Protokoll der Sitzung vom 23.09.2020

Ich bitte um Zustimmung zum Staatsvertrag.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt SPD, FDP und SSW)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Stefan Weber das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, Herr Brockmann, sicherlich werden wir ähnliche Reden hören. Dennoch muss das eine oder andere hier noch gesagt werden.

Mit dem jetzt vorliegenden Ersten Medienänderungsstaatsvertrag wurde der Weg freigemacht für die Abstimmung in den Landesparlamenten. Der Rundfunkbeitrag soll um 86 ct steigen; das haben wir schon gehört. Seit 2009 ist es damit die erste Erhöhung. Die neue Beitragsperiode wird von Januar 2021 bis Dezember 2024 dauern. Die Länder hatten einen deutlich höheren Finanzbetrag angemeldet und rechnen deshalb mit Kürzungen.

Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist der Rundfunkbeitrag die Haupteinnahmequelle. Die KEF erstellt ihre Empfehlung auf der Grundlage des Finanzbedarfs von ARD, ZDF und Deutschlandradio, die diesen vorher anmelden.

Angesichts der herausfordernden Finanzlage - wir haben dies eben schon ansatzweise gehört - hat der NDR bereits reagiert. Er wird in den kommenden vier Jahren 300 Millionen € einsparen. Ausgaben für Personal, Produktion, Verwaltung und Programm werden gesenkt. Bis 2028 will der NDR 10 % seines Aufwands für Personal kürzen. Um das zu erreichen, müssten mindestens 200 Planstellen nicht nachbesetzt werden. Das sind tiefe Einschnitte.

(Tim Brockmann)

Der Rundfunkrat unterstützt die geplanten Maßnahmen des NDR. Ich bin aber sicher, dass die Leistungsfähigkeit des NDR auch in Zukunft gesichert bleiben wird, und hoffe, dass dies auch bei der Qualität und der Vielfalt erhalten bleibt. Man kann den NDR nur loben, der seinen Auftrag für Bildung, Information, Kultur und Unterhaltung unter erschwerten finanziellen Bedingungen zu erfüllen versucht.

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD])

Nun kurz zu der Abstimmung in den Landesparlamenten. Nach langen Verhandlungen haben sich die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten auf eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags geeinigt. Eigentlich sollte jetzt alles klappen, um damit die Zustimmung in den Landesparlamenten zu erreichen. Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Bundesrepublik könnte gesichert sein. Aber nein, aus dem CDU-geführten Bundesland Sachsen-Anhalt droht Widerstand gegen die Anhebung. Was liest man nicht alles in den Printmedien für Argumente der Gegner gegen eine Anhebung: zu groß, zu teuer oder vielleicht zu links.

Mit dem bisherigen Querstellen zum Rundfunkstaatsvertrag steht die CDU in Magdeburg aber nicht alleine da. Auch die AfD lehnt ihn ab. Allerdings ist sie grundsätzlich gegen den öffentlichrechtlichen Rundfunk und will diesen komplett abschaffen.

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Stimmt nicht!)

Dass eine Koalition der Neinsager den Rundfunkstaatsvertrag kippen könnte, müsste jede Demokratin und jeden Demokraten mehr als beunruhigen.

(Beifall SPD)

Übrigens, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU: In Medienberichten erscheint Ihr früherer Fraktions- und Landeschef Christian von Boetticher auch zu den Neinsagern zu gehören. Als Vorsitzender des Wirtschaftsrates der Nord-CDU fordert er die Ablehnung des Änderungsstaatsvertrages. Angeblich sollen die 86 ct Anhebung nicht zielführend mit dem Blick auf den zunehmenden Wettbewerb im internationalen Informationsmarkt sein. In diesem Zusammenhang frage ich mich, seit wann eigentlich Informationsangebote öffentlich-rechtlicher Sender unter Marktaspekten betrachtet werden.

Nun aber zurück nach Sachsen-Anhalt. Herr Günther, Sie haben es eben schon ausgeführt. Ich bitte Sie, weiterhin Kontakt mit Ihrem Ministerpräsidentenkollegen Reiner Haseloff zu halten und dafür zu werben, dass er endlich gegen die unbegründeten

Widerstände gegen die Rundfunkbeitragserhöhung angeht.

Bedenken Sie bitte auch die Alternative. Sollten nicht alle Landtage einem solchen Beitragsanstieg zustimmen, könnte ein Rechtsstreit kommen. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass die Anstalten vor dem Bundesverfassungsgericht klagen würden und dass diese Klage dann auch gute Erfolgsaussichten hat.

Gerade in Zeiten von Fake News und wachsendem Populismus braucht die Gesellschaft die redaktionellen Angebote der Sender dringender als je zuvor.

(Beifall SPD)

Um den Ersten Medienänderungsstaatsvertrag vielleicht sogar platzen zu lassen, ist eine Erhöhung von 86 ct der falsche Ansatz. Es liegt jetzt an uns in den Parlamenten, mit der Beitragserhöhung Verbesserungen in der Finanzausstattung von ARD, ZDF und Deutschlandradio auf den Weg zu bringen. Wir müssen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk angesichts zunehmender Angriffe auf die Pressefreiheit bei gleichzeitiger besorgniserregender abnehmender Medienvielfalt die angemessene Bedeutung zumessen - und das auch finanziell.

In Zeiten von Hetze und Falschmeldungen stehen gerade die öffentlich-rechtlichen Sender für journalistische Unabhängigkeit. In der Coronarise ist überdeutlich geworden, wie wichtig unabhängiger Qualitätsjournalismus ist; in dieser Krise suchen Menschen nach seriösen Informationsquellen. Und da leisten unsere öffentlich-rechtlichen Sender eine sehr gute Arbeit.

(Beifall SPD)

Unsere Fraktion wird dem Ersten Medienänderungsstaatsvertrag zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich das Wort dem Abgeordneten Lasse Petersdotter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Das eine oder andere Mal wurde schon erwähnt: Der Rundfunkbeitrag wird in Zukunft vermutlich 18,36 € im Monat betragen, zumindest dann, wenn sich auch das Land Sachsen-Anhalt diesem Verfahren anschließen kann. Soweit ich das

(Stefan Weber)

mitbekommen habe, hat Herr Haseloff dem bereits zugestimmt. Es wird aber zunehmend zu sehen sein, wie der Landtag von Sachsen-Anhalt entscheiden wird und wie der Landtag dort auch unter Druck gesetzt wird.

Denn dass wir diese Debatte so führen, wie wir sie führen, hat schlichtweg damit zu tun, dass die AfD in vielen Parlamenten immer stärker geworden ist und die Rundfunkbeiträge und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu ihrem großen Kampagnenthema ernannt hat und damit leider immer wieder glaubt, damit auch einen Nerv zu treffen, auch wenn - der Ministerpräsident hat es dargestellt - die Unterstützung und das Vertrauen in den öffentlichrechtlichen Rundfunk wahrscheinlich so hoch wie selten zuvor ist.

86 ct mehr als bisher soll es also kosten. Da war die Debatte natürlich vorprogrammiert, weil in der Vergangenheit immer wieder gesagt wird, es solle keinen Cent mehr geben. Aber woher kommen denn eigentlich diese 86 ct?

Die KEF hat diese Finanzlücke ausgemacht. Sie hat gesagt, in den nächsten Jahren werden 1,5 Milliarden € fehlen, 1,5 Milliarden € von einer Institution festgehalten, die keine Politik macht. Es ist ja nicht so, dass nach einer politischen Façon gesagt wurde, dass man einen höheren Betrag bräuchte. Übrigens belief sich das Gegenmodell von ARD und ZDF auf 3 Milliarden €. Die KEF hat diesen Betrag also noch einmal deutlich reduziert gegenüber dem Bedarf, der von ARD und ZDF festgestellt wurde, die 3 Milliarden € genannt hatten. Das würde einen Rundfunkbeitrag von monatlich 19,24 € ausmachen.

In diesem Spektrum findet das nun alles statt. 86 ct sind es nun also deswegen, weil man gesagt hat, 1,5 Milliarden € fehlen, wie dies von der KEF festgehalten worden ist. Diese Zahlen in Relation mit den Haushalten gesetzt, kommt man auf 86 ct pro Haushalt pro Monat.

Dabei darf man aber auch feststellen, dass die Anzahl der Haushalte in der Zukunft steigen wird. Nun kann man noch darüber diskutieren, wie stark dieser Anteil steigen wird. Da immer mehr Singles in gemeinsamen Haushalten leben, hat sich in der Welt ja doch einiges verändert.

Dies also ist die Lage. Wenn aber ARD und ZDF sagen, sie benötigten eigentlich 3 Milliarden €, während die KEF sagt, es bedarf lediglich einer Summe von 1,5 Milliarden €, dann zeigt das bereits, dass dies auch einen Sparkurs für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bedeuten wird. Dies

wird gerade den NRD besonders stark treffen. Das wird uns wohl noch viel beschäftigen, gerade auch mit Blick auf das, was der NRD gerade leistet. Denn diese Leistung geht weit über den CoronaPodcast mit Drosten hinaus. Allein das ist ein sehr wichtiges Informationsgut während der letzten Monate, das gar nicht hoch genug angerechnet werden kann.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Wenn es also Ernst wird und darauf ankommt, dann vertraut man dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und geht dabei über die anderen wichtigen und guten Angebote wie den Tatort und vieles andere mehr darüber hinaus. Es gibt mittlerweile viele Angebote für alle möglichen Bevölkerungsgruppen und alle möglichen Altersgruppen. Es ist ja längst nicht mehr so, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk nur noch von älteren Leuten gesehen wird; vielmehr sind auch die Angebote über Funk immer attraktiver geworden.

Ich halte eine Erhöhung von 86 ct pro Monat pro Haushalt für definitiv moderat, gerade mit Blick darauf, wie sich der jetzige Beitrag zusammengesetzt hat und darauf, dass der jetzige Beitrag die Höhe hat, weil man auch auf Rücklagen in der Vergangenheit zurückgreifen konnte, auf die man eventuell in der Zukunft eben nicht mehr zurückgreifen kann. Es ist eine moderate Erhöhung um 86 ct pro Monat. Das ist uns der öffentlich-rechtliche Rundfunk wert. Deswegen stimmen wir dem zu. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Jan Marcus Rossa das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Auch die FDP-Fraktion wird der Beitragserhöhung zustimmen

(Beifall Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- und das aus guten Gründen.

Aber, es ist auch bekannt, dass wir Freien Demokraten seit Langem dafür eintreten, dass Rundfunkbeiträge in Deutschland auf Sicht sinken, und das

(Lasse Petersdotter)

ist unseres Erachtens auch aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten geboten.

(Beifall FDP)

Wir müssen uns klarmachen, dass hohe Rundfunkbeiträge zwangsläufig dazu führen, dass dem Bürger weniger Geld für andere Medien bleibt. Hohe Beiträge beschränken damit tatsächlich die Medienvielfalt - im schlechtesten Fall für den Einzelnen, und das auf Kosten solcher Medien, die sich nicht durch Zwangsbeiträge finanzieren können. Deshalb brauchen wir so dringend die von uns seit Langem geforderte Reform von Rundfunkauftrag und Rundfunkstruktur. Ohne diese Reform wird es in Deutschland keine niedrigeren Beiträge geben.

Die aktuelle Diskussion, die in Deutschland geführt wird, ist dabei wenig hilfreich. Nicht einer derjenigen, die heute fordern, der Beitragserhöhung die Zustimmung zu versagen, vermögen überzeugend darzulegen, dass die Ermittlung des Finanzbedarfs des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch die KEF in irgendeiner Weise fehlerhaft gewesen ist.