Protokoll der Sitzung vom 22.09.2017

- Nein, das ist es nicht. Immer, wenn Sie das sagen, Herr Kubicki - das habe ich Ihnen schon einmal gesagt -, weiß ich, dass ich auf dem richtigen Pfad bin.

Sie versuchen, durch die Bildung eines liberalisierten Teilmarktes das weitreichende Verbot der Mehrheit der anderen Länder auszuhebeln, die Ihren Vorstellungen nicht folgen wollen. Genau das darauf wollen Sie wahrscheinlich hinaus - hat digiBet bereits versucht: die Inkohärenz auf Grundlage des alten schleswig-holsteinischen Sonderweges feststellen zu lassen und damit das Verbot bundesweit zu kippen. Ich zitiere das wegweisende Urteil des EuGH vom 12. Juni 2014, in dem steht, dass die Kohärenz nur deshalb nicht gefährdet war, weil

„die Anwendung dieser liberalen Regelung zeitlich auf weniger als 14 Monate und räumlich auf ein Bundesland begrenzt war.“

(Vereinzelter Beifall SPD)

Sie wollten es aber gar nicht auf 14 Monate begrenzen, Herr Kubicki. Im Umkehrschluss stellt der EuGH klar: Wenn wir die Regelung damals nicht rückgängig gemacht hätten, dann hätte eine zeitlich unbegrenzte Regelung sehr wohl die Kohärenz gefährdet.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Quatsch!)

- Das ist überhaupt kein Quatsch. Das ist Ihre sehr eigenwillige Interpretation.

Die Überraschung, sowohl für die Anhänger als auch für die Gegner des Glücksspiels war aber - und das betrifft den zweiten Teil des EuGH-Urteils -, dass es offenbar mehr als nur eines aus dem Glücksspielstaatsvertrag ausscherenden Landes be

(Hans-Jörn Arp)

durft hätte, um das Verbot bundesweit zu kippen. Insofern ist es natürlich folgerichtig, jetzt eine Koalition der Glücksspielwilligen zu bilden, um die beiden Kriterien, die der EuGH aufgestellt hat, zu kippen, nämlich dass es sich nur eine kurzfristige Regelung in einem lokal begrenzten Bereich, nämlich dem Bundesland Schleswig-Holstein, handelte.

(Christopher Vogt [FDP]: Was wollen Sie denn?)

Und das wird auch nicht dadurch besser, dass sich die SPD in Rheinland-Pfalz entschlossen hat, diesen Preis für die Ampel zu zahlen.

Das Sahnehäubchen aber ist, dass der Landtag schon einmal beschließen soll, dass wir den Staatsvertrag ablehnen, noch bevor er überhaupt das parlamentarische Verfahren erreicht hat.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Echte Demokratie ist das!)

Sie haben das doch schon in Ihrem Koalitionsvertrag drin. Dann brauchen Sie doch auch den Antrag nicht, wenn die Regelung nicht greifen soll. Trauen Sie Ihrer eigenen doch deutlichen Mehrheit nicht, die auch noch vom SSW verstärkt wird, den Staatsvertrag im ordentlichen Verfahren abzulehnen? Paraphiert ist er nämlich. Wird das der neue Stil? Noch bevor ein Gesetz überhaupt die Landtagsberatungen erreicht, sollen wir es ablehnen, ohne Beratung, ohne Anhörung? Nach meinem Geschmack ist das ein bisschen arg, nur um schnell eine 100Tage-Bilanz füllen zu wollen.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

- Herr Kollege Kubicki, Sie wollen, bevor ein Staatsvertrag zugeleitet ist, schon einmal eine Ablehnung herbeiführen. Das dürfte für den parlamentarischen Stil in Schleswig-Holstein einmalig sein. Das ist nur damit erklärbar, dass Sie noch einmal schnell etwas für die 100-Tage-Bilanz brauchen. Sie, ich und wir alle wissen doch, dass das Verhandlungsmandat des Ministerpräsidenten nicht von einer nicht bindenden Resolution für einen Gesetzentwurf abhängt. Sonst würden Sie auch die Geschäftsordnung aushebeln können.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

- Herr Kollege Kubicki, Sie können mir gern eine Zwischenfrage stellen, wenn Sie noch Informationsbedarf haben. Ihre Aufgeregtheit zeigt mir auch an dieser Stelle, dass wir nicht komplett falsch liegen.

(Beifall SPD)

Es bleibt dabei: Wir können hier im Parlament über alles reden.

(Zuruf Hans-Jörn Arp [CDU])

- Sie wollen es offensichtlich nicht, sonst würden Sie den Antrag nicht vorlegen. Wir können auch über Staatsverträge reden. Man kann sich auch immer einigen. Aber es geht nicht - das war in der letzten Legislaturperiode noch Konsens mit den Grünen, obwohl unsere Meinungen zum Thema Liberalisierung inhaltlich auseinandergehen -, dass wieder ein Teilmarkt gebildet werden soll und Menschen dadurch möglicherweise in die Falle rennen, wie zum Beispiel der Herr in Bayern, der dachte, das ist alles legal, weshalb sein Gewinn leider beschlagnahmt worden ist; er hat dann den Klageweg beschritten.

(Zuruf Hans-Jörn Arp [CDU])

- Herr Kollege Arp, Sie regen sich alle so auf. Meine Redezeit ist leider zu Ende. Sie wollten mir leider keine Zwischenfrage stellen. Insofern muss ich jetzt leider das Redepult verlassen.

(Beifall SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Rasmus Andresen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Spannendste an dem Redebeitrag von Herrn Dolgner war, dass er einen Positionswechsel beinhaltete. Er hat das Verfahren kritisiert, und er möchte nicht, dass Schleswig-Holstein einen Alleingang macht, wie das vor einigen Jahren der Fall war. Zum inhaltlichen Sachverhalt sprich: sich mit der Thematik Sportwettenlizenzen oder auch mit Onlineverboten auseinanderzusetzen - haben Sie nichts Kritisches gesagt; das hat Ihr Kollege Stegner vorher immer anders gemacht. Ich begrüße es, dass sich die SPD in dieser Debatte weiterentwickelt hat.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP - Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD])

- Melden Sie sich doch zu einem Dreiminutenbeitrag, Herr Kollege.

Für uns Grüne steht eines fest: Die deutsche Glücksspielpolitik hat versagt. Die Länder haben sich von Gerichtsurteilen treiben lassen und die Au

(Dr. Kai Dolgner)

gen vor einer wirksamen Glücksspielregulierung verschlossen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Dies zeigt sich zum Beispiel bei den Sportwetten. Urteil auf Urteil musste folgen, bis die Länder Veränderungen bei den Sportwettenlizenzen vornahmen. Die bisherige Regelung ist nicht nur aus rechtlichen Gründen, die uns unterschiedliche Gerichtshöfe immer wieder ins Stammbuch schreiben, problematisch, sondern auch aus inhaltlichen Gründen unsinnig.

Es muss fachlich definiert werden, nach welchen Kriterien Sportwetten zugelassen werden sollen. Die zahlenmäßige Begrenzung der Konzessionen für Sportwettanbieter soll nun zwar nach dem zweiten Glücksspieländerungsstaatsvertrag befristet aufgehoben werden, doch damit entstehen wieder neue Folgeprobleme. Beispielsweise würde das das Problem zwischen alten Anbietern und neuen Anbietern, die sich auf dem Markt etablieren wollen, nicht lösen.

Doch noch schlimmer ist der Umgang mit den Onlinespielen, nach dem Motto: Was wir nicht sehen, kann kein Problem sein! So habe ich Sie jedenfalls immer verstanden, Herr Stegner; auch in der letzten gemeinsamen Koalition. Hier wird leichtfertig die Entwicklung auf dem Onlinemarkt ausgeblendet. Wir Grüne glauben nicht daran, dass Probleme verschwinden, wenn man die Augen verschließt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Jeder, der online zocken möchte, kann dies über ausländische Angebote oder IP-Adressen tun. Der Markt wächst bei uns um über 30 %. Das selbstgesteckte Ziel des Glücksspielstaatsvertrages, den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken - so steht es im Glücksspielstaatsvertrag -, um Schwarzmärkten entgegenzuwirken, ist gescheitert. Die bisherige Verbotspolitik ist wirkungslos. Die Folge ist ein komplett unregulierter Onlinemarkt. Es gibt deshalb keine Sperrdateien, keine Einschränkung bestimmter Spielformen mit hoher Suchtgefahr und keinen wirksamen Jugendschutz, nichts davon! Das kann man doch nicht ernsthaft wollen.

Erst durch die Schaffung legaler Angebote beim Onlinespiel würde sich die Möglichkeit eröffnen, Onlinespiele überhaupt zu regulieren und Spielerschutz zu erreichen. Das ist jedenfalls die Position, die wir Grüne haben. Wir glauben nicht, dass Kom

plettverbote in der Suchtpolitik eine Lösung sein können, weder beim Glücksspiel noch in der Cannabispolitik. Wir stehen für grundlegende Änderungen in der Suchtpolitik. Das zeigt sich auch beim Glücksspielrecht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und vereinzelt CDU)

Der zweite Glücksspieländerungsstaatsvertrag ist ein Fortschritt, ohne Frage. Er ist besser als das, was wir jetzt haben. Er reicht aber aus unserer Sicht nicht aus. Dass er für den Onlinemarkt keine tragfähige Lösung bietet, habe nicht nur ich gerade schon erwähnt, sondern das wird uns auch von der EUKommission bescheinigt. Deshalb fordern wir unseren Ministerpräsidenten auf, die Glücksspielpolitik auf der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz auf Bundesebene neu zu verhandeln.

Hierzu möchte ich eines sagen: Herr Dolgner, was ist das eigentlich für ein Parlamentsverständnis? Wir sind ein paar Wochen von einer Ministerpräsidentenkonferenz entfernt, und Sie kritisieren, dass wir einen Antrag stellen, mit dem wir dem Ministerpräsidenten die Position des Parlaments mit auf den Weg geben. Ich habe Sie immer so verstanden, dass es Ihnen wichtig ist, dass das Parlament Einfluss nimmt. Ich freue mich, dass das in dieser Koalition so ist und dass der Ministerpräsident nicht einfach auf die MPK fährt und wir vielleicht gar nicht mitbekommen, was er da so macht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Über die Details der Ausgestaltung müssen wir natürlich noch intensiv beraten, sowohl in der Koalition als auch natürlich im parlamentarischen Verfahren. Das ist doch klar. Wir können uns in den Ausschussberatungen als Beispiel noch einmal Dänemark ein bisschen näher angucken. Das ist ein spannendes Beispiel. Dort wurde der Glücksspielmarkt in den letzten Jahren erheblich liberalisiert. Sportwetten und Online-Kasinos können seitdem ohne quantitative Begrenzung lizensiert werden, jedoch sind damit einige Auflagen verbunden, die genau dies leisten, und zwar in Kooperation mit Suchthilfeverbänden. Dort wird genau das gemacht, was ich eben gerade als grüne Position beschrieben habe.

Ich freue mich über diese Debatte. In Dänemark konnten dadurch im Ergebnis bis 2016 ungefähr 90 % des Online-Marktes wieder in den regulierten Bereich zurückgeholt werden. Bei uns sind 100 % unreguliert. Diese beiden Zahlen zeigen im Ver

(Rasmus Andresen)

gleich, dass es in der Glücksspielpolitik so nicht weitergehen kann.

Wir bitten um Zustimmen zu unserem Antrag. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)