Wir alle wissen doch, dass die Einschränkungen insbesondere in den Innenstädten in Bezug auf Veranstaltungen, Konzerte und Begegnungen bis zum Ende des nächsten Jahres höchstwahrscheinlich weiterhin aufrechterhalten werden müssen. Von daher braucht es diese Konzepte, von daher braucht es diesen Pakt mit den Innenstädten.
Lieber Kollege Knuth, ich hatte schon gesagt, dass ich, als ich Kommunalpolitik gemacht habe, oft an
diesen Konzepten gesessen habe. In Rendsburg ist das Karstadt-Haus seit 15 Jahren geschlossen. Die Stadt hat alles versucht. Es ist nicht gelungen, weil es das Problem gibt, dass gerade Häuser in diesen Lagen sehr gern als Abschreibungsobjekte für Häuser, die in München, Frankfurt oder wo immer stehen, genutzt werden. Das heißt, auch da müssen wir ran. Es kann nicht sein, dass unsere Innenstädte veröden, weil Investoren und Heuschrecken meinen, das Haus kann ich dort gern verrotten lassen; ich benutze es als Abschreibungsobjekt, damit ich auf der anderen Seite keine Steuern zahlen muss.
Das ist natürlich eine Aufgabe von Politik. Hierauf muss Politik eine Antwort finden. Deshalb ist es eine richtige und gute Idee zu fragen: Wie können die Objekte in Kommunen, in denen Häuser auf lange Jahre hinaus verrotten, genutzt werden? Herr Holowaty, es geht nämlich nicht nur um die KarstadtHäuser. Das Haus in Rendsburg ist ein gutes Beispiel. Alle anderen kleinen Einzelhändler, die inhabergeführt sind und gute Beratung bieten sowie online mit offline verbinden, weil die Kunden dies gern in Anspruch nehmen, sind betroffen.
Das sind die Ideen, über die wir gern mit Ihnen im Ausschuss diskutieren möchten. Wir wollen die Innenstädte neu erfinden, neu gestalten und für die Zukunft fit machen. Das ist unser Antrag. Ich begrüße es ausdrücklich, dass so viele von Ihnen hier mitgehen können.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Knuth, Sie sprachen in Ihrer Rede davon, dass kein öffentliches Geld für verstaubte und un
wirtschaftliche Geschäftsmodelle eingesetzt werden solle. Ich stelle fest: In keinem der Anträge wird gefordert, öffentliches Geld in den Karstadt-Konzern zu investieren.
Was mich wirklich erschrocken hat, ist, wie rational und empathielos Sie mit der Schließung der Karstadt-Filialen und dem Verlust der Arbeitsplätze umgegangen sind.
Daran, finde ich, erkennt man den Unterschied zwischen Grünen und Sozialdemokraten: Die einen schmeißen sich vor die bedrohte Kröte, wir schmeißen uns vor die Arbeitsplätze der Menschen! Das ist der große Unterschied. Das hat man auch heute wieder festgestellt.
Ich habe den Eindruck, dass Jamaika und die Landesregierung schon vor Wochen für sich entschieden haben: Dieses Geschäftsmodell ist verstaubt. Es hat keine Zukunft mehr. Es lohnt sich nicht mehr, sich einzusetzen. - Sie haben viel zu früh einen Haken dahinter gesetzt, das heißt, sich damit abgefunden, dass diese Filialen geschlossen werden.
Es ist aber falsch, aufzuhören. Es ist wichtig, den Menschen noch einmal zu sagen: Ihr habt eine Perspektive, wenn wir die Filialschließungen verschieben können. Denn es gibt Konzepte - Kollege Dunckel hat es angesprochen -, bei denen es sich lohnt, darüber nachzudenken, wie man sie umsetzen kann.
Über eines ist überhaupt noch nicht diskutiert worden: das Sofortprogramm aus NRW, das die dortige CDU-FDP-geführte Landesregierung beschlossen hat. Jede Kommune, die betroffen ist, das heißt, in der eine Karstadt-Filiale geschlossen wird, erhält 250.000 €. 70 Millionen € zusätzlich werden für die Innenstadtentwicklung bereitgestellt. - Wo ist die Schleswig-Holsteinische Landesregierung?
Worum geht es eigentlich? Es geht nicht nur um Karstadt, sondern allgemein darum, Leerstände, zu denen es infolge der Coronapandemie gekommen ist, aufzufangen, indem man den Kommunen die Chance gibt, eine Steuerung vorzunehmen. Ich will aus dem Sofortprogramm Innenstadt 2020 der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen vorlesen. Dort steht geschrieben:
„Die vorübergehende Anmietung leerstehender Ladenlokale durch die Städte und Gemeinden zur Etablierung neuer Nutzungen
„Den Kommunen soll ein Zwischenerwerb von Gebäuden ermöglicht werden, um die Verfügungsgewalt über die Objekte zu erlangen. … Leerstehende Einzelhandelsimmobilien werden oft Gegenstand von Immobilienspekulationen.“
Darum geht es doch: leerstehende Objekte vor Hedgefonds und Immobilienhaien zu schützen. Das müssen wir auf den Weg bringen. Es wäre gut, wenn Sie sich mit auf den Weg machen würden. Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Krämer, ich möchte gern vorwegschicken: Ich lebe in einem untypischen Ort. In Geesthacht gibt es ein Kaufhaus - als Magnet für die Innenstadt -, das gut frequentiert wird. Es ist nicht Karstadt; aber es ist ein Kaufhaus der klassischen Art mit einem Vollsortiment. In der Innenstadt gibt es auch einen Supermarkt. Und, Frau Krämer, wir haben eine Fußgängerzone! Diese Fußgängerzone ist der eigentliche Magnet. Sie zieht Menschen aus dem Umland in genau diese Straße mit den dort ansässigen Geschäften.
Aber das, meine Damen und Herren, ist kein Geschenk, und es fiel nicht vom Himmel. Es ist vielmehr Ergebnis harter Arbeit. Voraussetzung ist die Zusammenarbeit verschiedener Akteure aus Verwaltung, Wirtschaftsvereinigungen und Einzelhändlern, die gemeinsam nach Lösungen suchen, und zwar gemeinsam mit den Bürgern.
Ich möchte an dieser Stelle die Worte von Frau Midyatli wiederholen und sie in ihrem Bemühen bestärken: Corona hat all diese Dinge verändert. Wenn wir in diesem Fall vor die Welle kommen wollen, wenn wir sehen, dass Probleme auftauchen, die tatsächlich ein Stück weit coronabedingt sind, dann ist es doch genau richtig, dass wir uns jetzt darüber unterhalten, wie wir Städte und Gemeinden wieder zu lebensfähigen und interessanten Welten machen können.
Das braucht mehr als einzelne Kaufhäuser; notwendig ist ein Zusammenspiel aller Akteure. Diese sind übrigens, wie man den Äußerungen entnehmen kann, durchaus dankbar, dass sie Unterstützung erfahren.
Das alles sollte unstrittig sein. Ich sage an dieser Stelle auch ganz ehrlich: Ich freue mich über die rege Diskussion hier im Plenum und hoffe, dass wir über unsere Anträge - ich erinnere insbesondere an unsere Anregung zur Schaffung „Dritter Orte“ - im Ausschuss noch intensiver beraten werden; denn unsere Städte und Gemeinden brauchen Unterstützung. Sie brauchen diese Unterstützung jetzt, bevor die Entwicklung sie überholt hat und wir nur noch eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten haben. - In diesem Sinne herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal zu dem Thema Rendsburg: Es klingt alles so einfach in einer Welt, in der ich, zumindest bisher, leider nicht leben darf. Der Standort in Rendsburg ging an Dawnay Day, eine britische Investorenfirma, die aber selbst in die Insolvenz ging. Vorher hatte sie für jeden Hertie-Standort eine B.V. - das ist in den Niederlanden so etwas Ähnliches wie eine GmbH - gegründet. In Rendsburg war es die HIDD Rendsburg B.V. Es entstand also für jeden Standort eine einzelne GmbH.
Rendsburg bemühte sich zwei Jahre lang, überhaupt einen Ansprechpartner zu bekommen - das nur einmal so ganz nebenbei.
Ich erwähne das deshalb, weil es vorhin hieß, man müsse doch einfach nur mit den Investoren reden. Nein, so läuft das nicht!
Dawnay Day hatte einfach das Problem, dass sie überschuldet waren und dass die Gläubiger vernünftige Verkaufspreise, wie sie marktgerecht gewesen wären, nicht akzeptieren wollten.
nämlich diese GmbH, die eigentlich nur eine Briefkastenfirma war, endlich in ’s-Hertogenbosch aufgespürt hatte, musste man erst einmal schauen, wer für dieses Gebäude überhaupt verhandlungsfähig war, das heißt, wer das Verhandlungsmandat hatte; denn einen Briefkasten kann man schlecht befragen. Damit waren schon drei Jahre ins Land gezogen. Drei Jahre sind viel Zeit bei einer Immobilie, die nicht gerade wilhelminische Bausubstanz hat.
Herr Kollege Dolgner, ich bin fasziniert von Ihrer Analyse; diese trifft auf viele solcher Häuser zu. Hätten Sie als regionale SPD denn in dem Moment staatliche Zuschüsse für dieses Unternehmen gefordert? Das wäre ja das, was Sie implizit fordern: Um in einer solchen Situation den Beschäftigten diesen Standort zu erhalten, muss der Staat einspringen.
- Ich will einfach nur fragen. - Sie wissen aber genau - vor dem Hintergrund dessen, was Sie schildern -, dass das weiße Salbe wäre, das heißt, das Geld wäre futsch.
- Herr Tietze, ich berichte gerade zu der Frage, mit wem man überhaupt über die Nachfolgefrage und so weiter verhandeln konnte. Ich habe auch gesagt, dass die Kommunen vor Ort Hilfe brauchen. Denn das, was ich Ihnen gerade vorgestellt habe, ist nun einmal die globale Marktwirtschaft - oder: Kapitalismus, wie immer Sie es nennen wollen -, und damit haben sich viele Kommunalpolitiker, mich eingeschlossen, 2011 schlicht und ergreifend alleingelassen gefühlt.