Protokoll der Sitzung vom 07.12.2010

Dass wir besser geworden sind, das hat natürlich Ursachen. Ich will, die PISA-Ergebnisse vor Augen, nun auf unsere aktuelle Haushaltsdiskussion überleiten und einmal einige Maßnahmen aufzählen, die dazu geführt haben, dass wir besser geworden sind. Diese Maßnahmen sind, und zu dieser Aussage stehe ich, meine sehr geehrten Damen und Herren, richtigerweise auch von der Vorgängerregierung eingeleitet worden.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lothar Schnitzler?

Dieses Mal gestatte ich die Zwischenfrage.

Abg. Schnitzler (DIE LINKE) mit einer Zwischenfrage: Herr Minister, Sie haben ja Ihre Migrantenpolitik für den Bildungsbereich als hervorragend charakterisiert. Weshalb aber haben Sie beim Titel Schulunterricht und Hausaufgabenhilfe für Kinder mit Migrationshintergrund Mittel in erheblichem Umfang gestrichen? Sie haben auch die Mittel in weiteren Titeln, die eine große Bedeutung für die Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund haben, erheblich gekürzt. Ich meine die Förderung schulischer Maßnahmen der Berufsorientierung, die Förderung von Maßnahmen also, von denen gerade auch Kinder mit Migrationshintergrund profitieren. Und Sie haben die Zuschüsse für Vereine und Verbände stark gekürzt. Das sind drei zentrale Maßnahmen, von denen wir wissen, dass sie für die Integra

(Minister Kessler)

tion und die Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund von großer Bedeutung sind. Wie können Sie diesen Widerspruch erklären? War der Platz, den Sie im Länder-Ranking eingenommen haben, zu gut? Wollten Sie von diesem Platz runter und haben entsprechend gekürzt? Welchen Grund hatten Sie dafür?

Diese Kürzungen beziehen sich auf die Grundlage des realen Haushaltes im Vollzug des Jahres 2009. Wenn Sie genau hinschauen, werden Sie feststellen, dass wir, verglichen mit den Mitteln, die wir im Jahr 2009 verbraucht und eingestellt hatten, auch in diesem Jahr noch zugelegt haben. Zitieren Sie also bitte die Zahlen richtig!

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Zuruf des Abgeordneten Schnitzler (DIE LINKE). - Anhaltendes Sprechen.)

Erstens. Die Maßnahmen, die diese Landesregierung zur Verbesserung der Situation ergriffen hat, beginnen im Bereich der frühkindlichen Bildung mit dem Programm „Früh Deutsch lernen“, das von zuvor 100 Grundschulen auf nunmehr 160 Grundschulen ausgeweitet worden ist. Das umfasst natürlich, Herr Schnitzler, die Sprachförderung der Migrantenkinder, aber auch der deutschen Kinder.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Zweitens. Wir sind dabei, die Lehrpläne in Richtung Kompetenzorientierung umzubauen. Kompetenzorientierte Lehrpläne durch Einführung der Bildungsstandards sind ein wesentlicher Baustein zur Qualitätsverbesserung in den Schulen. Das haben wir bereits an den Erweiterten Realschulen und Gesamtschulen umgesetzt, und wir werden es im kommenden Schuljahr und beginnend in diesem Schuljahr auch bei den Gymnasien umsetzen.

Drittens. Die Landesregierung, auch die Vorgängerregierung, hat Maßnahmen ergriffen, um die Durchlässigkeit des Systems zu erhöhen. Dazu sind an den Gesamtschulen die Oberstufen ausgebaut worden, an den Erweiterten Realschulen Kurse, insbesondere A-Kurse, zum Übergang in die beruflichen Gymnasien eingeführt worden. Darüber hinaus werden wir noch zu diskutieren haben, und das ist erneut ein Angebot an die Opposition, ob im Sinne einer erhöhten Durchlässigkeit auch das Zwei-SäulenModell mit einerseits der Gemeinschaftsschule und andererseits dem Gymnasium einzuführen ist.

Wir haben aber auch bei der Lehrerausbildung Reformen durchgeführt. Wir haben die Praxisorientierung erhöht, indem wir die Anteile der Schulpraktika deutlich ausgeweitet haben. Wir haben im LPM-Programm beziehungsweise im Angebot der Lehrerfortbildung Maßnahmen und Angebote eingerichtet, die

dazu führen, dass Lehrkräfte im Umgang mit heterogenen Lerngruppen und im Bereich des individuellen Lernens, der individuellen Förderung, mehr Kompetenz erwerben. Und wir werden, das ist bereits gesagt worden, ab dem Jahr 2012 wieder eine Grundschullehrerausbildung in diesem Land haben. Das ist eine große Leistung, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Abg. Commerçon (SPD) : Grund- und Hauptschullehrer?)

Nun aber zurück zu den Zahlen. Wer in diesem Landtag behauptet, wir würden bei der Bildung sparen, missachtet die konkreten Zahlen.

(Abg. Schnitzler (DIE LINKE) : Ich habe Ihnen ja ein Bild davon aufgezeigt.)

Der Bildungshaushalt wächst um rund 13 Millionen Euro. Es ist ein Anstieg von 573 Millionen Euro auf rund 586 Millionen Euro zu verzeichnen. Das entspricht einer Anstiegsleistung von 2,3 Prozent. Das ist nun wirklich kein Sparen in der Bildung!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Nun zur Bildungsquote. Sie haben recht mit der Aussage, dass die GEW eine andere Berechnung anstellt, um festzustellen, ob wir die 30-Prozent-Quote, die wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, tatsächlich erreichen. Die GEW berücksichtigt nämlich nicht die Kompensationsleistungen, die wir zum Ausgleich des Ausfalls der Studiengebühren an die Hochschulen zahlen. Die GEW rechnet auch Investitionen in den Hochschulbau nicht ein. Die GEW berücksichtigt auch nicht die Übernahme von Beträgen im Kontext der Schulbuchausleihe. Das alles sind aber Bildungsausgaben.

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Anhal- tendes Sprechen.)

Weil wir das alles aber berücksichtigen, erreichen wir eine Bildungsquote, die im Vergleich zum letzten Jahr noch einmal gesteigert worden ist von 26,1 auf exakt 26,32 Prozent. Wir nähern uns so sukzessive diesem Ziel der 30-Prozent-Quote, das wir im Koalitionsvertrag festgelegt haben.

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Zurufe von der Opposition.)

Diese Aussage ist auch gerechtfertigt nach einem Blick in den Stellenplan. Es ist ja bereits mehrfach erwähnt worden, und ich sage es noch einmal in aller Deutlichkeit: Diese Landesregierung spart nicht bei den Lehrerstellen. Diese Landesregierung setzt die demografische Rendite in vollem Umfang um.

Man muss doch wirklich noch einmal das Verhältnis zwischen einerseits der Entwicklung der Schülerzahlen und andererseits der Entwicklung der Lehrerstel

(Abg. Schnitzler (DIE LINKE) )

len herstellen. Wir können dabei feststellen, dass wir im Jahre 1998 7.780 Beamtenstellen im Lehrerbereich hatten. Jetzt, im Jahr 2010, haben wir 8.054 Lehrerstellen, Beamtenstellen. Das ist nun einfach einmal mehr. Des Weiteren ist festzustellen, dass wir einen Schülerrückgang von insgesamt, allgemeinbildende und berufliche Schulen verrechnet, 12,3 Prozent haben. Es ist somit an dieser Stelle festzuhalten, dass wir mehr Lehrerstellen im System haben, und dies bei gleichzeitig zurückgehenden Schülerzahlen. Das sind richtige Investitionen in die Bildung.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Mit Blick auf den Haushalt, der heute in diesem Hause zur Verabschiedung vorliegt, kann ich feststellen, dass wir ein Plus von 36 Grundschullehrerstellen haben, ein Plus von 16 Förderschullehrerstellen, ein Plus von 24 Stellen für Berufsschullehrer. Wir haben ein Plus von 80 Stellen zur Verstärkung der Lehrerausbildung in der Fortbildung, im LPM, eine Forderung, die Sie immer gestellt haben. Und wir haben zwölf Stellen mehr zur Ausbildung von Referendaren zur Verstärkung der Förderschulen. Das ist die demografische Rendite. Meine sehr geehrten Damen und Herren, weil wir bezüglich der Bildung die Finanzierungsplanung auch nachhaltig und langfristig betreiben, haben wir dies auch in der mittelfristigen Finanzplanung bis zum Jahr 2014 so festgeschrieben. Alle frei werdenden Lehrerstellen bleiben im System.

Schauen wir uns nun einmal an, was die Opposition in ihren Abänderungsanträgen und ihren Alternativvorschlägen vorgelegt hat. Man kommt zum Ergebnis, dass die SPD die Einrichtung zusätzlicher Stellen beantragt hat, und zwar im Umfang von 204 Stellen. 204 Stellen möchte die Opposition in diesem Haushaltsplan zusätzlich eingestellt sehen. Ja nun, meine Damen und Herren, solche Planspielchen sind nicht finanzierbar. Die haben nichts mit realer und seriöser Haushaltspolitik zu tun. Sie gehören bestenfalls auf die Wunschliste derjenigen, die noch ans Christkind glauben.

Sie schlagen auch keine seriöse Gegenfinanzierung vor. Im Haushalts- und Finanzausschuss haben Sie beantragt, Sparbeiträge von zusätzlich 12,9 Millionen Euro durch eine globale Minderausgabe zu erbringen. Dabei haben Sie vergessen, die Bildung auszunehmen. Wenn Sie die Bildung von dieser globalen Minderausgabe nicht ausnehmen, dann haben Sie auch vorgehabt, bei der Bildung zu sparen. Gleichzeitig beantragen Sie aber 204 Stellen mehr! Meine Damen und Herren, Ihre Finanzierungsvorschläge sind zumindest an dieser Stelle widersprüchlich, sie sind unausgegoren.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Sie reklamieren immer die Klassengrößen. Dazu möchte ich Folgendes sagen. Diese Landesregierung setzt das um, was im Koalitionsvertrag steht, nämlich die Kleine-Klassen-Garantie. Wir haben bei der fünften Klasse damit begonnen, haben mit den sechsten und siebten Klassen weitergemacht und werden diese Umstellung im kommenden Schuljahr auf die achte Klasse ausweiten. Keine Klasse über 29 Schüler! Jetzt kann man natürlich sagen, 29 sind auch zu viel. Es ist aber auf jeden Fall ein Fortschritt im Vergleich zu früher.

Meine Damen und Herren, schauen wir uns die durchschnittlichen Klassengrößen in diesem Land an.

(Abg. Commerçon (SPD) : Die durchschnittlichen Klassengrößen helfen gar nichts!)

Die durchschnittlichen Klassengrößen helfen uns sehr wohl, Herr Commerçon. Wir haben in diesem Jahr durchschnittliche Klassengrößen von 20,7 Schülern an den Grundschulen, 22 an den Erweiterten Realschulen, 26,5 an den Gesamtschulen und 26,3 an den Gymnasien. Ich bleibe bei den Gymnasien, auch da ist es wichtig, eine Entwicklung zur Kenntnis zu nehmen. Im Schuljahr 2004/2005 hatten die Gymnasien noch eine durchschnittliche Klassengröße von 28,3 Schülern. Die Klassengröße am Gymnasium hat sich in den letzten Jahren also deutlich verkleinert.

(Anhaltende Zurufe des Abgeordneten Commerçon (SPD).)

Herr Commerçon, ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit.

(Abg. Commerçon (SPD) : Ich höre Ihnen sehr gut zu.)

Ich komme jetzt zu Ihrem Einwand, die durchschnittliche Klassengröße sage gar nichts aus. Wir haben die Möglichkeit - und das praktizieren wir zurzeit -, an besonders belasteten Schulen, wenn die Klassen dort groß sind, durch zusätzliche Lehrerstunden Abmilderung zu schaffen. Das ist genau der richtige Weg.

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Abg. Rehlinger (SPD) : Das verbessert aber nicht den Durchschnitt.)

Wir müssen doch zur Kenntnis nehmen, dass die Situationen in den Schulen sehr unterschiedlich sind.

(Abg. Commerçon (SPD) und Abg. Rehlinger (SPD) : Ja eben! - Anhaltende Zurufe von den Oppositionsfraktionen.)

Dort, wo sie unterschiedlich sind, in den besonders belasteten Standorten - 24 Grundschulen haben wir dazu ausgewiesen -, werden zusätzliche Unterrichtsstunden bewilligt. Das ist gerecht und ist im

(Minister Kessler)

Verhältnis zu den Stunden, die uns zur Verfügung stehen, ökonomisch vernünftig.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Bevor Sie wieder falsche Behauptungen in der Öffentlichkeit verbreiten, möchte ich klarstellen und auch zugeben, dass es bei den Klassengrößen einige Ausreißer gibt, die wir durchaus kritisch betrachten müssen. Bei den Grundschulen wird immer wieder gesagt, sie hätten 29 und mehr Schüler. Erstens gibt es in diesem Land keine einzige Grundschule mit mehr als 29 Schülern in der Klasse. Zweitens haben 7,1 Prozent der Grundschulen über 25 Schüler pro Klasse, also zwischen 25 und 29 Schüler. Jetzt muss man sich natürlich das Verhältnis bezogen auf die Gesamtgrößenordnung der Klassen anschauen. Wir haben 1.474 Klassen, davon 105 Klassen mit über 25 Schülern. Diese Klassengrößen sind tendenziell rückläufig. Das ist die Situation. Deshalb bitte ich Sie eindringlich, keine Pauschalurteile in die Welt zu setzen, dass die Klassen insgesamt so groß seien. Die Klassen sind insgesamt nicht so groß, sie haben durchschnittlich 20,7 Schüler. Wir arbeiten daran, sie an den Standorten kleiner zu machen, wo sie noch zu groß sind.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Es geht ebenso um die pauschale Behauptung, in diesem Land müssten massenhaft Lehrer mit erstem Staatsexamen Vertretungsunterricht leisten. Auch das habe ich nachgeprüft. Ich gebe zu, das gibt es. Es gibt Situationen, in denen wir mangels qualifizierter Lehrer, die bereit sind, Vertretungsunterricht zu machen, in Ausnahmefällen auf Lehrkräfte mit erstem Staatsexamen zurückgreifen müssen.

(Zuruf der Abgeordneten Ries (SPD).)