Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine Damen und Herren! Aktuell hat sich mit Lars Feld der Chef der Wirtschaftsweisen mit folgendem Satz zum Lieferkettengesetz geäußert:
„Mit einem Lieferkettengesetz wird die Axt an das bisherige Erfolgsmodell der deutschen Wirtschaft mit stark internationalisierten Wertschöpfungsketten und einer starken Produktion im Ausland gelegt.“
spitzt hat. Wenn er nämlich meint, dass der Erfolg der deutschen Wirtschaft auf Menschenrechtsverletzungen, Ausbeutung und Kinderarbeit beruht, dann sollte man meines Erachtens tatsächlich die Axt an das System anlegen.
Ich glaube nicht, dass der Erfolg der deutschen Wirtschaft darauf beruht, und deswegen glaube ich auch nicht, dass der Erfolg der deutschen Wirtschaft durch ein Lieferkettengesetz gefährdet wird. Ich glaube, dass wir erst wirklich erfolgreich sind, wenn wir internationalen Schutz erfolgreich durchsetzen.
Zur Erinnerung: Wir leben in Deutschland in einer sozialen Marktwirtschaft. Soziales Handeln endet nicht an der Landesgrenze, Anstand und Wahrung von Menschenrechten ebenfalls nicht. Es ist daher richtig, auch Unternehmen Sorgfaltspflichten für ihre Lieferkette aufzuerlegen.
Der Einsturz des Fabrikgebäudes in Rana Plaza in Bangladesch am 24. April 2013, bei dem mehr als 1.100 Menschen ihr Leben verloren, hat den Blick schlagartig auf völlig unzureichende Arbeitsbedingungen bei der Herstellung von Textilien gelenkt. Die Diskussion über Verbesserungen der sozialen und ökologischen Standards hat viele Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland wachgerüttelt, und sie haben seitdem das Gefühl, sie müssten auch bei der Kaufentscheidung eine besondere Verantwortung walten lassen.
Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Müller, hat als eine Reaktion darauf das Bündnis für nachhaltige Textilien initiiert, und jetzt macht auch er Druck beim Thema Lieferkettengesetz.
Internationale Arbeitsteilung und globaler Handel sind heute für viele Rohstoffe und Produkte selbstverständlich. Es wurde angesprochen: Kaffee, Kakao, Baumwolle, wichtige Rohstoffe zur Herstellung von Handys oder Computertechnologie werden in Entwicklungsländern häufig unter Bedingungen hergestellt, die bei uns zu Recht längst verboten und geächtet sind. Zwangs- und Kinderarbeit, gesundheitsschädliche Arbeitsbedingungen zu niedrigsten Löhnen und ohne soziale Absicherung sind für viele Menschen in diesen Ländern immer noch tägliche brutale Realität. Den Anstrengungen um eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern müssen deshalb weitere Schritte folgen.
Ich sage es ganz klar: Hier muss der Staat handeln. Es ist auch eine staatliche Verantwortung der Bundesregierung, dass wir uns als Bundesrepublik Deutschland gegen solche Missbräuche wehren. Aber es müssen sich auch international tätige Konzerne, die die Größe und Durchsetzungskraft haben, bewusst sein, dass auch sie eine Verantwortung für ihre Lieferketten haben.
Nur wenn Unternehmen ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen und Transparenz schaffen - auch das ist ein wichtiger Punkt -, können Verbraucherinnen und Verbraucher überlegte Kaufentscheidungen treffen. Wenn immer mehr Unternehmen in den Produktionsländern auf die Einhaltung der Menschenrechte, auf die Einhaltung von fairen, sozialen und Umweltstandards achten, werden sich die Lebensbedingungen der Arbeiterinnen und Arbeiter sowie ihrer Familien verbessern. Umwelt- und Naturschutz sind globale Aufgaben, sie machen nicht an Staatsgrenzen halt. Menschenrechte sind unteilbar, sie gelten für alle.
Nun gibt es mancherorts den Einwand, ob das nicht auch freiwillig gehe. Die Kollegin Metzner hat es eben dargestellt. Freiwillige Selbstverpflichtungen erreichen oft nicht den Grad an Verbindlichkeit, den es hier braucht. Man hat es in Deutschland freiwillig versucht, und es hat nicht funktioniert. Deswegen ist es richtig, dass die Bundesregierung jetzt gesetzliche Regelungen für die Wertschöpfungskette entwickeln will.
Richtig ist aber auch, dass diese Bedingungen mittleren und kleinen Unternehmen gerecht werden müssen. Es darf nicht sein, dass sich ein Kleinstunternehmen auf einmal in der Verantwortung für die Lieferkette sieht, die es gar nicht einhalten kann. Das war immer die Kritik, die wir dem TTG entgegengehalten haben; da hätte man anders agieren müssen.
Meines Erachtens ist es ein wirksamer und praktischer Weg, wenn Unternehmen ab einer Größe von zum Beispiel 500 Mitarbeitern, die international, global handeln und ihre Lieferkette überprüfen können, sie auch überprüfen müssen. Deswegen treten wir als CDU Schleswig-Holstein massiv für ein Lieferkettengesetz ein.
dern CDU pur. Auf unserem letzten Bundesparteitag haben wir beschlossen: Wir wollen faire Löhne und Arbeitsbedingungen in den Herkunftsländern, Kinderarbeit ausrotten, nachhaltiges Wirtschaften und eine gerechte Entwicklung zum weltweiten Schutz von Menschen und Umwelt.
Deswegen freue ich mich über diesen Antrag und auf eine breite Beratung. Der Antrag sollte im Umweltausschuss beraten werden und - ich denke auch im Wirtschaftsausschuss. Ich beantrage Überweisung an beide Ausschüsse. - Vielen Dank.
Mit den Masken ist es nicht mehr so einfach, die Besucher auf der Tribüne zu erkennen, aber nach und nach gelingt mir das. Begrüßen Sie mit mir gemeinsam auf der Besuchertribüne des SchleswigHolsteinischen Landtags bitte auch die Landespastorin der evangelischen Kirche, Frau Bruweleit. Herzlich willkommen!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Vor mittlerweile fast genau zehn Jahren habe ich als Schüler angefangen, mich politisch zu engagieren. Ich habe das getan, weil es mir unbegreiflich war, mit welchem Desinteresse wir andere Menschen für unsere Produkte ausbeuten, beim Nähen von T-Shirts, auf Kaffeeoder Kakaoplantagen, beim Coltan-Abbau.
Die Bilder in Dokumentationen, die Berichte in Nachrichten und Zeitungen, vor allem auch die Vorträge von Betroffenen haben mich zutiefst bewegt. Sie haben mich deshalb so bewegt, weil unser politisches und unternehmerisches Desinteresse an den Lebensumständen anderer Menschen ursächlich dafür ist, dass sie in Armut leben. Das bedeutet: Menschen leiden Hunger. Menschen können sich kein Dach über dem Kopf leisten. Menschen werden aus ihrer Heimat vertrieben. Menschen sterben, weil sie sich keine Behandlung leisten können - und das nur, weil wir uns hier im Wohlstandswesten dafür nicht interessieren. Das bewegt mich heute noch zutiefst.
Es ist auch unsere Verantwortung, diese Situation zu ändern. Immerhin sind wir die drittgrößte Importnation der Welt. Doch da versagen wir in Deutschland und in Europa.
Die Vereinten Nationen haben 2011 ihre Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet. Sie betonen die staatliche Schutzpflicht und die unternehmerische Verantwortung, stellen damit also nicht nur für Staaten, sondern auch für Unternehmen eine Verantwortung bezüglich der Menschenrechte fest.
Die Bundesregierung hat 2016 den Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung dieser UN-Leitprinzipien beschlossen. Gebracht hat beides bis heute nicht viel, auch und gerade deshalb, weil es sich bei beidem um keine verbindliche rechtliche Vorschrift handelt.
Bei der Lösungsfindung greift der Ruf nach europäischen Regelungen zu kurz. Ja, wir brauchen eindeutige Einfuhrregelungen für Produkte, die in den europäischen Binnenmarkt kommen.
Aber insbesondere große, oftmals multinational agierende Unternehmen sind eigenständige Akteurinnen und Akteure der internationalen politischen Landschaft. Als solche tragen sie nicht nur beim Grenzübertritt von Produkten eine Verantwortung, sondern überall dort, wohin ihr Wirkungsradius unmittelbar ausgreift. Bei der Regelung dieser Verantwortung versagen wir noch zu oft.
73 Millionen Kinder weltweit gehen einer Arbeit nach. 2,1 Milliarden Menschen weltweit leben von weniger als 2 US-Dollar am Tag und damit in Armut. Das liegt auch an den Produktionsstrukturen multinationaler Konzerne, denn - wir haben es gerade gehört -: Weltweit arbeiten circa 450 Millionen Menschen in globalen Wertschöpfungsketten, und diese Menschen verdienen oftmals nicht mehr als einen Hungerlohn.
Um es greifbar zu machen: Anwar Khawaja Industries produziert in Sialkot in Pakistan Fußbälle für die bekannten großen Sportartikelhersteller. Eine Näherin kann am Tag zwei bis drei Bälle produzieren. Pro Ball erhält sie ziemlich genau 85 ct. Damit erhält eine Näherin im Monat 50 € bis 60 € für sich und ihre Familie. Der Ball für das Champions
League-Finale vom letzten Wochenende wird beispielsweise für 136 € verkauft. Der Lohnanteil liegt also bei 0,6 %. Das entspricht exakt dem Lohnanteil für Näherinnen und Näher bei einem durchschnittlichen Marken-T-Shirt.
Nur mal zum Vergleich: Bei Herstellern, die Kleidung in Deutschland produzieren, wird mit einem Lohnanteil von 52 % kalkuliert. Das wären für die Näherinnen und Näher in Pakistan 1,5 Monatslöhne pro Kleidungsstück oder Fußball.
Menschenrechtsverstöße erfolgen jedoch nicht nur aus ausbeuterischer Bezahlung oder liegen im Falle von Kinderarbeit vor, sondern können vielfältig sein. Wir haben das Versagen von privaten Kontroll- und Zertifizierungsunternehmen heute schon gehört, beispielsweise beim Einsturz des Rhana Plaza Gebäudes.
Ein ähnliches Versagen war ursächlich für den Bruch des Brumadinho-Dammes in Brasilien im vergangenen Jahr. Damals starben mindestens 270 Menschen. Unzählige wurden durch die Wassermassen heimatlos.
Beide Beispiele zeigen auch, wie eine unklare bis nicht vorhandene rechtliche Verpflichtung zur Einhaltung von Menschenrechten dazu beiträgt, dass global agierende Unternehmen ihre unternehmerische Sorgfaltspflicht nicht sehr ernst nehmen und damit das Sterben und Leiden von Menschen mindestens billigend in Kauf nehmen.
Nicht zuletzt die Unternehmensbefragung im Auftrag der Bundesregierung hat dieses Jahr deutlich gezeigt, dass wir bei der Wahrung von Menschenrechten entlang globaler Lieferketten deutlich Nachholbedarf haben.
Das alles macht deutlich: Wir brauchen ein nationales Lieferkettengesetz. Es braucht eine Haftung großer Unternehmen für ihre Handlungen. Überall.
Ich hätte mir wirklich gewünscht, dass dazu heute ein klares Signal von diesem Hause aus ausgeht. Ich hoffe, dass wir noch dazu kommen, wenn wir in den Ausschüssen weiter beraten, wie der Kollege Kilian gesagt hat. Wir beantragen Überweisung in den Umweltausschuss und mitberatend in den Wirtschaftsausschuss. Ich freue mich auf die Beratungen.