Im Übrigen gilt: Bei der Wiederbesetzung periodisch zu besetzender Ämter gibt es kein privilegiertes Zugriffsrecht des bisherigen Amtsinhabers. Vielmehr ist mit dem Ende der Amtsperiode die Wahl wieder genauso offen, wie sie vor der Besetzung war. Deshalb hat sich die Landesregierung entschieden, Ihnen Frau Judith Thieser vorzuschlagen. Dieser Vorschlag ist das Votum für eine Frau, in die wir vielfältige Erwartungen bei den anstehenden Aufgaben setzen, von der wir fest überzeugt sind, dass sie diese Erwartungen im Sinne eines strengen Datenschutzes erfüllen wird, und die - wie die Saarbrücker Zeitung am 22. April schrieb - auch eine faire Chance verdient hat. Ich bitte Sie um Unterstützung für Frau Judith Thieser. - Vielen Dank.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Vorschlag liegt als Drucksache 14/171 vor. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat Herr Abgeordneter Stefan Pauluhn.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass es heute - eigentlich eher unüblich, zumindest hat es dies nach meiner Recherche bislang noch nicht gegeben - anlässlich der Wahl eines beziehungsweise einer Datenschutzbeauftragten in diesem Hause zu einer Debatte kommt, hat seine Ursache darin, dass diese Funktion und damit auch dieses Amt wohl im Rahmen der Koalitionsvereinbarungen zwischen den JamaikaKoalitionären zur koalitionären Ausgleichsmasse erklärt wurde. Das war ein schwerer Fehler. Ich will in aller Deutlichkeit sagen: Das wird auch dieser überparteilichen Funktion in keiner Weise gerecht, ja es schwächst sie sogar, zumindest vorübergehend.
Dabei gab es in Vorbereitung dieser Wahl eher ein trauriges Schauspiel, in dem sich gleich mehrere Hauptdarsteller und Statisten - alle aus Jamaika die Klinke in die Hand gaben. Zum ersten ist der alte, ich würde besser sagen baldige Ex-Landesdatenschutzbeauftragte Roland Lorenz zu nennen. Ihm kommt in diesem reichlich provinziell geprägten Drama noch am ehesten die Rolle des Opfers zu. Dann Peter Müller, der Ministerpräsident. Als Ministerpräsident und Landesvorsitzender der CDU hat er entschieden: Lorenz darf das nicht weitermachen. Er Müller, der Pate des Gezerres hinter den Kulissen zog die Strippen.
Dann die FDP mit Manfred Baldauf, auch er ein Opfer in dem Drama - vielleicht. Koalitionär wurde ja zunächst entschieden, dass das Amt jetzt die FDP bekommt. Der Fraktionsvorsitzende der FDP war es schließlich selbst, der noch am 16. März, also gerade mal vor acht Wochen, während der Ersten Lesung zur Haushaltsverabschiedung erklärte: „Dass eine Partei wie die FDP für einen erfahrenen ehemaligen Kollegen aus politischer Überlegung heraus - wir wollen in diesem Land schließlich gestalten, und dazu sind wir auch diese Koalition eingegangen - einen Platz sucht, an dem dieser für die Ziele der FDP hervorragend arbeiten kann, ist nicht despektierlich.“ Dennoch, daraus wurde nichts.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch eines sagen. Auch wenn der oder die Datenschutzbeauftragte qua Amt schon in einigen Punkten mit Überzeugungen mancher politischen Gruppierung oder Partei übereinstimmt, heißt das noch lange nicht, dass dies eine wesentliche Besetzungsvoraussetzung dergestalt wäre, dass er oder sie in diesem Amt für die politischen Ziele einer Partei arbeiten sollte. Dieses Amt ist ein überparteiliches Amt, es dient nicht zum Koalitionsgeschacher. Dies wurde aber offensichtlich hier anders gesehen.
Dann kam es, wie es kommen musste. Der Strippenzieher zog zum ersten Mal die Reißleine. Der erste Vorhang fiel, und ein Kandidat war aus dem Rennen.
Der, von dem ich vorhin gesprochen habe, der Ministerpräsident. - Im zweiten Akt betrat dann, sozusagen wiederbelebt, Roland Lorenz noch einmal kurz die Bühne. Wiederholt äußerte er seine Bereitschaft, für eine erneute Kandidatur zur Verfügung zu stehen und damit länger, nämlich noch fünf Jahre, bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres zu arbeiten und sich nicht schon mit 60 in den Vorruhestand zu verabschieden - eine Lösung, die für den saarländischen Steuerzahler die günstigste gewesen wäre.
Ausweislich der schriftlichen Beantwortung einer Anfrage von Mitgliedern des Ausschusses für Finanzen und Haushaltsfragen durch den Dienstherrn von Herrn Lorenz, den Landtagspräsidenten, ist bei der vorzeitigen Ruhestandversetzung von Herrn Lorenz mit Ansprüchen in Höhe von nahezu 4.500 Euro pro Monat zu rechnen. Dies bedeutet, dass das Land neben der fortlaufenden Besoldung einer neuen Datenschutzbeauftragten in den kommenden fünf Jahren weit mehr als eine viertel Million Euro, nämlich rund 270.000 Euro, in die Hand nimmt, um einen im
Amt doch tadellosen, aber bedauerlicherweise politisch in Ungnade gefallenen Beamten - auch wenn das jetzt bezweifelt wurde - früher, als dieser es selbst will, zu verabschieden.
Dies ist ein, wie ich finde, unmöglicher Vorgang. Wenn diese Regierung mehr als eine viertel Million Euro in die Hand nimmt, um ganz offensichtlich ein einziges aus parteipolitischer Sicht betrachtetes Personalproblem zu lösen, dann vergibt sie damit einen ungleich höheren Gestaltungsspielraum in Richtung zukünftig erst zu erwägender Einschnitte im Rahmen der Arbeit der gerade konstituierten Haushaltskonsolidierungskommission. Das ist ebenfalls ein schwerwiegender Fehler. Aber Geld spielt offensichtlich nur eine untergeordnete Rolle bei dieser Regierung. Es fehlt an allen Ecken und Kanten, und dann kommt es auf eine viertel Million auch nicht mehr an. Diese Denkweise muss ich bei diesem Handeln unterstellen. Wer aber so denkt, Herr Ministerpräsident, der beraubt sich schließlich selbst jeglichen finanziellen Gestaltungsspielraums. Das ist angesichts der schwierigen Situation unseres Landes wirklich ein Offenbarungseid.
Lassen Sie mich - um im Bild zu bleiben - zum vorläufig letzten Akt der Vorstellung kommen. Roland Lorenz, der in Ungnade gefallene Christdemokrat, hatte selbst trotz seiner kurzen Auferstehung in der Debatte um seine eigene Nachfolge nie eine echte Chance. Bevor er es wieder werde, würden sogar die Freien Demokraten von ihrer eigenen Überzeugung abrücken und auch jemanden wählen, der sich vielleicht nicht alleine auf Basis der reinen FDP-Lehre für dieses Amt qualifiziert. Auf jeden Fall musste die erneute Nachfolgesuche schnell vonstatten gehen. So überraschte sicherlich der neueste Vorschlag die allermeisten Beobachter.
Zweite Reißleine. Es musste nach dem monatelangen Gezerre nun schnell eine Lösung her. Diese durfte nun auch von der Koalitionsvereinbarung abweichen, die das Amt ja für die FDP vorsah - so zumindest die monatelangen Bekundungen aus der schwarz-gelb-grünen Koalition. Der Name Thieser fand Verwunderung und Beachtung zugleich. Sollte die neue Kandidatin heute in geheimer Wahl - die ich damit beantrage und somit, sehr geehrter Herr Präsident, bereits von dieser Stelle aus der Wahl durch Handaufheben förmlich widerspreche - eine Mehrheit finden, dann hat Frau Thieser als neue Landesdatenschutzbeauftragte, wie ich finde, eine faire Chance verdient - das ist richtig -, wenngleich wir uns eher eine erneute Benennung und Wahl von Roland Lorenz gewünscht hätten.
Die SPD-Fraktion in diesem Haus bietet Ihnen, Frau Thieser, für den Fall Ihrer Wahl eine offene und ver
trauensvolle Zusammenarbeit an. Haben Sie Verständnis dafür, dass wir Ihnen aus Anlass der geschilderten Umstände unsere Stimme heute nicht geben können.
Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich auf einen letzten Umstand in diesem vom Drama zum Trauerspiel verkommenen Stück hinweisen und sozusagen das Bühnenbild ins rechte Licht rücken. In Ihrem eigenen Koalitionsvertrag fordern Sie doch - schenkt man Ihren eigenen Verlautbarungen Glauben, dann wurde das von der FDP in diesen Vertrag hineingeschrieben -, dass neben der so dringend notwendigen Schaffung eines unabhängigen Datenschutzzentrums für den öffentlichen und nicht öffentlichen Datenschutz auch das Vorschlagsrecht zur Wahl der oder des Datenschutzbeauftragten novelliert werden muss. Das heißt im Koalitionsvertrag: Wir - also CDU, FDP und GRÜNE - werden die Regelungen des saarländischen Datenschutzes überprüfen und dem Landtag das alleinige Vorschlagsrecht für die Wahl des Landesbeauftragten für Datenschutz einräumen.
Ich frage Sie, warum das bislang nicht umgesetzt wurde. Warum wählen Sie denn einen neuen Datenschutzbeauftragten noch auf alter Rechtsgrundlage, die das Vorschlagsrecht alleine bei der Regierung sieht? Fürchten Sie unter Umständen eine wirkliche Wahl zwischen mehreren Bewerbern? Wie groß muss eigentlich die Angst vor Ihren eigenen Beschlüssen sein, wenn man zwar im Koalitionsvertrag ein Vorschlagsrecht für den Landtag fordert und festschreibt, die anstehende Wahl aber mal schnell noch nach der alten Regelung durchzieht? Ihr Koalitionsvertrag verkommt zumindest an dieser Stelle zur reinen Farce.
Sie selbst haben mit Ihrem Gezerre und Postengeschacher das Amt des Datenschutzbeauftragten in Mitleidenschaft gezogen. Sie tun das nicht zum ersten Mal. Aus Gründen des Datenschutzes verzichte ich auf Namensnennung, aber so viel sei erlaubt. Auch der stellvertretende Landesdatenschutzbeauftragte, der der CDU angehört, hat eine wahrlich satte Sprungkarriere hinter sich. Nachdem der ehemalige Stadtoberinspektor noch 1999 für die Konversionsgesellschaft Wendalinuspark St. Wendel GmbH arbeitete, konnte er sich seit seiner Versetzung in den Landesdienst über viele Karrieresprünge freuen. 2003 Ernennung zum Regierungsrat, Besoldungsgruppe A 13. 2004 Regierungsoberrat, A 14. 2007 Regierungsdirektor, A 15. 30.09.2009 Ministerialrat, A 16.
Durchschnittlich alle zwei Jahre ein Besoldungssprung im höheren Dienst - das ist eine reife Leistung.
Das Amt für Datenschutz und Informationsfreiheit verkommt zur freien Versorgungsmasse der Regierung.
Ganz nebenbei schicken Sie einen in seiner Funktion allseits geschätzten Beamten - Herr Rauber, Sie haben es gerade eben bestätigt - in den Ruhestand, obwohl er sich zur Weiterarbeit anbot. Das sind leider denkbar ungünstige Startvoraussetzungen für Sie, Frau Thieser. Ich wünsche Ihnen für den Fall Ihrer Wahl dennoch alles Gute. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zurzeit ist im Saarland der Datenschutz für den privaten Bereich beim Innenministerium angesiedelt. Der öffentliche Bereich liegt dagegen in der Verantwortung des oder der Landesdatenschutzbeauftragten. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes müssen diese Zuständigkeiten neu überdacht werden. Sie wissen aus unserem Koalitionsvertrag, dass wir diese beiden Zuständigkeiten an einer Stelle zusammenführen wollen und ein neu zu schaffendes Datenschutzzentrum gründen wollen. Das heißt, der Datenschutz im Saarland steht vor einer organisatorischen Neuordnung. Deshalb ist es zulässig, dass man dies - wenn die Amtszeit des Datenschutzbeauftragten endet - mit einem organisatorischen und personellen Neubeginn verbinden kann. Das Recht dazu hat die Landesregierung. Sie schlägt dem Landtag einen oder eine Landesdatenschutzbeauftragte vor.
Herr Linsler, dies ist keine gesetzliche Regelung, die die CDU erfunden hat. Sie ist schon etwas älter und zu Zeiten, bevor die CDU-Landesregierung im Amt war, nie geändert worden. Das hat auch nichts damit zu tun, dass wir vorgesehen haben, dies künftig womöglich im Laufe dieser Legislaturperiode - zu ändern. Ich erwähne nur, dass es andere Amtszeiten gab, in denen man nie daran gedacht hat, dies infrage zu stellen. Tatsache ist: Heute wählt der saarländische Landtag auf Vorschlag der Landesregierung. Jeder, der heute wählt, ist selbstverständlich in seiner Abstimmung frei.
(Zurufe von den Oppositionsfraktionen: Danke schön! Vielen Dank! Da sind wir aber wirklich froh. - Abg. Spaniol (DIE LINKE) : Das war ein wichtiger Hinweis, Herr Schmitt. - Sprechen und Lachen.)
Ich habe nur die Verfassungslage zitiert. Ich weiß nicht, warum das an dieser Stelle zu einem solchen Unmut führt. Ich nehme auch zur Kenntnis, dass die Person, die von der Landesregierung vorgeschlagen worden ist - Frau Judith Thieser -, zum Schluss vom parlamentarischen Geschäftsführer der SPD doch noch gewürdigt worden ist und man ihr eine gute Zusammenarbeit angeboten hat. In den Presseveröffentlichungen vor dem heutigen Tag hat sich das teilweise ein bisschen anders angehört. Wenn zum Beispiel Frau Huonker von den LINKEN von einem unerträglichen, unzumutbaren und unmöglichen Vorschlag spricht, dann halte ich das für äußerst bedenklich. Frau Thieser war jahrelang als Anwältin tätig. Sie ist nun seit etlichen Jahren Bürgermeisterin zweimal direkt gewählt - und hat das Vertrauen der dortigen Bevölkerung. Sie war einige Jahre Vorsitzende des saarländischen Anwaltvereins. Ich glaube, sie hat damit ihre Kompetenz und Unabhängigkeit bisher hinlänglich bewiesen. Ich gehe davon aus, dass dies auch künftig der Fall sein wird.
Ich sage es Ihnen ganz offen: Niemand hat bei uns das Bedürfnis oder irgendeinen Anlass, dem bisherigen Amtsinhaber Steine hinterher zu werfen. Im Gegenteil. Wir sind ihm für seine bisherige Amtsführung zu Dankbarkeit verpflichtet. Aber es ist ein Wahlamt und ein Wahlamt auf Zeit. Nach Ablauf einer Wahlperiode kann jederzeit jemand anderes vorgeschlagen werden. Das sieht das Gesetz so vor, und zwar nicht nur in diesem Fall, sondern auch in anderen Ämtern. Aber ich nehme mit Interesse zur Kenntnis, dass die Opposition offensichtlich CDUAmtsinhabern immer erst dann eine Träne nachweint, wenn ihre Amtszeit ausläuft beziehungsweise wenn sie nicht wieder vorgeschlagen werden. Das gilt für diverse Staatssekretäre und Minister, wie wir in der letzten Plenardebatte gehört haben. Heute gilt es für den bisherigen Datenschutzbeauftragten. Ich gehe deshalb davon aus, dass im Falle einer SPDRegierungsübernahme - hätte sie denn stattgefunden - alle Amtsträger der CDU - ob Minister, Staatssekretäre, Beauftragte oder persönliche Referenten - im Amt geblieben wären, wenn ich Ihrer Argumentation, insbesondere was die finanziellen Dinge angeht, folgen darf.
Es ist interessant. Wahrscheinlich wäre auch Staatssekretär Hettrich im Amt geblieben, wie es Herr Lafontaine das letzte Mal hier geschildert hat, und andere mehr. Sie sind ja auch der Meinung, es hätte nach der Landtagswahl nicht eine Stelle mehr geschaffen werden können. Von daher gehe ich davon
Wahlbeamte haben eine befristete Amtszeit. Im vorliegenden Fall endet sie jetzt. Deshalb hat die Regierung einen neuen Vorschlag zu machen. Das hat sie getan. Ihr Vorschlag ist aus unserer Sicht respektabel.
Was die finanziellen Dinge angeht: Wenn die Amtszeit eines Wahlbeamten ausläuft und dieser Beamte zuvor in einer anderen Funktion tätig war, dann ist es ihm natürlich unbenommen, in derselben oder einer ähnlichen Funktion amtsangemessen wieder tätig zu werden. Von daher sind die finanziellen Spielereien, die Sie hier machen, zunächst einmal reine Spekulation. Und dann möchte ich Ihnen noch etwas sagen: Laut Gesetz bestimmt der Landesdatenschutzbeauftragte seinen Stellvertreter. Wenn die Amtsführung des Landesdatenschutzbeauftragten in der Vergangenheit untadelig war, wie Sie es geschildert haben, kann er sich auch bei der Stellvertreterfrage unmöglich auf irgendwelche parteipolitischen Spielereien eingelassen haben. Also widersprechen Sie sich bitte schön an dieser Stelle nicht selbst!