Unsere Freiheit ist kein Zugeständnis der Exekutive an die Bürgerinnen und Bürger, sondern uns allen durch unsere großartige Verfassung garantiert. Wir Menschen müssen so frei leben können, wie es verantwortbar ist. Das muss in den nächsten Wochen und Monaten die Richtschnur sein. Daran darf es keinen Zweifel geben.
Natürlich ist es so - das wurde schon angesprochen -, dass jede große Krise auch Spuren in der Gesellschaft hinterlassen wird. Wir müssen vor al
lem die Spaltung der Gesellschaft verhindern. Ich meine damit nicht nur die sozialen Verwerfungen, die problematisch genug sind, sondern auch den Umgang miteinander in unserer Gesellschaft, der in den letzten Jahren ohnehin schon rauer geworden ist. Es gibt noch immer sehr viel Solidarität und Dankbarkeit untereinander.
Die zunächst sehr hohe Akzeptanz des Lockdowns beziehungsweise einzelner Maßnahmen - laut Umfragen anfänglich über 90 % - hat nun aber spürbar abgenommen. Die Meinungen gehen nun weiter auseinander. Das ist in einer Demokratie an sich nichts Ungewöhnliches oder Schlimmes, wir spüren aber doch jeden Tag, dass viele Menschen sehr ungeduldig sind, weil es um ihre Existenz geht. Sie wollen wieder arbeiten können und ihre Kinder betreut bekommen. In meinem persönlichen Umfeld erlebe ich aber auch, dass andere Menschen - vielleicht gerade auch mit Vorerkrankungen - große Sorge vor der zu schnellen Rücknahme der Verbote haben. Das macht es uns unheimlich schwierig - ich merke es im persönlichen Umfeld -, da die Diskussionen sehr schnell sehr heftig werden können. Hier die richtige Balance zu finden, ist sehr schwierig. Wir haben einige Zielkonflikte, die nicht aufzulösen sein werden. Wir müssen aber unnötige Diskriminierung vermeiden. Das ist die große Herausforderung.
Seit gestern gibt es in Bezug auf die Maßnahmen einen Paradigmenwechsel. Das sollte man nicht verschweigen: Das war ein Stück weit eine Änderung der Strategie gestern, die aber richtig ist. Es dient alles dem Zweck des Infektionsschutzes. Mildere Mittel sind dabei vorzuziehen. Es kommt nicht nur auf die Maßnahmen selbst, sondern vor allem auf deren Kommunikation an. Das haben wir in den letzten Tagen gemerkt: Aus einigen Bundesländern kamen Nachrichten über neue Maßnahmen, die teils sehr heftig kritisiert wurden. Ich fand dabei gar nicht die Maßnahmen an sich so schlimm, sondern suboptimal, wie es kommuniziert wurde. Es gab bundesweit für viele Menschen ein diffuses Bild. Das war keine klare Kommunikation.
Meines Erachtens brauchen wir eher noch mehr Diskussion über die Frage, was sinnvoll ist. Dies sollte stets respektvoll geschehen. Auch hier trägt jeder Einzelne Verantwortung. Fake News müssen wir bekämpfen, aber nicht jeder Zweifel und jede
Herr Dr. Stegner, Herr Harms, wir haben hier mit der Opposition einen Grundkonsens, der für das Vertrauen der Bevölkerung extrem entscheidend ist. Allerdings ist der Austausch in den letzten Tagen und Wochen lebhafter geworden. Das ist richtig so. Man muss Herrn Stegner zugestehen, dass er mitunter SPD-geführte Bundesländer härter kritisiert als die Landesregierung in Schleswig-Holstein, wenn das notwendig ist. Das ist auch in Ordnung.
Ich möchte ganz deutlich sagen, Herr Dr. Stegner: Ich habe mich über einige Punkte geärgert. Wir haben uns in den sozialen Medien am Wochenende dazu gelegentlich ausgetauscht. Sie haben Ihre Kritik an den Sonntagsöffnungen heute nicht wiederholt. Natürlich kann man diese Kritik vortragen, aber Sie haben gesagt, die Landesregierung habe hier neue Infektionsfälle provoziert. - Ich bin dankbar dafür, dass Sie das nicht wiederholt haben. Bei allen Maßnahmen muss man aufpassen, dass man dem Gegenüber nicht Fahrlässigkeit oder gefährliche Aktionen vorwirft. Es ist völlig in Ordnung, wenn man dagegen ist: Man kann dagegen oder dafür sein.
Ich bin der Meinung, auch wenn das viele nicht wahrgenommen haben, dass die Maßnahme zur Entzerrung nicht schlecht war. Man muss aber sehen, der Einzelhandel befindet sich nach der Öffnung noch nicht in der Situation, dass jetzt alle Leute shoppen gehen wollen, sondern sie sind sehr zurückhaltend. Der Einzelhandel läuft nur zu rund 40 %. Wir merken, dass es da Zurückhaltung gibt. Deshalb bestand nicht die Gefahr, dass sich die Innenstädte sozusagen vor Leuten kaum retten konnten.
Es ist wichtig, die Gewaltenteilung wieder so herzustellen, wie sie gedacht ist. Das gilt auch für das Parlament. Wir merken, dass die Gerichte insgesamt kritischer werden, weil sich die Situation verändert hat.
Dank des erfolgreichen Krisenmanagements Schleswig-Holsteins und darüber hinaus können nun viele Bereiche wieder öffnen. Ich begrüße es sehr, dass mittlerweile Konsens darüber herrscht, dass regionale Unterschiede richtig und notwendig sind. Die bundesweite Abstimmung ist aus meiner Sicht jetzt etwas herausgeschoben worden, ist aber wichtig. Das kann aber immer nur eine Orientierung sein. Wir sprechen hier weitestgehend über die Zuständigkeit der einzelnen Bundesländer.
Die Ministerpräsidentenkonferenz ist kein Verfassungsorgan, sondern ein Abstimmungsgremium. Die Länder haben jetzt nicht - wie teilweise berichtet wurde - die Zuständigkeit vom Bund übertragen bekommen, sondern sie hatten sie schon immer. Es gab auch schon immer sehr unterschiedliche Maßnahmen.
(Beifall FDP, SSW, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])
Auch gestern habe ich wieder gehört, die Bundeskanzlerin habe verkündet, was die Bundesländer jetzt machen dürften. Das ist so nicht in unserer Verfassung vorgesehen. Darauf sollte man achten. Es ist richtig, dass regional teilweise unterschiedlich entschieden wird und im Zweifel gezielt lokaler eingegriffen wird, wo Probleme auftauchen. Ich glaube, diese zielgerichteten Maßnahmen sind richtig. Wenn örtlich ein Problem auftaucht, ein stark gesteigertes Infektionsgeschehen, dann muss auch gezielt darauf eingewirkt werden.
Insofern - das ist das, was die Öffnung besonders schwierig macht; ich sage es noch einmal sehr deutlich - sind die mangelnde Erkenntnis über viele Bereiche, wie sich das Virus noch verbreitet und wie sich die Krankheit auswirkt, auch die Langzeitauswirkungen dieser Krankheit, wichtige Themen. Es ist wichtig, dass wir auch in Schleswig-Holstein eine regionale Studie mit dem UKSH und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Borstel durchführen werden und dass Obduktionen durchgeführt werden, damit man gesundheitliche Schäden besser bewerten kann.
Meine Damen und Herren, das wichtigste Kriterium bleiben in der Tat die medizinischen Kapazitäten. Wir haben in Schleswig-Holstein massiv Intensivkapazitäten aufgebaut. Das hat in kürzester Zeit gut geklappt. Das war nicht einfach. Wir haben bisher sehr viel Glück gehabt; auch das muss man sagen. Wir haben jetzt immer mehr Clusterinfektionen. Die Heime sind ein Riesenproblem. Es ist dort natürlich besonders gefährlich. Ich finde es trotzdem richtig, Heiner Garg, dass wir auch dort eine sensible Besuchsregelung getroffen haben, denn die Einsamkeit der älteren Menschen ist ein Riesenproblem. Ich finde, es ist die schwierigste Frage, die wir derzeit zu lösen haben: Wie schaffen wir es, die Menschen in Heimen zu schützen und sie gleichzeitig vor Vereinsamung zu schützen? Das ist aus meiner Sicht sehr schwierig, aber auch sehr wichtig.
Das Management wird weiter verbessert. Die Gesundheitsämter arbeiten daran. Zum Glück gibt es neue Testverfahren. Die Tests müssen sinnvoll ausgeweitet werden. Die Rückverfolgung bleibt ein Riesenthema. Deshalb würde ich mich freuen, wenn auch endlich einmal die App auf den Weg gebracht wird - und zwar am besten sicher, anonym und auf europäischer Ebene.
Auch die Materialbeschaffung - gerade für die sensiblen Bereiche - bleibt eine Herausforderung, wobei wir dort Fortschritte machen.
Wichtig bleibt die Rücksicht vor allem auf Vorerkrankte und ältere Menschen. Die Kolleginnen und Kollegen haben es gesagt: Besonders wichtig sind die Familien, sind die Kinder in den Familien. Es gibt eine hohe Belastung vieler Familien. Das möchte ich sehr deutlich sagen. Ich habe selbst zwei kleine Kinder, die jetzt schon in die Notbetreuung durften. Es ist enorm wichtig für kleine Kinder, Kontakt zu anderen Kindern zu haben, nicht nur zu den Eltern. Wir haben auch darauf hingewiesen, dass es sinnvoll ist, möglichst den Kontakt zu den Großeltern zu vermeiden. Das heißt, diese sind in der Betreuung nicht eingesprungen, was sonst im Alltag oft der Fall ist.
Für Einzelkinder - das merke ich auch in meinem Umfeld -, die wochenlang nur mit ihren Eltern zu Hause waren, ist es gerade besonders schwierig. Das ist für Kinder und deren Entwicklung problematisch. Deshalb ist es gut, Heiner Garg, dass wir hierfür jetzt einen sinnvollen Stufenplan haben. Am 18. Mai 2020 gibt es weitere Schritte bezüglich der Ausweitung der kritischen Infrastruktur - die Berufe wurden genannt -, beispielsweise auf Hausmeister, Gesundheits- und Heilberufe.
Ab 1. Juni 2020 kommt dann die Betreuung für alle Kinder. Dabei will ich darauf hinweisen: in Kohorten, nicht alle gleichzeitig! Damit wir keine Missverständnisse haben: Nicht alle Kinder werden gleichzeitig betreut. Alle Kinder haben einen Anspruch auf eine Betreuung, aber es wird noch eine zeitliche Beschränkung geben müssen, weil das anders nicht zu organisieren sein wird.
Für die Schulen gilt Ähnliches. Das wird ebenfalls schrittweise passieren müssen. Ich möchte nur eins sagen: Beim digitalen Lernen ist in den letzten Wochen notgedrungen sehr viel passiert. Ich hätte mir das gern schon vor vielen Jahren gewünscht. Jetzt geben wir deutlich mehr Geld dafür aus. Aber das muss flächendeckend funktionieren. Ich merke, da
gibt es enorme Unterschiede, je nachdem, wie die Schule aufgestellt ist, wie die Lehrerinnen und Lehrer dort aufgestellt sind. Es muss mehr Geräte geben, damit wir mehr Chancengerechtigkeit haben. Es muss eine Weiterbildung und Fortbildung in dem Bereich geben. Aber es gibt Fortschritte. Wir werden alles dafür tun, damit das digitale Lernen wirklich besser funktioniert. Denn das muss noch eine Zeitlang ein wichtiger Bestandteil bleiben und auch darüber hinaus - das möchte ich an dieser Stelle ganz deutlich sagen.
Meine Damen und Herren, wir werden auch klare Perspektiven für die Hochschulen schaffen. Mensen werden zum 18. Mai 2020 geöffnet, Bibliotheken, kleine Präsenzveranstaltungen werden ermöglicht.
Ganz wichtig für unsere Wirtschaft ist natürlich der Tourismus. Auch hier ist der 18. Mai 2020 ein wichtiger Termin. Das ist ganz wichtig auch zur Vorbereitung in den Hotels, denn es wird weiterhin erhebliche Einschränkungen geben. Das haben die Kolleginnen und Kollegen schon gesagt. Das ist eine sehr wichtige Branche. Wir werden vor allen Dingen das Thema Menschenansammlungen haben. Deshalb ist es wichtig, dass wir den Tagestourismus ermöglichen, aber eben lokal begrenzen dort, wo an bestimmten Tagen massive Menschenansammlungen zu erwarten sind, vor allem in den Bäderorten. Deshalb kümmern wir uns um die Hotspots. Auch dort geht es darum: weg von pauschalen Verboten hin zu zielgerichteten Maßnahmen.
Ich möchte noch einmal eins sagen: Auch die Gastronomie ist extrem wichtig für Schleswig-Holstein. Auch dort wird es wie im Einzelhandel nicht sofort richtig losgehen. Es wird weiterhin eine wirtschaftliche Herausforderung für die Betriebe bleiben, insbesondere für kleine Betriebe schwierig werden. Insofern werden wir schauen, wie es dort mit den Existenzen in der Gastronomie weitergeht. Ich fürchte, es wird für viele Betriebe noch sehr, sehr schwierig bleiben.
Zum Sport möchte ich ganz kurz sagen: In der Tat hat das Thema Bundesliga die Wellen extrem hochschlagen lassen. Ich bin auch Fußballfan - anders als Herr Stegner allerdings von dem aktuellen Stadtmeister in Hamburg, vom FC St. Pauli.
Ich will nur eins sagen: Ich verstehe den Unmut vieler Menschen an der Stelle, weil sie sagen, das ist eine Ungleichbehandlung. Da gibt es eine große Lobby und so weiter. Für viele Menschen ist in der
Tat das Fußballerlebnis zumindest vor dem Fernseher wichtig. Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass es für viele Bundesligavereine - ich verstehe das mit den Fernsehgeldern - um die Existenz dieser Vereine geht. Die Vereine sind auch große Arbeitgeber. Das ist ebenfalls ein Punkt, den man beachten muss. Viele Menschen leben davon. Ich meine nicht in erster Linie die Fußballprofis, sondern die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Vereine. Die leben davon. Das sind große Wirtschaftsfaktoren für die Regionen. Das muss man auch beachten, lieber Kollege Kalinka.
Es gab viele Diskussionen zum Thema Kirchen. Die Religionsausübung ist ein wichtiges Grundrecht. Ich möchte einen Bereich dazu ansprechen: das Thema Trauerfeiern und Beerdigungen. Da hat für großen Unmut gesorgt, dass sie nur in begrenztem Rahmen stattfinden können. Auch dazu werden wir vernünftige Lösungen finden.
Ein letzter Punkt, den ich dazu ansprechen möchte, ist das Thema Kulturbereich. Veranstaltungen bleiben schwierig. Aber auch hier gibt es jetzt erste Perspektiven. Eine Ausnahme gab es schon, weil sie kontaktlos ist: Heute startet in meinem Wahlkreis die erste Vorstellung des Autokinos. Ich kannte das nur aus amerikanischen Spielfilmen aus den 50er- und 60er-Jahren. Das gibt es jetzt auch in Schleswig-Holstein. Wir brauchen auch für Kinobetriebe und Theater Perspektiven. Auch dort gibt es Lichtblicke, die wir gestern beschlossen haben.
Herr Dr. Stegner hat von uns gefordert, ein neues Regierungsprogramm vorzulegen. Ich fand das interessant und habe mir die Inhalte angeguckt. Ich habe festgestellt, Herr Stegner fordert von Jamaika mehr SPD-Politik. Es war an sich nicht richtig überraschend, dass Herr Dr. Stegner das einfordert.
Ich möchte aber ganz deutlich sagen: Unser Regierungsprogramm ist nach wie vor richtig. Wir werden uns aber an einigen Stellen anschauen müssen, dass wir weiterhin Investitionen tätigen, vielleicht auch noch stärker - aber das wird immer schwieriger mit der Verschuldung, die wir jetzt aufnehmen in die Zukunftsthemen investieren: in die Bereiche Weiterbildung, wenn wir auf den Arbeitsmarkt schauen; in das Thema Digitalisierung nicht nur an den Schulen, sondern nahezu in allen Bereichen. Wir müssen uns weiterhin parallel um die finanzielle Stabilität kümmern. Die Schulden, die wir jetzt aufnehmen, werden wir logischerweise zurückzah
Wir müssen bei der Wirtschaft darauf achten, dass wir für alle Branchen und Betriebsgrößen vernünftige Rahmen bekommen.
Ich finde es schon erstaunlich: Die Autoindustrie ist extrem wichtig, auch für Schleswig-Holstein, für andere Bundesländer aber noch viel, viel wichtiger. Dass jetzt aber schon wieder über Abwrackprämien gesprochen wird, halte ich für Nonsens. Das ist eine Wettbewerbsverzerrung, nichts anderes.