Protokoll der Sitzung vom 23.03.2011

Lassen Sie mich noch einen Punkt erwähnen. Die zentralen Abschlussprüfungen bleiben erhalten. Auch das ist ein wichtiger Punkt, wenn gesagt wird, wir brauchen qualitativ gute Schulen beziehungsweise wenn wir über die Qualität streiten. Wir werden die Abschlussprüfungen erhalten und wir werden Oberstufenverbünde fortführen - insbesondere dort, wo sie sich bewährt haben. Wir wollen Schulformen schaffen, die zukunftsorientiert sind und die unseren Kindern die Möglichkeit geben, dass sie individuell gefördert werden. Das heißt, wir wollen die Schwachen stärken, ohne die Starken zu schwächen. Ich kann Sie nur auffordern zuzustimmen. Nutzen Sie diese Chance, unsere Bildungslandschaft zukunftsfähig zu gestalten. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

(Abg. Rink (CDU) )

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. - Das Wort hat nun der Minister für Bildung, Klaus Kessler.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte es abschließend kurz machen. Es zeichnet sich ab, dass eine Zwei-Drittel-Mehrheit in dieser entscheidenden Frage zustande kommen wird und dass die Fraktion, die sich einer Zustimmung an dieser Stelle verweigert, die Realität der Entwicklung der Schulformdiskussion in anderen Bundesländern bislang noch nicht wahrgenommen hat. Die SPD-Fraktion ist an dieser Stelle, im Vergleich zur Bewegung und Entwicklung der SPD in anderen Bundesländern, weit - um nicht zu sagen: sehr weit - zurückgeblieben. Ich nehme wahr, dass die Diskussion über ein Zwei-Säulen-Modell, namentlich über eine Schulform Gemeinschaftsschule, in den Bundesländern Schleswig-Holstein, Thüringen, Nordrhein-Westfalen, Berlin und Niedersachsen geführt wird. Dort nimmt die Diskussion, ein Zwei-Säulen Modell einzurichten, Geschwindigkeit auf. An dieser Diskussion ist die SPD dort, wo sie mitregiert, auch aktiv beteiligt. Ich nehme wahr, dass die SPD in Baden-Württemberg in ihrem Wahlprogramm bei den bevorstehenden Wahlen vehement die Einführung der Gemeinschaftsschule fordert. Das ist bei der SPD im Saarland vielleicht noch nicht angekommen. Ich habe auch wahrgenommen, dass die SPD in der Vorstufe ihres aktuellen Wahlprogramms - da gab es eine Vorfassung - das ZweiWege-Modell stehen hatte, sich jetzt aber aus Gründen, die nachvollziehbar sind, wenn man Fundamentalopposition betreibt, von diesem Modell wieder verabschiedet. Nachvollziehbar ist das aber nur, wenn man einen Gesichtspunkt vertritt, der darauf hinausläuft, Fundamentalopposition zu betreiben, um sich jedweder konstruktiver Beteiligung zu verschließen. Sonst wäre man aus diesen Verhandlungsgesprächen nicht vor dem 23. Februar ausgestiegen, sondern hätte versucht, im Sinne der SPDProgrammatik, die ich ja kenne, noch etwas für die SPD herauszuholen. Das haben Sie aber nicht getan.

Stattdessen unterstellen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, dass wir mit unserem Modell die Gesamtschulen demontieren wollen. Dazu muss ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen: Wer hat denn in der Vergangenheit - ich bin ja schon länger dabei die Gesamtschulen sukzessive abgebaut? Wer hat denn in der Vergangenheit die Gesamtschulen demontiert? Wer hat denn in der Vergangenheit an den Gesamtschulen - da schaue ich jetzt Sie an, Herr Commerçon - die Stundenzahlen gekürzt und die Lehrerarbeitszeit erhöht? In der letzten Legislaturperiode, in der in diesem Land noch die SPD regiert hat, hat es keine einzige neue zusätzliche Gesamt

schule gegeben. Da muss man doch einmal fairerweise sagen, dass die letzte Gesamtschulgründung in diesem Land durch die CDU erfolgt ist. Das war die Gesamtschule Ludwigspark. Um auf Ihre Eingangsäußerung einzugehen: An dieser Stelle geht es natürlich auch um die Glaubwürdigkeit. Die tausend Lehrerstellen, die damals abgebaut wurden, erwähne ich gar nicht mehr.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich möchte noch einen Punkt deutlich machen. Ihre Ausgangsthese war ja, dass Sie die Glaubwürdigkeitspartei sind und dass die anderen das nicht sind. Bezogen auf das Argument Klassengröße möchte ich dazu Folgendes klarstellen. Ausgangspunkt der Diskussion in diesem Land waren die durchschnittlichen Klassengrößen der bestehenden Schulformen. Die durchschnittliche Klassengröße an den Erweiterten Realschulen beträgt - auf das Land bezogen 21,4 Schülerinnen und Schüler, an den Gesamtschulen sind es 26,7 und an den Gymnasien 26,1. Die Ausgangsdiskussion war die Frage, wie wir die Klassengrößen auch im Zusammenhang mit der Diskussion um die Einführung einer neuen Schulform, nämlich der Gemeinschaftsschule, verbessern können. Wir haben vorgeschlagen, landesweit einheitlich eine Klassengröße von durchschnittlich 26 einzuführen, was durchaus auch schon eine Verbesserung gewesen wäre. Die SPD und auch andere haben gesagt, es nützt uns nichts, wenn beispielsweise im Norden des Landes große Klassen existieren und im Süden kleine Klassen, das verbessert die Situation im Norden des Landes - oder umgekehrt überhaupt nicht.

Daraufhin haben wir uns bewegt - ich spreche von unseren Verhandlungsrunden, meine Damen und Herren - und gesagt, wir verlassen die durchschnittliche landesweite Klassengröße und bieten an eine Klassengröße pro Standort Gemeinschaftsschule und pro Standort Gymnasium von durchschnittlich 26. Dabei haben wir das Gymnasium ganz bewusst mit einbezogen. Wir haben noch hinzugefügt, dass wir bereit gewesen wären, dies sogar gesetzlich zu verankern. Das wäre eine erhebliche Verbesserung der Klassengrößen in diesem Lande gewesen. Die SPD hat dies abgelehnt.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Und da sich die SPD an dieser Stelle vor dem 23. Februar von den Verhandlungen verabschiedet hat, machen wir das jetzt so, wie wir es für richtig halten. Wir werden die Klassen dieser Größenordnung annähern und verkleinern. Wir benötigen Ihre Belehrungen nicht mehr, denn an dieser Stelle werden Sie sehr, sehr unglaubwürdig. Ich habe mir einmal die Diskussion in der SPD über Klassengrößen aus dem letzten Jahr angesehen und nachgeschaut, welche Zahlen Sie da ins Spiel gebracht haben. Im Wahl

programm der SPD steht wörtlich drin: Wir fordern 27 pro Klasse in weiterführenden Schulen als einen ersten Schritt. Das steht in Ihrem Wahlprogramm.

(Abg. Commerçon (SPD) : Aber keine einzige Klasse über 27.)

Darüber hinaus haben Sie im Verhandlungspapier nachzulesen mit Datum vom 30.11.2010 - das getan, was Sie uns vorgeworfen haben. Sie haben darin eine durchschnittliche Klassengröße pro Standort gefordert. Sie haben für die Klassenstufen 5 und 6 eine durchschnittliche Klassengröße pro Standort von 23 gefordert, für die Klassenstufen 7 bis 10 durchschnittlich pro Standort 25 und für die Gymnasien durchschnittlich pro Standort 27. Ich lehne es ab, diese Unterscheidung zu machen. Die Gymnasien brauchen keine schlechteren durchschnittlichen Größen wie die anderen. Wir haben gesagt, 26 im Durchschnitt für alle und das haben Sie abgelehnt.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Commerçon zu?

Ja, bitte!

Abg. Commerçon (SPD) mit einer Zwischenbemerkung: Ich möchte eine Zwischenbemerkung machen.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Zwischenbemerkungen sind aber nicht zugelassen!)

Nein, nein, in der Geschäftsordnung steht nichts von einer „Zwischenfrage“, es gibt aber die „Zwischenbemerkung“.

(Weitere Zurufe.)

Und Sie halten sich an gar keine Ordnung, Herr Kollege Ulrich!

(Amüsierte Zurufe. - Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Nerven behalten!)

Herr Kollege Kessler, ich möchte das richtigstellen. Im Regierungsprogramm der SPD steht: Wir werden den Klassenteiler - den Klassenteiler! - auf 25 in Grund- und in einem ersten Schritt auf 27 in den weiterführenden Schulen absenken.

„Den Klassenteiler“! Dass Sie den Unterschied zwischen Durchschnitt an einem Schulstandort und Klassenteiler nicht kennen, spricht nicht unbedingt für Sie! Wir haben ausdrücklich - ausdrücklich! - in den Verhandlungen mit den Koalitionsfraktionen gefragt, in der letzten Verhandlungsrunde: Sind Sie denn bereit, von dem derzeitigen Klassenteiler von 29 runterzugehen? - Daraufhin haben Sie gesagt:

Nein, es bleibt bei 29 als Klassenteiler. - Dann habe ich noch gefragt: Ist das Ihr letztes Wort? - Da haben Sie gesagt: Ja, das ist mein letztes Wort.

Wenn Sie uns einen Klassenteiler angeboten hätten, hätten wir darüber gesprochen. Sie haben uns keinen Klassenteiler angeboten. Sie haben uns an dieser Stelle lediglich Durchschnittszahlen angeboten. Und verkaufen Sie doch die Leute draußen nicht für dumm -

Herr Commerçon, ich bitte Sie wirklich, eine Zwischenbemerkung zu machen, die einer Frage ähnelt.

Ich bin am Ende der Bemerkung angelangt. - Verkaufen Sie die Leute nicht für dumm! Die können zwischen Klassenteiler und Durchschnittsgröße unterscheiden, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall von der SPD. - Zurufe von den Koalitions- fraktionen: Und die Frage? - Abg. Commerçon (SPD) : Guckt mal in die Geschäftsordnung!)

Da Sie nun, Herr Commerçon, mit Ihrer Zwischenbemerkung fast so lange geredet haben wie ich mit meiner Vorbemerkung, um Ihren Zickzackkurs in der Klassengröße zu erklären,

(Abg. Commerçon (SPD) : Nein, das ist kein Zickzackkurs! Sie verstehen es nicht!)

bedanke ich mich ausdrücklich. Ich weise darauf hin, dass Sie im Verhandlungspapier, in den Verhandlungsrunden, die wir gemeinsam in relativ sachlicher Atmosphäre geführt haben, selbst durchschnittliche Klassengrößen vorgeschlagen haben. Das ist nachzulesen in Ihrem Papier vom 30.11.2010.

(Beifall von den Koalitionsfraktionen. - Abg. Commerçon (SPD) : Sie lügen!)

Ich bleibe dabei: Wer in die kontroverse Diskussion einsteigt, wie sich das ja in der parlamentarischen Gepflogenheit gehört, dabei aber als erstes Wort das Wort „Glaubwürdigkeit“ auf den Lippen hat, muss sich daran auch messen lassen.

(Abg. Commerçon (SPD) : Daran lassen wir uns gerne messen!)

Das habe ich klarzustellen versucht.

(Beifall von den Koalitionsfraktionen.)

Ich habe gesagt, dass ich mich kurzfassen möchte. Daran halte ich fest und fasse daher nun die Vorteile unseres Systems zusammen, des Systems, auf das wir uns verständigt haben. Ich danke ausdrücklich

(Minister Kessler)

auch der Linksfraktion dafür, dass sie die Vorteile erkannt hat. Die wesentlichen Vorteile lassen sich in sechs Punkten zusammenfassen:

Erstens. Wir haben eine größere Übersichtlichkeit und eine bessere Gliederung des Systems. Wenn man von einer Drei- beziehungsweise Viergliedrigkeit auf eine Zweigliedrigkeit umstellt, entsteht mehr Gerechtigkeit im System. Das ist nun besser strukturiert als zuvor.

Zweitens. Wir schaffen die Konkurrenz zwischen der Erweiterten Realschule und der Gesamtschule ab. Diese Konkurrenz ist kräftezehrend und verhindert das, was wir wirklich brauchen, nämlich die Bündelung der pädagogischen Kompetenzen in diesem Land.

(Beifall von den Koalitionsfraktionen.)

Drittens. Wir richten mit der Gemeinschaftsschule eine neue Schulform ein, die die Bildungslaufbahn lange offenhält. Das bedeutet, dass in dieser Schulform ein längeres gemeinsames Lernen, wie es auch die SPD zumindest verbal stets gefordert hat, möglich ist. Dabei besteht gleichzeitig die Möglichkeit, durch die Schulkonferenz das Differenzierungsmodell ein Stück weit selbst mitzubestimmen.

Viertens. Das schafft der Schule ein hohes Maß an Selbstständigkeit und Profilgebungsmöglichkeiten. Das will jeder in der Bildungsdiskussion. Jeder weiß doch: Wenn die Schulen das Modell, das sie umsetzen sollen, stärker selbst mitbestimmen können, entsteht ein Identifikationsmoment, über Identifikationsmomente entsteht Motivation, und über Motivation entsteht Leistung.

(Beifall von den Koalitionsfraktionen.)

Fünftens. Wir schaffen eine auch angesichts der demografischen Entwicklung vernünftige Perspektive auch für kleinere Schulstandorte. Wir sind uns ja in diesem Hause einig, dass wir möglichst viele auch der kleineren Schulstandorte erhalten möchten. Dazu wird das Schulordnungsgesetz geändert. Die Reihenfolge ist, wie ich angekündigt habe, so, dass zunächst die Verfassung geändert wird, danach das Schulordnungsgesetz. Andersherum wäre es eigentlich auch unlogisch.

Sechstens. Wir verbessern die Qualität in der Gemeinschaftsschule, indem wir eine neue Stundentafel einführen werden. Sie wird das Mehrsprachenprinzip, das Fremdsprachenkonzept, umzusetzen haben. Dafür braucht man auch mehr Lehrerstunden. Und ich werde auch mehr Lehrkräfte in der mobilen Lehrerreserve, der sogenannten Feuerwehr, einsetzen, um den Unterrichtsausfall, der in der Tat an der einen oder anderen Stelle vorhanden ist, zu reduzieren.