Protokoll der Sitzung vom 26.08.2020

bleiben zu dürfen. Arbeits- und Verwaltungsgerichte haben diese Position mittlerweile vollumfänglich bestätigt. Von einer Herzlos-Politik kann deshalb überhaupt keine Rede sein, wenn eine Ministerin hier geltendes Recht umsetzt. Karin Prien hat das Herz am richtigen Fleck, denn sie denkt nicht nur an die Lehrkräfte, sondern insbesondere auch an die Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern.

Auch an dieser Stelle geht es darum, so viel Präsenzunterricht wie möglich sicherzustellen. Wenn wir möglichst viel Präsenzunterricht an den Schulen haben wollen, wenn wir wollen, dass Bildung alle Schülerinnen und Schüler erreicht, dann brauchen wir auch Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen, die vorne an der Tafel unterrichten.

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Gehen Sie mal in eine Grundschule rein! Da läuft das jetzt ein bisschen anders als früher! - Weitere Zurufe SPD)

- Die im Klassenraum in Präsenz unterrichten wenn Sie sich an dem Wort „Tafel“ stören. - Zwischen dem Anspruch auf gesundheitliche Unversehrtheit und dem Recht auf Bildung gilt es deshalb sorgfältig abzuwägen. Die Folgen eines laxen Umgangs mit Krankschreibungen hätten nämlich ansonsten Schülerinnen und Schüler sowie deren Familien zu tragen, weil wieder in erheblichem Maße Unterricht ausfallen würde und die Kinderbetreuung zu Hause geregelt werden müsste. Die schrillen Töne vonseiten der SPD sind deshalb auch bei dieser Frage vollkommen unangemessen.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, wir sind derzeit von einer Krise bisher ungekannten Ausmaßes betroffen. Mit einer solchen Situation gibt es bislang keine Erfahrungen und deshalb für sie auch noch in den Schubladen keine fertigen Konzepte und einfachen Lösungen. In dieser einmaligen Lage sind die Schulen in Schleswig-Holstein auf die Herausforderungen des Coronavirus so gut vorbereitet, wie es mitten in der Pandemie nur geht. Lehrkräfte, Schulleitungen, Bildungsministerium und die Ministerin persönlich haben dafür gemeinsam Fantastisches geleistet. Die allermeisten Lehrkräfte, Eltern sowie Schülerinnen und Schüler sind froh, dass es wieder Präsenzunterricht gibt. Das reduziert nicht nur die Betreuungsprobleme in den Familien, sondern sorgt vor allem dafür, dass unsere Kinder den bestmöglichen Unterricht erhalten. Genau darauf kommt es an.

Herzlichen Dank allen, die daran mitgewirkt haben. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Martin Habersaat.

Vielen Dank, Herr Präsident! - Meine Damen und Herren! Niemand hatte zu Jahresbeginn auch nur die entfernteste Vermutung, was da auf uns zukommen würde und wie weit das in unser tägliches Leben eingreifen würde, was Corona mit sich bringt auch und besonders in das Leben von Kindern und Jugendlichen. Die Situation - Herr Koch hat es gesagt - ist für uns alle neu gewesen, keiner von uns hatte eine Checkliste in der Schublade, von der er ablesen konnte, was man in solchen Situationen früher richtig und falsch gemacht hat und welche Fehler von damals man heute vermeiden muss.

Dass in einer solchen Situation Fehler gemacht werden, ist nicht vermeidbar. Auch andere Bildungsministerinnen und -minister aller Parteien stehen in der Kritik seitens der jeweiligen Opposition, seitens der Eltern, der Lehrkräfte und der Schülerinnen und Schüler. Wer aber noch vor wenigen Jahren die von der SPD benannte Bildungsministerin Wara Wende landesweit als Hexe plakatiert hat, sollte sich heute jedes moralische Tremolo verkneifen, wenn es um die Bewertung von oppositionellen Angriffen geht.

(Beifall SPD und SSW)

Es ist nicht nur das Recht der Opposition, Fehler der Regierung zu kritisieren und Alternativen zu skizzieren, es ist die Pflicht der Opposition.

Damit Klarheit herrscht: Wir ziehen nicht die persönliche Integrität von Frau Prien in Zweifel, sondern das, was aus unserer Sicht ihre falsche Politik ist. Wir erleben einen Vertrauensverlust von Schülerinnen und Schülern, von Eltern und von Lehrkräften in unser Bildungssystem. Diesen Vertrauensverlust gibt es nicht, weil die SPD die Bildungsministerin kritisiert oder sich fragt, warum der integre Innenminister gehen musste, aber die irrlichternde Bildungsministerin bleiben durfte.

(Zurufe CDU)

Diesen Vertrauensverlust gibt es, weil die Bildungsministerin - um im Bild zu bleiben - nach der Phase mit dem Hammer beim Tanz zu viele Soli und Pirouetten hingelegt hat.

(Tobias Koch)

(Beifall SPD und SSW)

Die Posse um das ohne Rücksprache mit Kabinett und KMK für einen Tag abgesagte Abitur in Schleswig-Holstein war das erste Beispiel. Wenn Führung und Verantwortung nicht stimmen, dann tritt man sich beim Tanzen unweigerlich auf die Füße. Frau Prien, aus unserer Sicht haben Sie die Schulen zu oft im Regen stehen und zu viele Probleme ungelöst gelassen.

(Beifall SPD und SSW)

Es gab Schulen in Schleswig-Holstein, die den Lernsommer aus Protest gegen den Umgang mit Ihnen boykottiert haben.

(Widerspruch CDU)

Die Arbeitsgemeinschaft der Landeselternbeiräte fühlt sich weder eingebunden noch ernst genommen. Das sind Alarmsignale. Die Musik ist aus, die Tanzfläche ist hell erleuchtet. Natürlich liegt es nahe, in so einer Situation mit einer Regierungserklärung zu einem Befreiungsschlag anzusetzen.

Herr Abgeordneter Habersaat, gestatten Sie eine Bemerkung des Herrn Abgeordneten von der Heide?

Herr Habersaat, ich würde von Ihnen gern wissen, welche Schulen konkret das getan und sich deshalb nicht am Lernsommer beteiligt haben. Wenn Sie so eine Behauptung in den Raum stellen, möchte ich das gern sehr genau wissen.

- Mir ist dazu beispielsweise ein Artikel der „Kieler Nachrichten“ bekannt, wo es um Kieler Schulen geht, mit denen Sie sich besonders gut auskennen. Ich habe aber auch bei anderen Schulen, unter anderem in Stormarn, genau diese Position in Gesprächen gehört.

(Beifall SPD und SSW)

Sie können sicher sein, dass ich jetzt nicht im Dialog eine einzelne Schule in die Pfanne hauen werde.

(Beifall SPD und SSW - Anita Klahn [FDP]: Da kann man schriftlich nachfragen! - Zurufe SPD: Das mach mal! - Unruhe)

Die Regierungserklärung als Befreiungsschlag und Perspektiven für unsere Kinder - das war versprochen, Herr Koch. Perspektiven für unsere Kinder: Hätten Sie sich doch einmal mit Perspektiven für unsere Kinder befasst! Stattdessen arbeiten Sie sich in dieser Situation 15 Minuten lang nur an der SPD ab! Das war eines Regierungsfraktionsvorsitzenden unwürdig.

(Beifall SPD und SSW)

Die größte Neuigkeit für mich heute Morgen war, dass es schon 37 bestätigte Coronafälle an Schulen in Schleswig-Holstein gibt. Frau Klahn hat gestern im Namen der Regierungsfraktionen noch von einstelligen Zahlen geredet.

(Anita Klahn [FDP]: Ja!)

Lassen Sie uns hart in der Sache diskutieren; ich habe sieben Themen mitgebracht.

Erstens: Maskenpflicht. Was ist denn der Unterschied zwischen einer dringenden Empfehlung zum Tragen einer Maske und einer Pflicht? In beiden Fällen sollen am Ende alle eine Maske tragen. Bei einer dringenden Empfehlung ist die Ministerin aber juristisch nicht haftbar; den Ärger haben andere, zum Beispiel Schulleitungen in Kiel und Schenefeld.

(Beifall SPD und SSW)

Statt mit Klarheit kamen die Schulen nun mit so einer Empfehlung aus den Ferien, zu der sie sich verhalten mussten, zu der in jeder Schule diskutiert und eine Lösung gefunden werden musste. Wenn die Schulleitung dachte: „Die Bildungsministerin empfiehlt das Tragen einer Maske im Unterricht, dann ordne ich das in Ausübung meines Hausrechts doch einmal an“, dann hatte sie falsch gedacht. Schlecht belüftete Klassenräume, gesundheitlich vorbelastete Lehrkräfte, das alles reicht nicht.

Inzwischen ist es verboten, das Tragen einer Maske im Unterricht anzuordnen. Dabei wäre doch gerade das logisch gewesen: erst maximale Sicherheit, dann regelmäßige Berichte zur Lage an den Schulen direkt an die Ministerin und schrittweise Lockerungen, wenn möglich. Stattdessen wurde die Expertise der Juristin Prien vor allem eingesetzt, um Rechtsicherheit für die Ministerin Prien zu schaffen.

Aber das ist bei Weitem nicht die einzige Herausforderung für Schulleitungen in diesen Tagen. Denn die Ablehnung einer Maskenpflicht auf der einen Seite wurde von einem harten Umgang mit vorerkrankten Lehrkräften auf der anderen Seite beglei

(Martin Habersaat)

tet. Das ist das zweite Thema. Im Rahmenkonzept für das Schuljahr 2020/21 heißt es:

„Spezielle Situationen für Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte und sonstiges schulisches Personal (eigene Vulnerabilität, Zusammenleben mit besonders vulnerablen Personengruppen) finden angemessene Berücksichtigung.“

Zusammenleben mit vulnerablen Personengruppen wurde von Herrn Koch gerade ausdrücklich ausgeschlossen. Wie das ansonsten in der Praxis aussah, konnte der geneigte Beobachter feststellen, als von 1.600 Lehrkräften, die sich mit einem Attest an ihre Dienstherrin wandten, zunächst 32 vom Präsenzunterricht befreit wurden. Im zweiten Anlauf waren es dann 44 von 2.000. Inzwischen lesen wir von 230 Lehrkräften - damit nähert sich Schleswig-Holstein im Härtegrad seinen Lehrkräften gegenüber den Zahlen anderer Länder an. Ich kann mir vorstellen, dass das mit der öffentlichen Debatte der letzten Wochen zu tun hat.

Ich möchte mir nicht vorstellen, was es für die Lehrkräfte bedeutet, wenn diese „Großzügigkeit“ wie von der Ministerin angekündigt - nur für die Dauer der laufenden Verwaltungsgerichtsverfahren gilt. Immerhin, freute sich die GEW, hätten die Klagen für einzelne Betroffene dazu geführt, dass das Bildungsministerium für sie individuelle Schutzmaßnahmen verbessert habe.

Dabei wäre es doch vernünftig gewesen: Rücksicht auf vulnerable Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler nehmen, regelmäßige Berichte an die Ministerin zur Lage an den Schulen und bei Entspannung der Lage schrittweise Rückkehr aller dieser Menschen in den Präsenzunterricht.

Was haben nun Schulleitungen in Lübeck und Husum damit zu tun? - Denen wurde Anfang August 2020 mitgeteilt: Die arbeitsmedizinische Einschätzung und etwaige darin angesprochene Empfehlungen stellen die Grundlage für die Entscheidung des Schulleiters beziehungsweise der Schulleiterin dar, ob und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen ein Einsatz im Präsenzunterricht in Betracht kommt. - Übrigens in Unkenntnis der genauen Diagnose, die den Schulleiter nichts angeht. Das wird flankiert von launigen Bemerkungen der Ministerin im „heute journal“, sie gehe davon aus, dass die Mehrzahl der Lehrkräfte schon Lust auf Unterricht habe.

Thema drei: bewegliche Ferientage. Die Zweifel kamen manchen Schulleitungen in Neumünster oder Norderstedt nämlich schon im letzten Schul

jahr. In einer Handreichung wurden die Schulen aufgefordert, die beweglichen Ferientage für Präsenzangebote zu nutzen - so weit, so naheliegend, ein nachvollziehbarer Gedanke. Hat das Ministerium es dann angeordnet? - Nein! Die Schulleiter sollten es auf ihre Kappe nehmen. In den Schulkonferenzen war die Entscheidung bereits vor den Sommerferien 2019 getroffen worden. In einer fragwürdigen Auslegung des § 67 des Schulgesetzes wurden nun Schulleiterinnen und Schulleiter aufgefordert, nachträglich Widerspruch gegen diesen Beschluss einzulegen. Das kam sogar manchem Philologen spanisch vor.

Vierter Bereich: der Lernsommer. Herr Koch ist schon darauf eingegangen. Die Vorbereitungszeit war verständlicherweise knapp. Einer ersten Vorstellung im Bildungsausschuss mit mehr offenen als beantworteten Fragen folgte eine Runde im Finanzausschuss - ich weiß nicht, ob Sie die auch erlebt haben, Herr Koch. Da saß ein Staatssekretär, der keine einzige Frage beantworten konnte, während gleichzeitig seine Bildungsministerin in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Bundesbildungsministerin das ganz große Rad drehte.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Unglaublich!)