Protokoll der Sitzung vom 28.10.2020

In Drucksache 19/2456 sind Sie wieder bei den Jugendlichen, bei dem übrigens ganz wichtigen Erasmus+-Programm, bei Austauschprogrammen und wieder beim ESF.

Wir reden heute über den Antrag Drucksache 19/2398. Sie merken immerhin - das finde ich schön -, dass Fördergelder wegfallen könnten. Das führt aber keineswegs zu einer Reduzierung Ihrer Ansprüche, sondern stattdessen wollen Sie die wegfallenden Fördergelder grundsätzlich durch Landesgeld ersetzen lassen. Kein Problem, meine Damen

(Bernd Voß)

und Herren, wir haben es ja. Die Finanzministerin sie ist leider gerade nicht da - würde dann unter dem Tisch verschwinden.

Außerdem fällt Ihnen ein, dass Sie bei der EU-Mittelvergabe nach all dem, was Sie vorher an Mehrausgaben gefordert haben, jetzt regionale und zivilgesellschaftliche Akteure mehr beteiligen wollen. Herr Kollege Hamerich hat Ihnen vorhin klar dargelegt: Das geschieht.

Wenn Sie immer noch sagen, das reicht Ihnen nicht, dort wollen Sie noch eine Schippe drauflegen - ich gehe davon aus, dass Sie sehr wohl wissen, was derzeit passiert -, dann habe ich den Eindruck, dass nicht eine Beteiligung von mehr Menschen und Organisationen stattfinden, sondern wieder ein Arbeitskreis dabei herauskommt.

(Jörg Nobis [fraktionslos]: Das war den So- zen immer schon egal!)

Hinzu kommt noch der Antrag Drucksache 19/307, mit dem Sie übrigens mehr gemeinsames Handeln in der EU fordern, also mehr Zentralismus.

(Lachen SPD)

Heute Nachmittag reden wir noch über Ihren Antrag Drucksache 19/2399. Darin fordern Sie mehr Geld für die EU-Gesundheitspolitik. Das ist okay. Dort wollen Sie eine europäische Strategie, europäische Solidarität und sind ausdrücklich gegen - wie Sie es nennen - nationalstaatliche Egoismen. Daraus spricht die Sprache des Zentralismus und keine strikte Regionalisierung. Das widerspricht sich.

Frau Poersch, ich möchte von Ihnen doch nur, dass Sie eine klare Strategie formulieren, eine Strategie, über die man reden kann, und nicht 30 Strategien, über die man redet.

(Sandra Redmann [SPD]: Was ist denn Ihre Strategie? - Weitere Zurufe)

- Na ja, lassen wir einmal Beleidigungen sein.

(Lachen SPD)

Ich glaube übrigens nicht, dass jede einzelne Forderung, jede einzelne Position, die die Sozialdemokraten hier aufgestellt haben, inhaltlich unsinnig ist. Ganz im Gegenteil. Wir Freie Demokraten setzen uns ausdrücklich für eine Stärkung von Erasmus+ ein, für europäische Austauschprogramme, für mehr Forschung und Innovation, für die Digitalisierung und für die europäische Zusammenarbeit in partiellen Bereichen, aber wir setzen uns eben auch für eine Stärkung der europäischen Wirtschaft ein,

für mehr Wettbewerbsfähigkeit. Wer mehr Geld ausgibt, muss es vorher verdienen.

(Beifall FDP)

Dieser Zusammenhang ist fundamental wichtig. Ohne Wohlstand gibt es auch die Mittel für Bildung, für Forschung, für Klimaschutz und alles andere, was wichtig ist, leider nicht. Genau deshalb ist diese Antragsserie, die Sie hier so stellen, leider weit von der Realität entfernt.

Ich empfehle Ihnen sehr, meine Damen und Herren: Kümmern Sie sich einmal nicht so sehr darum, wie der Kuchen gegessen wird, sondern auch einmal darum, wie der Kuchen gebacken wird.

Die EU ist ein faszinierendes Friedens- und Freiheitsprojekt mit ganz vielen wichtigen Aufgaben. Sie ist nicht einfach eine Goldgrube, aus der man sich frei bedienen kann. - Danke schön.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der fraktionslose Abgeordnete Volker Schnurrbusch.

(Jörg Nobis [fraktionslos]: Fraktionslos, aber nicht heimatlos!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Fraktionslos, aber nicht meinungslos. Mit dem Antrag der SPD werden Beteiligungsrechte bei der Verteilung von Fördergeldern aus verschiedenen EU-Töpfen gefordert. Die Landesregierung soll den Landtag an der Neuausrichtung der neuen Förderperiode beteiligen. So, wie ich das bisher erlebt habe, geschieht das bereits. Erst vor Kurzem gab es eine ausführliche Videokonferenz zum EFRE-Programm mit über hundert Teilnehmern. Im Mai gab es so etwas für ESF+. Nächste Woche wird es wieder eine Konferenz zum ESF geben. Bei ELER wurden die Wirtschafts- und Sozialpartner auch einbezogen. Insofern läuft doch alles recht gut. Im EU-Ausschuss berichten der Minister und die Regierung regelmäßig.

Außerdem erhofft sich die SPD von einem Dialogprozess mehr Mitsprache der Kommunen bei der Ausgestaltung der künftigen Programme. Das wäre zu begrüßen, wobei ich mir - ehrlich gesagt - nicht konkret vorstellen kann, wie das in der Praxis aussehen soll.

(Stephan Holowaty)

Bei so vielen Berichten, Beteiligungen und Mitsprachen könnte man meinen, dass wir uns hier auf einem Feld bewegen, auf dem die Bundesländer und die Kommunen besondere Rechte besitzen. Das ist aber gerade in Bezug auf die Kommunen gar nicht der Fall. Nur in wenigen anderen europäischen Staaten, vor allem in Österreich und Spanien, wird den Kommunen das Recht auf Selbstverwaltung garantiert. In den meisten EU-Mitgliedstaaten ist ansonsten die Selbstverwaltung, wie sie bei uns im Grundgesetz verankert ist, ausdrücklich nicht vorgesehen. Aus EU-Sicht sind die Kommunen in erster Linie Verwaltungsstellen der Mitgliedstaaten und als solche in den Vollzug des Unionsrechts eingebunden. Kommunen sind keine handelnden Akteure mit realen Mitsprachemöglichkeiten. So weit, so schlecht.

Die EU will sich immer so gern als bürgernah verkaufen, ist es aber in der Praxis nicht und wird es wohl auch nicht mehr werden. Das sehen wir beispielhaft bei den Planungen für die Gemeinsame Agrarpolitik, GAP, bei der die Förderung für die kommende Periode nicht mehr wie bisher über regionale Programme der Länder, sondern über einen einzigen Siebenjahresplan für ganz Deutschland geregelt werden soll.

Ein weiteres Problem wird im Antrag benannt. Ein Großteil der Mittel des neuen Schuldenprogramms Next Generation gelangt ausschließlich an die Mitgliedstaaten und steht den Kommunen nicht direkt zur Verfügung. Es ist also ein Trugschluss zu glauben, dass die elementaren Strukturdefizite der EU auf Länderebene durch neue Kommunikationsformen behoben werden könnten. Runde Tische würden lediglich einen politischen Einfluss simulieren, der tatsächlich überhaupt nicht vorhanden ist. Stattdessen wäre das Geld des deutschen Steuerzahlers, das nach Brüssel überwiesen wird - demnächst noch mehr als bisher - viel besser hier im Land direkt aufgehoben. Frau Poersch, Sie schreiben ja, dass wegfallende EU-Mittel durch Landesmittel ersetzt werden könnten. Ja, genau, indem wir uns den Umweg über Brüssel sparen und das Geld hier im Land einsetzen, und zwar dort, wo wir es für nötig halten! Dort wäre es sinnvoll aufgehoben.

Die AfD steht für das Prinzip der Subsidiarität, aber die EU regiert eben lieber durch. Wir halten viele Punkte in dem Antrag

Kommen Sie bitte zum Schluss.

- letzter Satz! - für durchaus sympathisch, aber leider für unrealistisch, daher können wir nicht zustimmen. Jamaika stellt in seinem Antrag lediglich den Status quo fest. Dem kann man zumindest zustimmen. - Danke.

(Beifall Jörg Nobis [fraktionslos] und Claus Schaffer [fraktionslos])

Für die Landesregierung hat der Minister für Justiz, Europa und Verbraucherschutz, Claus Christian Claussen, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zuweisungen aus den EU-Strukturfonds bilden das finanzielle Rückgrat der Landesprogramme Wirtschaft, Arbeit, ländlicher Raum sowie Fischerei und Aquakultur. Der Europäische Rat hat sich in seiner Sitzung vom 17. bis 21. Juli 2020 nicht nur auf den mit 1,8 Billionen € historisch größten Finanzrahmen geeinigt, er hat zugleich erhebliche Kürzungen der Fördermittel für den zukünftigen Zeitraum von 2021 bis 2027 beschlossen. Wie hoch letztlich die Mittelverluste für Schleswig-Holstein sein werden, lässt sich derzeit noch nicht beziffern. Hier kommt es neben der Einigung zwischen Rat und Europäischem Parlament über den Finanzrahmen entscheidend darauf an, wie die EU-Kommission die einzelnen Fördergebiete einteilt. Umso wichtiger ist es, dass wir uns auf allen Ebenen dafür einsetzen, so viele EU-Mittel wie möglich für Schleswig-Holstein zu generieren.

Schon heute findet, soweit es möglich ist, eine intensive Einbindung beispielsweise der kommunalen Ebene oder von Wirtschafts- und Sozialpartnern statt. Beim Landesprogramm Wirtschaft hat sich der Begleitausschuss zum operationellen Programm EFRE bisher in drei Sitzungen mit der Erstellung des neuen Programms beschäftigt. In diesem Begleitausschuss ist die kommunale Ebene mit insgesamt fünf Mitgliedern vertreten. Hinzu kommen Vertreter verschiedener Interessensgruppen.

Einen weiteren Beteiligungsschritt stellt die virtuelle Informationsveranstaltung mit regionalen Akteuren am 17. September 2020 dar. Neben den kommunalen Vertretern waren hierzu auch die Fraktionen des Landtags eingeladen.

Ähnlich sieht die Situation beim Landesprogramm Arbeit aus. An dem Diskussionsprozess zur Erstel

(Volker Schnurrbusch)

lung des operationellen Programms war vor allem der Begleitausschuss des Europäischen Sozialfonds beteiligt. Diesem gehören neben den Wirtschaftsund Sozialpartnern auch Vertreterinnen und Vertreter von Kommunen und der Zivilgesellschaft an.

Etwas anders stellt sich die Situation beim Landesprogramm ländlicher Raum, ELER, und beim Landesprogramm Fischerei und Aquakultur, MFF, dar. Im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik, also der GAP, wird in der kommenden Förderperiode die Förderung aus dem ELER nicht mehr wie bisher über regionale Programme der Länder erfolgen. Es wird stattdessen einen einzigen GAP-Strategieplan geben, in dem die Förderung sowohl des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft als auch des ELER für Deutschland insgesamt geregelt werden. Die Ausgestaltung des Strategieplans und insbesondere der dort zu regelnden ELER-Förderung erfolgt in enger Abstimmung zwischen Bund und Ländern.

In den Prozess zur Identifizierung der Förderbedarfe in Schleswig-Holstein wurden die Ressorts der Landesregierung und Wirtschafts- und Sozialpartner des aktuellen Landesprogramms ländlicher Raum einbezogen. Dazu gehörten unter anderem der Schleswig-Holsteinische Landkreistag und der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag.

Für den Nachfolgefonds des Europäischen Meeresund Fischereifonds wird es - wie in den vergangenen Förderperioden - nur ein einziges deutschlandweit gültiges operationelles Programm geben. Da die spezifischen Fondsverordnungen voraussichtlich erst im Frühjahr nächsten Jahres verabschiedet werden, kann das deutsche operationelle Programm auch erst im Laufe des nächsten Jahres fertiggestellt und genehmigt werden. Das operationelle Programm muss für den Bund und alle teilnehmenden Bundesländer mit ihren doch sehr unterschiedlichen Fischereistrukturen passen, von der Krabbenfischerei in der Nordsee bis hin zu bayrischen Karpfenteichen. Daher wird dies möglichst allgemein gehalten sein. Die spezifische Ausgestaltung in jedem Bundesland wird dann über die jeweiligen Landesförderrichtlinien geregelt. Im Rahmen der Erstellung des deutschen operationellen Programms werden die Wirtschafts- und Sozialpartner einbezogen. Die schleswig-holsteinischen Wirtschafts- und Sozialpartner sind entweder unmittelbar oder über ihre jeweiligen Bundesverbände daran beteiligt.

Eine vollumfängliche Beteiligung der schleswigholsteinischen Verbände und der Kommunen in Schleswig-Holstein erfolgt dann ganz konkret noch einmal bei der Neufassung der konkretisierenden

Landesförderrichtlinien. Ein Schwerpunkt in Schleswig-Holstein wird wieder auf der Förderung der Fischerei und der Fischwirtschaftsgebiete liegen, wo lokale Fischereiaktionsgruppen nach dem sogenannten Bottom-up-Prinzip selbst über Projekte entscheiden können.

(Vereinzelter Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zusammenfassend kann man daher sagen: Die Beteiligung relevanter Akteure und der Politik findet statt und wird auch weiterhin stattfinden. Das schließt selbstverständlich auch den Landtag mit seinen Fachausschüssen ein. Insofern möchte ich noch einmal darauf verweisen, dass ich immer wieder gern in den Ausschuss komme und mit Ihnen gern weiter über diese Dinge diskutiere. Im Moment prägen allerdings die Unsicherheiten die Diskussionen. Seien Sie aber versichert, dass sich die Landesregierung immer dafür einsetzen wird und ihr Möglichstes tut, um eine möglichst gute Förderung unseres Landes zu erreichen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und Doris Fürstin von Sayn-Wittgen- stein [fraktionslos])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Antrag, Drucksache 19/2398 (neu), sowie den Alternativantrag, Drucksache 19/2447, an den Europaausschuss zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den ich bitte um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist somit gegen die Stimmen der SPD-Fraktion abgelehnt.

Es ist beantragt worden, über die Anträge in der Sache abzustimmen. Ich lasse zunächst abstimmen über den Antrag der Fraktion der SPD und der Abgeordneten des SSW, Drucksache 19/2398 (neu). Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag, Drucksache 19/2398 (neu), gegen die Stimmen der Fraktion der SPD abgelehnt.