Protokoll der Sitzung vom 27.08.2020

Eines hat Corona sehr deutlich gemacht, wo es immer heißt, die Menschen gingen nicht mit, und das sei bedenklich. Ich glaube, Corona hat deutlich gemacht, wie Leute mitgehen, wie sie Entscheidungen wollen, dass sie auch Zukunftsperspektiven wollen, dass sie handeln wollen - jetzt und nicht irgendwann in Zukunft - und dass sie auch kein Rumgeeier sehen wollen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

Ich kann nur wiederholen: Wir alle wollen zukünftig gut leben, mobil sein, wir wollen Spaß haben. Das werden wir nur, wenn wir zügig in eine dekarbonisierte Gesellschaft hineingehen, wie es so schön im Politikdeutsch heißt, wenn wir da wirklich vorangehen und nicht herumzaudern. Das ist unsere einzige ökonomische Perspektive, die wir hier in Schleswig-Holstein haben, die wir weltweit haben. Der Energiewende- und Klimaschutzbericht, den wir zum Glück durch das Gesetz bekommen haben, das wir auf den letzten Metern in Jamaika erstellt haben,

(Lars Harms [SSW]: Küstenkoalition! - Wei- tere Zurufe)

macht sehr deutlich, dass etwas passieren muss und wo etwas passieren muss. Er macht aber zugleich deutlich, wo wir in Schleswig-Holstein stehen, was wir in Schleswig-Holstein im Grunde schon alles auf den Weg gebracht haben. Das 95-%-Szenario, das das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung im Februar vorgelegt hat, zeigt ja im Grunde, wo es langgehen muss. Wir brauchen den Ausbau von Windenergie, von Solarstrom, wir brauchen viele Optionen, aber die brauchen wir vorne an. Wir brauchen ein Vielfaches an erneuerbarer Energie, die erzeugt werden muss, denn wir brauchen zukünftig Strom für alles: Mobilität, Wärme, Industrie, für grünen Wasserstoff, um nur ein paar zentrale Bausteine zu nennen. Wir brauchen darüber eine offene und ehrliche Diskussion draußen. Ich glaube, die Bevölkerung ist erheblich weiter, als wir es hier häufig sind, wenn wir so rumeiern.

Ich komme ja so ein bisschen aus der Anti-AKWBewegung, deshalb eines noch einmal,

(Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

wenn wir meinen, ein Horror aus Windkraft machen zu müssen: Wenn ein Windrad einmal irgendwie stören sollte, kann man es abmontieren. Alle

(Thomas Hölck)

anderen Technologien oder auch beim Klima kann man nichts rückgängig machen. Ich glaube, das müssen wir uns immer wieder vor Augen führen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

Wir wissen, dass ein entscheidendes Stichwort Wärme ist. Entscheidend ist, dass im Bereich der Wärme viel passieren muss. Wir streben einen Anteil von 22 % in 2025 an. Es wird verdammt hart, das noch zu schaffen. Auch der Rechnungshofbericht hat das bereits mehrfach angemahnt. Ich halte es für geboten, an dieser Stelle ganz klar zu sagen: Wir müssen das Gesetz hier ändern, nicht um die Kommunen irgendwie zu ärgern, sondern wir brauchen eine verbindliche Klimaplanung, wir brauchen eine Wärmekartierung, um zu sehen, was los ist und was jeweils möglich ist. Wir müssen das anpassen.

Wir müssen auch - ähnlich wie es Jamaika in Rendsburg-Eckernförde, da war es, glaube ich, durchgesetzt hat - kommunale Klimaschutzagenturen viel weiter vor Ort im Land voranbringen, damit Wärmespeicher und Solarthermie, also die neuen Formen, erneuerbar Wärme zu speichern und zur Verfügung zu stellen, genehmigungsfähiger werden und zügig vorankommen. Wir müssen heraus aus dem Kreislauf, dass immer überall erklärt wird, was alles nicht geht oder vielleicht nicht geht. Wir müssen Wege finden, wie es gehen kann.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ver- einzelt FDP und Beifall Katja Rathje-Hoff- mann [CDU])

Ich sage ganz klar: Dänemark - wir feiern dieses Jahr das 100-jährige Jubiläum der Grenzziehung ist von der Struktur her verdammt vergleichbar. Dänemark hat aber 60 % erneuerbare Energien im Wärmebereich, während wir irgendwo bei 14 % herumdümpeln. Ich denke, das macht deutlich, wie man durch eine andere Politik und andere Regularien und durch Marktgestaltung - um den Begriff hier bewusst hineinzubringen - erheblich erfolgreicher sein kann, als wir das im Bereich der erneuerbaren Energien sind.

(Zuruf)

Ich weiß, dass wir fix unterwegs sind, was Bundesratsinitiativen anbelangt. Aber da werden wir hier noch einiges rütteln müssen, damit hier endlich auch wesentlich und effizient etwas passiert.

Für den Klimaschutz hat der Ausbau der erneuerbaren Energien und die Unabhängigkeit von fossilen Energiequellen in den Bereichen Wärme, Strom

und Verkehr die alleroberste Priorität. Ich will jetzt überhaupt nicht auf das Sorgenkind Mobilität eingehen. Man könnte noch sehr viel dazu sagen, wo es da überall hapert. Wir wollen auch mobil bleiben und eine Individualmobilität behalten. Aber wie wir da herumtoffeln, gefährden wir das hochgradig.

Es geht vor allem auch darum, dass Landwirtschaft einen Beitrag leisten kann. Es geht um Methan und Lachgas, was in Schleswig-Holstein eng - das ist gesagt worden - mit dem Rinderbesatz, mit der Düngung und mit dem hohen Anteil landwirtschaftlicher Flächen zusammenhängt. Den Einwand aus landwirtschaftlichen Fachkreisen bestätige ich ohne Weiteres und unumwunden, dass es im Grunde bei der Nahrungsmittelerzeugung immer CO2-Freisetzung geben wird, dass sich da nicht so einfach eine positive Bilanz einstellt.

Es stimmt aber nicht, wenn sich der Bauernverband hinstellt und sagt nach dem Motto: Lass uns mal machen, wird schon alles gut werden. - Ich glaube, es ist schon deutlich geworden. Das war wie bei der Düngeverordnung - die ist mit ein Baustein gewesen -, die torpediert wurde, bei der herumgeeiert und verzögert wurde. Zum Schluss musste man als Agrarpolitiker - so sage ich das einmal aus meiner Sicht - bundesweit die Bundesländer ablaufen, damit die Düngeverordnung endlich mit einer Stimme Mehrheit durchgeht.

Schleswig-Holstein konnte da leider nicht mitstimmen. Das sage ich, um an dieser Stelle etwas Selbstkritik aus der Koalition heraus anzubringen.

(Zurufe: Ach!)

Es geht um Ernährungsgewohnheiten, Exportorientierung, Futtermittelimporte. Ich könnte viele weitere Dinge nennen. Es geht auch um die Entwässerung der Moore, um kluges Wasserstandsmanagement.

Damit komme ich zum zweiten Punkt: Vielen Dank, dass hier ein Bericht über einen Bereich vorgelegt wurde, der in der Bilanzierung - die deckt ja immer nur einen kleinen Teil ab - nicht so aufgetaucht ist. Das ist der biologische Klimaschutz, der Moorschutz, die Neuwaldbildung und besonders der Grünlanderhalt.

Es geht gerade - das mag sich für einen Grünen konservativ anhören - in diesem Bereich viel darum, Dinge zu erhalten. Wenn Grünland erst einmal umgebrochen worden ist, habe ich fix die Freisetzung von im Boden gebundenen CO2.

Zum Bericht: Wenn wir durch gute Fruchtfolgen Humus im Boden anreichern, den Wasserstand von

(Bernd Voß)

Mooren mit einem Wasserstandsmanagement, das an die Anforderungen des Klimaschutzes angepasst ist, wieder anheben oder von Moorland zu Grünland umwidmen, ist unheimlich viel erreicht und wird wieder Kohlenstoff im Boden gehalten und gebunden. Wir wirken so dem jetzigen Kreislauf entgegen. Darin liegt ein ganz wichtiger Ansatz für den Klimaschutz, wenngleich dieser Bereich der Landnutzung und Landnutzungsänderung - ich habe es bereits gesagt - bei der Bilanzierung überhaupt nicht auftaucht. Man muss sich immer wieder vor Augen halten, wo da die Grenzen liegen. Jede Tonne eingespartes CO2 trägt zum Klimaschutz bei. Aus dem Bericht wird sehr deutlich: Man kann durch Mix-Maßnahmen noch erheblich mehr Flächen erfassen, die in Bewirtschaftung sind und bleiben können.

Allein die sehr konservative Annahme, die in diesem Bericht steht, besagt: 700.000 t sind in diesem Bereich möglich. Es ist richtig, Heiner Rickers, es ist jeweils nur halb so viel, wie das Kraftwerk Wedel ausstößt. Es ist aber trotzdem ein wichtiger Baustein.

Das andere gilt für den Waldumbau. 12.500 t sind nicht ganz so viel, es ist aber auch ein Bereich, in dem wir vorankommen müssen.

Zugleich ist der Finanzbedarf da. Auch darauf wird im Bericht intensiv eingegangen: die unterschiedlichen Finanzquellen, auf die wir achten müssen, um es wirklich finanziert zu bekommen - egal, ob es Bund oder Land ist.

Der Herr Minister hat es sehr klar gesagt: Auch Bäuerinnen und Bauern werden intensiv beteiligt. Das Know-how ist da, die Fähigkeiten sind da, die Klimaschutzpotenziale der Landwirtschaft wirklich zu heben. Ich bin richtig optimistisch. Ich denke auch, wir müssen als Landesregierung und über die Verbände Einfluss nehmen, dass wir bei der GAP konstruktiv in die Ausgestaltung der nationalen Strategie gehen. Sie wissen, dass die gemeinsame Agrarpolitik der EU entscheidend dafür ist, was in der Fläche agrarpolitisch passiert. Da müssen wir rein: Die Vorschläge der Eco-Schemes bieten große Chancen, Potenziale, gerade auch im Bereich des biologischen Klimaschutzes, zu aktivieren und eine Win-win-Situation herbeizuführen.

Ich fasse zum Schluss noch einmal zusammen: Ich glaube, es ist wirklich deutlich geworden, dass es hier nicht um irgendein grünes Spielfeld beim Klimaschutz geht. Es geht auch nicht um irgendwelche Angstszenarien, sondern darum, dass wir in Zukunft gut klarkommen. Jeder Tag, den wir später

handeln und die Maßnahmen später umsetzen, wird verdammt teuer. Vielen Dank für den Bericht. Ich wünsche weiterhin eine spannende Debatte.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Für die FDP-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Oliver Kumbartzky das Wort.

Liebe Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst möchte auch ich mich ganz herzlich für den Energiewendebericht bedanken, der uns wieder sehr detailliert zeigt, wo wir stehen und was noch zu tun ist. Es ist eine gute Sache, dass wir diesen Bericht jährlich lesen können und darüber diskutieren. Es rührt noch aus schwarzgelber Zeit, dass diese Berichte jährlich vorgelegt werden. Das ist eine gute Sache. Vielen Dank für den Bericht, vielen Dank vor allem an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem MELUND für die Erstellung dieses Berichtes.

(Beifall FDP und CDU)

Wenn wir uns den Bericht einmal ganz genau anschauen, wird klar, dass da eine Lücke ist. Die Emissionsminderungen decken sich nicht ausreichend mit dem Zielpfad. Da gibt es nichts schönzureden. Wir sollten allerdings schon darauf achten, dass wir in der Diskussion über die Frage, warum diese Lücke da ist, nicht undifferenziert werden. Herr Hölck, es bringt wirklich nichts und erst recht dem Klima nichts, wenn Sie jedes Mal dieselbe Rede halten, wenn wir über Energie und Klimaschutz reden. Das erzeugt nur CO2 und bringt in der Sache gar nichts.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich versuche jetzt auch, ruhig zu bleiben

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

und nicht immer das zu erwidern, was ich sonst immer tue.

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Das nutzt sich bei dir langsam auch ab, diese gespielte Empö- rung! - Weiterer Zuruf SPD: Ja!)

- Herr Kollege, ich möchte wirklich sachlich auf diesen Bericht eingehen, weil wir diese Emissionsminderungslücke haben. Diese Lücke ist aber nicht dieser Landesregierung anzulasten. Es spottet jeder

(Bernd Voß)

Beschreibung! Als wenn Jan Philipp Albrecht an dieser Lücke schuld wäre! Das ist doch Quatsch. Diese Lücke stammt aus mehreren Gründen. Klar ist auch: Der Windkraftausbau stockt. Das liegt am OVG-Urteil und am Moratorium, ja. Das liegt aber vor allem auch am EEG.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: So ist es! - Marlies Fritzen [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Und es liegt an der letzten Landtagswahl! - Heiterkeit und Bei- fall SPD - Zurufe und Unruhe - Glocke Präsi- dentin)

- Meine Damen und Herren: Es liegt nicht an der letzten Landtagswahl!

(Beifall FDP und CDU)