Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/2365 (neu)
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Unser Gesundheitssystem ist eines der erfolgreichsten weltweit, aber in einigen Bereichen nicht zuletzt wegen unserer hohen Ansprüche schon im Normalbetrieb auf Kante genäht. Der Kostendruck ist über die letzten Jahre ständig gestiegen, und das wird in der aktuellen Situation noch einmal richtig deutlich. Aber die Probleme werden angepackt, und aus unserer Sicht hat die große Debatte zur Neuaufstellung unserer Gesundheitsversorgung gerade erst begonnen. Mit 38 Gesetzen und Verordnungen zur Neuaufstellung des Gesundheitssystems hat die aktuelle Bundesregierung alle Rekorde gebrochen.
Auch wir Sozialdemokraten haben aus Fehlern der Vergangenheit gelernt: Krankenhäuser dürfen nicht weiter privatisiert werden. Die vollständige Ökonomisierung der Gesundheitsversorgung ist ein Irrweg. Jetzt ist die Zeit, um Reformen voranzubringen. Heute geht es speziell um die Versorgung unserer Kleinsten. Für sie haben wir noch eine zusätzliche Verantwortung. Das wird durch das aktuelle System der Fallpauschalen in einigen Bereichen sogar noch erschwert. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, sie sind ganz unterschiedlich in ihren Entwicklungen. Sie brauchen häufig deutlich mehr Zuwendung. Deshalb kann man nicht einfach ein Standard-Preisschild an ihre Behandlung hängen.
Zudem kommen 80 % der Kinder als Akut-Fälle in die Klinik. Die Konsequenz: Kliniken zahlen bei der Behandlung von Kindern oft drauf, und weil in den Krankenhäusern häufig eher die Controller als die Ärzte das Sagen haben, wird deshalb die Kindermedizin schnell eingeschränkt. Was sich nicht lohnt, wird in unserem Gesundheitssystem oft nur noch halbherzig angeboten. Besonders wenn es um kranke Kinder geht, ist das unverantwortlich. Deshalb brauchen wir einen Systemwechsel. Die Fallpauschalen für Kinder müssen entweder verschwinden oder völlig neu aufgestellt werden. Wir brauchen eine Grundfinanzierung, die durch eine individuelle Finanzierung von Behandlungen ergänzt wird.
Manuela Schwesig will das Thema in einer Bundesratsinitiative voranbringen. Wir hoffen, dass Sie als Landesregierung diesen Vorstoß unterstützen. Einen
ersten Schritt will Gesundheitsminister Spahn mit einem weiteren Gesetz zur Sicherstellung von stationärer Kinder- und Jugendmedizin gehen. Kinderkrankenhäuser und Fachabteilungen für Kinderund Jugendmedizin sollen ab dem kommenden Jahr einen Sicherstellungszuschlag in Höhe von pauschal 400.000 € pro Jahr erhalten können. Das kommt Krankenhäusern wie Eckernförde und anderen in der Fläche sehr zugute. Dieses Geld kann vor allen Dingen im ländlichen Raum die weitere stationäre Versorgung von Kindern und Jugendlichen sichern, wo es in den letzten Jahren deutschlandweit immer wieder zu Schließungen gekommen ist.
Für die Sicherstellung der Versorgung brauchen wir dann aber auch genügend Fachpersonal. Bis 2030 werden ein Drittel der Kinderärzte in SchleswigHolstein in Rente oder Pension gehen. Wir brauchen Nachwuchs, und nicht nur bei den Ärzten. Stationäre Betten werden auch geschlossen, weil die Pflegestellen nicht besetzt sind. Schon jetzt müssen auch bei uns im Land Kinderkliniken immer wieder die jungen Patientinnen und Patienten abweisen. Wir müssen uns also intensiv um den Fachkräftenachwuchs im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin in Schleswig-Holstein kümmern. Die Unterstützung der Bundesratsinitiative aus Mecklenburg-Vorpommern ist ein sinnvoller Weg und ein richtiger Schritt für ein kindgerechtes System. Deshalb bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag.
Zum Alternativantrag der Koalition möchte ich anmerken, dass Sie ebenfalls einen ganz wichtigen Aspekt der ambulanten und teilstationären Versorgung, die chronisch erkrankten Kinder und Jugendlichen mit komplexem Behandlungsbedarf, ansprechen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich beantrage, dass unsere beiden Anträge als eigenständige Anträge behandelt werden, denn auch Ihr Ansatz, liebe Koalition, macht Sinn. Er setzt aber einen anderen Schwerpunkt als den, den wir gesetzt haben. Außerdem sind wir Sozialdemokraten davon überzeugt, dass wir im Gesundheitsausschuss diese beiden Schwerpunkte zusammenführen können. Deshalb beantragen wir die Überweisung der beiden eigenständigen Anträge in den Sozial- und Gesundheitsausschuss. - Jetzt danke ich Ihnen für Ihr Zuhören, vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Gesundheitsversorgung von Kindern und Jugendlichen ist uns allen sehr wichtig. Dazu gehören auch die Untersuchungen U 1 bis U 9 und J 1. Genauso nötig sind die Immunisierung durch Impfungen wie gegen Tetanus, Kinderlähmung, Diphtherie oder Masern. Wir erinnern uns, dass gerade vor der Coronapandemie die Masern-Pflichtimpfung doch heftig in der Diskussion war. Durch Corona hat es hier einen anderen, einen realistischeren Blick auf Immunisierung gegeben. Das kommt besonders Kindern und Jugendlichen zugute.
Zur Situation der Kinderheilkunde hat der Minister am 7. November 2019 einen Bericht im Sozialausschuss abgegeben, Umdruck 19/3343. Dort wird auf Seite 2 aufgezählt, welche Maßnahmen für die Verbesserung der Kinderheilkunde bereits getroffen worden sind. Zum Beispiel wird mit der Herabsetzung der Normauslastung von 80 auf 75 % - und damit deutlich niedriger als in dem vorhergehenden Krankenhausplan - sichergestellt, dass genügend Betten vorhanden sind. Auf Initiative SchleswigHolsteins hin ist auf der Gesundheitsministerkonferenz 2019 einstimmig beschlossen worden, die Krankenhausfinanzierung grundlegend zu überarbeiten. Hierzu ist eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich besonders mit der pädiatrischen Versorgung befasst. Es gab hierzu auch einen Alternativantrag von Jamaika im Dezember 2019, Drucksache 19/1895, der insbesondere die folgenden Punkte in Bezug auf Kinderkliniken berücksichtigt wissen wollte. Frau Präsidentin, ich zitiere:
„Kurzfristig sind rechtliche und finanzielle Voraussetzungen zu schaffen, die es den Ländern im Rahmen von Modellversuchen ermöglichen, in besonders sensiblen Versorgungsbereichen, wie zum Beispiel der Kinder- und Jugendmedizin, an Krankenhäusern sektorenübergreifende Versorgungsangebote zu implementieren, die eine ambulante, tagesklinische und stationäre Versorgung innerhalb einer Struktur ermöglichen.“
Das ist im Grunde genommen die Zielrichtung, die wir hier auch als Jamaika verfolgen wollen. Gerade für die Gesundheitsversorgung von Kindern und Jugendlichen sind nämlich diese sektorenübergreifenden Angebote unheimlich wichtig. Besonders das
ambulante und tagesklinische Angebot neben der stationären Versorgung innerhalb einer Struktur macht hier mehr Flexibilität möglich und ist auch da müssen wir uns nichts vormachen - kindgerechter, denn nicht immer ist die stationäre Versorgung notwendig, aber wenn sie denn zwingend notwendig ist, muss die Mutter dabei sein können.
Hier komme ich zu einem nächsten Punkt, den wir auch im Entwurf des Krankenhausgesetzes bereits enthalten haben, in dem die Kinder- und Jugendheilkunde noch einmal besonders thematisiert wird, Stichwort: Begleitperson und auch die vorausschauende Krankenhausplanung zu dieser Thematik.
Zurzeit ist das Thema auch auf Bundesebene stark im Fokus - das wurde eben von Kollegen schon erwähnt -, es ist aber genauso bei Minister Jens Spahn stark im Fokus. Kinderkrankenhäuser und Fachabteilungen für Kinder und Jugendmedizin sollen insbesondere im ländlichen Raum ab dem kommenden Jahr einen Sicherstellungszuschlag erhalten.
Das sehe ich nur als eine Überbrückung an, denn es löst nicht das grundsätzliche Problem der Krankenhausfinanzierung. Insofern wurde am 18. September 2020 auch ein Vorschlag vom Bundesrat zur weiteren Beratung in den Gesundheitsausschuss des Bundesrates überwiesen, wo man sich voraussichtlich heute damit beschäftigen wollte - ich weiß es nicht genau.
Sie sehen aber an all diesen Beispielen: Die Gesundheitsversorgung von Kindern und Jugendlichen steht bei Jamaika, auch bei unserem Minister, ganz oben auf der Agenda. Darauf ist unser Fokus gerichtet. Daher bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag. Herr Heinemann, Ihrem Antrag können wir nicht ganz folgen. Ich finde, unser Antrag geht weiter. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kinder und Jugendliche sind keine kleinen Erwachsenen. Sie sind körperlich und psychisch in der Entwicklung besonders sensibel für schädigende Einflüsse. Deshalb ist auch die Behandlung von Kindern und Jugendlichen eine besondere. Sie
braucht spezifische Kompetenzen in allen Bereichen: Diagnostik und Anamnese, Behandlung und Therapie sowie im Umgang mit den Patienten und ihren Eltern. Kinder und Jugendliche brauchen eine auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene, zuverlässige Gesundheitsversorgung. Das ist erforderlich, damit ihre körperliche Entwicklung und ein gesundes Aufwachsen sichergestellt sind.
Ich weiß nicht, ob Sie es kennen: Wenn ein Kind krank wird, geht man normalerweise zum Kinderarzt oder zur Kinderärztin. Wenn das einmal nicht möglich ist und man zu einem anderen Arzt oder einer anderen Ärztin mit dem Kleinkind geht, habe zumindest ich damit keine guten Erfahrungen gemacht. Ich habe immer gemerkt, dass es ganz besonders wichtig war, eine spezielle, wirklich auf Kinder ausgerichtete Betreuung zu bekommen.
Dies trifft sowohl für die ambulante wie auch für die stationäre Versorgung zu. Weil dies wichtig und nicht selbstverständlich ist, ist es ein Bestandteil der UN-Kinderrechtskonvention. Wir haben in Deutschland zum Glück ein ziemlich gutes Gesundheitssystem, das besonders belastbar ist. Das sind Dinge, die es im Rest der Welt nicht überall gibt. Trotzdem ist auch bei uns nicht alles gut. Wir erleben oft lange Wartezeiten. Jugendliche, die zum Beispiel eine ambulante Psychotherapie brauchen, müssen viel zu lange warten, weil keine freien Kapazitäten in der Therapie vorhanden sind. Die offizielle Versorgungssituation für das Fachgebiet liegt aber bei mehr als 100 %. Genauso gilt es für Kinderarztpraxen: Die offizielle Versorgungssituation für einen bestimmten Bezirk liegt bei mehr als 100 %. Ich sage Ihnen: Alle, die Erfahrungen damit gemacht haben, können sich das nicht vorstellen. Wie passt das zusammen? - Gar nicht. Hier muss nachgesteuert werden.
Häufig ist bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen keine oder nur eine kurze stationäre Versorgung notwendig. Dafür aber ist der Bedarf an komplexen ambulanten und tagesklinischen Leistungen hoch. Diesen Besonderheiten muss Rechnung getragen werden, und sie müssen in den Versorgungsstrukturen abgebildet werden. Bisher ist das leider kaum der Fall. Besonders relevant sind in diesem Zusammenhang die getrennten Finanzierungssysteme.
Wir wollen das ändern: Der Jamaika-Antrag schlägt konkrete Maßnahmen vor. Besonders wichtig ist eine auskömmliche Finanzierung der Kinder- und Jugendmedizin in den Krankenhäusern. Die Fallpauschalen allein stellen nicht sicher, dass die realen Kosten gedeckt sind. Gleiches gilt für die Geburts
Eine Lösung wäre, die Vorhaltekosten mit einer Grundpauschale abzudecken. Genau das haben wir Grüne in Schleswig-Holstein schon auf einem Parteitag vor fünf Jahren beschlossen. Wir begrüßen, dass Jamaika diese Forderung unterstützt, und wir begrüßen besonders, dass die Landesregierung, sprich unser Gesundheitsminister, bereits einen Vorstoß zur Neuordnung des Krankenhausentgeltrechts gemacht hat. Vielen Dank dafür, Herr Garg!
Diese konstruktiven Vorschläge müssen auch auf Bundesebene weiter vorangetrieben werden. Dazu ermutigen wir Sie ausdrücklich.
Nur gemeinsam können die zuständigen Akteure in Schleswig-Holstein eine bedarfsgerechte Versorgung von Kindern und Jugendlichen ausbauen. Die Landesregierung allein kann das nicht. Sie wird sich aber auf Bundesebene dafür einsetzen, eine sektorenübergreifende Versorgung zu erleichtern. Wir werden mit den Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung die Möglichkeiten prüfen, ob in Schleswig-Holstein ein Modellversuch für eine sektorenübergreifende Versorgung - also in verschiedenen Bereichen - nach § 64 SGB V auf den Weg gebracht werden kann.
Zu einer guten Gesundheitsversorgung für Kinder und Jugendliche gehört auch, in Schleswig-Holstein die teilstationäre Versorgung mit Tageskliniken - also teilweise in der Klinik und teilweise zu Hause an geeigneten Standorten weiterzuentwickeln, soweit es rechtlich zulässig und sinnvoll ist. Auch das werden wir tun.
Jamaika geht voran. Wir werden tatsächlich eine Abstimmung in der Sache fordern, weil wir - das habe ich eben ausgeführt - darauf setzen, im Bund etwas voranzubringen. Ich glaube, die Zeit eilt. Deshalb halten wir es für sehr sinnvoll, den Antrag jetzt zu beschließen. Bitte stimmen Sie unserem Antrag zu. - Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft beginnt mit dem Wohl unserer Kinder. Mit der Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention im Jahr 1992 wurden die besonderen Bedürfnisse von Kindern im geltenden Recht berücksichtigt und verbriefen seither auch das Recht eines jeden Kindes auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit. Ich denke, darüber sind sich alle Parteien hier in diesem Land einig. Dennoch zeigen Presseberichte quer durch Deutschland Probleme bei der medizinischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Dies gilt sowohl in der ambulanten wie auch in der stationären Versorgung. Eine Studie der Universität Köln zeigte, dass es in deutschen Kinderkliniken in vielen Regionen zu Engpässen kommt oder kommen kann.
Alle Eltern in diesem Land können sich glücklich schätzen, in Schleswig-Holstein zu wohnen, denn hier ist die Situation noch deutlich besser als in den meisten anderen Teilen der Bundesrepublik. Die Pädiatrie, also die Kindermedizin, ist sogar für das ohnehin schon finanzintensive Gesundheitswesen ein eher kostspieliger Bereich. Kinder haben je nach Altersgruppe unterschiedliche Anforderungen an eine medizinische Versorgung. Pädiatrische Krankheitsbilder haben ein breites Spektrum. Kindermedizin ist deshalb personalintensiver und somit leider auch teurer.
Die daraus resultierende Unterfinanzierung in der Pädiatrie führt mancherorts zu immer weniger Betten. Der erhöhte Personalbedarf bei der Betreuung von Kindern wird meiner Meinung nach im bestehenden DRG-System nicht adäquat berücksichtigt. Diese Situation ist nicht erst durch die Coronapandemie entstanden, sondern hat sich schon vorher herauskristallisiert. Die Krankenhausfinanzierung ist wie auch die Finanzierung der Kinderheilkunde zwingend reformbedürftig.
Unterschiedlich sind vielleicht die Wege, mit denen die hier Anwesenden das Ziel einer verbesserten Gesundheitsversorgung für Kinder auf den Weg bringen wollen. Ich finde es interessant, dass der Vorschlag einer Abkehr von einer auf Fallpauschalen basierenden Finanzierung nun von Herrn Heinemann von der SPD vorgetragen wird. Ich finde es sehr gut. Mein Kollege aus der FDP-Bundestagsfraktion Matthias Seestern-Pauly hat im Frühjahr dieses Jahres - also nicht vor langer Zeit - eine Klei