Protokoll der Sitzung vom 18.06.2020

Ich finde daher, dass Sie Nebelkerzen werfen, wenn Sie sagen, es gebe hier kein Konzept. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort für die Landesregierung hat der Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung, Jan Philipp Albrecht.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich vielem von dem, was die Vorrednerinnen und Vorredner geäußert haben, zustimmen und betonen, dass es schon besonders ist, mit welch hohem Einsatz wir gerade hier aus Schleswig-Holstein diese Debatte mit Blick auf das Tierwohl und den Tierschutz auf allen Ebenen voranbringen. Wir machen dies zu Recht, denn die Umfragen zeigen deutlich - das schon dauerhaft -, dass eine ganz große Mehrheit der Bevölkerung ein hohes Maß an Tierwohl erwartet, auch und gerade in der Nutztierhaltung. Es wird auch erwartet, dass sich da etwas verändert.

Mittlerweile muss man aber auch sagen: Auch ein ganz großer Teil der Landwirtinnen und Landwirte will dieses Ziel erreichen. Die Landwirtinnen und Landwirte, die hier im Land produzieren, haben kein Interesse daran, die Tiere, die gehalten werden, unter tierwohlungerechten Bedingungen zu halten, sondern an dem Punkt voranzukommen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Klar ist aber auch, dass wir zwei Entwicklungsstränge haben, die es uns dabei unglaublich schwermachen, diese Ansprüche einzulösen und die uns in Deutschland in eine unglaublich schwierige Situation bringen. Ich will das einmal erläutern.

Wir haben einerseits einen gemeinsamen europäischen Binnenmarkt, in dem Deutschland als eines der Länder steht, die den Tierschutz schon früh in einem sehr hohen Maße im Tierschutzgesetz verankert haben. Aufgrund der hohen Zustimmung zu diesem Politikbereich und den Zielen, die damit verbunden sind, hat Deutschland sogar im Grundgesetz das Staatsziel Tierschutz verankert. Gleichzeitig ist in der Zwischenzeit, während wir dies gesetzlich und sogar im Grundgesetz verankert haben, wenig mit Blick auf die Frage passiert, dass diese Standards auch innerhalb des gesamten europäischen Binnenmarktes mit als Standard verankert werden.

Die Bundesregierung hat sich in den letzten 15 Jahren meines Erachtens auf europäischer Ebene nur in geringem Maße mit einem positiven Einsatz für gemeinsame Ziele auf Grundlage der in Deutschland geltenden Mindeststandards eingesetzt, sondern häufig eher dafür gesorgt, dass diese nicht zustande kommen und beispielsweise in den Verhandlungen zu internationalen Handelsabkommen entsprechende Mindeststandards nicht verankert werden.

Das ist ein Problem für die hiesige Landwirtschaft und die hiesigen Betriebe,

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

denn sie sind seit einigen Jahren einem enormen Preisdruck ausgesetzt, dem sie mit den hohen Standards, denen sie nachkommen wollen, hierzulande nur noch schwer gerecht werden können. Dieses Problem müssen wir adressieren, und deswegen adressieren wir es in diesen Antrag.

Ich habe dazu eigentlich nur Zustimmung gehört. Insofern ist es richtig, dies an der Stelle weiter ernst zu nehmen und zu verfolgen. Auf europäischer Ebene muss man stetig, immer wieder, auf die Punkte drängen.

Das sehen wir auch beim Thema Tiertransporte, wo wir jetzt schon mehrere Agrarministerkonferenzen hatten und mehrere Initiativen - auch hier aus dem Landtag - in diese Richtung gesendet haben. Natürlich müssen wir da Partner und Verbündete suchen, die wir im Europäischen Parlament, aber auch in anderen Mitgliedstaaten und anderen Ländern hier in Deutschland finden. Ich glaube, dass wir da auch vorankommen werden. Das ist nichts Illusorisches, sondern das Thema steht dort schlichtweg auf der Tagesordnung.

Der zweite Punkt, warum wir Schwierigkeiten haben, ist, dass die rechtliche Verankerung dieser Ziele - zum Beispiel im Tierschutzgesetz - in den ver

(Bernd Voß)

gangenen 15 Jahren nicht unbedingt dazu geführt hat, dass dies auch in der Praxis der Rechtsumsetzung - gerade auf Bundesebene - seinen Niederschlag gefunden hat. Das heißt: Häufig wurden anstehende Anpassungen nicht durchgeführt oder aber aufgeschoben, häufig mit dem Gedanken, man tue den landwirtschaftlichen Betrieben damit etwas Gutes, um es einmal ganz vorsichtig zu sagen.

Das ist ein großer Fehler, der sich heute als schwere Last für die Betriebe darstellt. In der Zwischenzeit wurde in neue Ställe, in Umbauten und in Neubauten investiert. Viele dieser Neubauten wurden auf Grundlage alter Vorgaben geplant, die wir heute anpassen müssen, weil der politische und gesellschaftliche Druck da ist und weil Gerichte uns deutlich machen: Das habt ihr damals beschlossen, als ihr das Tierschutzgesetz auf den Weg gebracht habt, zum Beispiel beim Thema Kastenstand oder der Frage der betäubungslosen Kastration.

Jetzt sind wir gezwungen, diese Vorgaben umzusetzen. Das heißt, diese Situation hätte man vermeiden können, wenn man dort frühzeitig eingesetzt hätte. Jetzt sind wir in einem Dilemma. Die Betriebe stehen zum großen Teil mit dem Rücken zur Wand, mit jungen Betriebsleiterinnen oder Betriebsleitern, die jetzt übernehmen und sagen: Ich kann doch nicht auf 30 Jahre eine Investition tätigen, wenn ich nicht weiß, was in zwei bis fünf Jahren auf diesem Feld für Standards gelten und welche Gerichtsurteile möglicherweise nächstes Jahr kommen. Das geht so nicht.

(Beifall CDU und Oliver Kumbartzky [FDP] - Zuruf CDU: Genau so ist es!)

Deswegen - das ist der zweite Punkt, den wir hier adressieren - muss es darum gehen, dass wir den Umbau auf ein ambitioniertes Tierwohlniveau ermöglichen und finanzieren, das sowohl die gesetzlichen Rahmenbedingungen erfüllt als auch den gesellschaftlichen Anforderungen an die Landwirtschaft entspricht. Das ist eine echte Kraftanstrengung.

Wir sind uns dessen alle bewusst, und ich habe es hier bei allen herausgehört: Es muss etwas passieren, um den landwirtschaftlichen Betrieben diesen Umbau zu ermöglichen. Gleichzeitig muss aber klargemacht werden: Wir formulieren hier einen Tierwohlstandard, der dann auch für die nächsten 20 bis 30 Jahre hält. Das muss ein ambitionierter Standard sein.

Das ist übrigens der Grund, warum wir bei den Kompromissverhandlungen zum Kastenstand, so schwierig sie gerade aufgrund dieses Dilemmas

sind, eine erneute Verschiebung beschlossen haben - übrigens auf Antrag meiner Mitverhandlerin aus Nordrhein-Westfalen. Die 300 Millionen € sind natürlich eine Chance, einen zusätzlichen Baustein miteinzubauen, der es uns ermöglicht, zu sagen: Hier könnt ihr noch ein Stück sicherer gehen, dass ihr auf der sicheren Seite seid, wenn ihr jetzt in den Umbau investiert. Hier werdet ihr möglicherweise auf ein höheres Niveau gebracht, damit ihr auch eine Zukunftsperspektive habt, die hält und sich nicht beim nächsten Gerichtsurteil wieder in Luft auflöst.

Abschließend noch ein Wort zu dem, was Lars Harms gesagt hat. Es ist ganz wichtig: Natürlich muss sich das auch in der Frage widerspiegeln, wie wir die Förderung im Rahmen der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik neu sortieren. Das muss im Einklang stehen, wir müssen einen Gesamtansatz finden. Die 300 Millionen € beim Kastenstand - das erhoffe ich mir aus den Verhandlungen - können ein erster Grundstein für einen Umbaufonds werden, den wir später auf andere Herausforderungen unseres Umbaus in der Tierhaltung erweitern können.

Die Borchert-Kommission hat gezeigt, dass das erforderlich sein wird. Da wird ein deutlich größerer Beitrag notwendig sein. Diesen können wir dann so ausgestalten, dass wir möglicherweise zusätzliche Einnahmen durch eine Tierwohlumlage oder -abgabe generieren können. All diese Vorschläge werden dort diskutiert, und ich hoffe, dass wir dort jetzt ins Handeln kommen. Dazu braucht es jetzt den Anknüpfungspunkt. Deswegen müssen wir diese Verhandlungen intensiv weiterführen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP und SSW)

Der Minister hat die vorgesehene Redezeit um gut 3 Minuten erweitert. Diese stünde theoretisch noch allen Fraktionen zur Verfügung. - Ich sehe jedoch nicht, dass davon Gebrauch gemacht wird. Insofern schließe ich jetzt die Beratung.

Es ist beantragt worden, über den Antrag in der Sache abzustimmen.

(Kirsten Eickhoff-Weber [SPD]: Ich hatte Ausschussüberweisung beantragt!)

- Entschuldigung. Es ist zunächst beantragt worden, den Antrag Drucksache 19/2242 dem Umwelt- und Agrarausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Das ist mit den Stimmen von BÜND

(Minister Jan Philipp Albrecht)

NIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, CDU und AfD abgelehnt.

Es ist beantragt worden, über den Antrag in der Sache abzustimmen. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag Drucksache 19/2242 mit den Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, CDU, der Abgeordneten von Sayn-Wittgenstein und der AfDFraktion bei Enthaltung der SPD-Fraktion und der Abgeordneten des SSW angenommen.

Wir haben noch einen weiteren Punkt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf:

Bestellung der Mitglieder der G-10-Kommission gemäß § 26 a Absatz 2 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Schleswig-Holstein (Landesverfassungsschutzgesetz - LVerfSchG)

Wahlvorschlag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/2197

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Eine Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt ist nicht vorgesehen.

Ich lasse über den Wahlvorschlag abstimmen und schlage Ihnen hierfür offene Abstimmung vor. Widerspruch höre ich nicht, dann werden wir so verfahren.

Wer dem Wahlvorschlag, Drucksache 19/2197, den Abgeordneten Tim Brockmann zu wählen, seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist Tim Brockmann bei Enthaltung der Abgeordneten von Sayn-Wittgenstein und der AfD-Fraktion einmütig als stellvertretendes Kommissionsmitglied gewählt. - Herzlichen Glückwunsch.

Bevor Sie jetzt alle den Saal verlassen, möchte ich kurz darauf hinweisen, dass es eine Einladung zur „Halben Stunde der Besten“ gibt, die jetzt in der Halle im ersten Obergeschoss stattfindet. Dort wird ein kurzes Violinenkonzert gegeben. Ich würde mich sehr freuen, wenn einige Abgeordnete die Zeit finden würden, dort zugegen zu sein.

Ansonsten unterbreche ich die Tagung bis heute um 15 Uhr und wünsche eine angenehme Mittagspause.

(Unterbrechung: 13:02 bis 15:04 Uhr)

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich hoffe, dass Sie alle wohlbehalten aus der Mittagspause zurück sind. Ich möchte gern mit der Sitzung fortfahren und rufe Tagesordnungspunkt 22 auf:

Aufarbeitung der europäischen und deutschen Kolonialgeschichte in Schleswig-Holstein

Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/2005

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Zur Beantwortung der Großen Anfrage erteile ich der Landesregierung das Wort. Stellvertretend für die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat der Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung, Jan Philipp Albrecht, das Wort.

(Unruhe)

Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Meine Damen und Herren! Ich beantworte die Anfrage in Vertretung für Karin Prien, die bei der Konferenz der Kultusministerinnen und Kultusminister weilt.