Wer auspacken muss, dem ist daran gelegen, dass das vorher verwertet wird, auch für den menschlichen Verzehr. Wenn das nicht gelingt, dann soll es als Tierfutter verwertet werden, wenn das nicht möglich ist, soll es in die Biogasanlage. Trotzdem sind wir alle dazu auch angehalten, dass die Lebensmittelverschwendung weniger wird.
Das Containern ist dabei vielleicht ein Punkt unter vielen, aber es wird nicht das große Problem lösen. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Lars Harms, ich muss jetzt doch noch einmal darauf eingehen. Wir beschäftigen uns mit dem vom SSW gestellten Antrag, den wir schlichtweg nicht für den richtigen Lösungsansatz halten. Lebensmittelverschwendung - schön und gut! Wir sind auch nicht der Meinung - und dafür werden Sie uns auch nicht bekommen -, dass wir dem französischen oder dem tschechischen Modell folgen, weil in der Tat für das Ziel der Eingriff zu weitgehend ist und es mildere Mittel gibt. Das ist der entscheidende Punkt, von dem wir uns leiten lassen. Das hat durchaus auch etwas mit unseren liberalen Grundsätzen zu tun, dass wir immer prüfen müssen, ob alle Maßnahmen vonseiten des Staates, die gegenüber den Bürgern ergriffen werden, verhältnismäßig, also geeignet, erforderlich und angemessen sind. Bei der Angemessenheit fehlt es möglicherweise bei dem einen oder anderen Lösungsansatz, den wir heute gehört haben. Das ist das Problem, und damit werden wir uns beschäftigen müssen.
Es ist sinnvoll, wenn wir uns dieser Verantwortung, die an uns als Gesetzgeber gestellt wird, uns bei Eingriffen in Grundrechte deutlich zurückzuhalten
und jeweils zu prüfen, ob es wirklich erforderlich und ob die Maßnahme geeignet ist, bewusst werden.
Auch Ihr Dreiminutenbeitrag hat nicht deutlich gemacht, dass es notwendig ist, das Containern zu legalisieren. Da verweise ich auf den wirklich klaren und guten Vortrag von Burkhard Peters, der dargelegt hat, unter welchen Umständen möglicherweise eine Bestrafung des Containerns auch künftig erforderlich ist, auch zum Schutz des Eigentümers. Der bestimmt eben zum Ende darüber, was mit seinem Eigentum geschieht. Das müssen wir akzeptieren.
Damit lassen wir natürlich das eigentliche Ziel, die Lebensmittelverschwendung zu begrenzen und Lebensmittel insbesondere Wohltätigkeitsorganisationen oder ehrenamtlichen Organisationen zur Verfügung zu stellen, bevor sie vernichtet werden, überhaupt nicht aus den Augen. Aber der Weg dahin ist eben unterschiedlich. Man kann versuchen, dies über bürgerliches Engagement zu machen; das hilft nicht immer. Man kann versuchen, es durch Anreize zu gestalten: das halte ich für den besten Weg, weil er dem Einzelnen die Entscheidungsfreiheit belässt, aber Anreize durch den Staat gesetzt werden. Zwangsmaßnahmen sehe ich nur als letztes Mittel. - Vielen Dank.
Das Wort für die Landesregierung hat der Minister für Justiz, Europa und Verbrauchschutz, Claus Christian Claussen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Essen wegzuwerfen, gilt in allen Kulturen völlig zu Recht als unethisch. Gleichzeitig werden aber nach Angaben der Vereinten Nationen jedes Jahr 1,3 Milliarden t genießbare Lebensmittel verschwendet. Das ist etwa ein Drittel der Weltproduktion. In Deutschland sieht die Lage nicht viel besser aus. Hier landen jährlich fast 13 Millionen t Lebensmittel im Abfall. Allein in den Privathaushalten werfen Menschen durchschnittlich 85 kg Essen im Jahr weg. Das zeigt eine im letzten Jahr veröffentlichte Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Um es hier ganz klar zu sagen: Le
bensmittel in diesem Umfang zu verschwenden, ist ökologisch, ökonomisch und ethisch nicht zu verantworten.
Ökologisch nicht, weil für diese weggeworfenen Lebensmittel landwirtschaftlicher Boden genutzt und bei der Verarbeitung, Verpackung und Auslieferung viel Energie verwandt wurde. Ökonomisch nicht, weil der geschätzte Wert dieser weggeworfenen Lebensmittel mit 235 € pro Jahr und Kopf einfach zu hoch ist. Insgesamt macht das in Deutschland zusammen annähernd 20 Milliarden € aus, eine ungeheure Summe, die wir jedes Jahr schlichtweg in die Tonne kloppen.
Nicht zuletzt ist diese Verschwendung ein ethisches Desaster, gerade wenn man bedenkt, dass Hunderte Millionen von Menschen hungern.
Das Thema ist nicht neu. Der von uns zuletzt gefasste Landtagsbeschluss zum Thema Lebensmittelverschwendung aus dem Jahr 2018 macht dies genauso deutlich wie die 2019 verabschiedete nationale Strategie der Bundesregierung. Danach soll die Lebensmittelverschwendung bis 2030 um 50 % reduziert werden, ein ambitioniertes, aber ein richtiges Ziel.
Um dieses Ziel zu erreichen, bringt sich die Landesregierung in die hierfür eingerichtete Bund-Länder-Arbeitsgruppe ein. Dabei werden unterschiedliche Handlungsfelder betrachtet, nämlich unter anderem die Fragen: Müssen rechtliche Vorgaben geändert werden? Können Prozesse in der Wirtschaft optimiert werden? Wie können Innovationen helfen, etwa intelligente Verpackungen, die die tatsächliche Haltbarkeit eines Lebensmittels anzeigen?
Wir müssen jedoch feststellen, dass viel zu oft Lebensmittel nicht deshalb im Müll landen, weil sei wirklich verdorben sind, sondern weil sie das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht haben. Man muss einmal klar und deutlich darauf hinweisen, dass „mindestens haltbar bis“ nicht automatisch „sofort tödlich ab“ bedeutet.
Deshalb muss es darum gehen, das Verhalten aller Beteiligten zu ändern. Dabei lohnt ein genauer Blick in die bereits erwähnte Studie. Der Handel ist für 4 % der weggeworfenen Lebensmittel verantwortlich. Den Löwenanteil machen die Privathaushalte mit über 50 % aus. Diese Zahlen bedeuten
nicht, dass einer der Beteiligten nun aus der Verantwortung entlassen werden soll. Aber sie machen deutlich, dass, wenn man die Verschwendung wirksam bekämpfen will, die Verbraucher eine ganz entscheidende Rolle spielen.
Dies gilt auch hinsichtlich der Ansprüche an unsere Lebensmittel. Wenn Lebensmittel bereits auf dem Feld oder im Handel aussortiert werden, weil sie keine A-Ware darstellen und mutmaßlich von Verbrauchern nicht gekauft werden würden, dann ist auch das ein Problem, das zu vermeidbaren Abfällen führt.
Diese Landesregierung nimmt sich des Themas auch dadurch an, dass wir die schulische und außerschulische Verbraucherbildung in unserem Land nachhaltig stärken, unter anderem durch finanzielle Unterstützung der Verbraucherzentrale SchleswigHolstein. Wichtig ist dabei, Verbraucherinnen und Verbraucher für ihre eigene Verantwortung zu sensibilisieren.
Aber auch der Handel ist in den Blick zu nehmen. Bei unseren europäischen Nachbarn gibt es bereits Konzepte. So sind beispielsweise Supermärkte in Frankreich ab einer Größe von 400 m² verpflichtet, unverkaufte Nahrungsmittel zu spenden. Gleiches gilt in Tschechien. Die entsprechenden Regelungen wurden dort 2019 von deren Verfassungsgericht für rechtens erklärt. In Italien wiederum gibt es wirtschaftliche und steuerliche Anreize für den Handel, Lebensmittel zu spenden. Die Spannbreite ist also sichtbar groß.
Ich bin sehr dafür, dass wir mögliche Anreizsysteme stärker in den Blick nehmen. Dies scheint mir aufgrund der offenen Fragen bezüglich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes, der Lebensmittelsicherheit und auch von Haftungsfragen der weitaus bessere Weg zu sein, als das Containern zu legalisieren;
denn die rechtlichen Fragestellungen sind nicht so einfach, wie es der Antrag des SSW suggeriert, was der Kollege Peters ja andeutungsweise ausgeführt hat. Containern ist eben kein eigenständiger Straftatbestand, den man einfach abschaffen könnte. Es geht nicht allein um die Frage von Diebstahl, ja oder nein. Was ist zum Beispiel mit dem möglichen unbefugten Betreten von Grundstücken? Was wäre mit dem Aufbrechen eines Schlosses oder mit dem Durchschneiden eines Zaunes? Sollen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung von vornherein ausscheiden, wenn der Täter vorgibt, ein politisch korrektes Ziel zu verfolgen? Das Strafrecht ist nicht
Nach meiner Überzeugung sollten wir uns nicht so sehr die Frage stellen, wie wir es den Menschen ermöglichen, genießbare Lebensmittel aus dem Müll herauszuholen. Wir sollten den Fokus darauf legen zu verhindern, dass solche Lebensmittel überhaupt im Müll landen.
Das erreichen wir vor allem dadurch, dass wir mehr Bewusstsein schaffen - für Nachhaltigkeit, für Eigenverantwortung und für einen verantwortungsvollen Umgang mit unseren Lebensmitteln. Insofern mag der Weg derjenigen, die das Containern legalisieren wollen, zwar dezidiert ein anderer sein als mein Weg. Aber das Ziel, Lebensmittelverschwendung wirksam zu bekämpfen, scheint uns ja in diesem Hohen Haus zu einen.
Eine Bemerkung zu den Vorschlägen, die der Kollege Peters machte. Eine Weisung an die Staatsanwaltschaft, geltendes Recht nicht anzuwenden, halte ich erst einmal für grundsätzlich hochgradig problematisch.
Ich würde gerne wissen, ob Sie mir das in anderen Bereichen auch zugestehen. Das Steuerrecht wäre beispielsweise interessant. Insofern sollten wir diesen Gedanken von mir aus noch einmal weiterführen. Ich halte davon erst einmal per se nichts.
- Das habe ich mir gedacht. - Das Zweite, die durchaus ja sehr auszulegende und auszudeutende Frage, ob das Tatbestandsmerkmal „fremd“ vorliegt, vermögen, glaube ich, unsere Staatsanwaltschaften und Gerichte selber zu beantworten, ohne dass wir nun grundsätzlich in das Strafrecht eingreifen und sagen, dass bestimmte Dinge grundsätzlich nicht mehr darunterfallen sollen.
Zum Kollegen Harms noch einmal, was die soziale Komponente angeht. Ich glaube, das ist nicht das Wesentliche. Die Tafeln sind im Grunde genommen überall so ausgestattet, dass sie zu viele Lebensmittel haben. Wir brauchen wirklich einen Weg, wie wir Verschwendung vermeiden können. Dazu gehört - das betriff natürlich auch die Tafeln -, dass wir die weitere Nutzung von genießbaren Lebensmitteln ermöglichen.
Herr Minister, Sie haben ja Ihre Skepsis gegenüber dem Antrag ausgedrückt. Sie haben Ihre Skepsis gegenüber den Vorschlägen des Kollegen Peters ausgedrückt. Ich würde Sie gerne fragen, ob mit Blick auf das Eigentum und den Hinweis im Grundgesetz, dass Eigentum verpflichtet, jenseits von moralischen Appellen nicht doch einem Weg nähergetreten werden muss, wie wir ihn in Frankreich oder Tschechien vorfinden, wo der Handel entsprechend verpflichtet wird, das zu tun? Es würde sich ja durchaus decken mit der Verpflichtung des Eigentums, wie wir es im Grundgesetz vorfinden, wenn man es so machte.
- Also, ob das Wegwerfen eines noch genießbaren Lebensmittels über die Sozialbindung des Eigentums eingefangen werden kann, wage ich erheblich zu bezweifeln. Aber ich habe ja gesagt - da sind wir uns, glaube ich, weitgehend einig -, wir sollten überlegen, welche Anreizsysteme wir schaffen können, um diese Verschwendung zu vermeiden. Das betrifft die ganze Kette von Anfang bis Ende. Im Grunde genommen geht es bei der Produktion los und bei der Frage, die ich beispielhaft genannt habe, nämlich: Was wird schon auf dem Feld aussortiert und weggeworfen? - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Es folgt ein Dreiminutenbeitrag der Frau Abgeordneten Redmann. Der Minister hat seine Redezeit ohnehin um 3 Minuten 30 Sekunden überzogen. Sie können auch diese Zeit nutzen, Frau Abgeordnete.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss gestehen, dass mich dieser Redebeitrag ein bisschen irritiert. Irritiert bin ich auch angesichts der beiden juristischen Vorträge, die wir uns hier anhören durften.