Protokoll der Sitzung vom 08.05.2020

(Beifall FDP)

Wir haben im Landtag ja hart gerungen und gemeinsam einen Kompromiss gefunden und verabschiedet. Dieser Kompromiss - die 3 Millionen € nachträgliche Anschubfinanzierung für die Kammer und die Vollbefragung der Mitglieder - wird von Ihnen diskreditiert.

Herr Abgeordneter Bornhöft, gestatten Sie eine Bemerkung der Frau Abgeordneten Pauls?

Vielen Dank. - Als Erstes hätte ich die Kollegin Bohn vorhin fragen wollen, ob wir, weil Frau Rathje-Hoffmann das angeboten hat, beide Anträge an den Ausschuss überweisen können.

(Widerspruch Katja Rathje-Hoffmann [CDU])

- Doch, du hast gesagt, wir könnten diskutieren, aber nicht an dieser Stelle. Dann bin ich davon ausgegangen, dass das im Ausschuss passiert.

(Zurufe)

Frau Abgeordnete Pauls, Sie können jetzt eine Bemerkung oder Frage an den Abgeordneten Bornhöft richten. Frau Rathje-Hoffmann, es ist nicht möglich, dass wir hier jetzt eine Diskussion im Plenum führen. - Frau Pauls, Sie haben das Wort.

Wir alle haben gestern dem Corona-Artikelgesetz zugestimmt. Ist Ihnen bewusst, worüber Sie da abgestimmt haben? Es geht darum, dass wir von der Pflegeberufekammer die Daten der Mitglieder bekommen, um ihnen die Bonusse auszahlen zu können. Hätten wir in Schleswig-Holstein keine Pflegeberufekammer, wie hätten Sie dann die Daten der gesamten Pflegekräfte bekommen?

Dann habe ich noch eine weitere Frage: Warum, in aller Welt, haben Sie als regierungstragende Fraktion einen kammerfeindlichen Verein in Niedersachsen für die Anhörung benannt statt den Pflegerat und die Pflegeberufekammer in Schleswig-Holstein?

Zum ersten, Frau Birte Pauls: Wir würden mit den Datensätzen von bis zu 27.000 Pflegefachkräften, die Kammermitglied sind, so umgehen, wie wir mit den restlichen mehreren Tausend umgehen, deren Daten der Pflegeberufekammer qua Gesetz nicht vorliegen, denen wir aber trotzdem den Bonus zahlen wollen. Ich hoffe, dass Sie verstanden haben, dass wir nicht nur Pflegefachkräften diesen Bonus zur Verfügung stellen wollen, sondern zum Beispiel auch den Pflegehelferinnen und Pflegehelfern. Die sind nicht Mitglied, die Datensätze liegen der Pflegeberufekammer überwiegend nicht vor. Darum müssen wir uns kümmern.

Es ist eine Erleichterung für das Sozialministerium, dass dort diese Datensätze entsprechend vorliegen, aber auch sonst hätten wir es regeln müssen, weil es eben nur 27.000 von einigen Tausend mehr sind. Wir haben da unterschiedliche Zahlen, ich habe die Zahl 35.000 von Stand 2017, es sind sicherlich mehr geworden. Das ist weiter ein administratives Problem. Ja, es ist eine kleine Erleichterung, das ist aber bei Weitem nicht der Weisheit letzter Schluss.

Für die Anhörung haben wir einen Verein benannt, der in Schleswig-Holstein sitzt und dazu eine entsprechende Meinung hat. Die anderen wurden auch benannt. Doppelt- und Dreifachbenennungen kann man vornehmen, muss man aber nicht. Es ist ja nicht so, dass die, die Sie jetzt genannt hatten, nicht mit einbezogen wären.

(Beifall FDP und Katja Rathje-Hoffmann [CDU])

Für uns von den Freien Demokraten ist es besonders wichtig, dass es eine freie, selbstbestimmte Entscheidung der Pflegekräfte über ihren Berufsstand gibt. Deswegen ist der Kompromiss eine gute Sache. Ich hoffe, dass die Pflegekammer den Kompromiss des Gesetzgebers umsetzen wird. Auch die Eigenbestimmung, dass man als Mitglied selbst darüber befinden darf, ist gerade in dieser Frage eine Wertschätzung der harten Arbeit.

Um einmal über Schleswig-Holstein und Deutschland hinaus zu schauen: Das Vorhandensein einer leistungsfähigen Pflege- und Gesundheitsversorgung bewährt sich derzeit. Wir sehen doch gerade,

(Dennys Bornhöft)

wie viele andere Länder, die eine komplett verstaatlichte Gesundheitssystematik haben, funktionieren beziehungsweise leider - im Hinblick auf die Bevölkerung und die Personalausstattung - nicht funktionieren.

(Beifall FDP und CDU)

Gerade heute in den „Kieler Nachrichten“ gab es einen Artikel über Großbritannien mit dem NHS. Großbritannien hat jetzt leider die rote Laterne in der Coronakrise bekommen, es hat die meisten Todesfälle und Italien überholt.

(Beate Raudies [SPD]: Aber nicht nur wegen des NHS!)

- Nicht nur wegen des NHS, das stimmt.

Eine wichtige Lehre aus dieser Krise ist: Das sehr leistungsfähige deutsche Gesundheitssystem wollen wir weiterhin konsequent verbessern. Die internationale Presse beneidet uns nicht nur, Frau Raudies, um unser Gesundheitssystem, sondern auch um unsere politischen Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen - wenn man sich einmal Boris Johnson anguckt, der auch einen großen Anteil daran hat, wie es in Großbritannien läuft.

(Beifall FDP - Beate Raudies [SPD]: Nichts anderes habe ich gesagt!)

- Ja. Ich hoffe, Sie haben die Antwort darauf gekriegt, die Sie in dem Fall wahrscheinlich sogar hören wollten.

(Zuruf Beate Raudies [SPD])

Es geht um die Ausstattung unseres Gesundheitssystems mit öffentlichen, aber auch privaten Anbietern und einer hohen Expertise aller Beschäftigten, die wir hier in Deutschland haben. Die sozialdemokratische Forderung, private Gesundheitsanbieter zu verdrängen und alle zu verstaatlichen, die immer wieder vorgetragen wird, würde die Gesundheitsversorgung unserer Meinung nach eher schwächen. Wir brauchen einen Mix.

(Zurufe SPD)

Wir sehen in anderen Ländern, dass ein System allein nicht erfolgreich ist. Sozusagen eine komplette Revolution ist mit uns Freien Demokraten nicht zu machen. Die Pflegefinanzierung muss reformiert werden, sie muss breiter aufgestellt werden - unter Beibehaltung der Vorteile, die wir in Deutschland haben.

Schließen möchte ich mit einem ausdrücklichen Dank an alle Akteure des Gesundheitswesens, die

uns so sicher durch die Krise bringen. - Vielen Dank!

(Beifall FDP, CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Claus Schaffer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Wertschätzung der Pflegekräfte, die aus Gesellschaft und Politik jetzt während der Coronakrise bekundet wird, ist mehr als angebracht und ein sehr gutes Zeichen. Wohlklingende Worte allein reichen jedoch nicht: Anerkennung muss sich auch in klingelnder Münze wiederspiegeln - wobei das Knistern von Geldscheinen hier sicherlich ergiebiger und begehrter sein dürfte.

Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Beschäftigten in der stationären und ambulanten Pflege eine finanzielle Unterstützung von bis zu 1.500 € erhalten sollen. Das ist schon einmal ein großartiges Signal. In Zeiten von Corona steigt die Belastung zusätzlich: Pflegekräfte schultern jetzt noch mehr Verantwortung und Arbeit und müssen eben genau dieses riesige Arbeitspensum bewältigen. Sie tun dies mit Blick auf die älteren und pflegebedürftigen Menschen, sie tun es gern und aus Liebe zu ihrem Beruf. Dafür gebührt ihnen unser Dank und unsere Anerkennung.

(Beifall AfD)

Auch wir unterstützen grundsätzlich die Forderung nach besseren, höheren Löhnen in der Pflegebranche. Insofern unterstützen wir auch den Antrag der Jamaika-Koalition, der hier eine Verbesserung der Rahmenbedingungen insgesamt zum Inhalt hat.

Wieder einmal bleibt die SPD sich und ihrer sozialistischen Linie treu und bringt zum wiederholten Male die Forderung nach Einführung eines flächendeckenden Tarifvertrages auch in der Altenpflege ein. Zudem solle das Land sich für tarifliche Lohnsteigerungen starkmachen, wie es im Antrag heißt. Diese bei jeder sich bietenden Gelegenheit immer wieder vorgetragene Forderung der SPD ist politischer und wirtschaftlicher Unsinn. In Deutschland haben wir eine im Grundgesetz verankerte Tarifautonomie. Das ist das Recht der Tarifparteien - Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände -, Vereinbarungen frei von staatlichen Eingriffen über Arbeitsund Wirtschaftsbedingungen, insbesondere Tarif

(Dennys Bornhöft)

verträge über Arbeitsentgelt und Arbeitszeit abzuschließen. Hierbei sollten wir es belassen, denn was bedeutet die Forderung der SPD in der Praxis? - Sie bedeutet, dass die Bedürfnisse von Pflegeeinrichtungen in kommunaler, privater oder kirchlicher Trägerschaft sowie von gemeinnützigen Trägern unter einen Hut gebracht werden müssten, obwohl diese zuweilen vollkommen unterschiedliche Strukturen haben.

Vollkommen zu Recht hat daher der Arbeitgeberverband Pflege, der die privaten Träger repräsentiert, davor gewarnt, dass bei Abschluss eines allgemeinverbindlichen, für alle Träger geltenden Tarifvertrages die Kosten für die Pflegebedürftigen steigen würden. Dieser SPD-Tarifvertrag würde sich insbesondere in höheren Zuzahlungen für die Eigenanteile der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen niederschlagen. Das kann doch nicht unser Ziel sein. Die beharrliche Forderung der SPD nach einem einheitlichen, quasi staatlich verordneten Tarifvertrag verstößt eklatant gegen das Tarifvertragsgesetz und auch gegen den durch das Pflegelöhneverbesserungsgesetz neu eingeführten § 7a des Arbeitnehmerentsendegesetzes.

Beide gesetzlichen Regelungen stellen auf das Einvernehmen beziehungsweise den gemeinsamen Antrag der Tarifvertragsparteien ab, einen Tarifvertrag für allgemeinverbindlich zu erklären. Noch einmal: Das sind die Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaften. Diese Rolle darf nicht durch staatliche Einmischung geschmälert werden.

Bei der SPD scheint es so zu sein, dass sie sich nach und nach von ihrem eigenen Grundsatzprogramm entfernt. Ich zitiere auszugsweise:

„Tarifautonomie ist ein zentraler Bestandteil der Demokratie. Wir werden sie gegen jeden Angriff verteidigen. Tarifverträge, die die Rechtsstellung der einzelnen Arbeitnehmer sichern und stärken, erfordern starke streikfähige Gewerkschaften.“

(Zuruf SPD)

Von diesen starken Gewerkschaften bleibt nicht mehr viel übrig, wenn der Staat immer mehr die Aufgaben dieser Gewerkschaften übernimmt.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Sie reden einen Un- sinn! - Zuruf Birte Pauls [SPD])

Eine SPD, die diesen sozialistischen Weg immer weiter beschreitet - und einen solchen Weg würden wir dann gehen -, ist in diesem Land für die Pflegefachkräfte eben nicht die Heilsbringerin, als die sie sich hier gern darzustellen versucht.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das ist Lärmbelästi- gung, was Sie hier machen!)

Ähnlich verhält es sich mit dem Antrag der SPD und der Forderung nach weiterer Anhebung des Pflege-Mindestlohnes. Zum einen hat sich die Pflegekommission erst am 28. Januar 2020 auf höhere Mindestlöhne für die Beschäftigten in der Altenpflege geeinigt, zum anderen ist auch dies originäre Aufgabe der Pflegekommission, zu der jetzt sogar Vertreter der kirchlichen Arbeitgeber, aber auch die Vertreter der Gewerkschaften gehören. Wann immer die SPD etwas fordert, geht es um staatliche Einmischung und Bevormundung - sei es in der Kinderbetreuung, in der Schulbildung, im Internet oder jetzt bei der Tarifautonomie in der Pflege. Das wollen wir nicht, deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab. - Vielen Dank.