Protokoll der Sitzung vom 27.08.2020

Was wollte ich damit aber sagen? Bei 35 Millionen t im Jahre 1990 ist ein Emittent wie Holcim mit 1 Million t CO2-Äquivalent im Jahr oder auch das Kohlekraftwerk Wedel einer der Hauptemittenten.

(Vereinzelter Beifall CDU)

- Ja, da dürfen Sie gern einmal klatschen.

(Beifall CDU)

Denn - das ist so ziemlich der einzige Kritikpunkt hinsichtlich des Monitorings in dem Bericht zur Energiewende und zum Klimaschutz in SchleswigHolstein - ob wir große Hebel oder kleine Hebel haben, ob wir Bereiche nehmen wie die Landwirtschaft, die wir zum täglichen Leben brauchen, ob wir ein Kohlekraftwerk nehmen oder vielleicht auch die Situation bei Holcim verbessern, ob wir das Kohlekraftwerk hier in Kiel, das auch abgeschaltet wurde, bewerten oder ob wir Wald und Moor bewerten, ist schon eine spannende Frage, weil wir Vergleiche aufstellen müssen. Wenn wir etwas bewirken wollen, müssen wir auch bei denjenigen großen Emittenten ran, die für unser zukünftiges Leben in Schleswig-Holstein durchaus nicht lebensnotwendig sind.

Deswegen will ich auch ganz klar Position zu unserer Landwirtschaft beziehen. Wenn wir am Ende durch unsere politisch abgestimmten Ideen erreichen sollten - das wäre der zweite Bericht, der zum biologischen Klimaschutz -, dass wir mehr Moorschutz haben, was wir ja alle wollen, dass wir also Emissionen verhindern, indem wir weniger Landwirtschaft an diesen Standorten betreiben, indem wir extensivieren und wiedervernässen oder indem wir auf landwirtschaftlichen Nutzflächen Erstaufforstungen vornehmen, sodass diese nicht mehr für die Nahrungsmittelproduktion zur Verfügung stehen, dann wird die spannende Frage für die Zukunft sein, ob wir damit nicht Landnutzung in Länder exportieren, in denen Landwirtschaft zu weitaus

(Heiner Rickers)

schlechteren Bedingungen, auch was die Treibhausgasemissionen angeht, betrieben wird. Sie kennen die Riesenflächen im brasilianischen Urwald, die ein Mehrfaches der Fläche von Schleswig-Holstein darstellen. Entweder es brennt dort, oder es wird gerodet.

(Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Soja für eure Schweine!)

- Wir können uns, Frau Fritzen, auch gerne darüber unterhalten, ob wir so viele Tiere halten müssen, ob wir weniger Fleisch essen oder ob es Alternativen gibt.

(Zuruf: Schwein muss sein!)

Aber wir müssen ehrlich mit diesen Fragen umgehen, und wir müssen auch ehrliche Antworten finden. Da sind wir uns hoffentlich einig.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

In Schleswig-Holstein - auch das hat der Minister angesprochen - gibt es auch heute schon Projekte diese wurden genannt -, die genau dem Aufbauziel dienlich sein werden, den Klimawandel nicht weiter anzuheizen. Wir haben zumindest als Prototyp in der Erprobung einen E-Highway - das wissen Sie alle - auf der A 1. Wir haben eine Ladeinfrastruktur für Elektromobilität. Wir haben die Norddeutsche Energiewende 4.0 gerade im Bereich der Vernetzung und Digitalisierung. Es geht darum, durch die optimale Nutzung von Peaks und Tälern die Stromversorgung mit erneuerbaren Energien besser zu steuern. Dafür ist dieses Projekt gedacht.

Wir haben eine Förderrichtlinie Energiewende für Umweltinnovation, für Trassenbau und für Digitalisierung in der Energiewende. Es gibt die Verpflichtung, demnächst Smartmeter einzubauen. Wir haben die Wasserstoffstrategie mit der Förderung und mit Pilotprojekten. Wir haben tatsächlich eine Förderung des Einsatzes von erneuerbaren Energien in allen Bereichen. Insofern sind wir auf einem guten Weg.

Wir emittieren - Stand 2020 - circa 7,2 t CO2-Äquivalente pro Einwohner und Jahr in Schleswig-Holstein. Der Bundesdurchschnitt liegt im Jahr 2020 bei gut 10 t. Den Vergleich habe ich angestellt. Wir müssen aber noch wesentlich weiter runter. Wir müssen versuchen, im Jahr 2050 das Ziel erreichen, in der Gesamtbetrachtung zu einer CO2-äquivalentfreien oder neutralen Wirtschafts- oder Lebensweise zu kommen. Dazu haben wir in Schleswig-Holstein alle Chancen. Wir sind auf einem guten Weg. Wir sind uns einig: Wir müssen sehen, dass wir das,

was wir notwendigerweise betreiben und für unser tägliches Leben brauchen und auch in Anspruch nehmen wollen, nicht komplett in Länder verdrängen, in denen es unter wesentlich schlechteren Bedingungen produziert oder abgearbeitet würde. Insofern sind wir auf einem guten Weg. Ich bedanke mich beim Minister für die beiden Berichte und hoffe, dass wir das weiterhin über alle Parteien hinweg zielführend diskutieren, damit wir letztlich im Jahr 2050 in allen Bereichen in Schleswig-Holstein klimaneutral sind und sagen können: Wir haben das Ziel erreicht. Das wird Ausstrahlungskraft in die ganze Welt haben. Wenn das abfärbt, werden wir nicht nur wirtschaftlich davon profitieren, sondern das wird auch unserem Klima dienlich sein. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Thomas Hölck das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, wir sind uns einig: Klaus Jensen soll nicht untergehen.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in der letzten Regierung ambitionierte Mindestziele für Schleswig-Holstein gesetzt: Schleswig-Holstein, das Energiewendeland, Schleswig-Holstein das Klimaschutzland, Ausbau des Anteils erneuerbarer Energien an der Wärmeversorgung und Reduktion der Treibhausgase. Das ist die Basis der starken Zielszenarien aus dem nun vorliegenden Klimaschutzund Energiewendebericht. Leider kann ich außer starken Zielen heute nicht mehr viel Gutes erkennen. Die Transformation unseres Landes ist ins Stocken geraten. Energiewendeland Nummer eins, das war einmal.

Wir reden hier über nicht weniger als die vollständige Umstellung der Energieversorgung. Sie kennen die Superlative: Ausstieg aus Atom und Kohle, zeitgleich der Einstieg in neue Technologien. Das ist nicht irgendwas, das ist ein epochales Unterfangen. Klar ist, es geht nicht um das Ob, sondern um das Wie. Darüber war sich die Vorgängerregierung, die gute alte Küstenkoalition, einig, und ich spreche auch Ihnen diese Ziele nicht ab. Sie warten nach wie vor mit Plänen und Szenarien auf, doch der Ist

(Heiner Rickers)

zustand und die Aussichten werden der Energiewende und dem Klimaschutz nicht gerecht.

Leider wurden die schnellen Erfolge der Küstenkoalition nicht fortgeführt. Die Energiewende und der Klimaschutz stagnieren. Der Bericht selbst sagt an mehreren Stellen, dass beherztere, schnellere Schritte notwendig sind. Teilziele sind nur noch schwer oder gar nicht mehr zu erreichen. Wir waren auf einem guten Weg, Vorreiter im Bund. Doch der jetzige Bericht zehrt nur noch von dieser guten Vorarbeit.

Bereits vor zwei Jahren sagte der damals zuständige Umweltminister Robert Habeck, der heutige Pferdeflüsterer, an diesem Pult: Wir sind zu schlecht bei der Senkung der Treibhausgasemissionen. Da müssten wir besser werden. Wir sind zwar immer noch besser als der Bund, aber nicht gut genug, um tatsächlich die Klimaschutzziele zu erreichen.

(Oliver Kumbartzky [FDP]: Dann machen Sie doch mal Vorschläge!)

Der aktuell amtierende Umweltminister wird im „sh:z“ vor wenigen Tagen mit den Worten zitiert: Wir kommen viel zu langsam voran. - Das ist doch mal Kontinuität grüner Regierungspolitik.

(Beifall Regina Poersch [SPD])

Ironischerweise sind wir im Jahr 2018 bei der Reduktion der Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 auf exakt den Stand von 2015 zurückgefallen. Mit 24,9 % liegen wir deutlich hinter dem Bundesschnitt. Mehr Stillstand geht nicht.

Der Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien schritt bis 2017 noch voran und lag nur knapp unter der Trendlinie für das Zielszenario von 37 TWh bis 2025. Vom Berichtsjahr 2017 zum Jahr 2018 kam keine weitere Leistung hinzu. Es ist viel zu wenig passiert. Selbst bei der Wärmeversorgung aus erneuerbaren Energien stehen wir mit einem Istwert von 15,8 % immer noch lächerlich weit hinter einem angemessenen Wandel zurück. Inzwischen müssen wir von ganz anderen Rahmenbedingungen ausgehen.

Die Energiebedarfe werden noch enorm ansteigen, deutlich stärker als vor zehn Jahren gedacht, so zum Beispiel im Bereich der Sektorenkopplung und auch im Bereich der Industriewirtschaft sowie im Bereich von Wasserstoff. Sie haben es angesprochen: Grüner Wasserstoff ist für die Transformation und für die Industriewende ebenso wichtig wie für die Energiewende und den Klimaschutz. Aber man muss den Menschen draußen auch sagen, woher der grüne Strom kommen soll, um den grünen Wasser

stoff zu produzieren. Sie trauen sich ja nicht einmal zu, ein Zielszenario für 2030 für die erneuerbaren Energien zu nennen. Da waren wir in der guten alten Küstenkoalition mutiger. Sie sind da nicht mutig und verweigern sich diesbezüglich einer Einschätzung.

Auch der Bericht erkennt an, dass die Bedarfe an Strom und Energie extrem steigen werden. Wenn wir uns die letzten Wochen mit der Hitze in Schleswig-Holstein und in ganz Deutschland umgucken, dann wird deutlich, dass der Energiebedarf auch im privaten Bereich ansteigen wird.

Der Kauf und der Einsatz von Klimaanlagen in privaten Haushalten oder in Büros hat um 3 % zugenommen. Das wird bei einer Veränderung des Klimas und weiterer Hitzeperioden im Sommer dazu führen, dass immer mehr Geräte angeschafft werden, die dann eben auch entsprechend Energie benötigen. So erkennt man, dass eben auch der Klimawandel und die Klimaerwärmung uns auch im privaten Bereich dazu treiben werden, mehr Strom zu verbrauchen.

Der Klimaschutz ist nicht nur eine Frage der Energiewende. Dass wir heute den Energiewendebericht und den biologischen Klimaschutz in einen Topf werfen, ist wirklich schade, weil beide Berichte es verdient hätten, eine eigene Debatte zu erfahren.

(Beifall SPD)

Schließlich geht es nicht nur um die Reduktion des Treibhausgasausstoßes: Wiedervernässung von Mooren, Neuwaldbildung und Umwandlung von Acker in Grünland sind wichtige und dringend notwendige Beiträge, um die hochgesteckten Klimaziele zu erreichen.

Schleswig-Holstein hat gezeigt, dass große Veränderungen möglich sind. Den Beinamen als Energiewendeland hatten wir uns nicht umsonst verdient. Als Vorreiter im Windenergieausbau haben wir die Grenzen des Vorstellbaren verschoben und wortwörtlich den Horizont erweitert. Seit dem Regierungsantritt von Jamaika sind so gut wie keine neuen Anlagen entstanden, aber damit will ich Sie jetzt nicht weiter quälen, das habe ich vorhin schon getan. Wir stehen vor großen Herausforderungen und brauchen große Schritte. Das haben wir schon einmal geschafft, daran müssen wir wieder anknüpfen. Das ist möglich. Ich hoffe inständig, dass Sie den Kurs sofort und deutlich korrigieren, denn der Klimawandel kann nicht auf die nächste SPD-Regierung in zwei Jahren warten. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Thomas Hölck)

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Sehr gute Rede!)

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Bernd Voß das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal vorweg ein herzlicher Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesregierung für diesen Bericht, der neben all der Arbeit, die im Bereich Energiewende ist, wirklich wieder detailliert Auskunft gibt. Herzlichen Dank an die Landesregierung und herzlichen Dank an den Minister für diese wirklich klaren und deutlichen Worte ohne jedes Rumgeschnörkel.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Wer in diesem Sommer im Speicherkoog vor Meldorf oder in Heiligenhafen im Strandkorb lag und ein bisschen gefröstelt hat, hat sich schon gewundert, dass wir anscheinend auf dem Weg sind, wieder einen der heißesten Sommer zu bekommen und einen der großen Hitzerekorde aufzustellen. Der Minister hat es bereits gesagt, und wir haben viele Belege dafür: Das Eis wird - auch sprichwörtlich verdammt dünn. Die Zeitdimension ist entscheidend, und es ist entscheidend, aus der Lethargie herauszukommen - und sich nicht immer in Verzögerungen hineintreiben zu lassen -: Wird schon klappen, 2050! - Nein, wir können nicht 2049 anfangen, wir müssen jetzt - in den nächsten zehn Jahren - viel schaffen. Was man jetzt wegschafft, schafft nach hinten hin auch Luft, wo noch ganz spezifische Probleme gelöst werden müssen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt FDP)

Ich sage noch einmal ganz klar: Ich habe immer sehr große Schwierigkeiten und immer mehr mit diesem Spruch: „Wir wollen Ökonomie und Ökologie versöhnen.“ - Darum geht es nicht. Ökonomie und Ökologie zu versöhnen, klingt so, als gäbe es da einen Kompromiss, aber keine Notwendigkeit. Eine Ökonomie, die Unternehmen und die Gesellschaft werden nur Zukunft haben, wenn man sich an die planetaren Grenzen hält, wenn man sich an die ökologischen Vorgaben hält. Das ist kein Ökoschnickschnack, das ist einfach Fakt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Serpil Midyatli [SPD] und Sandra Redmann [SPD])

Dafür muss man sich einfach angucken, wo wir im Moment leben.

Eines hat Corona sehr deutlich gemacht, wo es immer heißt, die Menschen gingen nicht mit, und das sei bedenklich. Ich glaube, Corona hat deutlich gemacht, wie Leute mitgehen, wie sie Entscheidungen wollen, dass sie auch Zukunftsperspektiven wollen, dass sie handeln wollen - jetzt und nicht irgendwann in Zukunft - und dass sie auch kein Rumgeeier sehen wollen.