Claus Christian Claussen
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Rechtsstaatlichkeit liegt mir aufgrund meiner Zuständigkeit für Justiz und Europa besonders am Herzen. Ich hatte deshalb den ersten Rechtsstaatsbericht der EU-Kommission mit Spannung erwartet. Ende September 2020 wurde der Bericht veröffentlich, und er enthält eine Bestandsaufnahme der jüngsten Entwicklungen in den Mitgliedstaaten, und zwar mit Blick auf die Unabhängigkeit der Gerichte, die Korruptionsbekämpfung sowie die Medienfreiheit und Medienvielfalt.
Auf der Grundlage dieses Berichtes wird es fortan regelmäßig Aussprachen im Rat geben - sowohl zur Lage der Rechtsstaatlichkeit der EU im Allgemeinen als auch zu den spezifischen Situationen in allen Mitgliedstaaten. Unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft wurde mit diesem Dialog bereits begonnen.
Ich selbst habe den neuen Bericht der EU-Kommission zum Anlass genommen, mit Vertretern aus Justiz, Wissenschaft und Zivilgesellschaft die Lage der Rechtsstaatlichkeit in der EU zu erörtern. Für mich ist klar - das wurde auch bei unserer Diskussionsveranstaltung Ende Oktober in Kiel deutlich -: Die Zielsetzung des neuen Rechtsstaatsmechanismus ist richtig. Wir müssen in der EU den Dialog der Rechtsstaatlichkeit vertiefen.
Wir müssen ihn erstens darüber vertiefen, was Rechtsstaatlichkeit ausmacht; denn es ist offensichtlich so, dass dieser Grundwert unterschiedlich interpretiert wird, sei es aufgrund verschiedener Rechtstraditionen oder auch aus historischen Gründen.
Zweitens brauchen wir einen Austauscht darüber, welche Entwicklungen in den Mitgliedstaaten die Kernelemente von Rechtsstaatlichkeit berühren.
Eine gegenseitige Beschau unter allen 27 Mitgliedstaaten auf der Grundlage des Rechtsstaatsberichts der EU-Kommission kann hierfür nur hilfreich sein; denn wir müssen mit Offenheit und Ehrlichkeit in diesen Dialogprozess eintreten. Das heißt, dass wir bei der Beurteilung weder nationale Maßstäbe anlegen noch einzelne Mitgliedstaaten eine Sonderbehandlung zukommen lassen dürfen und dass wir auch in Deutschland genau hinschauen müssen, wie es hierzulande um die Rechtsstaatlichkeit steht.
Ich bin deshalb zuversichtlich, dass die Aussprache im Rat zu den einzelnen Länderkapiteln des Berichts einen Erkenntnisgewinn für alle Mitgliedstaaten mit sich bringen wird und dass das neue Dialogformat die Chance bietet, voneinander zu lernen und Herausforderungen frühzeitig zu erkennen. Klar ist aber auch, der neue Rechtsstaatsmechanismus kann mit seinem präventiven Charakter lediglich eine Ergänzung der reaktiven Instrumente sein. Das heißt also, Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit müssen auch weiterhin mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verfolgt werden. Dazu gehört neben dem Vertragsverletzungsverfahren und dem Artikel-7-Verfahren eben auch, die Rechtsstaatskonditionalität und zukünftig die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien in den Mitgliedstaaten bei der Vergabe von EU-Mitteln berücksichtigen zu können.
Die Landesregierung hat sich stets für eine starke Rechtsstaatskonditionalität ausgesprochen. Ich habe deshalb den zunächst zwischen Rat und Europäischem Parlament erzielten Kompromiss für diesen Konditionalitätsmechanismus sehr begrüßt. Ich verhehle nicht, dass der gestern Abend vom Europäischen Rat erzielte Kompromiss, die Einigung mit Ungarn und Polen über die Anwendungshinweise zu diesem neuen Mechanismus, hinter dem zurückbleibt, was wir innerhalb der Landesregierung zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit als sinnvoll erachtet haben. Ich hätte mir einen weiteren Anwendungsbereich gewünscht, damit die Konditionalitätsregelung eben nicht nur Rechtsstaatsverstöße mit negativen Auswirkungen auf die finanziellen Interessen der EU erfasst. Aber auch der neue Konditionalitätsmechanismus ist noch nicht ganz in trockenen Tüchern. Einige EU-Parlamentarier, die dem Gesamtpaket aus künftigem mehrjährigen Finanzrahmen, Corona- Wiederaufbauprogrammen und Konditionalitätsmechanismus noch zustimmen müssen, haben bereits ihren Unmut über die gestern von den Staats- und Regierungschefs vereinbarten Anwendungshinweise zur Rechtsstaatskonditionalität kundgetan. Gleichwohl meine ich, dass hier ein erster Schritt besser ist als kein Schritt.
Meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, die EU-Kommission hat mit ihrem ersten Rechtsstaatsbericht aufgezeigt, dass die Rechtsstaatlichkeit in der EU trotz zahlreicher positiver Entwicklungen zunehmend unter Druck gerät. Wir sollten deshalb jetzt gemeinsam alles daransetzen, den neuen Rechtsstaatsmechanismus mit Leben zu füllen. Hierbei darf es aus meiner Sicht jedoch nicht bleiben. Wir sollten zugleich den Blick nach vorne richten und die bevorstehende Konferenz zur Zukunft Europas dazu nutzen, um über Möglichkeiten zu diskutieren, wie sich die etablierten Sanktionsmechanismen, insbesondere das Artikel-7-Verfahren, effektiver gestalten lassen. Vertragsänderungen dürfen dabei kein Tabuthema sein. Die Landesregierung wird sich insoweit auch in diese Debatte aktiv einbringen.
Lassen Sie mich abschließend noch zwei Bemerkungen machen. Rechtsstaatlichkeit und Demokratie sind zwei Seiten einer Medaille.
Die Medaille, die durch Demokratie und Rechtsstaatlichkeit geprägt wird, ist die Freiheit.
Wenn wir in der Exekutive oder in der Legislative Situationen haben, in denen die Freiheit unter Druck kommt, dann ist es nicht nur in Polen und nicht nur in Ungarn, sondern in der ganzen EU und eigentlich auch weltweit die Aufgabe einer starken, unabhängigen und korruptionsfreien Justiz, diese Freiheit als letztes Bollwerk zu verteidigen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte hier nicht missverstanden werden.
Ich bin nicht hier, um mich bei Frau Wittgenstein beliebt zu machen, sondern ich bin hier, um bestimmte Prinzipien zu vertreten, und ich glaube, das eine oder andere haben Sie eben nicht richtig verstanden.
In Ihrer Rede ist deutlich geworden, dass Sie versuchen, Dinge von den Füßen auf den Kopf zu drehen. Wenn Sie darüber reden, dass Ungarn oder Polen erpresst werden, dann ist das doch absurd. Wir reden über einen Mechanismus, der Einstimmigkeit erfordert. Wie soll man da denn jemanden erpressen?
Der Erpresser ist doch derjenige, der unter Ausnutzung seiner Position, dass er nämlich zustimmen
muss, weil es sonst nicht vorangeht, die anderen unter Druck setzt und gegebenenfalls erpresst.
Insofern habe ich ja noch Hoffnung, dass Sie meine Rede missverstanden haben. Wie gesagt, ich bin nicht hier, um mich bei Ihnen beliebt zu machen. Ich hoffe, dass Sie über die Dinge, die ich gerade gesagt habe, noch einmal nachdenken. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst: Jetzt ist entschieden, wer hier das letzte Wort hat. Vielen Dank dafür!
Ich starte heute mit den Wünschen einer guten Genesung für die Kollegin Prien.
Zur Sache: Die Pandemie erfordert eine gemeinsame Kraftanstrengung von uns allen, von Bund, Ländern und Kommunen, aber auch von jeder einzelnen Bürgerin und jedem einzelnen Bürger. Besonders unsere Kommunen leisten in dieser Krise Außergewöhnliches. Sie stehen in vorderster Reihe. Deshalb danke ich - auch im Namen der Kollegin Prien - ganz besonders unseren Kreisen, kreisfreien Städten und allen Schulträgern, die die Schulen unter Coronabedingungen zu sicheren Orten gemacht haben. Wir können feststellen, dass sich der Föderalismus in der Krise bewährt hat.
Am Beispiel der Schülerbeförderung können wir sehen, wie engagiert einige Kommunen ihre pandemiebedingten Sonderaufgaben wahrnehmen. Sie haben die Schülerverkehre frühzeitig gestärkt und zusätzliche Busse eingesetzt. Andere Kommunen
müssen diesen Schritt noch gehen oder konnten entsprechende Regelungen vor Ort noch nicht treffen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine gemeinsame Kraftanstrengung bedeutet auch, dass wir uns gegenseitig unterstützen, dass wir uns solidarisch zeigen und jeder, der es kann, einen Schritt mehr tut, als er muss.
- Vielen Dank, Kollege Kalinka. - Auch als Landesregierung gehen wir diesen Schritt mehr und unterstützen dort, wo wir es können. Manche Kommunen müssen diesen Schritt noch gehen und vor Ort entsprechende Regelungen treffen.
Wir haben es schon gehört: Ja, die Schülerbeförderung ist eine Aufgabe der Kommunen. Deshalb können und werden wir den Kreisen und kreisfreien Städten keine direkten Vorgaben zur Verstärkung der Busverkehre machen. Aber wir können und wir werden finanzielle Anreize bei den Kreisen und kreisfreien Städten setzen, damit diese in eigener Verantwortung zusätzliche Verkehre einrichten.
Konkret heißt das: Für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. März 2021 wird sich die Landesregierung zu 50 % an den geschätzten Mehrkosten für zusätzliche Busse in Höhe von 8,7 Millionen € beteiligen. Jeder Kreis und jede kreisfreie Stadt - unabhängig von der Inzidenz - bekommt diese Unterstützung.
Der Verwaltungsaufwand soll möglichst gering gehalten werden. Deshalb fordern wir keine Spitzabrechnung, sondern stellen jedem Kreis und jeder kreisfreien Stadt ein pauschaliertes Abrufbudget zur Verfügung.
Meine Damen und Herren, mit der Entzerrung der Schülerverkehre tragen wir dazu bei, Kontakte weiter zu reduzieren und das Infektionsrisiko zu verringern. Es ist eine Maßnahme, ein Puzzleteil der Pandemiebekämpfung. Darüber hinaus gilt natürlich weiterhin: Im ÖPNV - auch bei der Schülerbeförderung - schützt die Maske, wo Abstände nicht eingehalten werden können.
Um gemeinsam durch die Krise zu kommen, wird diese Landesregierung auch weiter mit den Kommunen in regelmäßigem Austausch bleiben. Denn die Bewältigung der Pandemie erfordert über die Frage der Schulbusse hinaus weiter eine gemeinsame und solidarische Kraftanstrengung. Ich hoffe, dass wir das gemeinsam auf die Reihe kriegen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr über die Möglichkeit, über die Funktionsfähigkeit der Justiz und des Justizvollzugs in der Coronapandemie berichten zu können, zwei Bereiche, die nicht immer im Scheinwerferlicht stehen, die aber existenziell für unseren Rechtsstaat sind und die wir dank unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern trotz Beschränkungen sehr gut am Laufen haben halten können. An dieser Stelle sei deshalb den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern großer und herzlicher Dank ausgesprochen.
Zunächst zur Justiz. Hier stellten sich im Zuge des ersten Herunterfahrens des öffentlichen Lebens schwierigste Fragen, zum Beispiel: Wie weit kann man einschränken, ohne dass der Rechtsstaat Schaden nimmt? Unser oberstes Ziel war bei Einschränkungen immer, den Rechtsgewährungsanspruch unserer Bürgerinnen und Bürger zu wahren.
Zeitgleich zu den ersten Maßnahmen des Gesundheitsministeriums haben wir ab 15. März 2020 Sonderregelungen für unsere Justiz erlassen. Im ersten Schritt hieß das, den physischen Zugang zu Gerichten und Staatsanwaltschaften auf ein absolut notwendiges Minimum zu beschränken. Dem Ministerium waren zwei Maximen in dieser Phase wichtig. Erstens: Eilverfahren müssen abgearbeitet werden; auch in Krisenzeiten muss die Justiz handlungsfähig bleiben. Zweitens: Die Ausgestaltung der Sonderregelungen für die Justiz trifft jede Behördenleitung für sich vor Ort selbst.
Ab Mai steigerten wir den Präsenzbetrieb unter Einhaltung von Hygienevorschriften und -konzepten von einem regelhaften Ausnahmebetrieb zu einem eingeschränkten Regelbetrieb. Hier bewährte sich die dezentrale Ausgestaltung unserer Sonderregelungen. Vor Ort wurde entschieden, ob und in welchem Verfahren zum Beispiel größere Säle angemietet werden mussten oder die Abstände und Plexiglaswände ausreichenden Schutz bieten konnten. Diesen eingeschränkten Regelbetrieb fahren wir bis heute.
Wie gut und warum die Justiz trotz dieser Einschränkungen funktioniert hat, möchte ich an drei Punkten deutlich machen: Digitalisierung, die Entwicklung der Verfahrensstände sowie die Rolle der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Pandemiezeiten.
Dass wir bisher so gut durch die Krise gekommen sind, liegt zu einem großen Teil am hohen Grad der Digitalisierung in der schleswig-holsteinischen Justiz. Alle Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger - das sind insgesamt etwa 3.000 Personen in unserem Land - waren fast nahtlos in der Lage, aus dem Homeoffice heraus zu arbeiten. Doch - das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen - all das wäre nicht möglich gewesen ohne die Flexibilität und Erreichbarkeit der Servicekräfte, die sich bereits vor Beginn der Pandemie an der Belastungsgrenze befanden. Insofern ihnen noch einmal ein ausdrücklicher, herzlicher Dank für ihren besonderen Einsatz!
Weitere Beispiele sind die Aufrüstung mit Videokonferenztechnik, die jetzt bei allen Gerichten zur Verfügung steht, oder die Ausbildung der Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare, die mittels digitaler Formate sichergestellt werden konnte.
Die Coronakrise hatte natürlich Auswirkungen auf die Eingangs- und Erledigungszahlen bei den Gerichten. In mehreren Bereichen war zunächst ein Rückgang der Eingangszahlen zu beobachten, nämlich in Zivil-, Familien- und Strafsachen am Amtsgericht. Bei den Strafsachen gab es auch Rückgänge bei den Erledigungen, was nicht verwunderlich ist, da weniger mündliche Verhandlungen durchgeführt werden konnten. Diese Rückstände werden derzeit aufgearbeitet.
Zum jetzigen Zeitpunkt kann noch nicht abgesehen werden, wie sich Nachholeffekte entwickeln werden. Die Auswirkungen der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht beispielsweise werden auf die Justiz erst noch zulaufen.
Ein ambivalentes Bild zeichnet sich bei den Fachgerichtsbarkeiten ab. Hier gab es zum Beispiel kurzfristig einen deutlichen Rückgang der Eingangszahlen in Asylsachen, während die Zahlen bei den Arbeitsgerichten gestiegen sind.
Insofern kann man nicht von einem Coronastau der Verfahren bei den Gerichten sprechen. Die Handlungsfähigkeit der Justiz zeigt sich insbesondere auch durch die Tätigkeit der Verwaltungsgerichte. Allein beim Verwaltungsgericht wurden seit Beginn der Pandemie 144 Eilverfahren mit Coronabezug und beim OVG 73 erstinstanzliche Normenkontrolleilverfahren entschieden. Die hierbei teils zu korrigierenden Entscheidungen zu einzelnen einschränkenden Coronamaßnahmen der Politik zeigen deut
lich, dass unser Rechtsstaat auch in Krisenzeiten funktioniert.
Daneben bleibt zu bemerken, dass der Abbau der Asylverfahren beim Verwaltungsgericht planmäßig weiter voranschreitet.
Großen Herausforderungen stand auch der besonders sensible Bereich des Justizvollzugs gegenüber. Es wurde ein umfangreiches organisatorisches Maßnahmenkonzept für die Gefangenen und die Bediensteten entwickelt. In den Justizvollzugsanstalten in Lübeck und Neumünster sowie in Schleswig wurden Quarantänebereiche eingerichtet, der Vollstreckungsplan wurde geändert. Eine zentrale Krankenabteilung befindet sich nun in der JVA Neumünster. Zur besseren medizinischen Versorgung der Gefangenen wurde zudem innerhalb kurzer Zeit die Telemedizin eingeführt.
Auch der Personaleinsatz musste natürlich angepasst werden. Ende März wurde zunächst für drei Monate von einem Dreischicht- auf einen Zweischichtbetrieb umgestellt. Die Bediensteten wurden in festen Teams zusammengefasst. Bemerkenswert und erfreulich war die Entwicklung des Krankenstandes, der in den Monaten April bis Juni deutlich zurückgegangen ist. Auch hier zeigt sich deutlich die hohe Motivation der Mitarbeiter.
Aufgrund des steigenden Infektionsgeschehens arbeiten die Bediensteten seit November wieder in festen Kohorten. In Itzehoe und Flensburg gilt wieder ein Zweischichtbetrieb, in den übrigen Anstalten ein Dreischichtbetrieb.
Auch der Haftalltag ist nach wie vor von der Pandemie gekennzeichnet. Insgesamt kam es für Inhaftierte zu vorübergehenden Einschränkungen ihrer persönlichen Kontaktmöglichkeiten. Besucher erlauben wir seit Mitte Juni 2020 wieder in begrenztem Umfang und unter strengen Auflagen. Auch die Qualifizierung und die Arbeit der Gefangenen im Vollzug kamen weitgehend zum Stillstand. Seit Mitte Juni wurde der Betrieb in den Anstalten wieder angefahren, wenngleich mit einer beschränkten Anzahl an Beschäftigungs- und Qualifizierungsplätzen.
Sie sehen also: Auch der Justizvollzug hat schnell reagiert, und die ergriffenen Maßnahmen waren erfolgreich. Hierbei ist es insbesondere dem Engagement und der Flexibilität der Bediensteten zu verdanken, dass die Funktionsfähigkeit aufrechterhalten werden konnte.
Meine Damen und Herren, als Fazit ist festzuhalten, dass sich die schleswig-holsteinische Justiz und der Justizvollzug den Anforderungen der Pandemie erfolgreich gestellt haben und weiter stellen werden. Deshalb sei an dieser Stelle abschließend noch einmal ausdrücklich betont: Ich danke allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre hervorragenden Leistungen während der Coronakrise. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Präsidentin hat es schon verraten - die meisten hätten es wahrscheinlich sowieso bemerkt -: Ich bin nicht Karin Prien.
Ich möchte diese Gelegenheit aber wahrnehmen, ihr - wie ich glaube, in unser aller Namen - von hier aus noch einmal gute Besserung und Genesung zu wünschen.
Jetzt aber zur Sache: „Zusammenkommen ist ein Beginn, Zusammenbleiben ein Fortschritt, Zusammenarbeit ein Erfolg“ hat Henry Ford gesagt. Der Hochschulpakt 2020 ist ein großer Erfolg - ein Erfolg, den Bund und Länder gemeinsam erarbeitet haben; ein Erfolg, der sich in ganz konkreten Zahlen messen lässt. Mehr als 1,5 Millionen zusätzliche Studienanfängerinnen und Studienanfänger haben seit 2007 mithilfe des Hochschulpakts ihr Studium aufgenommen. Wir haben den Frauenanteil am Personal erhöht und sowohl die Fachhochschulen als auch die MINT-Fächer nachweisbar gestärkt. Der Hochschulpakt hat seine Ziele erreicht. Dieses Erfolgsmodell wollen wir gemeinsam verstetigen.
Deshalb freuen wir uns sehr darüber, dass Bund und Länder mit dem Zukunftsvertrag „Studium und Lehre stärken“ im vergangenen Jahr die dringend notwendige Nachfolgevereinbarung zum Hochschulpakt auf den Weg gebracht haben.
Heute kann der Landtag mit seiner Zustimmung zu den Zielvereinbarungen diesen Zukunftsvertrag mit den Hochschulen in Schleswig-Holstein finalisieren. Im Namen der Landesregierung danke ich und natürlich Kollegin Prien - an dieser Stelle für die konstruktive Zusammenarbeit in den letzten Monaten.
Mit dem Zukunftsvertrag fördern Bund und Länder erstmals gemeinsam und dauerhaft Studium und Lehre in Deutschland. Unser Ziel ist es, die seit 2007 im Hochschulpakt aufgebauten Studienkapazitäten zu erhalten und die Qualität in der Lehre zu verbessern. Mögliche Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung können zum Beispiel sein: die gezielte Beratung der Studierenden vor und während des Studiums, um sie möglichst in ihrem ersten gewählten Studiengang zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen; die Stärkung der Lehre durch eine bessere Hochschuldidaktik und Evaluation; die Förderung von Fächern, die besonders im Interesse unseres Landes liegen, zum Beispiel die MINT-Fächer und das Lehramt; die Erweiterung des Studiengangportfolios entsprechend belastbar nachgewiesener zusätzlicher Bedarfe.
So wird an der FH Kiel ein neuer Bachelor-Studiengang Architektur entstehen, und zwar in Abstimmung mit der TH Lübeck, mit der die FH Kiel im Kompetenzzentrum Bauwesen verbunden ist. Des Weiteren wird die FH Kiel - der großen Nachfrage entsprechend - ihr Studienangebot im Bereich Soziale Arbeit um ein Online-Studienangebot erweitern.
Weitere mögliche Maßnahmen sind der Ausbau der Digitalisierung in allen Bereichen der Hochschule in Lehre, Management, Verwaltung und auch dem Bibliothekswesen -, die Weiterentwicklung von Studienangeboten im Bereich der Internationalisierung sowie die stärkere Berücksichtigung von Themen zur Nachhaltigkeit in den Curricula.
Meine Damen und Herren, nutzen wir gemeinsam die Chance, die nationale wie die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Studienstandorts Schleswig-Holstein zu sichern! Gestalten wir unser Land noch attraktiver für zukünftige Fachkräfte! Packen wir es an, und zwar langfristig! Denn die Mittel des Zukunftsvertrags werden von Bund und Ländern unbefristet zur Verfügung gestellt. Damit schaffen wir wertvolle Planungssicherheit für die Hochschulen und erleichtern den Ausbau dauerhafter Beschäftigungsverhältnisse in der akademischen Lehre.
Diese Sicherheit war lange nicht gegeben. Bis Mitte 2019 war es ausgesprochen unsicher, ob es ein Nachfolgeprogramm für den im Jahre 2020 auslaufenden Hochschulpakt geben würde.
Die Hochschulen haben deshalb zu Recht in der Vergangenheit Vorsorge für die Auslaufphase des Hochschulpakts von 2021 bis 2023 und darüber hinaus getroffen. Nur so konnten sie sicherstellen, dass der Aufnahmejahrgang des Jahres 2020 weiterhin in einem gut ausgestatteten Hochschulsystem mit einer qualitativ hervorragenden Hochschulbildung versorgt werden kann, unter anderem eben auch mit Masterstudiengängen, die nicht bereits bis Ende 2021 absolviert sein können.
Vor diesem Hintergrund bedauert die Landesregierung die Entscheidung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages, im nächsten Jahr einen Teil der vertragsgemäß fälligen Hochschulpaktmittel zu sperren. Die Länder haben die Vereinbarung mit dem Bund eingehalten. Auch Rücklagenbildungen durch die Hochschulen widersprechen dieser Vereinbarung keineswegs. Sie sind fast zwangsläufige Folge der besonderen Bedingungen des Hochschulpakts.
Offenbar ist es aber weder dem Bundesministerium für Bildung und Forschung noch den Wissenschaftsministerien der Länder bislang gelungen, dem Haushaltsausschuss diese Gründe anschaulich darzulegen. Das müssen wir nachholen, um Schaden von unseren Hochschulen abzuwenden, die sich keine Unregelmäßigkeiten vorzuwerfen haben.
Klar ist aber auch, dass die Rücklagen nach der Verstetigung der Mittel konsequent abgebaut werden müssen.
Auch wenn wir heute einen wichtigen Meilenstein für unsere Hochschulen und für die gemeinsame Arbeit von Bund und Ländern feiern können, bleibt noch einiges zu tun. Lassen Sie uns dies gemeinsam im Schulterschluss von Landesregierung und Parlament in Angriff nehmen. Dieser Appell richtet sich natürlich auch an die SPD, die ja im Bund mitregiert.
Meine Damen und Herren, Zusammenarbeit ist ein Erfolg. Und diesen gemeinsamen Erfolg dürfen wir jetzt nicht verspielen. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben schon lange über dieses Thema diskutiert, und wir haben, glaube ich, übereinstimmend festgestellt, dass die Coronakrise natürlich in wirtschaftlicher Hinsicht, aber auch in sozialer Hinsicht eine echte Herausforderung für die gesamte Gesellschaft und nicht nur für einzelne Personen oder Personengruppen darstellt. Deshalb muss man sich überlegen, was wir bislang getan haben, um diese Härten abzumildern.
Da muss man erst einmal darauf verweisen, dass am 13. März 2020 die Zahlung des Kurzarbeitergelds ganz entscheidend ausgeweitet worden ist, womit wir sichergestellt haben, dass den Leuten, die kurzfristig von Arbeitslosigkeit bedroht worden
wären, erst einmal über längere Zeit ein Einkommen zugesichert worden ist.
Der Zeitraum für die Zahlung des Kurzarbeitergeldes ist jetzt im Rahmen des Sozialschutz-Pakets II noch einmal deutlich verlängert worden, nämlich bis Ende nächsten Jahres, und es ist auch noch einmal erhöht worden. Wir haben also auf der Einkommensseite der Menschen erheblich etwas getan.
- Es geht ja weiter. - Damit haben wir die Arbeitsplätze für die Zukunft gesichert. Wir haben aber noch weitere Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht, und zwar alle mit dem Ziel, den Zugang zu Sozialleistungen schneller und einfacher zu gestalten. Das betrifft sowohl das Arbeitslosengeld II, also Hartz IV, als auch die Sozialhilfe nach SGB XII. Auch die Antragstellung des Wohngelds ist vereinfacht worden. Das ist schon gesagt worden. Auch der Zugang zu den Kosten der Unterkunft ist vereinfacht und verbessert worden.
Das Wohngeld fällt in die Zuständigkeit des MILIG. Der bessere Zugang zum Wohngeld hat sich bemerkbar gemacht: So lag der Wohngeldbezug im Zeitraum der Pandemie von März bis September 2020 bei rund 34,5 Millionen € und damit deutlich über den Zahlen des Vorjahreszeitraums von 23,5 Millionen €. Das ist ein Anstieg von ungefähr 47 %. Das zeigt: Es wird erheblich geholfen.
Die Folge ist, dass wir Mieter in die Lage versetzen, ihre Miete weiter zu zahlen, ohne dass es zu einer Störung des Vertragsverhältnisses zwischen Vermieter und Mieter kommt. Man kann doch nichts Besseres erreichen, als den Mieter in die Lage zu versetzen, seine Miete zu bezahlen, anstatt ihm sagen zu müssen: Wenn du dich jetzt verschuldest, musst du das ein bisschen später bezahlen.
Zur Verschuldungsproblematik möchte ich darauf hinweisen, dass wir in unserem sozialen Mietrecht auch nach einem abgeschlossenen Prozess noch Möglichkeiten des Vollstreckungsschutzes haben. Dass jemand mit einem kleinen Kind vor Weihnachten direkt auf die Straße gesetzt wird, wird vor unseren Gerichten nicht standhalten.
Ich möchte jetzt weitermachen. - Für mich zeigt das - das Beispiel habe ich angeführt -, dass unsere sozialen Sicherungssysteme funktionieren. Auch die Zuschussprogramme für kleine und mittlere Unternehmen sowie Selbstständige haben wir aufgelegt, sodass im Grunde genommen alle bedacht werden.
Nach meiner Einschätzung können die Maßnahmen die negativen Auswirkungen der Pandemie abfedern. Die Frage ist, ob wir noch ein Mietenmoratorium brauchen. Die Nachteile sind aufgezählt worden. Es gibt keine Stundung, keinen Verzicht auf Miete. Ich meine, dass die Maßnahmen, die wir getroffen haben, gut sind und den Mieter weit besser schützen als ein Mietenmoratorium, das im Übrigen vor einem halben Jahr abgelaufen ist.
Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass uns die Wohnungswirtschaft gemeldet hat, dass über 99 % der Mieter ihren Verpflichtungen nachkommen. Insofern haben wir das Problem praktisch gelöst und brauchen keine weiteren gesetzlichen Maßnahmen in Form eines Mietenmoratoriums. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zuweisungen aus den EU-Strukturfonds bilden das finanzielle Rückgrat der Landesprogramme Wirtschaft, Arbeit, ländlicher Raum sowie Fischerei und Aquakultur. Der Europäische Rat hat sich in seiner Sitzung vom 17. bis 21. Juli 2020 nicht nur auf den mit 1,8 Billionen € historisch größten Finanzrahmen geeinigt, er hat zugleich erhebliche Kürzungen der Fördermittel für den zukünftigen Zeitraum von 2021 bis 2027 beschlossen. Wie hoch letztlich die Mittelverluste für Schleswig-Holstein sein werden, lässt sich derzeit noch nicht beziffern. Hier kommt es neben der Einigung zwischen Rat und Europäischem Parlament über den Finanzrahmen entscheidend darauf an, wie die EU-Kommission die einzelnen Fördergebiete einteilt. Umso wichtiger ist es, dass wir uns auf allen Ebenen dafür einsetzen, so viele EU-Mittel wie möglich für Schleswig-Holstein zu generieren.
Schon heute findet, soweit es möglich ist, eine intensive Einbindung beispielsweise der kommunalen Ebene oder von Wirtschafts- und Sozialpartnern statt. Beim Landesprogramm Wirtschaft hat sich der Begleitausschuss zum operationellen Programm EFRE bisher in drei Sitzungen mit der Erstellung des neuen Programms beschäftigt. In diesem Begleitausschuss ist die kommunale Ebene mit insgesamt fünf Mitgliedern vertreten. Hinzu kommen Vertreter verschiedener Interessensgruppen.
Einen weiteren Beteiligungsschritt stellt die virtuelle Informationsveranstaltung mit regionalen Akteuren am 17. September 2020 dar. Neben den kommunalen Vertretern waren hierzu auch die Fraktionen des Landtags eingeladen.
Ähnlich sieht die Situation beim Landesprogramm Arbeit aus. An dem Diskussionsprozess zur Erstel
lung des operationellen Programms war vor allem der Begleitausschuss des Europäischen Sozialfonds beteiligt. Diesem gehören neben den Wirtschaftsund Sozialpartnern auch Vertreterinnen und Vertreter von Kommunen und der Zivilgesellschaft an.
Etwas anders stellt sich die Situation beim Landesprogramm ländlicher Raum, ELER, und beim Landesprogramm Fischerei und Aquakultur, MFF, dar. Im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik, also der GAP, wird in der kommenden Förderperiode die Förderung aus dem ELER nicht mehr wie bisher über regionale Programme der Länder erfolgen. Es wird stattdessen einen einzigen GAP-Strategieplan geben, in dem die Förderung sowohl des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft als auch des ELER für Deutschland insgesamt geregelt werden. Die Ausgestaltung des Strategieplans und insbesondere der dort zu regelnden ELER-Förderung erfolgt in enger Abstimmung zwischen Bund und Ländern.
In den Prozess zur Identifizierung der Förderbedarfe in Schleswig-Holstein wurden die Ressorts der Landesregierung und Wirtschafts- und Sozialpartner des aktuellen Landesprogramms ländlicher Raum einbezogen. Dazu gehörten unter anderem der Schleswig-Holsteinische Landkreistag und der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag.
Für den Nachfolgefonds des Europäischen Meeresund Fischereifonds wird es - wie in den vergangenen Förderperioden - nur ein einziges deutschlandweit gültiges operationelles Programm geben. Da die spezifischen Fondsverordnungen voraussichtlich erst im Frühjahr nächsten Jahres verabschiedet werden, kann das deutsche operationelle Programm auch erst im Laufe des nächsten Jahres fertiggestellt und genehmigt werden. Das operationelle Programm muss für den Bund und alle teilnehmenden Bundesländer mit ihren doch sehr unterschiedlichen Fischereistrukturen passen, von der Krabbenfischerei in der Nordsee bis hin zu bayrischen Karpfenteichen. Daher wird dies möglichst allgemein gehalten sein. Die spezifische Ausgestaltung in jedem Bundesland wird dann über die jeweiligen Landesförderrichtlinien geregelt. Im Rahmen der Erstellung des deutschen operationellen Programms werden die Wirtschafts- und Sozialpartner einbezogen. Die schleswig-holsteinischen Wirtschafts- und Sozialpartner sind entweder unmittelbar oder über ihre jeweiligen Bundesverbände daran beteiligt.
Eine vollumfängliche Beteiligung der schleswigholsteinischen Verbände und der Kommunen in Schleswig-Holstein erfolgt dann ganz konkret noch einmal bei der Neufassung der konkretisierenden
Landesförderrichtlinien. Ein Schwerpunkt in Schleswig-Holstein wird wieder auf der Förderung der Fischerei und der Fischwirtschaftsgebiete liegen, wo lokale Fischereiaktionsgruppen nach dem sogenannten Bottom-up-Prinzip selbst über Projekte entscheiden können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zusammenfassend kann man daher sagen: Die Beteiligung relevanter Akteure und der Politik findet statt und wird auch weiterhin stattfinden. Das schließt selbstverständlich auch den Landtag mit seinen Fachausschüssen ein. Insofern möchte ich noch einmal darauf verweisen, dass ich immer wieder gern in den Ausschuss komme und mit Ihnen gern weiter über diese Dinge diskutiere. Im Moment prägen allerdings die Unsicherheiten die Diskussionen. Seien Sie aber versichert, dass sich die Landesregierung immer dafür einsetzen wird und ihr Möglichstes tut, um eine möglichst gute Förderung unseres Landes zu erreichen. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Essen wegzuwerfen, gilt in allen Kulturen völlig zu Recht als unethisch. Gleichzeitig werden aber nach Angaben der Vereinten Nationen jedes Jahr 1,3 Milliarden t genießbare Lebensmittel verschwendet. Das ist etwa ein Drittel der Weltproduktion. In Deutschland sieht die Lage nicht viel besser aus. Hier landen jährlich fast 13 Millionen t Lebensmittel im Abfall. Allein in den Privathaushalten werfen Menschen durchschnittlich 85 kg Essen im Jahr weg. Das zeigt eine im letzten Jahr veröffentlichte Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Um es hier ganz klar zu sagen: Le
bensmittel in diesem Umfang zu verschwenden, ist ökologisch, ökonomisch und ethisch nicht zu verantworten.
Ökologisch nicht, weil für diese weggeworfenen Lebensmittel landwirtschaftlicher Boden genutzt und bei der Verarbeitung, Verpackung und Auslieferung viel Energie verwandt wurde. Ökonomisch nicht, weil der geschätzte Wert dieser weggeworfenen Lebensmittel mit 235 € pro Jahr und Kopf einfach zu hoch ist. Insgesamt macht das in Deutschland zusammen annähernd 20 Milliarden € aus, eine ungeheure Summe, die wir jedes Jahr schlichtweg in die Tonne kloppen.
Nicht zuletzt ist diese Verschwendung ein ethisches Desaster, gerade wenn man bedenkt, dass Hunderte Millionen von Menschen hungern.
Das Thema ist nicht neu. Der von uns zuletzt gefasste Landtagsbeschluss zum Thema Lebensmittelverschwendung aus dem Jahr 2018 macht dies genauso deutlich wie die 2019 verabschiedete nationale Strategie der Bundesregierung. Danach soll die Lebensmittelverschwendung bis 2030 um 50 % reduziert werden, ein ambitioniertes, aber ein richtiges Ziel.
Um dieses Ziel zu erreichen, bringt sich die Landesregierung in die hierfür eingerichtete Bund-Länder-Arbeitsgruppe ein. Dabei werden unterschiedliche Handlungsfelder betrachtet, nämlich unter anderem die Fragen: Müssen rechtliche Vorgaben geändert werden? Können Prozesse in der Wirtschaft optimiert werden? Wie können Innovationen helfen, etwa intelligente Verpackungen, die die tatsächliche Haltbarkeit eines Lebensmittels anzeigen?
Wir müssen jedoch feststellen, dass viel zu oft Lebensmittel nicht deshalb im Müll landen, weil sei wirklich verdorben sind, sondern weil sie das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht haben. Man muss einmal klar und deutlich darauf hinweisen, dass „mindestens haltbar bis“ nicht automatisch „sofort tödlich ab“ bedeutet.
Deshalb muss es darum gehen, das Verhalten aller Beteiligten zu ändern. Dabei lohnt ein genauer Blick in die bereits erwähnte Studie. Der Handel ist für 4 % der weggeworfenen Lebensmittel verantwortlich. Den Löwenanteil machen die Privathaushalte mit über 50 % aus. Diese Zahlen bedeuten
nicht, dass einer der Beteiligten nun aus der Verantwortung entlassen werden soll. Aber sie machen deutlich, dass, wenn man die Verschwendung wirksam bekämpfen will, die Verbraucher eine ganz entscheidende Rolle spielen.
Dies gilt auch hinsichtlich der Ansprüche an unsere Lebensmittel. Wenn Lebensmittel bereits auf dem Feld oder im Handel aussortiert werden, weil sie keine A-Ware darstellen und mutmaßlich von Verbrauchern nicht gekauft werden würden, dann ist auch das ein Problem, das zu vermeidbaren Abfällen führt.
Diese Landesregierung nimmt sich des Themas auch dadurch an, dass wir die schulische und außerschulische Verbraucherbildung in unserem Land nachhaltig stärken, unter anderem durch finanzielle Unterstützung der Verbraucherzentrale SchleswigHolstein. Wichtig ist dabei, Verbraucherinnen und Verbraucher für ihre eigene Verantwortung zu sensibilisieren.
Aber auch der Handel ist in den Blick zu nehmen. Bei unseren europäischen Nachbarn gibt es bereits Konzepte. So sind beispielsweise Supermärkte in Frankreich ab einer Größe von 400 m² verpflichtet, unverkaufte Nahrungsmittel zu spenden. Gleiches gilt in Tschechien. Die entsprechenden Regelungen wurden dort 2019 von deren Verfassungsgericht für rechtens erklärt. In Italien wiederum gibt es wirtschaftliche und steuerliche Anreize für den Handel, Lebensmittel zu spenden. Die Spannbreite ist also sichtbar groß.
Ich bin sehr dafür, dass wir mögliche Anreizsysteme stärker in den Blick nehmen. Dies scheint mir aufgrund der offenen Fragen bezüglich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes, der Lebensmittelsicherheit und auch von Haftungsfragen der weitaus bessere Weg zu sein, als das Containern zu legalisieren;
denn die rechtlichen Fragestellungen sind nicht so einfach, wie es der Antrag des SSW suggeriert, was der Kollege Peters ja andeutungsweise ausgeführt hat. Containern ist eben kein eigenständiger Straftatbestand, den man einfach abschaffen könnte. Es geht nicht allein um die Frage von Diebstahl, ja oder nein. Was ist zum Beispiel mit dem möglichen unbefugten Betreten von Grundstücken? Was wäre mit dem Aufbrechen eines Schlosses oder mit dem Durchschneiden eines Zaunes? Sollen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung von vornherein ausscheiden, wenn der Täter vorgibt, ein politisch korrektes Ziel zu verfolgen? Das Strafrecht ist nicht
das richtige Instrument, um etwas gegen Lebensmittelverschwendung zu tun.
Nach meiner Überzeugung sollten wir uns nicht so sehr die Frage stellen, wie wir es den Menschen ermöglichen, genießbare Lebensmittel aus dem Müll herauszuholen. Wir sollten den Fokus darauf legen zu verhindern, dass solche Lebensmittel überhaupt im Müll landen.
Das erreichen wir vor allem dadurch, dass wir mehr Bewusstsein schaffen - für Nachhaltigkeit, für Eigenverantwortung und für einen verantwortungsvollen Umgang mit unseren Lebensmitteln. Insofern mag der Weg derjenigen, die das Containern legalisieren wollen, zwar dezidiert ein anderer sein als mein Weg. Aber das Ziel, Lebensmittelverschwendung wirksam zu bekämpfen, scheint uns ja in diesem Hohen Haus zu einen.
Eine Bemerkung zu den Vorschlägen, die der Kollege Peters machte. Eine Weisung an die Staatsanwaltschaft, geltendes Recht nicht anzuwenden, halte ich erst einmal für grundsätzlich hochgradig problematisch.
Ich würde gerne wissen, ob Sie mir das in anderen Bereichen auch zugestehen. Das Steuerrecht wäre beispielsweise interessant. Insofern sollten wir diesen Gedanken von mir aus noch einmal weiterführen. Ich halte davon erst einmal per se nichts.
- Das habe ich mir gedacht. - Das Zweite, die durchaus ja sehr auszulegende und auszudeutende Frage, ob das Tatbestandsmerkmal „fremd“ vorliegt, vermögen, glaube ich, unsere Staatsanwaltschaften und Gerichte selber zu beantworten, ohne dass wir nun grundsätzlich in das Strafrecht eingreifen und sagen, dass bestimmte Dinge grundsätzlich nicht mehr darunterfallen sollen.
Zum Kollegen Harms noch einmal, was die soziale Komponente angeht. Ich glaube, das ist nicht das Wesentliche. Die Tafeln sind im Grunde genommen überall so ausgestattet, dass sie zu viele Lebensmittel haben. Wir brauchen wirklich einen Weg, wie wir Verschwendung vermeiden können. Dazu gehört - das betriff natürlich auch die Tafeln -, dass wir die weitere Nutzung von genießbaren Lebensmitteln ermöglichen.
Ja, gerne.
- Also, ob das Wegwerfen eines noch genießbaren Lebensmittels über die Sozialbindung des Eigentums eingefangen werden kann, wage ich erheblich zu bezweifeln. Aber ich habe ja gesagt - da sind wir uns, glaube ich, weitgehend einig -, wir sollten überlegen, welche Anreizsysteme wir schaffen können, um diese Verschwendung zu vermeiden. Das betrifft die ganze Kette von Anfang bis Ende. Im Grunde genommen geht es bei der Produktion los und bei der Frage, die ich beispielhaft genannt habe, nämlich: Was wird schon auf dem Feld aussortiert und weggeworfen? - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollegen Abgeordnete! Nie
wieder! Nach dem Terror der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft haben die Väter und Mütter unseres Grundgesetzes mit der Formulierung des Artikels 3 Absatz 3 ein deutliches Zeichen gegen rassistische Ausgrenzung und Hass gesetzt. Als Reaktion auf den Rassenwahn der Nationalsozialisten haben sie ausdrücklich auch den Begriff „Rasse“ zum Gegenstand des grundgesetzlich verbürgten Diskriminierungsverbots gemacht. Dort heißt es bis heute:
„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“
Niemand darf wegen seiner Rasse diskriminiert werden. Ich muss nicht betonen, dass dieser Satz nicht dem heutigen Sprachgebrauch entspricht. Spätestens seit der UNESCO-Erklärung gegen Rassismus, Gewalt und Diskriminierung von 1995 ist klar, dass es keinen wissenschaftlichen Grund gibt, den Begriff weiterhin zu verwenden.
Gleichwohl sollten wir uns davor hüten, den Begriff vergleichsweise eindimensional aus dem zeitgeschichtlichen Kontext zu reißen. Damals war das erklärte Ziel, sich deutlich vom Rassenwahn der Nationalsozialisten abzugrenzen. Von dieser Wirkkraft hat Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz bis heute nichts verloren. An seiner Schutzwirkung sollten wir daher auch nicht rütteln. Bis heute verurteilen wir, verurteilt unser demokratisches Deutschland die Ideologie des Dritten Reichs und distanziert sich davon. Es war, ist und bleibt unser erklärtes Ziel, Rassismus zu bekämpfen.
Deshalb ist der Ansatz, den Begriff zu streichen oder auch, ihn zu ersetzen, ein sensibles Vorhaben.
Denn dieses „Nie wieder“ ist jetzt und bedauerlicherweise auch heute noch hochgradig aktuell. Das machen uns jüngste Ereignisse deutlich. Es ist ein halbes Jahr her, dass uns am 19. Februar 2020 das rassistische Attentat in Hanau erschüttert hat. Wir sind über diese abscheulichen Taten aufs Tiefste empört, und wir verurteilen sie scharf. Sie zeigen uns aber auch, dass Rassismus als Gedankengut immer noch lebendig ist. Immer wieder kommt es auch in Deutschland zu rassistisch motivierten Anschlägen, zu Schändungen jüdischer Friedhöfe, rassistischen Graffitis und Gewaltakten bis hin zu Morden. Dem Auftreten rassistischen Gedankenguts müssen wir uns deshalb als Gesellschaft mit
aller unserer Kraft konsequent entgegenstellen und ihm ein klares, unübersehbares Zeichen entgegensetzen.
Gerade deshalb sollten unsere politischen Reaktionen wohldurchdacht sein. Das gilt auch und gerade in Bezug auf eine mögliche alternative Formulierung des Diskriminierungsverbots in Artikel 3 Absatz 3 GG.
Für das Allgemeine Gleichstellunggesetz, mit dem verschiedene Antidiskriminierungsrichtlinien der EU umgesetzt worden sind, ist hier vor einigen Jahren der Kompromiss gefunden worden, die Formulierung „aus Gründen der Rasse“ zu verwenden. Auch über diese Formulierung mag man heute streiten. Das gilt jedoch nicht für die Begründung im damaligen Gesetzentwurf.
Danach haben - ich zitiere - an diesem Begriff
„die Mitgliedstaaten und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften letztlich … festgehalten, weil ‚Rasse‘ den sprachlichen Anknüpfungspunkt zu dem Begriff des ‚Rassismus‘ bildet und die hiermit verbundene Signalwirkung - nämlich die konsequente Bekämpfung rassistischer Tendenzen - genutzt werden soll“.
Es sollte deutlich gemacht werden, „dass nicht das Gesetz das Vorhandensein verschiedener menschlicher ‚Rassen‘ voraussetzt, sondern dass derjenige, der sich rassistisch verhält, eben dies annimmt“. So hieß es damals im Gesetzentwurf.
Ich halte diese Gedankenführung für sehr bedenkenswert: Denn es macht mir Sorgen, dass moderne Rechtsextremisten heute viel häufiger von unterschiedlichen Völkern, Ethnien oder Nationen sprechen. Sie vermeiden ganz bewusst den Begriff Rasse, unterstellen aber eine natürliche Verschiedenartigkeit, die dann zwar verbal nicht so negativ klingen soll, die aber nichts anderes als blanker Rassismus ist.
Die Argumentation dieser rassistischen Hetzer kommt also wie der Wolf im Schafspelz daher. Deshalb sage ich Ihnen: Lassen Sie uns gemeinsam keine Plattform für Diskussionen solcher Art liefern. Wir dürfen uns nicht zu Steigbügelhaltern von Rechtsextremisten und Rechtspopulisten machen lassen. Wir dürfen diesen Leuten keine begrifflichen Vorlagen geben.
Für eine sachliche inhaltliche Debatte - so hat sich diese Debatte hier auch entwickelt -, die der Stärkung des rassistischen Diskriminierungsverbots dient, stehe ich gern zur Verfügung. Wir müssen
diese Debatte in der Öffentlichkeit führen, an jedem Platz und bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Denn Zivilcourage, gegenseitige Achtung, Offenheit und menschliche Solidarität zu zeigen und zu leben, ist das wichtigste Gebot in unserer Gesellschaft.
Gern.
- Es ist nicht zu verstehen? Einen kleinen Moment.
- Ein neuer Versuch. Oh, das ist jetzt sehr deutlich zu verstehen.
Vielen Dank, Herr Minister. Ich teile Ihre Auffassung. Vielen Dank für den Beitrag. Es hat hier auch die Fragestellung zur Veränderbarkeit des Artikel 3 GG gegeben, ohne den Gehalt, die Schutzwirkung, die er gegenwärtig hat - Sie haben das beschrieben - damit an irgendeiner Stelle aufzuweichen. Es ging vielmehr darum, eine andere Begrifflichkeit zu wählen. Der Artikel ist bereits ergänzt worden. Herr Dr. Stegner hat in seinem Beitrag darauf hingewiesen. Wie ist Ihre Auffassung dazu?
- Meine Auffassung dazu ist, dass wir mit Änderungen des Grundgesetzes sehr vorsichtig umgehen sollten. Gerade der Grundrechtsteil des Grundgesetzes ist der Teil, der den Schutz gegen staatliche Willkür garantiert. Insofern ist er eine zentrale Säule unseres Rechtsstaates.
Ich finde es gut, dass man darüber nachdenkt, ob und wie man zu einer Verbesserung des Diskriminierungsverbotes kommt. Aber ich würde es nicht für richtig halten, dass man jetzt schon festlegt, dass
es nur mit einer Änderung zu einer besseren Lösung kommen kann. Insofern beziehe ich mich auch auf die Worte des Kollegen Kilian. Meines Erachtens sollte man da ergebnisoffen rangehen. Im Ziel sind wir uns einig. Wir wollen das Diskriminierungsverbot, wir wollen Rassismus bekämpfen und ein klares und deutliches Signal in der Verfassung haben, dass so etwas bei uns verfassungswidrig ist.
Wenn wir uns darauf einigen können - so habe ich es verstanden, dass noch versucht werden soll, diesen Antrag zu einen -, dann ist das aus meiner Sicht ein gutes Zeichen, was wir von hier aussenden können.
Ich nehme - auch für meine Kolleginnen und Kollegen aus der Regierung - das hier zum Anlass, Ihnen zuzusagen, dass diese Landesregierung allen fest zur Seite steht, die sich gegen Diskriminierung und Rassismus betätigen und engagieren wollen. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Mit dem Beschluss zum mehrjährigen Finanzrahmen und zum Wiederaufbauplan hat der Europäische Rat im Juli die finanziellen Weichen gestellt, um die Folgen der Coronapandemie und die ande
ren großen Herausforderungen anzugehen, vor denen die EU steht.
Bei den zentralen Zukunftsthemen - wie Klimawandel, Migration und Digitalisierung, um nur einige zu nennen - geht es jedoch um mehr als um ihre finanzielle Ausstattung durch den künftigen EUHaushalt. Es geht nämlich um die Grundsatzfrage, in welche Richtung sich die EU entwickeln soll: Wollen die Mitgliedstaaten am Ziel des EU-Vertrages festhalten und eine immer engere Union schaffen, oder wollen sie dies nicht?
Für uns als Jamaika-Koalition und mich als Europaminister ist die Antwort ganz klar: Wir unterstützen den weiteren Integrationsprozess der Europäischen Union und setzen uns für eine demokratischere, sozialere und bürgernähere Union ein.
Ich begrüße es deshalb sehr, dass Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen diese Frage mit ihrem Vorschlag für eine Konferenz zur Zukunft Europas ganz oben auf die politische Agenda gesetzt hat. Die Landesregierung unterstützt diesen vorgeschlagenen Dialog. Wir haben uns daher sowohl im Bundesrat als auch in der Europaministerkonferenz frühzeitig dafür eingesetzt, dass die Länder, aber auch die Bürgerinnen und Bürger an diesem Prozess beteiligt werden.
Noch offen ist, wann und mit welchem Mandat die Zukunftskonferenz starten wird. Wegen Corona haben sich Kommission, EU-Parlament und Rat noch nicht verständigen können.
Sicher ist, dass es zu dezentralen Veranstaltungen in den Mitgliedstaaten kommen wird. Für eine angemessene Beteiligung unserer Bürgerinnen und Bürger werden wir als Landesregierung uns natürlich einsetzen - getreu unserem Jamaika-Ziel einer bürgernäheren EU.
Wir wollen mit der Konferenz schnellstmöglich starten. Die Vorzeichen standen zuletzt gut, dass dies noch unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft erfolgen könnte. Angesichts der jüngsten Entwicklungen, insbesondere auch in Brüssel, dürfte dies aber eher unwahrscheinlicher geworden sein - was ich sehr bedauere.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Juli haben die Staats- und Regierungschefs der EU auch über die Mittel für die Europäische Territoriale Zusammenarbeit entschieden. Fast 8 Milliarden € sollen in diesen Bereich fließen, der auch die Förderung der Ostseekooperation über das INTERREG
Ostseeprogramm umfasst. Das hört sich nach viel Geld an, ist aber leider deutlich weniger als in der laufenden Förderperiode. Ich hoffe, dass das Europäische Parlament insoweit noch nachbessert. Gleichwohl müssen wir uns wohl auf weniger Fördermittel auch für unser Land einstellen. Kreative Lösungen werden deshalb gefragt sein.
Die besondere Bedeutung dieser INTERREG-Ostseemittel und der Programme für unser Land dokumentiert der Ihnen vorliegende Ostseebericht eindringlich. Schleswig-Holstein ist an 28 der rund 165 Projekte der laufenden Förderperiode beteiligt. Dadurch flossen rund 8,4 Millionen € EFRE-Mittel nach Schleswig-Holstein - 25 % mehr als in der vorhergehenden Förderperiode.
Den konkreten Nutzen projektbezogener Ostseekooperation habe ich kürzlich auf der Schlei bei dem BalticRIM-Projekt des Archäologischen Landesamtes erfahren dürfen. Dieses Projekt widmet sich dem Schutz von Unterwasserdenkmalen als Kulturgüter unseres gemeinsamen kulturellen Erbes in der Ostsee. Eine lohnende Aufgabe! Aber nicht nur deshalb sage ich: Wir Schleswig-Holsteiner sollten uns für die Ostseekooperation weiterhin starkmachen.
Denn es sind meist die konkreten Einrichtungen und Netzwerke vor Ort, die den Menschen am meisten nutzen. Wir sehen das auch in unserer deutsch-dänischen Grenzregion, die der Ministerpräsident, der Landtagspräsident, der Minderheitenbeauftragte und ich letzte Woche besucht haben. Johannes Callsen und ich werden uns demnächst auch in das Grenzpendlerbüro begeben, um uns darüber zu informieren, wie künftig auch in anderen Gebieten, vor allem in der Fehmarnbelt-Region, diese Beratung vorgenommen werden kann.
Eine engagierte Ostseepolitik lebt daher nicht nur von den Fördermitteln, sondern auch vom Engagement der Akteure. Die Bilanz der letzten zwei Jahre Ostseezusammenarbeit unterstreicht das. Ein Beispiel: Im Dezember 2019 haben wir in Kiel das 20-jährige Jubiläum unserer Partnerschaft mit Kaliningrad gewürdigt - gemeinsam mit unserem Ministerpräsidenten, unserem Landtagspräsidenten und vielen Aktiven dieser Partnerschaft. Der Austausch im Rahmen der Ostseezusammenarbeit zeigt die Bedeutung der regionalen Partnerschaften ungeachtet der politischen Differenzen, die auf nationaler Ebene bestehen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, leider wirkt sich Corona auch auf die Ostseezusammenarbeit aus. Viele Treffen und Konferenzen wurden abgesagt oder verschoben. Vieles muss online stattfinden. Auch wir selbst sind betroffen. Im Mai hätten in Weißenhäuser Strand die Fehmarnbelt Days stattfinden sollen. Dort wollten wir über die Zukunft der Fehmarnbelt-Region diskutieren. Die Fehmarnbelt Days 2020 finden jetzt am 30. und 31. Mai 2021 statt; sie mussten also verschoben werden. Es wäre prima, wenn ich Sie alle dort wiedersehen und begrüßen könnte - zu den Fehmarnbelt Days 2020 im Jahre 2021. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine neue Aufgabe als Europaminister fällt zweifellos in ganz besondere Zeiten: Die Bewälti
gung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Coronapandemie wird bis auf Weiteres die Tagesordnung der EU bestimmen.
Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten haben ein riesiges Wiederaufbau- und Hilfsprogramm auf den Weg gebracht, um die Folgen der Pandemie abzumildern. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die deutsche EU-Ratspräsidentschaft in den kommenden sechs Monaten. Die Bundesregierung wird das Programm in der nächsten Woche offiziell beschließen.
Bekannt ist aber bereits, dass die Bewältigung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Pandemie eine zentrale Rolle spielen wird, ebenso wie die Frage, welche Lehren wir aus der Krise ziehen müssen, um die EU besser auf vergleichbare Herausforderungen in der Zukunft vorzubereiten. Dies wird sich wie ein roter Faden durch die deutsche Ratspräsidentschaft ziehen.
Bei diesem Leitgedanken werden auch die Themen Klimaschutz, Digitalisierung und Innovation genauso im Mittelpunkt stehen wie die dringend notwendigen Reformen des gemeinsamen europäischen Asylrechtes, die Rechtsstaatlichkeit und auch die Stärkung der sozialen Dimension der EU. Die Landesregierung wird sich wahrnehmbar in diese Debatten einbringen.
Werte Kolleginnen und Kollegen, der Europabericht gibt erkennbar den Kenntnisstand vom Februar dieses Jahres wieder. Was zwischenzeitlich auf EUEbene zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise vorgelegt worden ist, berührt auch europapolitische Schwerpunktthemen unseres Landes. Das betrifft zum einen den mehrjährigen Finanzrahmen 2021 bis 2027 der EU und die neue Förderperiode der EU-Fonds ab dem Jahr 2021.
Vor gut zwei Jahren hatte die EU-Kommission ihren ursprünglichen Vorschlag zum MFR vorgelegt. Darin war eine Steigerung auf rund 1,135 Billionen € als Obergrenze der Ausgaben vorgesehen. Die Verhandlungen der Mitgliedstaaten dazu steckten bis Februar in einer Sackgasse. Unter dem Eindruck der Coronakrise hat die EU-Kommission Ende Mai einen erneuten MFR-Vorschlag veröffentlicht. Begleitend dazu hat die EU-Kommission einen auf vier Jahre befristeten Fonds „Next Generation EU“ mit einem Volumen von 750 Milliarden € vorgeschlagen. Mittlerweile sprechen wir also über einen Gesamtumfang von 1,85 Billionen €. Derartige Dimensionen hat es bislang für die Haushalte der EU nicht gegeben. Das heißt also: Wir stehen am Anfang neuer Verhandlungen für den künftigen
Haushaltsrahmen der EU. Das gilt auch für die Strukturfondsverordnung, zu der die EU-Kommission ebenfalls Ende Mai überarbeitete Entwürfe vorgelegt hat.
Unter dem Eindruck dieser gewaltigen Umwälzungen lassen sich Aussagen zu den zukünftigen Rückflüssen nach Deutschland jedoch noch nicht vorhersagen.
Lassen Sie mich abschließend noch auf ein etwas erfreulicheres Thema kommen. Unter den regionalen europapolitischen Schwerpunkten des Landes hat mich nach erster Lektüre am meisten die deutsch-dänische Zusammenarbeit überzeugt.
Denn in der unmittelbaren bürgernahen Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg lässt sich besser der europäische Mehrwert darstellen und vermitteln als über die großen Erzählungen auf EU-Ebene. Zuletzt stand die Schließung der Grenzen im Vordergrund der Berichterstattung und auch der Kritik. Deshalb hat mich mein erster Ortstermin nach Krusau geführt, um mir ein Bild über die Folgen der coronabedingten Grenzschließungen zu machen. Umso mehr freue ich mich, dass nunmehr auf beiden Seiten die Wiederöffnung der Grenze stattgefunden hat, natürlich immer unter der Voraussetzung, dass die Zahl der Coronainfektionen beherrschbar bleibt.
Ich will mich ganz konkret um die Weiterentwicklung der deutsch-dänischen Zusammenarbeit kümmern. Das gilt sowohl für die Zusammenarbeit mit den Regionen Syddanmark und Sjælland als auch für die Fortführung des erfolgreichen INTERREGProgramms „Deutschland-Danmark“.
Eine Bemerkung zu dem Antrag wollte ich noch machen. Es wird auf die Ostseepolitik Bezug genommen. Den Ostseebericht haben wir dem Landtag bereits vorgelegt. Wir werden, soviel ich weiß, in der August-Plenarsitzung darauf zurückkommen. Ich freue mich darauf, wenn ich ihn dann hier vorstellen darf, und auf die Zusammenarbeit im Europaausschuss. - Vielen Dank.