1. Wahlen können durch Handaufheben erfolgen, wenn kein Abgeordneter widerspricht. Bei Widerspruch wird geheim gewählt. Zur Abgabe der Stimmzettel werden die Abgeordneten mit Namen aufgerufen.
2. Gewählt ist, wer die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhält. Ergibt sich keine solche Mehrheit, kommen die beiden Anwärter mit den höchsten Stimmenzahlen in die engere Wahl. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los durch die Hand des Präsidenten.
Ich frage deshalb zunächst: Erhebt sich gegen die Wahl durch Handaufheben Widerspruch? - Das ist nicht der Fall.
Wer für die Wahl des Herrn Abgeordneten Hans Ley zum Landtagspräsidenten ist, den bitte ich eine Hand zu erheben. - Danke. - Wer ist dagegen?
Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, Herr Abgeordneter Hans Ley ist einstimmig zum Landtagspräsidenten gewählt.
Nach § 34 des Gesetzes über den Landtag des Saarlandes wahrt der Präsident die Würde und die Rechte des Landtages und fördert seine Arbeit. Er leitet die Verhandlungen gerecht und unparteiisch. Herr Landtagspräsident Ley, ich bitte Sie, zur Verpflichtung zu mir heraufzukommen. Ich bitte die Mitglieder des Hauses und die Zuhörer, sich von den Plätzen zu erheben.
Herr Landtagspräsident, ich verpflichte Sie hiermit, die Würde und die Rechte des Landtages zu wahren, die Arbeit des Landtages zu fördern und die Verhandlungen gerecht und unparteiisch zu leiten.
Herzlichen Glückwunsch im Namen des ganzen Hauses. Herr Präsident, ich wünsche Ihnen, dass es Ihnen in Ihrer Amtsführung wie bisher gelingen möge, das Ansehen des Landtages zu mehren und Schaden von ihm abzuwenden. Ich darf Sie, Herr Präsident, bitten, die Leitung der Sitzung zu übernehmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte mich zunächst einmal bei Ihnen allen für die Wahl zum Präsidenten des saarländischen Landtages und damit für das zum Ausdruck gebrachte Vertrauen bedanken. Natürlich habe ich mich über das starke Votum gefreut. Ich werde auch in dieser meiner dritten Amtszeit versuchen, dieses Vertrauen zu rechtfertigen. Seien Sie also versichert, dass ich gewillt bin, das Amt des Landtagspräsidenten auch weiterhin gerecht und unparteilich zu führen und dass ich mich allen Mitgliedern dieses Hauses in gleicher Weise verpflichtet fühle.
Sie wissen: Es ist mir besonders wichtig, dass sich unser Parlament auch in dieser Legislaturperiode wieder durch eine gute politische Kultur auszeichnet, denn es kommt dem Ansehen der einzelnen Abgeordneten, der Fraktionen, aber auch dem Ansehen der Demokratie insgesamt zugute, wenn wir im Rahmen des politischen Wettstreites bei aller Leiden
An dieser Stelle möchte ich persönlich es nicht versäumen, Herrn Bischof Dr. Stephan Ackermann und Herrn Präses Nikolaus Schneider sowie allen Gottesdienstbesuchern zu danken, die heute Morgen mit uns den ökumenischen Gottesdienst gestaltet und gefeiert haben. Der Gottesdienst vor der Konstituierung des Landtages ist bei uns im Saarland eine gute und - ich denke - auch wertvolle Tradition. Er gibt zu Beginn der Legislaturperiode die Möglichkeit zur Orientierung und lässt viele Abgeordnete, so auch mich, durch Gottes Segen Kraft schöpfen für die Bewältigung unserer wichtigen politischen Aufgaben als Parlamentarier.
Ich danke ebenso dem Alterspräsidenten Rolf Linsler für seine souveräne Amtsführung bei der Konstituierung dieses 14. Landtages. Mit seiner Eröffnungsrede als Alterspräsident wurde bereits die Vielfalt und die Bandbreite der unterschiedlichen Positionen und politischen Standpunkte sichtbar, die im Übrigen eine lebendige Demokratie ausmachen. Sicher werden diese Anmerkungen und Positionen in der politischen Debatte dieses Hauses in Zukunft noch ausführlich und das eine oder andere auch im Widerstreit diskutiert werden. Das ist auch gut so.
Die parlamentarische Arbeit hier im Landtag wird in dieser neuen, inzwischen 14. Legislaturperiode erstmals seit über 40 Jahren von fünf Fraktionen bestritten. Dies war zuletzt in der vierten Legislaturperiode von 1960 bis 1965 der Fall. Fünf Fraktionen, die jeweils gewichtige Teile der saarländischen Bevölkerung repräsentieren und die natürlich auch ihre Vorstellungen verwirklichen wollen. Fünf Fraktionen, die aus ihrer Mitte heraus möglichst bald eine möglichst stabile, neue Regierung für unser Land finden werden. Gerade in der gegenwärtig wirtschaftlich schwierigen Zeit benötigt das Saarland eine stets handlungsfähige und zuverlässige Regierung für die nächsten fünf Jahre. Ich appelliere daher an alle einzelnen Abgeordneten und verantwortlichen Personen der Fraktionen, in den kommenden Tagen und Wochen dieser besonderen Verantwortung für unser Land mit dieser langfristigen Perspektive gerecht zu werden.
Der Einzug von fünf Parteien in den Landtag bringt auch einiges an organisatorischen Herausforderungen für den Landtag, die Fraktionen und die Abgeordneten selbst mit sich. Mehr Fraktionen bedeuten zwangsweise auch mehr Mitarbeiter in den Fraktionen. Dies führt aufgrund der räumlichen Knappheit und der Begrenztheit unseres Raumangebotes für Abgeordnete zu Problemen. Es ist daher unvermeidbar, dass sich einige Abgeordnete zunächst Büroräume teilen werden. Wir werden uns Gedanken darüber machen müssen, neue zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten für die Abgeordneten zu
schaffen. Hier besteht zweifelsfrei Handlungsbedarf. Ich werde deshalb - wie in der vergangenen Präsidiumssitzung angekündigt - umgehend Gespräche mit den Fraktionsvorsitzenden führen und entsprechend entwickelte Verbesserungsvorschläge diskutieren und gegebenenfalls realisieren.
Wie immer zu Beginn einer neuen Legislaturperiode, so wird es auch diesmal eine gewisse Zeit erfordern, bis alle organisatorischen Abläufe eingespielt sind. Dieses Mal kommt sicher hinzu, dass ab heute eine sehr große Zahl neuer Abgeordneter - die Zahl ist genannt worden - ihre Aufgabe als Mitglieder des saarländischen Landtages aufnehmen wird. Es sind 21 neue, davon 18, die zum ersten Mal hinein gewählt wurden; Oskar Lafontaine, Gaby Schäfer und Hermann Scharf haben diesem Parlament schon einmal angehört. Ich bin zuversichtlich, dass sich die Abläufe schnell einspielen und sich die neuen Abgeordneten bald eingewöhnen werden. Auch hierbei stehen die Mitarbeiter der Landtagsverwaltung gerne als Dienstleister zur Verfügung.
Am 30. August haben 544.227 Wählerinnen und Wähler den saarländischen Landtag gewählt. Dies entspricht einer Wahlbeteiligung von 67,6 Prozent. Damit lag die Wahlbeteiligung über zwölf Prozentpunkte höher als bei der Landtagswahl 2004. Doch möchte ich mir erlauben, etwas Wasser in den Wein zu gießen, denn zu voreiliger Selbstzufriedenheit besteht nach wie vor kein Anlass. Mag auch die Wahlbeteiligung dieses Mal höher gewesen sein als bei der vergangenen Landtagswahl, so darf dabei zweierlei nicht übersehen werden: Erstens hatten wir im Jahre 2004 einen historischen Tiefstand der Beteiligung an einer Landtagswahl. Zweitens führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass immer noch fast ein Drittel aller Wählerinnen und Wähler auf die Ausübung ihres Wahlrechts verzichtet hat. Das, so meine ich, sollten wir bei aller Freude über die gestiegene Wahlbeteiligung nicht übersehen. Im Gegenteil: Die jetzt wieder gestiegene Wahlbeteiligung sollte uns allen Veranlassung sein, stets kritisch zu hinterfragen, ob wir als Parlamentarier mit unserer Arbeit den Bedürfnissen und Wünschen der Bürgerinnen und Bürger jederzeit gerecht werden.
In unseren Diskussionen hier im Parlament müssen wir daher diese berechtigten Erwartungen ausreichend beachten und ernst nehmen. Ernst nehmen heißt jedoch nicht, reflexartig allen populären Forderungen und jeder politischen Stimmung hinterherzulaufen. Es muss vielmehr darum gehen, die Menschen und ihre Anliegen ernst zu nehmen, was im Zweifelsfall auch den politischen Widerspruch beinhaltet. Wir müssen dabei auch vermitteln können, warum gelegentliche Anliegen und Forderungen zwar nachvollziehbar und auch wünschenswert wären, aber nicht realisierbar sind. Ich bin mir sicher: Eine offene Debattenkultur jenseits von billigem Po
pulismus wird das Vertrauen in das Parlament verbessern und die künftige Wahlbeteiligung positiv beeinflussen.
Zwei Punkte sind mir deswegen wichtig. Erstens müssen wir immer wieder von neuem darauf bedacht sein, dass die Themen, die draußen vor Ort eine Rolle spielen, und die Diskussionen, die außerhalb des Parlaments stattfinden, auch Gegenstand unserer Beratungen sind. Umgekehrt muss die politische Debatte, die hier stattfindet, die Menschen in unserem Land erreichen. Dabei ist es wichtig, dass sich die politischen Debatten wirklich im Parlament abspielen - das heißt, im Plenum und in den Ausschüssen - und nicht in kleineren, beschränkten Zirkeln. Das sage ich auch im Hinblick auf die zu erwartende Koalitionsregierung.
Das offene und öffentliche Ringen um die beste Lösung muss für die Bürger möglichst transparent sein. Hierzu leisteten in der Vergangenheit auch die saarländischen Medien einen wertvollen Beitrag. Insbesondere die großen Medienhäuser, der Saarländische Rundfunk und auch die Saarbrücker Zeitung, haben in ihrer Berichterstattung seit Jahren für die öffentliche Wahrnehmung dieses Parlaments und seiner Debatten gesorgt. Ich gehe davon aus, dass die Medien dieser großen Verantwortung auch weiterhin gerecht werden.
Zweitens müssen den Bürgern politische Zusammenhänge, Entscheidungsprozesse und Beschlüsse verständlicher gemacht werden. Die bessere Verständlichkeit betrifft die politische Debatte im Allgemeinen und den Inhalt von Gesetzen im Speziellen. Infolge einer Vielzahl wirtschaftlicher, technologischer und gesellschaftlicher Veränderungen ist die Gesetzgebung komplexer geworden. Die Detailregelungen haben zugenommen, weil man auch jeden Einzelfall noch irgendwie regeln will, damit er sich gerecht darstellt. Dies gilt vor allem auch - das muss man erwähnen - im Zusammenhang mit europäischen Regelungen. Deswegen haben wir uns in unserer Arbeit immer wieder zu fragen, ob wir uns klar und verständlich ausdrücken und ob auch diejenigen unsere Aussagen und Argumente verstehen, die sich nicht tagtäglich mit dem politischen Geschehen beschäftigen. Demokratie braucht Verständlichkeit sowie das politische Verständnis der Bürgerinnen und Bürger. Nur so, denke ich, gewinnen wir Vertrauen. Wir stehen daher in der Bringschuld, dafür zu sorgen, dass die Menschen unsere Entscheidungen verstehen und auch nachvollziehen können. Dies sollten wir alle mehr als bisher als ständige Aufgabe und auch als Selbstverpflichtung verstehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist üblich, dass der Landtagspräsident zu Beginn einer Legislaturperiode auch einige Aufgabenfelder und Herausforderungen beschreibt, denen sich aus seiner Sicht das Parlament zuwenden sollte. Wir alle wissen: Die glo
bale Wirtschafts- und Finanzkrise ist noch lange nicht überwunden. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Wachstumsfähigkeit unseres Landes sowie die Vermeidung struktureller Brüche in der Saarwirtschaft gehören natürlich zu den wichtigsten Aufgaben in der neuen Legislaturperiode. Gerade in der heutigen Zeit ist die konstruktive Zusammenarbeit der Fraktionen zum Wohl unseres Landes erforderlich, und wir sollten uns dazu verpflichten, die genannten Aufgabenfelder mit aller Kraft anzugehen.
Daneben werden wir uns auch Fragestellungen grundsätzlicher Natur zuwenden müssen, von denen ich vier kurz erwähnen will. Die erste betrifft uns Abgeordnete selbst. Aufgrund der gestiegenen Wahlbeteiligung werden - wie gezeigt - die Erwartungen an uns Parlamentarier noch steigen. Zudem haben die Landtage aufgrund der Föderalismusreform I zusätzliche Aufgaben sowie in manchen Gebieten die ausschließliche Kompetenz zur Gesetzgebung erhalten, die sie vorher nicht hatten - beispielsweise für den Strafvollzug, das Heimrecht, den Ladenschluss, weite Teile des Beamtenrechts, wichtige Fragen des Hochschulrechts, das Versammlungsund das Gaststättenrecht. Ohne diese neu gewonnenen Gesetzgebungskompetenzen wäre zum Beispiel eine Befassung des Landtags mit dem Nichtraucherschutz nicht möglich. In anderen Feldern haben die Landtage nunmehr das Recht, von bundesrechtlichen Vorschriften abweichende Regelungen zu fassen. Auch das ist im Zuge der Föderalismusreform I erarbeitet worden und den Landtagen zugekommen. Konnte man früher sagen, dass die Kompetenz der Landtage auf den Gebieten wie Polizei, Kultus, Kommunal- und Länderfinanzen sowie Umwelt und Soziales beschränkt ist, so sind die Landesparlamente nun durch neue und zusätzliche Kompetenzen gestärkt, und dem gilt es natürlich entsprechend Rechnung zu tragen. Das betrifft auch uns als saarländischen Landtag.
Erhöhte Erwartungshaltungen der Menschen an uns, neue und zusätzliche Aufgaben, im Übrigen auch deutlich stärkere europäische Verflechtungen unserer Entscheidungen: All dies erfordert von uns Abgeordneten großes Engagement sowie hohe Arbeitsleistung und Leistungsfähigkeit. Ich denke, gerade als Mitglieder des saarländischen Landtags sind wir hier besonders gefordert. Wir sind nämlich das kleinste und sparsamste Parlament in Deutschland und haben die wenigsten Mitarbeiter. Unsere Rechte und Kompetenzen sind aber mit denen anderer Bundesländer identisch. Diese Länder haben 18, 12 oder 11 Millionen Einwohner. Von uns wird die gleiche Leistung, die gleiche Regelungskompetenz erwartet. Der saarländische Landtag muss ja auch nicht weniger Gesetze verabschieden als die Parlamente anderer Bundesländer, nur weil wir ein kleineres Land sind.
Ein kleines Parlament mit weniger Mitarbeitern bei gleicher Aufgabenstellung, das zeigt natürlich, dass von uns eine besondere Leistungsfähigkeit und Leistung erwartet wird. Damit einhergehen sollte für die Zukunft meines Erachtens eine Stärkung des einzelnen Abgeordneten in seiner Stellung als Volksvertreter. Ich greife daher in diesem Zusammenhang meinen Vorschlag auf, den ich vor einigen Monaten bereits gemacht habe. Derzeit entscheidet der Wähler bei den Landtagswahlen vor allem über die Mehrheit in unserem Parlament und weniger über „seinen“ Abgeordneten. Wir sollten neu darüber nachdenken, ob wir nicht eine Wahlrechtsreform dahingehend anstreben sollten, dass eine bestimmte Anzahl von Abgeordneten in Zukunft direkt gewählt wird. Dies könnte nach dem Beispiel des personalisierten Verhältniswahlrechts erfolgen, wie es für den Bundestag gilt. Das heißt: Neben den Vorschlagslisten der Parteien stünden auch Direktkandidaten in den Wahlkreisen zur Wahl. Dies würde eine direkte und unmittelbare Wahl sowie stärkere Einflussmöglichkeiten durch den Wähler bedeuten. Ein direkt vom Volk und nicht von Parteitagsdelegierten gewählter Abgeordneter könnte seine Arbeit mit einem Zugewinn an Unabhängigkeit und einem anderen Selbstbewusstsein anpacken.
Als zweite Herausforderung, die ich für unser Parlament sehe, will ich das Thema „Europa“ ansprechen. Das Saarland ist in Deutschland ein starkes Stück Europa. Das europäische Bewusstsein ist gerade im Denken und Leben der Saarländerinnen und Saarländer tief verwurzelt. Keine andere Region Europas ist so europäisch wie unsere Großregion SaarLorLux. Das Saarland ist aufgrund seiner geografischen Lage und seiner Geschichte wie kein anderes Bundesland dem europäischen Gedanken verpflichtet. In keiner anderen Region Europas passieren täglich so viele Menschen, Waren und Dienstleistungen die Grenze wie hier in unserer Region. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass der saarländische Landtag schon im Februar 1992 und als erstes Landesparlament überhaupt den Europagedanken und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Verfassung verankert hat. Dieser Tradition folgend, stellen wir uns nun auch mit großer Zuversicht den Herausforderungen, die uns infolge der großen europarechtlichen Einflüsse auf die auf uns zukommenden Entscheidungen erwachsen. Der zunehmende Einfluss europäischer Bestimmungsfaktoren auf unsere Gesetzgebung ist nämlich seit vielen Jahren zu beobachten.
Jährlich erstellt die EU im Durchschnitt 20.000 EUDokumente, 12.000 Unterrichtungsdokumente, die gesetzgebungsrelevant sind und von den deutschen Parlamenten, also dem Bundestag und den Landtagen, geprüft werden müssen. Hinzu kommen noch einmal jährlich 800 sogenannte EU-Vorhaben. Insbesondere diesen EU-Vorhaben kommt große Be
deutung für die Arbeit der deutschen Parlamente zu, da es sich meist um Richtlinien und Verordnungen handelt. Sie greifen unmittelbar in die deutsche Gesetzgebung ein. Will der Landtag des Saarlandes die ihm zustehenden Mitwirkungsmöglichkeiten nutzen, sind meiner Meinung nach zwei Voraussetzungen unabdingbar: zum einen die möglichst frühzeitige Befassung mit anstehenden Vorhaben, um ausreichend Zeit zu gewinnen, und zum anderen die kompetente Beratung und Begleitung, um bestehende Einflussmöglichkeiten tatsächlich ausschöpfen zu können.
Vor diesem Hintergrund haben der Landtag und die Landesregierung im letzten Jahr eine Vereinbarung geschlossen, die die nötigen Informationsflüsse und die frühzeitige Beteiligung des Landtages sicherstellt. Es gilt, diese Vereinbarung nunmehr mit Leben zu erfüllen. Mit dieser europarechtlichen Verflechtung und Abhängigkeit unseres Handelns haben wir uns als Landtag des Saarlandes - wie auch die übrigen Landtage - noch zu wenig auseinandergesetzt. Gut beraten, gut und frühzeitig informiert wollen wir uns zukünftig auch in der täglichen Arbeit mit Europa, das wir fest im Blick haben, befassen.
Eine Stärkung der Landesparlamente erfolgte auch aufgrund des vor wenigen Wochen vom Bundesverfassungsgericht ergangenen sogenannten LissabonUrteils. Das Gericht hat unmissverständlich festgestellt, dass die gesamtstaatliche Verantwortung für die europäische Integration beim Bund und den Ländern gemeinsam liegt. Die Wahrnehmung dieser Integrationsverantwortung als originäre Aufgabe der Parlamente obliegt den Landtagen, soweit ihre Gesetzgebungszuständigkeit betroffen ist. Daher wird durch das neue Begleitgesetz zum Vertrag von Lissabon den gesetzgebenden Körperschaften, also den Landtagen, Mitspracherecht eingeräumt. Die Länder wirken über die Landesregierungen im Bundesrat mit und müssen ihre Landtage mit den Themen frühzeitig befassen. Denn auch hier gilt der vom Bundesverfassungsgericht bestätigte Grundsatz, wonach die Beteiligungsrechte der gesetzgebenden Körperschaften im Rahmen des Integrationsprozesses sicherzustellen sind. Es wird an uns Parlamentariern liegen, dies auch praktisch umzusetzen.
Eine weitere wichtige Zukunftsfrage für unser Land liegt in den Herausforderungen des demografischen Wandels begründet. Dies soll mein dritter Punkt sein. Die Bevölkerungszahl des Saarlandes wird bis 2030 von jetzt 1 Million auf etwa 925.000 Einwohner fallen. Es gibt eine ganze Reihe von Statistikern und Instituten, die die Zahlen noch deutlich niedriger sehen. Die Zahl der Geburten im Saarland reduzierte sich von 21.000 im Jahr 1993 auf 7.200 im Jahr 2009. Die Zahl der Personen über 80 Jahre wird von 2006 bis zum Jahr 2030 um 45 Prozent zunehmen.
Der Landtag des Saarlandes befasste sich frühzeitig mit diesem Thema. Sie können sich erinnern, dass die Alterspräsidentin Heidrun Möller angeregt hatte, der Landtag solle dies als Schwerpunktthema begreifen. Wir haben die Anregung der Alterspräsidentin aufgegriffen und eine Enquetekommission eingesetzt, deren Ergebnisse wir zu Ende der vergangenen Periode hier diskutiert und verabschiedet haben. Ich empfehle die Lektüre dieses Berichtes nochmals ausdrücklich. Dort werden viele Handlungsfelder gezeigt, die es zügig anzugehen gilt, beispielsweise im Bereich des Wohnens und Arbeitens, des Schulwesens, der Familienförderung und der Migrationspolitik. Sie sind ausführlich beschrieben und mit zahlreichen Anregungen versehen.
Ich möchte heute in diesem Zusammenhang den Blick auf das Thema Pflege richten. Im Jahr 2030 wird es 270.000 Saarländerinnen und Saarländer über 65 Jahre geben. Davon werden mehr als 75.000 über 80 Jahre alt sein. Sie werden nicht so sehr im Familienverband integriert sein, wo jemand die Aufgabe der Pflege übernimmt. Deshalb müssen wir uns fragen, wie in 20 Jahren die Pflege der Bedürftigen in unserem Land sichergestellt werden kann, wenn auf immer mehr pflegebedürftige Menschen immer weniger junge Menschen kommen, die bereit und in der Lage sind, eine pflegerische Aufgabe, sei es ehrenamtlich oder auch hauptberuflich, wahrzunehmen. Wie können pflegende Angehörige entlastet werden? Was muss von uns an pflegeunterstützenden Maßnahmen und Diensten zwingend vorgehalten werden?
Neben dem Bereich der Pflege ließen sich viele weitere Aspekte des demografischen Wandels aufzählen. Allen ist gemeinsam, dass wir bereits heute handeln müssen, um gut auf die kommenden Jahrzehnte vorbereitet zu sein. Dieser bedeutsamen gesellschaftlichen Aufgabe müssen wir Parlamentarier uns voller Elan und mit dem nötigen Weitblick auch schon in dieser Legislaturperiode annehmen.
Ein vierter und letzter Punkt, der noch lange unsere Diskussion bestimmen wird, ist die Frage der Nachhaltigkeit unseres Handelns. Ich spreche dies mit Blick auf die Staatsverschuldung an. Bis 2013, also in vier Jahren, wird die Verschuldung des Gesamtstaates von - wie in diesen Tagen gemeldet - 1,6 Billionen Euro auf 2 Billionen Euro steigen. Auch die Zahlen zu hoher Verschuldung unseres Bundeslandes und unserer Kommunen sind uns hinlänglich bekannt und müssen uns alle weiterhin mit größter Sorge erfüllen. Wir als politische Verantwortungsträger sind gefordert, mit Weitblick angemessene Entscheidungen zu treffen, um nachkommende Generationen zu schützen. Dies ist ein Gebot der Nachhaltigkeit. Auch wenn die Verschuldung in der Ver