Protokoll der Sitzung vom 28.10.2020

- Ja, dann schau dir das einmal an. Es geht hier tatsächlich nur um die Finanzierung. Schaut euch das noch einmal an. Es geht um die Finanzierung der Kurzzeitpflege, aber nicht darum, was genau für die Menschen gut ist.

Der Antrag der Koalition ist aus unserer Sicht von Mutlosigkeit und mangelndem Ehrgeiz für die Verbesserung der Situation der Menschen geprägt und schiebt wieder einmal die Verantwortung in Richtung Berlin. Das, meine Damen und Herren, ist ein immer wiederkehrendes Symptom für die Uneinigkeit dieser Koalition. Minimalkonsens - das ist Ihr Programm. Das bedeutet Stillstand in der Sozialpolitik, und das ist keine Verbesserung in der Pflegesituation.

(Widerspruch CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb ist es gut, dass wir Sozialdemokraten im Nachtragshaushalt Pflöcke eingeschlagen haben. Wir haben 10 Millionen € für den Ausbau von solitären Kurzzeitpflegeplätzen hineinverhandelt. Das ist der politische Beschluss, endlich etwas für die drängenden Probleme der Menschen in SchleswigHolstein zu tun.

(Dennys Bornhöft [FDP]: Das ist auch Geld!)

Sie können es mit dem Beschluss der Küstenkoalition vergleichen, den Ausbau der wohnortnahen Hospizplätze zu organisieren, der ebenfalls aus der Feder der SPD stammte. Diese werden jetzt überall im Land eingeweiht. Die solitären Kurzzeitpflegeplätze bringen wir mit dem Nachtragshaushalt auf den Weg. Ich gehe davon aus, dass wir sie in der nächsten Legislaturperiode wieder einweihen. - Danke schön.

(Beifall SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Abgeordnete Dr. Marret Bohn das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Pflege wird in unserer Gesellschaft zunehmend selbst zum Pflegefall. Das sehen wir ganz deutlich auch bei der Kurzzeitpflege. Viele Pflegebedürftige werden zu Hause von ihren Angehörigen gepflegt. Wir nennen das auch den „größten Pflegedienst der Nation“. Stellen Sie sich einmal vor, was diese Angehörigen Tag für Tag leisten. Das ist enorm, und wir können froh und dankbar sein, dass es so viele Angehörige gibt, die diese wichtige Aufgabe übernehmen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und vereinzelt CDU)

(Birte Pauls)

Wenn eine pflegebedürftige Person für eine begrenzte Zeit stationäre Pflege braucht, dann greift die Kurzzeitpflege. Das ist häufig nach einem Krankenhausaufenthalt der Fall. In der Theorie klingt das ganz gut. Leider ist es in der Praxis so, dass es viel zu wenig Plätze in der Kurzzeitpflege gibt. Das ist aus der Anhörung im Sozialausschuss deutlich geworden, aber ich glaube, das war vielen von uns vorher auch schon klar, dass wir dort einen erheblichen Mangel haben. Es ist ein Armutszeugnis für unsere reiche Gesellschaft, dass die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen immer wieder im Stich gelassen werden. Das hängt, liebe Kollegin Pauls, mit den Strukturen zusammen. Das hängt allerdings auch mit der Finanzierung zusammen. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

(Zuruf Birte Pauls [SPD])

Wir müssen einmal darauf schauen, wie die Kurzzeitpflege organisiert ist, auf das Fundament der Kurzzeitpflege. Denn die Jamaika-Koalition möchte ganz konkrete Verbesserungen - wie es vorhin gesagt worden ist - für die Menschen in SchleswigHolstein erreichen. Wir möchten ganz konkret dort, wo es Lücken gibt, nachbessern.

Wir haben auf der Anhörung aufbauend acht Punkte erarbeitet, von denen wir überzeugt sind, dass sie helfen werden:

Eine bessere Vergütung. Das gehört nun einmal dazu. Es geht gerade um die Menschen, die dort in der Kurzzeitpflege versorgt werden sollen. Dazu gehört für uns auch ein Steuerzuschuss, damit die Angehörigen nicht in der Armutsfalle landen. Eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Krankenhäusern und den Einrichtungen der Kurzzeitpflege, eine bessere Absicherung, wenn die Situation plötzlich eintritt, eine höhere Flexibilität, eine Sperrfrist für die Inanspruchnahme sollte aufgehoben werden. Der siebte Punkt: eine Verkürzung der Fristen bei der Leistungserstattung.

Wir sind uns einig, dass auch die SPD das gut finden könnte. Das hätten Sie auch vorher schon auf den Weg bringen können.

(Zuruf Birte Pauls [SPD])

Und vor allen Dingen - ich meine zu erinnern, dass es den Kolleginnen und Kollegen in unserem Arbeitskreis ganz wichtig war: ein bundesweites digitales Kurzzeitpflegeportal.

Das ist doch mal moderne Pflegepolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das sind ganz konkrete Schritte, die wir vorschlagen und die die Situation in der Kurzzeitpflege verbessern sollen.

Ich sage es ganz deutlich: Unsere Vorschläge liegen jetzt auf dem Tisch. Ich erwarte, dass die Bundesregierung sie auch aufgreifen wird. Da ist die SPD doch mit an Bord. Das ist doch dann gar kein Problem.

(Thomas Hölck [SPD]: Die auch!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, dass das hier der richtige Zeitpunkt ist, allen reinen Wein einzuschenken. Die Situation in der Pflege ist in allen Bereichen angespannt, zum Zerreißen angespannt. Ich frage mich oft, warum vor 20 Jahren die Zeichen der Zeit nicht besser erkannt und die Weichen nicht anders gestellt worden sind - und das, obwohl die Entwicklung absehbar war. Ich habe den Eindruck, dass wir in der Pflegepolitik von heute den falschen und nicht ausreichenden Entscheidungen von gestern und vorgestern ewig hinterherlaufen und nur noch versuchen, das Schlimmste zu verhindern. Und selbst das ist in der Regel ein Kraftakt und nicht immer einfach.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Pflege ist zum Pflegefall geworden. Wenn wir das Rennen noch gewinnen wollen - ich glaube, das sollten wir alle wollen -, dann könnten wir die vorliegenden Vorschläge umsetzen.

Ich freue mich, dass wir gemeinsam mit der Oppositionsfraktion Finanzmittel für solitäre Kurzzeitpflege zur Verfügung stellen und bedanke mich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und vereinzelt CDU)

Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Dennys Bornhöft.

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kurzzeitpflege ist ein wichtiger Bestandteil unseres Gesundheitssystems, welche die dauerhafte stationäre Unterbringung längstmöglich nach hinten schieben soll. Ziel ist es, dass man nach dem Aufenthalt bei der Kurzzeitpflege wieder in sein vorheriges Umfeld zurückkehren kann. Weit über die Hälfte der Pflegebedürftigen werden in ihrem Zuhause betreut - von ambulanten Pflegediensten, zumeist aber von der eigenen Familie. Ohne die vielen pflegenden Angehörigen wäre dieses Gesundheitssystem, diese Pflege, wie sie jetzt in Deutschland existiert, nicht zu machen. Schließlich leisten die Angehörigen jeden Tag einen außeror

(Dr. Marret Bohn)

dentlichen Dienst und erfahren dabei sogar oft für sie selbst finanzielle wie mentale Einbußen.

Bereits in dieser Konstellation ist der Fachkräftemangel deutlich ausgeprägt; ohne das Zutun der Familien wären wir mit der Daseinsvorsorge hier aufgeschmissen. Daher kann man denjenigen, die sich um die Eltern und die Großeltern kümmern, gar nicht genug danken, was ich hier noch einmal ausdrücklich tun möchte.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt CDU)

- Ich gehe davon aus, dass das im Sinne aller Anwesenden hier im Plenarsaal ist.

Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege sind Instrumente, die das Leben in den eigenen vier Wänden möglichst lange absichern sollen. Kurzzeitpflegeplätze sind überwiegend rar und häufig nur vereinzelt in stationären Altenpflegeeinrichtungen integriert, welche dann - das wurde auch schon beschrieben - häufig zu einer dauerhaften Unterbringung überführt werden.

Eine solitäre Kurzzeitpflegeeinrichtung hat sich in Schleswig-Holstein bisher noch nicht wirklich etabliert, auch wenn das der Bedarf in den Ballungsgebieten sicherlich hergeben würde. Neben den hohen Investitionskosten sind die derzeit gültigen Vergütungssätze im Vergleich zur Langzeitpflege unrentabel. Da bekräftigen wir mit unserem Antrag noch einmal die Forderung, dass die Vergütungssätze für Kurzzeitpflege deutlich verbessert werden. Diese Vergütung sollte am besten sogar höher als die der Langzeitpflege sein, um Fehlanreize zur dauerhaften stationären Aufnahme zu senken.

Insbesondere die CDU- und SPD-Kolleginnen und Kollegen bitte ich, hier auf ihre Parteifreunde im Bundestag und in der Bundesregierung hinzuwirken, diese gemeinsame Forderung umzusetzen. Wie wir aus den beiden vergangenen Landtagsdebatten zur Kurzzeitpflege bereits wissen, gibt es dazu schließlich schon ein Bekenntnis der CDU-SPDBundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag, genauer: auf den Seiten 96 und 97. Die GroKo will nach eigenen Worten „die Angebote für eine verlässliche Kurzzeitpflege stärken, indem wir eine wirtschaftlich tragfähige Vergütung sicherstellen“.

Durch die bisher fehlende betriebswirtschaftliche Rentabilität von Kurzzeitpflegeeinrichtungen wurden Investitionen zur Errichtung solitärer Stationen gescheut. Es ist daher keinem Betreiber vorzuwerfen, unter diesen finanziellen Rahmenbedingungen bisher zögerlich mit dem Ausweiten von Kurzzeit

pflegeplätzen umgegangen zu sein. Mit dem gemeinsamen Antrag, der schon erwähnt wurde, über die Verwendung der Corona-Notkrediten, Drucksache 19/2492, stellen wir landesseitig für 2021 und 2022 jetzt insgesamt 10 Millionen € zur Verfügung.

Frau Pauls, Sie haben gerade kritisiert, dass wir über so viel Geld sprechen. Diese 10 Millionen € die Idee wurde ja von Ihnen aufgeworfen - sind sicherlich eine gute Sache für die Pflege. Ich hoffe, dass diese Gelder zügig in den Aufbau entsprechender Angebote fließen werden

(Birte Pauls [SPD]: Die stehen aber nicht im Antrag!)

- Nein. Frau Pauls, aber auch Sie haben darüber gesprochen, obwohl es nicht im Antrag steht. Also gut: Ich hätte in dieser Sache gern etwas mehr Gemeinsamkeit; das täte allen gut, allen Pflegenden, allen Pflegekräften, allen pflegenden Angehörigen. Da habe ich Sie sicherlich an unserer Seite, Frau Pauls. - Das hoffe ich zumindest.

Ein weiterer Punkt, den ich gern aufgreifen möchte und der uns Freien Demokraten besonders wichtig ist, der vielleicht eher als Kleinigkeit gelesen wird, aber für die Ad-hoc-Betroffenen viel Erleichterung mit sich bringen kann, ist die Erstellung eines digitalen Portals - möglichst mit Echtdaten, damit man sofort sehen kann, wo im Umkreis gerade freie Plätze zur Verfügung stehen. Der Bedarf, schnellstmöglich einen Platz zu finden, kommt immer zu einem ungünstigen Zeitpunkt; er kommt zum Zeitpunkt, wo der Pflegestützpunkt telefonisch nicht mehr besetzt ist, er kommt am späten Abend, Freitagabend, am Wochenende oder an Feiertagen. Deshalb wäre solch ein Portal für die Betroffenen von besonderem Vorteil, damit man das schnell nachvollziehen kann.

Abschließend: Aus Schleswig-Holstein sind mehrere gute Initiativen zur Pflegepolitik gekommen, die häufig gemeinsam hier beschlossen und zur Bundesebene gebracht wurden. Ich würde mich sehr freuen, wenn auch dieses Mal der Landesregierung ein breites Votum mitgegeben wird, damit unsere Forderungen, die wir hier aufstellen, zum Wohle der Pflegebedürftigen, zum Wohle der Angehörigen und nicht zuletzt zum Wohle der Pflegenden Gehör finden und umgesetzt werden können. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Dennys Bornhöft)

Für die Landesregierung hat der Minister für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren, Dr. Heiner Garg, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich will einmal von dem abweichen, was einem kluge Leute hier aufschreiben. - Kann man mich verstehen?

Kleinen Moment bitte, wir müssen das hier einmal ein bisschen lauter stellen.

Ich versuche es noch einmal; jetzt sind auch schon 26 Sekunden weg. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, können Sie mich jetzt verstehen?

(Zurufe: Ja!)

In den vergangenen Debattenbeiträgen, jedenfalls in denen, die ich mitbekommen habe - ich habe den Plenarsaal vorhin nicht aus Spaß verlassen; ich bitte heute und in den nächsten zwei Tagen um Entschuldigung, wenn ich nicht permanent anwesend sein kann -, ist deutlich geworden, unabhängig davon, ob man in der Opposition oder in der Regierung ist, was für einen wesentlichen Beitrag Kurzzeitpflege leistet.