Protokoll der Sitzung vom 28.10.2020

In den vergangenen Debattenbeiträgen, jedenfalls in denen, die ich mitbekommen habe - ich habe den Plenarsaal vorhin nicht aus Spaß verlassen; ich bitte heute und in den nächsten zwei Tagen um Entschuldigung, wenn ich nicht permanent anwesend sein kann -, ist deutlich geworden, unabhängig davon, ob man in der Opposition oder in der Regierung ist, was für einen wesentlichen Beitrag Kurzzeitpflege leistet.

Dieser wesentliche Beitrag, den die Kurzzeitpflege leistet, beispielsweise auch um Patientinnen und Patienten nach einem Krankenhausaufenthalt die Möglichkeit zu verschaffen, anschließend wieder in die eigentliche Häuslichkeit zu gehen, also das, was sich die Menschen so sehr wünschen, Langzeitpflege in einer stationären Einrichtung solange wie möglich nach hinten hinauszuzögern oder auch pflegende Angehörige zu entlasten - um nur einige Beispiele zu nennen -, ist in den bisherigen Debattenbeiträgen deutlich geworden.

Schleswig-Holstein verfügt derzeit über rund 1.600 sogenannte eingestreute Kurzzeitpflegeplätze, eingestreute Pflegeplätze, mit all den Schwierigkeiten, die das Prinzip der eingestreuten Kurzzeitpflegeplätze auch für die Einrichtungen mit sich bringt.

Diese Plätze sind flexibel nutzbar, was für eine Einrichtung natürlich immer das Problem mit sich bringt, dass sie sich überlegen muss, ob sie einen

solchen Platz tatsächlich freihält oder ob er nicht lieber doch von einem Menschen belegt wird, der in die Langzeitpflege geht. Das ist natürlich nicht Sinn der Veranstaltung, das ist mir schon klar, aber wir wissen auch, dass die Einrichtungen unter einem sehr hohen Druck stehen.

Was wir bundesweit und auch in Schleswig-Holstein brauchen, ist ein verlässliches Angebot an Kurzzeit- und an Verhinderungspflegeplätzen. Dazu gehören auch solitäre Kurzzeitpflegeeinrichtungen, zum Beispiel für eine mobilisierende und rehabilitative Pflege. Das ist das Ziel der Landesregierung, das wir gemeinsam erreichen wollen, und zwar mit allen Beteiligten im Land.

Kurzzeitpflegeplätze, bewohnerbezogen und einkommensunabhängig, werden derzeit vom Land mit rund 15,34 € am Tag gefördert. 2018 hat das Land dafür insgesamt 2,2 Millionen € bereitgestellt.

Positiv - das will ich bei allen Schwierigkeiten herausheben - ist, dass wir der investiven Förderung der solitären Kurzzeitpflege ab dem kommenden Haushaltsjahr rund 10 Millionen € zur Verfügung stellen. Ich will hier dezidiert meinen Dank an das Parlament sagen, und zwar ausdrücklich auch an die Opposition, der das ein wichtiges Anliegen war. Bei aller Uneinigkeit, die häufig auch bei diesem Thema geherrscht hat - jedenfalls in bestimmten Teilen -, ist das ein starkes und notwendiges Signal für diejenigen, die darauf warten.

(Vereinzelter Beifall FDP, CDU und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zusätzlich zu dem, was in den Verhandlungen mit der Opposition vereinbart wurde, ist mein Haus derzeit dabei, eine entsprechende Förderrichtlinie zur Stärkung der solitären Kurzzeitpflege auszuarbeiten. In diesem Zusammenhang prüfen wir auch in der hierzu eingerichteten Arbeitsgruppe des Landespflegeausschusses, wie die Kurzzeitpflege in Schleswig-Holstein gezielt weiterentwickelt werden kann.

Wir sind bereit - das ist ein gutes und starkes Signal in Richtung Kurzzeitpflege -, zur Stärkung der Kurzzeitpflege unseren Beitrag zu leisten.

Ich will das, was ich beim letzten Redebeitrag angesprochen habe, als wir über das Thema debattiert haben, ausdrücklich nicht wiederholen. Der Bund muss seine Hausaufgaben machen. Wir wissen alle, welche das sind. Die ASMK hat das noch einmal beschlossen, und zwar dezidiert.

Ich will es anders formulieren als beim letzten Mal, weil es mir ein zentral wichtiges Anliegen für die

Menschen ist, die dringend auf Kurzzeitpflege angewiesen sind: Wir werden das schaffen, aber nur im Schulterschluss mit Bund und Ländern. Schleswig-Holstein macht sich auf den Weg - und zwar von allen demokratischen Fraktionen mit beschlossen -, hier einen Beitrag zu leisten, Kurzzeitpflegeplätze zu errichten, die unter den jetzigen Bedingungen immer noch nicht betriebswirtschaftlich vernünftig betrieben werden können. Wir machen unsere Hausaufgaben, wir arbeiten daran. Meine Bitte, mein Wunsch und mein Appell geht an den Bund, seinen Teil hierzu beizutragen.

Dann schaffen wir die Lösung des Problems und bauen das Problem, das die Abgeordnete Bohn zu Recht deutlich skizziert hat, nämlich die Pflege nicht weiter zum Pflegefall werden zu lassen, jedenfalls ein Stück weit ab und kommen davon weg, wenn wir an dieser einen Stelle erfolgreich sind. Danke fürs Zuhören.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Birgit Herdejürgen [SPD])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag, Drucksache 19/1917, abzulehnen. Wer der Ausschussempfehlung folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? Noch einmal: Gegenprobe!

(Birte Pauls [SPD]: Wir stimmen unserem Antrag zu!)

- Wenn die SPD sich jetzt einig ist, würde ich gerne noch einmal abstimmen.

(Zurufe SPD)

Wer gegen die Ablehnung dieses Antrags ist, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen!

(Zurufe)

Ich mache es noch einmal ganz von vorn! Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag, Drucksache 19/1917, abzulehnen. Wer dagegen ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Aha!

Damit ist der Antrag mit den Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, CDU sowie den Abgeordneten Schnurrbusch, Nobis, Dr. Brodehl, Schnurrbusch und von Sayn-Wittgenstein gegen die Stimmen der Fraktion der SPD abgelehnt.

(Zuruf: Schaffer heißt der!)

- Ach, Entschuldigung, Herr Schaffer.

Weiter empfiehlt der Ausschuss, den Alternativantrag, Drucksache 19/1951, anzunehmen. Wer der Ausschussempfehlung folgen und so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag einstimmig angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 24 auf:

Neue EU-Förderperiode gestalten!

Antrag der Fraktion der SPD und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/2398 (neu)

Neue Förderperiode für Schleswig-Holstein nutzen!

Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/2447

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Regina Poersch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Der Landtag wird an der Neuausrichtung der ab 2021 beginnenden EU-Förderperiode beteiligt.“

So steht es im Koalitionsvertrag von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP. Bisher ist leider von Beteiligung und Beratung in den Gremien des Landtages wenig zu merken. Deswegen haben wir die EU-Förderperiode auf die Tagesordnung gesetzt, denn wir finden: Aktive Beteiligung meint nicht die Beantwortung meiner Kleinen Anfragen und auch nicht die Unterrichtung bei Bedarf, wie Ihr Antrag es vorsieht.

(Beifall SPD)

Europa steht vor einer Vielzahl von Herausforderungen politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Art. Dies sind nicht nur der Klimawandel und die Flüchtlingsbewegungen, die Folgen des Brexit und die zunehmenden nationalen Egoismen, sondern die Coronapandemie verstärkt und beschleunigt eine Entwicklung, die Menschen abhängt, ihnen Teilhabe an Bildung oder am Arbeits

(Minister Dr. Heiner Garg)

markt verwehrt. Deshalb ist es mehr denn je notwendig, die Solidargemeinschaft in Europa zu stärken und in der neuen EU-Förderperiode ausreichend Mittel zur Verfügung zu haben, um die Säule der sozialen Rechte mit Leben zu füllen.

Danach sieht es leider derzeit nicht aus, denn nach allem, was wir wissen, wird es durch Umstrukturierungen und das Zusammenführen von gleich fünf Fonds zu einem neuen Europäischen Sozialfonds ESF+ deutliche Mittelkürzungen geben. Dabei ist der ESF das Hauptfinanzierungsinstrument der EU zur Stärkung der sozialen Dimension Europas. Umso wichtiger ist, dass wir endlich hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag darüber diskutieren.

Nicht nur die neue Struktur, auch die künftig höhere Kofinanzierung stellt die im sozialen Bereich Aktiven - das sind oft kleinere Organisationen, Vereine und Verbände - vor echte Probleme. Insofern müsste die Frage des verstärkten Einsatzes von Landesmitteln diskutiert werden. Sie aber halten - da kann ja wohl kommen, was will - daran fest, was Sie 2017 in Ihren Koalitionsvertrag geschrieben haben:

„Eventuell wegfallende EU-Mittel können grundsätzlich nicht durch Landesmittel ersetzt werden.“

Dieses Damoklesschwert hängt damit weiter über wichtigen und notwendigen Projekten, und Sie bekräftigen das leider noch einmal mit Ihrem Antrag. Wir reden hier über Projekte in Schleswig-Holstein wie die Beratungsstellen FRAU & BERUF, das Beratungsnetzwerk zur Fachkräftesicherung, die Produktionsschulen, das Handlungskonzept PLuS ehemals „Schule & Arbeitswelt“ -, die regionale Ausbildungsbetreuung, die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung, Existenzgründungen aus der Arbeitslosigkeit, den Weiterbildungsbonus und das Netzwerk Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten.

Sie sagen: Eventuell wegfallende EU-Mittel können grundsätzlich nicht durch Landesmittel ersetzt werden. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie eindringlich: Überlegen Sie sich das bitte! Sie ziehen den Wert dieser Projekte pauschal in Zweifel, und das geht nicht.

(Beifall SPD)

Im Alltag der Kommunen spielt Europa längst eine wichtige Rolle. Kommunalpolitik ist auch Europapolitik. Die EU-Förderprogramme in SchleswigHolstein werden zum großen Teil auf kommunaler und regionaler Ebene umgesetzt. Hier entfalten viele Maßnahmen ihre eigentliche Wirkung. Umso

wichtiger ist es, die Programme in enger Zusammenarbeit und Abstimmung mit den Kommunen auszugestalten. Wenn Landtag und Kommunen beteiligt werden, und zwar nicht nur pro forma, dann können wir hoffentlich auch Entscheidungen wie die aus dem Jahr 2018 verhindern, als CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP beschlossen, Fördermittel künftig nicht mehr vorrangig an den Kriterien gute Arbeit, Gleichstellung, Nichtdiskriminierung und nachhaltige Entwicklung auszurichten. Das haben wir nicht vergessen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Der Einsatz von Wirtschaftsförderungen aus EUMitteln für faire Arbeitsbedingungen, Gleichstellung und Nachhaltigkeit leistet einen zentralen und essenziellen Beitrag für ein soziales Europa. CDU, FDP und leider auch die Grünen haben sich mit ihrem Beschluss von der Idee eines gemeinsamen sozialen Europas verabschiedet. Man muss es so sagen!