Konsequente Inkonsequenz ist auch in einem anderen Bereich zu sehen. Es geht um die Frage, wie ernst man es mit den eigenen Versprechungen oder Forderungen wirklich meint. Dazu haben wir innerhalb von zwei Wochen zwei Mitglieder der Regierung gehört, die der Auffassung sind, wir bräuchten einen höheren Spitzensteuersatz. Doch beide nämlich Peter Aloysius Müller als Ministerpräsident und Annegret Kramp-Karrenbauer als zuständige Sozialministerin - haben in der letzten Landtagsdebatte gegen einen Antrag auf Einbringung einer Bundesratsinitiative zur Erhöhung des Spitzensteuersatzes gestimmt. Aber im Nachhinein immer noch durch die Gegend zu rennen und zu sagen, jawohl, wir sind ja eigentlich dafür, nur im Landtag konnten wir dem nicht zustimmen, das ist konsequente Inkonsequenz, einhergehend mit einem absoluten Glaubwürdigkeitsverlust. Ihnen glaubt in dieser Frage niemand mehr. Das ist die Konsequenz aus Ihrem Vorgehen.
Das Ganze wird dann auch von den Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition auf die Spitze getrieben. Ausdruck dafür war das Thema „Beihilfekürzung“. Dazu haben wir Anhörungen durchgeführt, in denen alle Fraktionen der Auffassung zugestimmt haben, dass die vorgesehene Beihilfekürzung unter dem Strich kein Geld einspart, sondern das Land sogar mehr Geld kosten wird. Trotzdem hatte niemand aus der Regierungskoalition den Mut, sich entweder dafür auszusprechen, den entsprechenden Antrag
abzulehnen, der dazu führt, dass die Beihilfe massiv gekürzt wird und ein Berufsstand - nämlich der der Heilpraktiker - in Existenznot gerät, oder zumindest dafür zu sorgen - was ebenfalls in der Diskussion war -, dass dieser Unsinn ausgesetzt und überarbeitet wird. Auch das ist konsequente Inkonsequenz: Man geht in ein Gesetz hinein, weil man etwas sparen will, bekommt vorgerechnet, dass man unter dem Strich mehr Geld als jetzt schon ausgibt, und stimmt der Gesetzesvorlage trotzdem zu. Das verstehe, wer will. Wir verstehen es nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das ist Politik paradox.
Dieser Haushalt zeigt keinerlei Lösungen für die Probleme unseres Landes auf. Ende November gab es bei der Arbeitskammer eine Veranstaltung, auf der noch einmal sehr deutlich zum Ausdruck gebracht wurde, wo die Schwierigkeiten unseres Landes liegen. Diese Schwierigkeiten sind nicht allein mit einer Streichung oder Reduzierung von Ausgaben zu lösen. Unsere Probleme sind nur dann zu lösen, wenn wir einen Dreiklang hinbekommen, der darin besteht, dass sich das Land dort, wo tatsächlich Ausgaben zu viel sind, dem Wettbewerb stellt. Deswegen gibt es die Haushaltsstrukturkommission. Wir Sozialdemokraten verweigern uns diesem Thema nicht und sind bereit, an ihm mitzuarbeiten. Es geht jedoch insbesondere auch um Einnahmeverbesserungen. Deswegen appelliere ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich an Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien: Springen Sie über Ihren Schatten, wenn Sie einem Antrag von uns auf Erhöhung des Spitzensteuersatzes oder auf Verbreiterung der Einnahmebasis des Landes nicht zustimmen können, und schreiben Sie einen eigenen Antrag! Sie können versichert sein, dass er, wenn er in die richtige Richtung geht, auch unsere Zustimmung findet. Aber hören Sie auf, den Menschen ein X für ein U vorzumachen! Man kann nicht montags in der Zeitung sagen, man sei für die Erhöhung des Spitzensteuersatzes, und mittwochs im Parlament dagegen sein. Wer die Backen aufbläst, muss auch pfeifen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Koalition, und das vermisse ich bei Ihnen.
Letzter Punkt in dieser Trilogie ist die Lösung der Altschuldenfrage. Dieses Problem gibt es nicht nur bei uns im Saarland. Wir zahlen pro Jahr knapp eine halbe Milliarde Euro nur für Schuldzinsen. Wenn ich mir die verheerende Situation insbesondere bei den Kassenkrediten der saarländischen Städte und Gemeinden ansehe, stelle ich fest, meine Damen und Herren von der Koalition: Sie haben kein Konzept zur Bewältigung der Altschulden des Landes, geschweige denn eines zur Bewältigung der Altschul
den der Städte und Gemeinden. Das ist der eigentliche Ausweis Ihres Scheiterns. Sie hatten in den vergangenen Jahren kein Konzept, und auch der vorliegende Haushalt stellt keines dar. Er geht in die falsche Richtung und ist die konsequente Inkonsequenz, die Weiterführung verfehlter Politik der letzten Jahre. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben eben beeindruckend erlebt, dass der Weg von der konsequenten politischen Inkonsequenz zur konsequenten politischen Inkontinenz nicht weit ist.
Deshalb will ich einmal zu den Inhalten des vorliegenden Haushalts zurückkehren. Ich denke, der Haushalt 2011 wird verabschiedet, nachdem die Bundesrepublik Deutschland und somit auch das Saarland die schwerste Wirtschafts- und Finanzkrise durchlebt haben und ihre Folgen noch durchleben. Und es war klar, dass das Saarland als Land mit einer Wirtschaftsstruktur, die stark exportorientiert ist, von dieser Krise überdurchschnittlich betroffen ist. Dies hatte auch zur Folge, dass wir in der Summe Steuermindereinnahmen in Milliardenhöhe verkraften mussten und müssen. Ich darf daran erinnern, dass wir 2007 ein Jahr erreicht hatten, in dem unsere Nettokreditaufnahme unter dem Niveau der Zinszahlungen im selben Jahr lag.
Niemand hat 2009, auf dem Höhepunkt der Krise, zu hoffen gewagt, dass wir mit Zuversicht in das Jahr 2011 gehen können. Ich darf daran erinnern, dass die Arbeitskammer für Ende 2010 über 50.000 Arbeitslose prognostiziert hat. Klar, die Rahmenbedingungen sind so, dass wir sparen müssen, dass wir vielen Bereichen Solidarität abverlangen müssen. Trotzdem können wir den Blick mit Zuversicht nach vorn richten. Ich nenne ein paar Zahlen und Fakten, gleich ob man sie der Landesregierung zuordnet oder meint, es sei Zufall.
Herr Lafontaine ist ein antizipierender Mensch; er weiß schon, was kommt. - Statt über 50.000 Arbeitslose haben wir derzeit 35.500. Das ist eine Quote von 7 Prozent. Davon haben Sie in den Neunzigerjahren geträumt.
(Beifall bei den Regierungsfraktionen. - Abg. Linsler (DIE LINKE) : Da hat es andere Statistiken gegeben.)
Wir haben 6.310 Ausbildungsstellen bei 6.064 Bewerbern. Also der Ausbildungsmarkt ist gesättigt. Und wir haben rund 5 Prozent Wachstum; der Bundesdurchschnitt liegt bei 3,6 Prozent.
Zu Ein-Euro komme ich auch noch; Sie werden noch Ihre Freude haben. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt ist begleitet von Steuermehreinnahmen, die allerdings noch lange nicht das Niveau von 2007 erreicht haben. Also Entwarnung ist noch nicht angebracht. Deshalb sage ich heute mit der notwendigen Bescheidenheit, aber auch mit Zuversicht: Unser Land zeigt trotz aller Sparnotwendigkeiten Handlungsund Gestaltungsfähigkeit.
Ich will einige Beispiele nennen, die deutlich machen, dass wir in allen Bereichen vorankommen und es schaffen, zu sparen und gleichzeitig Perspektiven zu eröffnen. Im Jahr 2011 sind, die Landesbetriebe eingeschlossen, fast 400 Millionen Euro Investitionen vorgesehen. Wir haben Wirtschaftsfördermaßnahmen des Landes unter Federführung von Wirtschaftsminister Dr. Hartmann. Dies sind Förderprogramme einschließlich EU-Mittel in Höhe von fast 100 Millionen Euro im Mittelstand, in der gewerblichen Wirtschaft, für neue Technologien und in der Forschungsförderung. Wir haben eine Ziel- und Leistungsvereinbarung mit der Universität, die mit ausreichend Mitteln unterlegt ist, ebenso mit der Vollkompensation der Studiengebühren, mit 10 Millionen Euro zusätzlich und Leistungsanreizen. Wir werden 2014, wenn wir die mittelfristige Finanzplanung vollziehen, mit Blick auf die letzten und die kommenden Jahre fast 600 Millionen Euro an unserer Hochschule, also in die Zukunft dieses Landes, investiert haben.
Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, bin ich schon beim Bildungsbereich. Sie wissen, dass wir gemeinsam an dem Ziel der Wahlfreiheit und des langfristigen Schulfriedens in diesem Lande arbeiten. Wir können sicherlich gemeinsam sagen, dass wir auf einem guten Schulsystem aufbauen. Wir haben gute Gymnasien, die auch in bewährter Form erhalten bleiben. Ich sage heute in aller Klarheit, dass die zentrale Abschlussprüfung und Versetzungsentscheidungen beim Gymnasium nicht disponibel sind. Die Identität dieser Schulform wird erhalten bleiben. Wir sind dabei, Erweiterte Realschule und Gesamtschule zu einer Gemeinschaftsschule zusammenzuführen und gleichzeitig den Stellenwert der berufsbildenden Schulen zu erhalten. Wir werden zu disku
tieren haben, wie die Zusammenführung von ERS und Gesamtschule im Detail organisiert wird, wie die Entscheidungen bei Differenzierungen und Versetzungen aussehen.
Eines ist in den bisherigen Verhandlungen jedoch deutlich geworden. Bei etwas gutem Willen - betrachtet man sich die Wahlprogramme der Parteien ist Gemeinsamkeit in dieser Frage möglich, was der schulischen Landschaft, der Bildung, den Eltern, Schülern und Lehrern guttun würde und wird. Ich hoffe, dass diese Gemeinsamkeit im politischen Bereich tragen wird. Ein breiter gesellschaftlicher Konsens zeichnet sich bereits ab. Ich bin gespannt, wofür sich die Opposition entscheidet. - Ist es die Strategie der Mitverantwortung auf einer tauglichen Grundlage, die wir alle festgestellt haben, oder ist es am Ende doch die Strategie der Verweigerung und Fundamentalopposition? Ich lade dazu ein, gemeinsam Verantwortung zu tragen und das große Ziel, das wir gemeinsam haben, nämlich Wahlfreiheit in den beiden Säulen und Schulfrieden, zu erreichen. G 8 und G 9, gebundene Ganztagsschule, freiwillige Ganztagsschule, all diese Wege in der Bildung sind für die Schülerinnen und Schüler möglich. Ich hoffe, es wird gemeinsam gelingen.
Ich sage deutlich, dass wir dieses Ziel haben. Wir wollen es anstreben. Ich sage aber genauso klar, dass wir die Bildungsziele, die wir haben, auch ohne Verfassungsänderung erreichen werden, wenn auch - zugegebenermaßen - auf schwierigerem Weg. Es wäre sehr schade, wenn die große gemeinsame politische Plattform nicht gegeben wäre. Ich wiederhole: Wir zeigen klare Bereitschaft, aber nicht nach dem Motto, dass die Regierungsparteien als diejenigen hingestellt werden, die im Bereich Bildung sparen wollen und für Einschnitte zuständig sind, und die Opposition die Zuständigkeit für mehr Qualität reklamiert. Wenn schon, dann muss auf dem Weg Gemeinsamkeit deutlich gemacht werden. Ich danke ausdrücklich dem Bildungsminister, dass er bisher mit sehr großer Akribie die Pläne in der Bildung vorbereitet und kommuniziert hat und den Weg des Dialogs gegangen ist.
Wenn wir über die Bildungsfrage und die Zukunft der Kinder reden, gehört dazu nicht nur die Hochschule, die Ausbildung am Ende der Bildung, sondern es beginnt in der Krippe, geht weiter über den Kindergarten, die Grundschule und die weiterbildenden Schulen. Bei den Krippenplätzen sind wir dabei, das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf, das Lebensbild der Familien, wie sie es sich wünschen, ernst zu nehmen. 1999 gab es 621 Krippenplätze. Daraus sind inzwischen immerhin 3.200 Plätze geworden. Auch das sende ich an die Adresse derer, die immer reklamieren, es sei zu wenig getan wor
Wenn ich mir anschaue, dass wir heute bereits fast 4.500 eingerichtete und bewilligte Krippenplätze haben, plus fast 800 Tagespflegeplätze, dann sind wir bei 24 Prozent. Die bis 2013 vorgegebenen 35 Prozent sind noch weit weg. Hoffentlich wird der Bund mit nachbessern, sodass das Ziel gemeinsam geschultert werden kann. Wir haben aber deutlich gemacht, wie ernst wir es mit diesem Ziel meinen. Wir haben die Haushaltsmöglichkeiten von 13,3 Millionen um 13,4 auf 26,7 Millionen Euro verdoppelt, sodass die Versorgung bei den Kindergärten, Kinderkrippen und Tagespflegeplätzen in Partnerschaft mit den Städten und Gemeinden weiterhin sichergestellt werden kann.
Ich will auch das Thema nicht aussparen, das meiner Fraktion einerseits zwar sehr weh tut, das wir aber andererseits - wie ich denke - mit Ehrlichkeit und Offenheit vertreten. Es ist das Thema der Beitragsfreiheit im dritten Kindergartenjahr. Ich sage vorweg, dass die Beitragsfreiheit nicht abgeschafft, sondern sozial gestaltet wird. Die starken Schultern, die es tragen können, werden den Beitrag in Zukunft bezahlen, die es nicht tragen können, werden nicht bezahlen. Ich will ein Beispiel nennen, das deutlich macht, dass wir die soziale Symmetrie wahren und dafür sorgen, dass alle Kinder ihren Kindergarten im dritten Kindergartenjahr besuchen können und dass gerade Eltern, die weniger verdienen, keine Probleme haben werden.
Eine Familie mit zwei Kindern und einem Familieneinkommen von 2.500 Euro netto und weniger wird beitragsfrei gestellt sein. Die Modelle werden noch gerechnet, aber ich gehe davon aus, dass eine Familie mit bis 3.000 Euro Familieneinkommen den Beitrag zur Hälfte zahlen wird. Das ist vertretbar. Wir hätten die Beitragsfreiheit gerne grundsätzlich beibehalten, weil wir 1999 mit Überzeugung - die übrigens auch heute noch gilt - gesagt haben, dass wir Elternleistung belohnen und das Zeichen setzen wollen, alle freizustellen. Wir sind dazu nicht mehr in der Lage. Wenn die Mittel enger werden, müssen Prioritäten gesetzt werden. Ich denke, wir haben sie in diesem Bereich richtig gesetzt.
Wenn ich bei dem Stichwort Sozialpolitik bin, gelange ich auch gleich zu dem Stichwort Sozialhaushalt. Wir haben eben ein Weihnachtsmärchen gehört. Herr Jost, ich schreibe Ihnen und der Opposition heute ins Stammbuch, dass es unanständig ist, die Behinderten über Politik zu instrumentalisieren.
(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Sparen Sie 3,4 Millionen oder nicht? - Abg. Jost (SPD): Nennen Sie das Soll und das Ist. - Weitere Zurufe von den Oppositionsfraktionen.)
Ich nenne Ihnen die Zahlen. Wir haben einen Sozialhaushalt, der von 200 Millionen im Jahr 2010 auf 211 Millionen anwächst.
Sie wissen, dass wir bei den Werkstätten für Behinderte die Mittel nicht kürzen, sondern erhöhen. Deshalb sage ich in aller Klarheit: Man kann öffentlich behaupten und bemängeln, dass eine kleinere Steigerungsrate als in den vergangenen Jahren vorhanden ist, daraus aber den Dreh zu machen, wir würden behinderte Menschen alleine lassen, nicht für die Standards sorgen, die sie brauchen, und nicht genügend Plätze zur Verfügung stellen, ist unverschämt, unanständig und instrumentalisiert die Behinderten.
Wer angesichts dieser Zahlen, wie sie im Haushalt stehen und mit denen man bei den Standards für Behinderte in Deutschland immer noch im oberen Drittel liegen wird, das Land in diesem Bereich schlechtmacht, sollte nicht lachen, wenn ich sage, das ist unanständig. Es ist sehr schade.
Deshalb bin ich, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit den Sozialausgaben schon beim Thema Städte und Gemeinden, Kreise und Regionalverband. Sie wissen, das gilt auch mit Blick auf Hartz-4-Diskussionen, das gilt mit Blick auf Diskussionen um die Grundsicherung. Sie wissen, welch große Mitverantwortung Bundes- und Landespolitik in diesem Bereich dafür haben, dass die kommunale Ebene überleben kann.