Protokoll der Sitzung vom 07.05.2020

(Ministerin Monika Heinold)

Meine Damen und Herren, dem Landtag liegt heute ein entsprechender Antrag vor, gestellt gemeinsam von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und dem SSW. Dass ist so eine große und breite Unterstützung für diesen Antrag gibt, das ist ein gutes Zeichen für unsere funktionierende Demokratie.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Es schafft Vertrauen, wenn die Menschen wissen, dass wir, dass der Staat, besonders in Notsituationen handlungsfähig ist, dass wir zusammenstehen, als demokratische Parteien miteinander diskutieren, Kompromisse finden, uns verständigen und dann gemeinsam handeln. Das ist ein gutes Signal. Vielen Dank dafür!

Wir befinden uns in einer Situation, die für viele Bürgerinnen und Bürger in unserem Land schwierig ist. Ob wirtschaftliche Einschränkungen, ob zu befolgende Regelungen, ob Einsamkeit, ob ein veränderter Alltag, ob eine belastende Arbeitssituation im Homeoffice mit gleichzeitiger Kinderbetreuung - für viele hat sich der gewohnte Alltag komplett auf den Kopf gestellt. Dies ist schon seit Wochen eine andauernde Situation, die den Menschen im Land viel abverlangt. Deshalb ist es so wichtig, dass wir als Politik, die ja diese Maßnahmen getroffen und zu verantworten haben, verlässlich dort helfen, wo geholfen werden muss.

Es ist gut, dass Bund und Länder überwiegend zusammenstehen. Ja, an der einen oder anderen Stelle sagen wir, da müsse der Bund mehr machen. Aber ich will an dieser Stelle auch sehr deutlich sagen: Die Bundesregierung hat schnell gehandelt, sie hat entschlossen gehandelt, sie hat Milliarden Euro freigemacht. Dafür sage ich im Namen der Landesregierung: Danke, liebe Bundesregierung für diese gute Unterstützung, allein hätten wir es nicht geschafft!

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Meine Damen und Herren, die Schulden, die wir aufnehmen, jeden einzelnen Euro, jeden einzelnen Cent, müssen wir zurückzahlen. Wir, unsere Kinder, unsere Enkel, über 20 Jahre! Vielleicht schaut jemand im Jahr 2041 in den Haushalt und sagt: Wofür bezahle ich da eigentlich? Dann sitzt da der Senior Petersdotter

(Heiterkeit)

und spricht von damals, von früher, von der Pandemie und sagt: Das ging nicht anders.

Es ist ganz, ganz wichtig, dass er auch sagen kann: Wir haben verantwortungsvoll gehandelt, wir haben uns Gedanken gemacht, und wir haben bei jedem Euro, den wir ausgegeben haben, sehr genau überlegt, ob wir das verantworten können, weil wir wussten, dass das Geld später zurückgezahlt werden muss.

Wir werden jetzt die Finanzplanung und die Haushalte auf diese Situation ausrichten, auf die Tilgung, auf die erhöhten Zinsen, die auf uns zukommen. Wir wissen, dass das den Handlungsspielraum einschränkt. Auch das muss heute besprochen und gesagt werden.

Wir wissen, dass Schleswig-Holstein finanziell nicht auf Rosen gebettet ist und dass wir schon vor Corona immer wieder Schwierigkeiten hatten, all das auf den Weg zu bringen, was notwendig ist. Wir wissen auch nicht, ob die Summe reicht, die wir heute auf den Weg bringen. Wir wissen, dass die Steuerschätzung mit großen Einnahmeausfällen vor der Tür steht. Auch die müssen wir schultern. Wenn sie konjunkturell sind, sind das wieder Schulden, die zurückgezahlt werden müssen.

Aber wir sind handlungsfähig, und das ist das Gute. Unsere Landesverfassung ermöglicht es uns, flexibel zu handeln und entsprechend Hilfe auf den Weg zu bringen. Wir dürfen in Notsituationen, in schlechten Situationen, Schulden machen, sind aber zugleich verpflichtet, diese Schulden in guten Zeiten zurückzuzahlen. Nun ist es an uns als Politik, mit diesem Regelwerk der Landesverfassung klug umzugehen.

Für die Jamaika-Koalition kann ich sagen: Wir werden auch jetzt unseren Kompass und unseren Mut nicht verlieren. Die Sondervermögen sind gefüllt. Wir können weiter investieren in Bildung, in Digitalisierung, in Klimaschutz, in Nachhaltigkeit, in Verkehrsinfrastruktur und in Gesundheit. Wir haben dafür gesorgt, dass wir auch jetzt handlungsfähig sind. Dennoch sagen wir auch hier an die Adresse des Bundes: Wenn wir nach der Krise in großen Schritten vorankommen wollen, um dieses Land weiter nach vorn zu bringen, um die Digitalisierung zu stärken, um den Klimaschutz nicht aus den Augen zu verlieren, dann brauchen wir bei großen Konjunkturprogrammen auch die Hilfe des Bundes für Programme, die in die Zukunft zeigen, nach vorne denken und die Dinge organisieren.

Die letzten Wochen waren auch für das Parlament nicht einfach. Umso mehr weiß ich das gute Miteinander im Finanzausschuss zu schätzen, in der Telefonkonferenz, die wir hatten, und auch in den Prä

(Ministerin Monika Heinold)

senzsitzungen. Ich bedanke mich bei der CDU, bei der SPD, bei den Grünen, bei der FDP und beim SSW für die ausgesprochen gute Zusammenarbeit. Mit dem Nachtragshaushalt tragen Sie alle heute dazu bei, dass wir es in Schleswig-Holstein schaffen können, gut durch die Krise zu kommen, alle Herausforderungen zu meistern. Deshalb bitte ich um Zustimmung für diesen Nachtragshaushalt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Die Ministerin hat die vereinbarte Redezeit um 5 Minuten überschritten. Diese Redezeit steht jetzt auch allen Fraktionen zu.

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende Jörg Nobis.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem heute vorgelegten 2. Nachtragshaushalt sollen die diversen Hilfen zur Abmilderung der Folgen der Coronaepidemie verdoppelt werden, von 500 Millionen € auf 1 Milliarde €.

Lassen Sie mich vorwegschicken, dass wir die Bereitstellung dieser Mittel für richtig halten. Die Aufstockung für Hilfsmaßnahmen um weitere 50 Millionen € auf dann 150 Millionen € ist ein wichtiger Schritt, sind doch viele, vor allem kleine und mittlere Unternehmen, vor existenzielle Herausforderungen gestellt. Tausende Arbeitsplätze sind in Gefahr.

Schleswig-Holstein ist in besonderem Maße betroffen, weil für uns der Tourismus so wichtig ist. Dieser Wirtschaftszweig ist in den vergangenen zwei Monaten fast vollständig zum Erliegen gekommen.

Auch ein weiterer großer Posten trägt einen wichtigen Anteil zur Abmilderung der Folgen dieser Pandemie bei, wenn auch an ganz anderer Stelle. 50 Millionen € zur Kompensation weggefallener Einnahmen in Kitas und 20 Millionen € in anderen Betreuungseinrichtungen helfen den ebenfalls gebeutelten Kommunen, die in Kürze ihren Moment der Wahrheit haben werden. Die Mai-Steuerschätzungen und ihr Runterbrechen werden einen ersten Ausblick auf das geben, was uns gerade auch bei den Gewerbesteuereinnahmen erwartet, auf die viele Kommunen nun einmal in besonderem Maße angewiesen sind. Da ist die geplante Entlastung ein richtiger Schritt.

Nicht zuletzt wollen Sie 40 Millionen € für den sogenannten Pflegebonus bereitstellen. Das ist Geld, das direkt bei denjenigen ankommt, die in dieser Krise an vorderster Front arbeiten und deren Arbeit sowieso nicht in angemessenem Umfang entlohnt wird. Auch das ist richtig.

Darüber hinaus sind leider auch größere Beträge notwendig, um vor allem Mehrbedarfe im Bereich des Infektionsschutzgesetzes abzudecken.

Wir begrüßen auch ausdrücklich die 400.000 €, die dem UKSH für die Durchführung von Obduktionen zur Verfügung gestellt werden sollen. Die weitere Erforschung des Virus und auch der Krankheitsverläufe ist essenziell, um in der Zukunft Entscheidungen auf Basis besserer Datenlagen und Erkenntnisse treffen zu können, als dies bislang der Fall war.

Auf den letzten Drücker haben Sie aber im letzten Finanzausschuss noch Änderungen in den Nachtragshaushalt eingebracht, die Fragen aufwerfen. Sie wollen weitere Millionen Euro zusätzlich für Flüchtlinge ausgeben. Das ist zum einen dem in den Landeseinrichtungen notwendigen Infektionsschutz geschuldet und insoweit auch unproblematisch. Problematisch ist aber, dass Sie noch gestern im Ausschuss behauptet haben, es gebe nicht mehr Flüchtlinge. In der Drucksache steht aber etwas ganz. Demnach wollen Sie die Erstaufnahmeeinrichtung im Levo Park in Bad Segeberg unter anderem deshalb wiedereröffnen, weil Sie - ich zitiere aus der Drucksache „angesichts der Coronapandemie mit weiteren Zuwanderungen“ rechnen.

Weitere Zuwanderungen heißt erstens, dass es sich um zusätzliche Personen handelt, und zweitens, dass es sich um Personen handelt, die ganz überwiegend keinerlei Anspruch auf Asyl in Deutschland haben werden.

(Lars Harms [SSW]: Woher wollen Sie das wissen? Die sind doch noch gar nicht da! - Weitere Zurufe SPD)

Anstatt Abschiebungen zu forcieren, fördern Sie weiter die illegale Zuwanderung. Das muss ich so deutlich sagen. Touristen aus Hamburg, selbst Fahrradfahrer, wurden an der Landesgrenze abgewiesen. Zweitwohnungsbesitzer wurden aus ihren eigenen Häusern geworfen. Gleichzeitig hält diese Landesregierung es für ganz selbstverständlich, weiterhin jeden illegalen Wirtschaftsmigranten ins Land zu lassen und bis zum Sankt-Nimmerleinstag hier zu versorgen.

(Sandra Redmann [SPD]: Das ist widerlich! - Weitere Zurufe CDU, SPD und FDP)

(Ministerin Monika Heinold)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, einige der Ausgabepositionen sind aus unserer Sicht also problematisch.

(Dennys Bornhöft [FDP]: Ihre Rede auch!)

Dazu kommt noch ein weiterer eher grundsätzlicher Punkt. Als Sie, sehr geehrte Frau Heinold, erstmals vortrugen, wie den Regelungen der Schuldenbremse in unserer Landesverfassung Rechnung getragen werden solle, wie also insbesondere in dieser Ausnahmesituation die notwendigen Ausgaben finanziert werden sollen, da sagten Sie noch, die Finanzierung sei nur über Kredite möglich. - Soweit fast richtig, aber dazu komme ich gleich noch. Diese sollten dann über zehn Jahre zurückgezahlt werden. Das betrifft von 1 Milliarde € immerhin 700 Millionen €, also eine strukturelle Einsparung in Höhe von 70 Millionen € über zehn Jahre. Das waren Ihre ersten Aussagen dazu.

Da waren ich doch dann arg überrascht, als Sie mit der Vorstellung des 2. Nachtragshaushaltsgesetzes diese Frist mal eben verdoppelt hatten, die jetzt notwendigen Kredite also über 20 Jahre abstottern wollen. Dabei hat die jüngere Geschichte dieses Landeshaushalts doch vor allem eins gezeigt: Alle paar Jahre ereignet sich irgendeine Ausnahmesituation und nimmt Einfluss auf unsere Landesfinanzen.

Das waren die Finanzkrise, der Verkauf der HSHNordbank. All diese Ausnahmesituationen, die irgendwie alle paar Jahre wiederkommen, belasten den Landeshaushalt.

(Zurufe)

Vor diesem Hintergrund ist es nicht geboten, die Rückzahlung so weit in die Zukunft zu schieben. 12 Jahre ja, bei 15 Jahren könnte ich mir das vielleicht gerade noch vorstellen, aber 20 Jahre, da reden wir annähernd über eine Generation. Das halten wir nicht für erforderlich.

Wir haben schon einen Riesenberg an Schulden, und Sie packen die Coronamilliarde noch oben drauf. Das wird uns dann zu viel.

Das Ziel einer aus Vernunft geleiteten und zukunftsgewandten Haushaltspolitik muss doch sein, nicht dauerhaft über die eigenen Verhältnisse zu leben. Das Ziel muss sein, Schulden aufgrund außergewöhnlicher Belastungen so schnell wie möglich wieder zu tilgen und nicht in der Zwischenzeit fröhlich weiter zu konsumieren.

Das ist dann auch schon der zweite Schwachpunkt, über den wir hier zu reden haben. Sie wollen mit

der Tilgung erst im Jahr 2023 beginnen. Da fragt man sich: Warum nicht früher?

(Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

2021 wird als Anpassungsphase bei den Ausgaben sicherlich gebraucht werden. Aber was spräche gegen 2022? Ein Blick auf den Kalender zeigt, was dahinterstecken dürfte; 2022 sind in SchleswigHolstein Landtagswahlen. Ein halbes Jahr vorher im Haushalt die ganzen grün-bunten Projekte zusammenstreichen zu müssen, täte natürlich weh. Das ist dann natürlich wohl nur als Wahlkampfmanöver zu deuten.

(Bernd Heinemann [SPD]: Meine Güte, Ver- schwörung!)

Wir haben deshalb einen Antrag eingebracht, bereits ab sofort, ab heute, in dieses Haus Verantwortungsbewusstsein einziehen zu lassen. Wir verstehen es als unsere Verantwortung vor den Bürgern Schleswig-Holsteins, vor unseren Kindern und zukünftigen Generationen, nicht noch mehr Schulden weiter in die Zukunft zu verlagern.

(Beifall Dr. Frank Brodehl [AfD])

Wir müssen heute anfangen zu sparen und den Haushalt daraufhin durchzugucken. Wir fordern die Landesregierung daher auf: Fangen Sie unmittelbar an, die Einzelpläne der einzelnen Ressorts zu durchkämmen und alle Ausgaben auf den Prüfstand zu stellen, die nicht essenziell sind. Das würde übrigens jeder Unternehmer genauso tun.