Protokoll der Sitzung vom 18.11.2010

Ich gehe davon aus, dass das so ist. Wir haben uns in der Koalition Gedanken darüber gemacht, was man verbessern kann. Bei der Frage, ob Sach- oder Geldleistungen besser sind, sind wir zum Ergebnis gekommen, dass es bei den Sachleistungen bleiben sollte. Wir, die FDP, haben uns zwar für die Prüfung eines Gutscheinsystems eingesetzt, mussten aber erfahren, dass dieses System zumindest in Lebach aufgrund der Geschäftsstruktur in der Stadt schwer zu realisieren ist. Geldleistungen bergen die Gefahr von Übergriffen, wie es sogar bei den Lebensmittelpaketen bei Demonstrationen im Sommer passiert ist. Es gibt dort das Problem der Clans. Es muss

(Abg. Schnitzler (DIE LINKE) )

aber gerade die Versorgung der Schwächeren, der Frauen und der Kinder sichergestellt sein.

Wir wollen versuchen, den Bewohnern mehr Mitspracherechte bei den Lebensmittelpaketen einzuräumen, auch wenn hier schon einige Variationsmöglichkeiten bestehen und nicht alle Bewohner die gleichen Pakete erhalten. Das wollen wir in aller Ruhe analysieren und mit den Betroffenen erörtern. Da, wo es notwendig ist, werden Wohngebäude grundsaniert. Wir wollen die Duschzeiten ausdehnen. Dieser Punkt ist in der Anhörung mehrmals zur Sprache gekommen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Jung (SPD).)

Es soll ein Café oder eine Teestube eingerichtet werden, um den sozialen Zusammenhalt unter den Bewohnern zu stärken. Schließlich und endlich wollen wir die Möglichkeiten der Nutzung technischer Geräte erweitern. Weiter wollen wir die Besuchszeiten ausdehnen und großzügiger handhaben. Wir räumen ein, dass es Probleme gibt, wie unangemeldete Besuche von Hausmeistern und so weiter, auch das werden wir ändern.

Wir sind aktuell dabei zu prüfen, inwieweit eine Verteilung der Bewohner auf die Kommunen möglich ist. Dadurch könnte unseres Erachtens die Integration gefördert werden. Es sollen die Bewohner bevorzugt werden, die in einem Arbeitsverhältnis stehen und selbst für ihren Unterhalt und gegebenenfalls den ihrer Familie aufkommen können. Aber auch darüber hinaus wollen wir, die FDP, die durchschnittliche Verweildauer der Bewohner in der Aufnahmestelle reduzieren. Es sollte nicht sein, dass mehr als 30 Prozent der Bewohner länger als fünf Jahre und nicht wenige zehn und mehr Jahre in der Aufnahmestelle verbleiben. Bei der Dezentralisierung besteht aber eine Reihe praktischer Probleme. Es geht nicht nur um die Kostenerstattungen für Kommunen, gegebenenfalls wird es neue Stellen in den jeweiligen Sozialämtern geben müssen. Die Lösung dieser Probleme muss gut durchdacht werden, um auch längerfristig einen für alle Beteiligten akzeptablen Weg zu finden.

Wir sind wie gesagt mitten in diesem Prozess. Wir sind sicher, es wird Verbesserungen geben. Bitte geben Sie uns aber die nötige Zeit, diesen Prozess gemeinsam mit den Kommunal- und Wohlfahrtsverbänden sowie den Kirchenträgern vernünftig zu regeln. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Abg. Dr. Jung (SPD) : Der ist schon fertig. Ich wollte noch etwas sagen. - Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Jochem. - Das Wort hat nun die Abgeordnete Willger-Lambert von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir über Lebach sprechen, dann ist vollkommen klar, dass das Kernproblem die lange Aufenthaltsdauer ist und dass hieran etwas zu ändern ist. Aber es geht aus Ihrem Antrag auch klar hervor, dass es hier um die Abstimmung mit der kommunalen Ebene geht. Es war in der Anhörung klar, dass es einen einstimmigen Beschluss des Saarländischen Städte- und Gemeindetages gab, dass die Residenzpflicht nicht aufgehoben werden soll.

(Abg. Schnitzler (DIE LINKE) : Sagen Sie doch einfach Ja!)

Der Landkreistag hat sich differenzierter geäußert. Er hat gesagt, er ist bereit, einzelne Situationen noch einmal zu überprüfen, um zu schauen, inwiefern eine Integration möglich ist, und er hat auch die Probleme benannt, die gelöst werden sollen. Das hat aber an der Haltung des Saarländischen Städteund Gemeindetages nichts geändert. Das ist doch genau das Problem.

Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Jung, in diesem Gremium Saarländischer Städte- und Gemeindetag sind auch Vertreterinnen und Vertreter Ihrer Couleur. Wenn wir es schaffen, dass wir gemeinsam Entscheidungen treffen, dass wirklich eine Bereitschaft da ist, Menschen vor Ort aufzunehmen, dann bekommen wir das in den Griff, dass die Aufenthaltsdauer als Kernproblem gelöst werden kann.

(Abg. Dr. Jung (SPD) : Gesetzlich?)

Herr Dr. Jung, wenn Sie sagen, wir können das gesetzlich regeln, dann heben wir das Ganze auf, die Kommunen bekommen das Problem ganz einfach vor den Kopf geknallt und sind deswegen nicht unbedingt bereit, hier besondere Integrationsangebote oder besondere Maßnahmen zu ergreifen. Es wird ein Aufschrei durch dieses Land gehen. Das wird auf dem Rücken der betroffenen Flüchtlinge ausgetragen. Das ist nicht der Weg, der sinnvoll ist. Das ist auch nicht der Weg, der humanitär ist. Das ist nicht der Weg, den wir gehen wollen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Vor diesem Hintergrund - gerade, weil der Landkreistag sich ein Stück weit bewegt hat - hatten wir gesagt, wir wollen Gespräche mit dem Saarländischen Städte- und Gemeindtag. Diese Gespräche haben begonnen. Es gibt dort eine Bereitschaft, sich jetzt sehr viel konkreter mit einzelnen Lebenssituationen und mit einzelnen Dingen auseinanderzuset

(Abg. Jochem (FDP) )

zen. Ich halte das für eine sehr große Chance, die wir nutzen sollten. Wenn ich heute hier eine Entscheidung treffe, dann mache ich die Tür für diese Gespräche zu. Das halte ich für einen falschen Weg und für ein falsches Signal.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich habe die ganz herzliche Bitte, dass Sie sich nicht so sehr von Ihrem Wunsch tragen lassen, jetzt Jamaika einmal vorzuführen, wie das ja in Ihrer Rede angeklungen ist und auch in der Rede -

(Zurufe aus den Oppositionsfraktionen.)

Ich habe die ganz herzliche Bitte, sich gemeinsam dafür einzusetzen, dass die dezentrale Unterbringung tatsächlich gelingt. Schaffen Sie bitte mit uns gemeinsam die Bereitschaft der Kommunen, sich weiter auf diese Gespräche einzulassen und mit uns nach Lösungen zu suchen, denn notwendig ist ein Konzept für das, was tatsächlich mit den Menschen passiert.

Das Problem, das sich stellt, wird auch in Ihrem Antrag sehr deutlich. Auf der einen Seite verlangen Sie, dass die schulischen Probleme durch einen runden Tisch in Lebach und Umgebung besser gelöst werden. Das heißt aber, dass die Menschen, insbesondere die schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen, in Lebach bleiben müssten, damit dieser runde Tisch überhaupt irgendeinen Sinn macht. Oder man sagt, dass hier passgenaue Angebote in den jeweiligen Kommunen mitgeschaffen werden können. Ich denke, das würde eine Reihe von Problemen lösen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Jung (SPD).)

Ja, aber Sie haben in Ihrem Antrag beides stehen. Sie haben in Ihrem Antrag „maximal ein Jahr“ stehen und Sie haben „runder Tisch“ drin. Also was? Runder Tisch oder maximal ein Jahr? Sie müssen sich entscheiden.

(Abg. Schnitzler (DIE LINKE) : Das eine hat doch mit dem anderen nichts zu tun.)

Hieran wird deutlich, dass wir ein Konzept entwickeln müssen, weil die Menschen irgendwo aufgenommen werden müssen. Das Problem, das mit den minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen angesprochen worden ist, stellt sich in Lebach gar nicht, denn die müssen sowieso in den Landkreisen, nämlich über die Jugendhilfe, aufgenommen werden. Ich bin froh, dass auch auf Bundesebene insgesamt eine relativ breite Diskussion stattfindet.

Wir als GRÜNE-Bundestagsfraktion haben einen Antrag eingebracht, dass die Residenzpflicht insgesamt abgeschafft werden soll. Die Koalition in Berlin, so oft ich die kritisiere, hat an diesem Punkt in ihrem Koalitionsvertrag ein Stück weit Bereitschaft signalisiert. Auch das ist für mich ein Hoffnungspunkt. Es

gibt bereits Lockerungen in Berlin, in Brandenburg. Bayern hat eine Ausweitung der Bewegungsfreiheit ausgesprochen. In NRW bewegt sich etwas, in Schleswig-Holstein ist so etwas geplant.

Die Frage, wie wir mit den Kindern und Jugendlichen umgehen, wird breit diskutiert. Auch das gehört für mich zu einem entsprechenden Konzept. Ich glaube, wenn wir es gesellschaftlich hinbekommen, dass dieses Thema frei von Parteitaktik ist, dass wir es wirklich menschlich und aus humanitären Gründen angehen, dann sind wir auf einem guten Weg. Ich hoffe, dass dieser Weg Erfolg hat. Das liegt ein Stück weit auch an Ihren intensiven Bemühungen mit den SPD-geführten Kommunalvertretungen. Vielen Dank.

(Beifall bei den Regierungskoalitionen.)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme der Drucksache 14/321 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Dann stelle ich fest, dass der Antrag Drucksache 14/321 mit Stimmenmehrheit der Regierungskoalition bestehend aus CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen von SPD und LINKEN abgelehnt ist.

Wir kommen zu Punkt 13 der Tagesordnung:

Beschlussfassung über den von der SPDLandtagsfraktion und der DIE LINKE-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Bundesratsinitiative des Saarlandes zur Erhöhung des Spitzensteuersatzes (Drucksache 14/319 - neu)

Zur Begründung des Antrages Drucksache 14/319 neu - erteile ich Herrn Abgeordneten Reinhold Jost das Wort.

Guten Abend, Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist ein Hilfsangebot, das wir hier dem Ministerpräsidenten ehrlich gemeint unterbreiten. Wir sind guter Hoffnung, dass er es auch annimmt, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Der Verfall der Einnahmegrundlagen aller staatlichen Ebenen hat in den letzten 10 bis 15 Jahren dramatische Auswirkungen angenommen. Am deutlichsten ist das im europäischen Durchschnitt zu se

(Abg. Willger-Lambert (B 90/GRÜNE) )

hen. Das Saarland hat davon mit am Schlimmsten zu leiden, denn bezogen auf die Schätzungen der Steuereinnahmen für das Jahr 2010 im Vergleich zum Jahr 2007, 2008 sind in einer Größenordnung von 300 bis 400 Millionen Euro weniger Steuern in der Landeskasse mit verheerenden Folgen für die Haushalte nicht nur des Landes, sondern auch der Kommunen. Deswegen sagen wir nicht erst heute, sondern schon seit einigen Jahren in mindestens einem halben Dutzend von Debatten, an die ich mich erinnern kann: Macht Schluss mit dem Steuerwettbewerbswahnsinn, der Staat braucht Einnahmen, um seinen Aufgaben gerecht zu werden. Und deswegen haben Sie, Herr Ministerpräsident, recht mit Ihrer Forderung, den Spitzensteuersatz anzuheben.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen. - Vizeprä- sident Jochem übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben bereits mehrfach auf diese Schieflage hingewiesen. Wer glaubt, dass Deutschland einen solchen Steuersenkungswettbewerb gewinnen kann, dem ist in der Tat nicht mehr zu helfen. Dem ist aber auch keine Verantwortung für staatliche Ebenen in die Hand zu geben, weil das am Ende den Ruin der Landesfinanzen, des Staates und der gemeinwesenorientierten Arbeit insgesamt bedeutet. Deswegen sage ich ganz bewusst: Jeder, der heute angesichts dieser katastrophalen Einnahmeentwicklung der staatlichen Haushalte glaubt, noch einer Steuersenkung das Wort reden zu müssen, hat überhaupt nicht verstanden, worum es geht. Dem gehört die Verantwortung in der Politik abgenommen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Ich freue mich, dass diese Schieflage der Diskussion in Teilbereichen von vielen Menschen heute wieder wahrgenommen und zur Kenntnis genommen wird. Ich sage das auch angesichts der Tatsache, dass die Protagonisten in den letzten Jahren oftmals einen Zickzackkurs gefahren haben hinsichtlich dessen, was sie gestern noch gefordert haben und was sie heute bejammern. Das will ich an zwei, drei Punkten deutlich machen. Ministerpräsident Müller hat in diversen Aussagen und Interviews darauf abgestellt, dass er, was die Anhebung des Spitzensteuersatzes angeht, der Auffassung ist, dass das, was von Rot-Grün damals fabriziert wurde, korrigiert werden müsse, so nach dem Motto „Die Union hat ja mit diesem Thema nichts zu tun“.

Ja, es trifft zu, die Sozialdemokraten haben diesen Irrsinn auch eine Zeitlang mitgemacht. Aber genauso richtig wie dieses Eingeständnis ist die Feststellung, dass die Union einer der Treiber war, dass man dahin gekommen ist, wobei es einigen, insbesondere in der Union, mit dem Spitzensteuersatz gar nicht tief genug gehen konnte. Deswegen freue ich mich, dass der eine oder andere tatsächlich vom

Saulus zum Paulus geworden ist. Aber ich hoffe, dass es nachher nicht dabei bleibt, die Backen aufzublasen, sondern dass da auch der eine oder andere Pfiff herauskommt.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Ich will es noch mal in Erinnerung rufen. Der damaligen Abstimmung im Bundesrat, als die Steuerreform von Rot-Grün mit einem Spitzensteuersatz von 42 Prozent beschlossen wurde, ging ja eine heftige Diskussion voraus. Jetzt zitiere ich jemanden, der nicht der SPD angehört, der damals Verantwortung getragen und gesagt hat, man sei getäuscht worden. Ich zitiere aus der Süddeutschen Zeitung vom 27. Juli 2000, unmittelbar nach der Abstimmung, den CDUMinisterpräsidenten Biedenkopf, damals Präsident des Bundesrates: „Hätte die Regierung rechtzeitig mitgeteilt, dass sie den Spitzensteuersatz auf 42 Prozent zu senken bereit sei, hätten in jedem Fall auch die Länder Baden-Württemberg, Sachsen, Thüringen und - man höre und staune - Saarland zugestimmt.“ Das ist für mich ein Punkt, wo ich sage, ich bin froh, dass jetzt der eine oder andere zur Vernunft und zum Verstand zurückgekehrt ist. Aber ich würde mir dann auch etwas mehr Redlichkeit in der Debatte wünschen, wenn es darum geht, mit dem Finger auf andere zu zeigen, wenn es einem damals gar nicht tief genug gehen konnte.