir sind. Ich habe wirklich große Sorge davor, dass diese Situation wieder zu Einigelung, Nationalismus und kleinem Denken führt. Das müssen wir verhindern, und ich hoffe, dass wir da stark genug sind.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Das führt mich zu meinem nächsten Punkt: Europa. Wir haben gesehen, dass mangelnde Solidarität das Schädlichste ist, was es geben kann. Einiges lässt sich kaum nachholen. Wir haben gegenüber unseren

Nachbarländern einiges getan. Das ist gut so. Die Bilder chinesischer Flieger, die Hilfsgüter nach Italien gebracht haben, werden in Italien nicht so schnell aus den Köpfen verschwinden. Bei der vor uns liegenden Wirtschaftskrise wird es darum gehen, solidarisch zu sein. Ich weiß, dass nicht alle im Haus unserer Vorstellung zu Eurobonds folgen.

(Zuruf: Niemand!)

- Doch! Ich habe da eine Fraktion, die meine Meinung teilt.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: Mit Begeiste- rung!)

Trotzdem bin ich der Meinung: Egal, welchen Weg wir gehen - es gibt ja verschiedene Wege -, lassen Sie uns bitte solidarisch sein.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Letztens. Der vor uns liegenden Wirtschaftskrise und sozialen Krise muss mit einer nachhaltigen Wirtschaft begegnet werden. Ich weiß, dass es viele Menschen in dieser Krise nicht gern hören, aber die Klimakrise ist nicht weg, sondern läuft weiter. Auch wenn die Umwelt jetzt etwas Pause hat, ist die Krise nicht verschwunden. Deswegen muss jedes Konjunkturprogramm, das auf den Weg gebracht wird, diesen Aspekt berücksichtigen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dennys Bornhöft [FDP])

Ich komme zum Schluss. Die Menschen wollen planen, sie wollen wissen, wie die nächsten Wochen aussehen, wie sich ihr Geschäft entwickeln wird, ob sie reisen können, ob sie ihre Liebsten treffen können, wann der Spuk ein Ende nimmt und ein Impfstoff da ist. Wir haben aber keine Glaskugel. Wenn mir jemand im März gesagt hätte, dass wir jetzt von einem Stufenplan zur Lockerung der Maßnahmen sprechen würden, ohne dass wir völlig überlastete Intensivstationen hatten, hätte ich mir das - gerade angesichts der Lage in Italien und jetzt in England nicht erträumen können.

Dass unsere Kapazitäten hier in Schleswig-Holstein nicht ausgenutzt werden mussten, ist nicht zuletzt auf die von der Regierung getroffenen Entscheidungen zur Eindämmung der Pandemie und zum Ausbau des Gesundheitssystems zurückzuführen. Dafür gilt Ihnen aus meiner Sicht ganz herzlicher Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

(Eka von Kalben)

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich nicht nur der Regierung und meinen Koalitionspartnern, sondern auch der Opposition, hier insbesondere der SPD, danken. Wenn wir es an dieser Stelle nicht gemeinsam gemacht hätten - die Nachtragshaushalte, auch mit den im Wesentlichen sehr staatstragenden Worten von Ihnen, Herr Stegner -, hätte das nicht so gut funktionieren können. Deswegen gilt Ihnen auch unser Dank hier im Haus.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

- Natürlich gilt der Dank auch jenen, die nicht so groß sind, hier aber trotzdem staatstragend mitmachen: Vielen Dank, SSW!

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU - Zuruf Lars Harms [SSW])

Der heute vorgestellte Weg ist ein guter Weg, der Raum für Optimismus ermöglicht. Lassen Sie uns dabei trotzdem bitte alle besonnen bleiben und das Für und Wider konkreter Schritte gründlich abwägen. Nur so bleiben wir als Politik verlässlich, verantwortungsvoll und vertrauenswürdig. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat deren Fraktionsvorsitzender, der Abgeordnete Christopher Vogt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich danke dem Ministerpräsidenten für seinen Bericht. Die letzten Wochen waren - das meine ich nicht nur mit Blick auf Schleswig-Holstein, sondern insgesamt - politisch oft nicht einfach, weil die Rücknahme des Lockdowns alles andere als einfach ist, wie wir an sehr vielen Stellen sehen. Es gibt noch immer sehr viele Unsicherheiten. Die Abwägungen werden von Tag zu Tag schwieriger. Wir lernen jeden Tag dazu, und es gibt trotzdem noch unheimlich viel, was wir über dieses Virus und diese Krankheit nicht wissen. Es wurde schon auf die Wissenschaft hingewiesen. In der Tat gibt die Wissenschaft immer den aktuellen Stand wieder und ist sich fast nie einig. Es wäre auch komisch, wenn die Wissenschaftler alle auf dem gleichen Stand wären. Das liegt in der Natur der Sache.

Beim einen oder anderen Wissenschaftler wundere ich mich zwar, wie er zwischen den abendlichen Talkshow-Auftritten in verschiedenen Städten noch

zum Forschen kommt, aber es sind sicherlich sehr fähige Leute, die das alles organisiert bekommen. Richtig ist, dass wir auf die Wissenschaft hören müssen. Die Wissenschaft nimmt uns aber die Entscheidung nicht ab, sondern kann uns nur Ansätze bieten, nach denen wir dann entsprechend handeln können.

(Beifall FDP und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Trotz der unerwarteten Turbulenzen der vergangenen Woche macht die Landesregierung da einen wirklich guten Job - ich bleibe dabei. Ich möchte an dieser Stelle auch ganz herzlich der neuen Innenministerin und dem neuen Justizminister zum neuen Amt gratulieren und ihnen alles Gute wünschen. Ich möchte mich bei Hans-Joachim Grote für die Zusammenarbeit in den letzten Jahren bedanken und ihm persönlich alles Gute wünschen.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, Dr. Frank Brodehl [AfD] und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])

Ich glaube, dass es gut war, dass es eine schnelle Lösung gegeben hat. - Herr Ministerpräsident, es wäre schwerlich zu vermitteln gewesen, wenn man erst einmal lange auf die Suche hätte gehen müssen.

Für die kommende Zeit brauchen wir einen klaren Fahrplan. Ich bin froh, dass wir diesen gestern - zumindest mit Blick auf die nächsten Wochen - erarbeitet haben, damit es klare Perspektiven für die Menschen gibt. Es ist ganz entscheidend, dass sie klare Perspektiven haben, an denen sie sich orientieren und sich auf die Lebenssituation einrichten können.

Nach den ersten Rücknahmen der drastischen Maßnahmen in den letzten Tagen und Wochen treten wir in der Tat in eine neue Phase ein. Gelegentlich muss man daran erinnern: Wir haben es mit einer für viele Menschen sehr gefährlichen Krankheit zu tun. Das gerät manchmal in Vergessenheit. Wir haben dieses neuartige Virus mit sehr großen Anstrengungen sehr erfolgreich unter Kontrolle gebracht. Jetzt müssen wir es in den nächsten Wochen und Monaten unter Kontrolle halten, gleichzeitig die Grundrechtseingriffe schrittweise zurücknehmen und die gewaltigen wirtschaftlichen, sozialen und auch gesundheitlichen Folgeschäden bestmöglich minimieren.

Wir müssen unsere Lebensweise in der Tat noch eine ganze Weile an diese neue Situation anpassen. Statt pauschaler Verbote werden die Maßnahmen

(Eka von Kalben)

nun gezielter werden. Das gibt zum einen mehr Rechtssicherheit, in vielen Bereichen aber auch mehr Fairness. Wir dürfen uns aber nichts vormachen: Es wird trotzdem viele Diskussionen geben, warum einige Sachen erlaubt sind und andere nicht. Das wird so bleiben, auch wenn ich der Hoffnung bin, dass es jetzt mehr Transparenz und mehr Nachvollziehbarkeit geben wird.

Hygiene, vor allem Abstand und die Reduzierung unnötiger Kontakte bleiben enorm wichtig, weil dies ganz entscheidend dafür sein wird, dass wir erfolgreich bleiben. Die Kontaktbeschränkungen wurden auf zwei Hausstände verändert. Das halte ich für sinnvoll. Es wird noch wichtiger werden, dass jeder Einzelne Verantwortungsbewusstsein zeigt, um sich und andere zu schützen. Jeder Einzelne trägt Verantwortung für den Erfolg der Pandemiebekämpfung. Das müssen wir uns jeden Tag, immer wieder, vergegenwärtigen, weil viele Menschen leichtsinnig werden.

Wir sehen es jeden Tag, zum Beispiel beim Einkaufen. Ich halte die Maskenpflicht als milderes Mittel für sinnvoll. Wir müssen trotzdem schauen, dass die Menschen den Abstand einhalten. Ich merke es, wenn ich einkaufen gehe, immer wieder: Die Maske führt - zumindest bei einigen Menschen - dazu, dass sie sich in einer Sicherheit wiegen, die es so nicht gibt. Der Abstand bleibt ganz wichtig, ebenso wie die Hygiene.

(Beifall FDP, SPD und Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Gesamtziel muss natürlich sein, dass wir schnellstmöglich zum eigentlichen Normalzustand zurückkehren können. Bis dahin wird es aber wohl leider noch ein weiter Weg sein. Ausdrücklich möchte ich dennoch nicht von einer neuen Normalität sprechen. Es muss klar sein, dass alle verbliebenen Grundrechtseingriffe gut begründet und so schnell wie möglich zurückgenommen werden müssen, soweit dies verantwortbar ist.

(Beifall FDP)

Unsere Freiheit ist kein Zugeständnis der Exekutive an die Bürgerinnen und Bürger, sondern uns allen durch unsere großartige Verfassung garantiert. Wir Menschen müssen so frei leben können, wie es verantwortbar ist. Das muss in den nächsten Wochen und Monaten die Richtschnur sein. Daran darf es keinen Zweifel geben.