Protokoll der Sitzung vom 13.04.2011

Wegen der Fragen, die ich eben hier erörtert habe, und der angesprochenen Probleme wird die CDUFraktion - das sage ich ganz deutlich - den Antrag der LINKEN nicht unterstützen.

(Abg. Kugler (DIE LINKE) )

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Es geht doch nur um Entschädigung!)

Es geht nur um Entschädigung. Aber, Herr Kollege Linsler, wir sehen diese Problematik nicht beschränkt auf eine Gruppierung, sondern wir sehen alle Betroffenen, und das sind wesentlich mehr als nur die Betroffenen im Bereich der katholischen Kirche.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen ist ein schlimmes Verbrechen. Dies muss bestraft werden und die Opfer brauchen unsere uneingeschränkte Unterstützung, so wie wir generell für alle Menschen den Opferschutz einfordern, auch für diejenigen, denen durch staatliche Systeme körperliche oder seelische Folter oder Unterdrückung Leid zugefügt wird. Wir maßen uns aber nicht an, die Entschädigungsvorschläge der katholischen Kirche zu beurteilen und zu kritisieren. Dies insbesondere deshalb, weil von anderen betroffenen Gruppierungen - und ich nenne bewusst noch einmal die Träger von DDR-Kinderheimen keine Entschädigungsregelungen vorliegen

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) : Was soll dieser komplette Unfug?)

beziehungsweise veröffentlicht sind. Herr Kollege, auch das sind Betroffene.

(Beifall bei der CDU. - Weitere Zurufe von der LINKEN.)

Herr Kollege Linsler, ich habe von der Fraktion DIE LINKE auch etwas anderes erwartet.

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) : So etwas habe ich noch nicht gehört. Setzen Sie sich besser hin.)

Ich weiß, dass Sie sich hier betroffen fühlen.

(Anhaltende Zurufe von der LINKEN.)

Schauen Sie sich doch bitte einmal die Interviewliste an. Es gibt eine Interviewliste von Betroffenen, die im Internet veröffentlicht ist. Da wurde auch ein Kind - heute natürlich eine erwachsene Person - interviewt, das in einem DDR-Kinderheim aufgewachsen ist.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Was hat denn das mit uns zu tun?)

Ich glaube, wenn wir hier die Problematik ansprechen, dann sollten wir das nicht einseitig tun. Wir sollten vielmehr alle ansprechen und uns dann darüber unterhalten, wenn der runde Tisch seine Arbeit abgeschlossen hat

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) : Wollen Sie einen Antrag an das Politbüro stellen, dass es eine Entschädigung zahlen soll? Sie sind doch nicht mehr richtig im Hirn!)

und die Vorschläge vorliegen.

(Ministerpräsident Müller: Ist das ein parlamenta- rischer Ausdruck: „nicht mehr richtig im Hirn“?)

Das ist richtig, Herr Ministerpräsident. Den Ausdruck muss ich wirklich rügen, Herr Lafontaine. Sie können mit einer Abgeordneten nicht so umgehen; Sie können das rhetorisch besser.

Ich habe das Gefühl, ich habe Sie mit meinen Ausführungen sehr getroffen. Ich habe den Ausdruck nicht verstanden, bin aber dankbar, dass der Ministerpräsident das aufgreift.

(Zuruf.)

Nein, ich habe Ihren Ausspruch nicht verstanden, weil es noch anderes Gemurmel im Raum gab. Herr Abgeordneter Lafontaine, ich glaube, das ist ein Unterschied.

(Beifall bei der CDU. - Abg. Lafontaine (DIE LIN- KE) : Setzen Sie sich am besten hin!)

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und sage noch einmal ausdrücklich: Wir werden Ihrem Antrag nicht zustimmen.

(Beifall bei der CDU.)

Vielen Dank. - Das Wort hat nun der Abgeordnete Eugen Roth von der SPD-Landtagsfraktion.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion wird dem Antrag der Fraktion DIE LINKE ebenfalls nicht zustimmen. Ich lege allerdings Wert darauf, dass wir uns mit der Thematik etwas anders auseinandergesetzt haben. Ich meine, die überraschend streitige Debatte vorhin, mit diesen Zungenschlägen, wird dieser sensiblen Thematik nicht gerecht.

(Beifall bei der SPD.)

Ich möchte einmal auf den Antrag der LINKEN eingehen und ihn zitieren. „Der Landtag wolle beschließen: Auch im Saarland wurden Kinder in Einrichtungen der katholischen Kirche Opfer sexuellen Missbrauchs. Der Landtag des Saarlandes fordert die Deutsche Bischofskonferenz auf, die Entschädigungszahlungen für Missbrauchsopfer nach dem Vorbild der österreichischen Unabhängigen Opferschutzkommission zu gestalten.“ - Das ist der Antrag, zwei Sätze. Dann kommen Ausführungen zu den finanziellen Staffelungen, wie sie in Österreich vorgenommen worden sind.

(Abg. Rink (CDU) )

Wir sind der Auffassung, dass diese Kurzbehandlung dem Thema nicht gerecht wird. Wir wissen aus der Forschung, dass die meisten Fälle sexuellen Missbrauchs im familiären Umfeld geschehen. Von daher verbietet es sich eigentlich schon, irgendwelche Differenzierungen vorzunehmen, zu fragen, ob das jetzt alleine an die Adresse der Deutschen Bischofskonferenz zu richten ist, oder historische Vergleiche anzustellen und und und - das Thema ist wesentlich schwieriger. Es wird auch erheblich runder an diesem runden Tisch „Sexueller Missbrauch“ behandelt, an dem fast 60 Organisationen unter der Federführung der Bundesregierung teilnehmen.

Ein wesentlicher Punkt, präventiv mit diesem Thema umzugehen - und das kommt in diesem Antrag überhaupt nicht zum Ausdruck -, wäre, einmal an die Verjährungsfristen heranzugehen, sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich. Die traumatisierten Opfer finden nämlich oft nicht die Gelegenheit und die Kraft, aus dem Trauma heraus gegen die Täter vorzugehen, und es wäre ein erster Schritt gemacht, wenn dies entsprechend ausgeweitet würde. Dazu ist im Deutschen Bundestag auch bereits ein Gesetzesantrag eingebracht worden, mit dem man sich auf diesen Weg begeben hat.

Eine zweite Geschichte ist das, was sich um das Thema Prävention herum abspielt und vorangebracht werden muss. Das ist umfassend dargestellt in einem Papier unserer Partei, der SPD, unter der Überschrift: „Hinsehen, handeln, helfen“ - Maßnahmenpaket gegen Missbrauch. Ich darf nur einmal kurz aufzählen, was sich im Wesentlichen dahinter verbirgt. Es müssen Beratungsstellen und Hilfsangebote flächendeckend ausgebaut werden. Sie müssen finanziell abgesichert und besser bekannt gemacht werden. Es müssen private und öffentliche Einrichtungen mit verbindlichen Regelungen versehen werden und klare, einheitliche Leitlinien zum Umgang mit Missbrauchsfällen erlassen werden. Die Aus- und Weiterbildungsinhalte für Berufsgruppen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, müssen systematisch überprüft werden, um das Thema „sexuelle Gewalt“ umfassend zu berücksichtigen. Die entsprechenden Berufsgruppen sind ja oft gar nicht auf diese Verbrechen eingestellt. Die Erforschung der Bedingungen und Ursachen sexueller Gewalt und die Evaluation der Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen müssen intensiviert werden. Letztendlich hatten wir, die SPD, gefordert, dass auch eine Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz erfolgen sollte. - Ich kann das hier nur aufzählen und nicht ausführen, weil es den ganzen Nachmittag füllen würde, wenn ich über unser Papier referieren würde.

Ich möchte einmal darauf eingehen, was nach unserer Kenntnis die katholische Kirche, und da unser

heimisches Bistum Trier, bisher unter der Leitung von Bischof Dr. Stephan Ackermann gemacht hat. Man hat neben den Richtlinien, Eckpunkten etc., die auch alle im Internet veröffentlicht sind und die man sich herausziehen kann, um das nachzulesen, unter anderem einen Präventionsfonds aufgelegt mit 500.000 Euro zur Förderung von Präventionsprojekten. Man hat die Übernahme von Kosten für Psychotherapie oder Paarberatungen beschlossen. Man hat auch materielle Leistungen in Anerkennung des Leides in Aussicht gestellt, die sich auf vollen Schadensersatz in unbegrenzter Höhe beziehen und in erster Linie von den Tätern zu erbringen sind. Hierbei sind für den Fall, dass dies warum auch immer von den Tätern nicht erbracht werden kann, in einem ersten Schritt 5.000 Euro als Anhaltsbetrag genannt, also nicht als abschließender Betrag. Letztendlich hat man eine Sonderregelung für besonders schwere Fälle mit besonders schweren Folgen in Aussicht gestellt, die in keiner Form finanziell gedeckelt sind. Das sind alles Leistungen freiwilliger Art ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. Wir erinnern uns aber noch sehr gut an die Diskussion, die in diesem Zusammenhang in den vergangenen Monaten öffentlich geführt wurde.

Nun zu dem österreichischen Modell. Das österreichische Modell hat diese Abstufungen, die die Kollegin Kugler eben dargestellt hat. Verehrte Kollegin, aus Ihren Ausführungen ist die eigentliche Intention, was euer Wille ist, besser zum Ausdruck gekommen als in dem Antrag, der uns hier vorliegt. Diese umfassende Geschichte geht aus diesem Antrag nämlich überhaupt nicht hervor. Ihre Ausführungen dazu waren etwas objektiver und haben die Geschichte etwas geöffnet. Bei diesem österreichischen Modell ist aber festzustellen, dass das von den dortigen Opferschutzverbänden nicht akzeptiert wird. So ist beispielsweise bekannt, dass die Opferplattform Betroffene kirchlicher Gewalt selbst dieses Modell als Beleidigung der Opfer bezeichnet hat.

Am Ende müssen wir aufpassen, dass man das nicht so debattiert, dass in erster Linie bestimmte Entschädigungshöhen maßgebend sind. Das Thema ist viel schwieriger und auch viel ekliger und kann nicht auf diese einfache Art und Weise abgearbeitet werden. Es wird insgesamt von uns allen gefordert, ob wir in der Politik, in Verbänden oder wo auch immer Verantwortung tragen, dass es eine Kultur des Hinsehens, des Handelns und des Helfens geben sollte. Das ist leider nicht Alltag, und man wird sicherlich - unabhängig von Organisationsformen - immer dort besonders hinsehen müssen, wo es Abhängigkeitsverhältnisse gibt. Wir haben das ja auch an einer berühmten Schule erlebt, die immer als Eliteinternat bezeichnet wurde. Das hat aber mit der Deutschen Bischofskonferenz nichts zu tun. So etwas gab es auch in anderen Bereichen. Wir haben einen traurigen Fall in der Nachbarschaft in Rhein

(Abg. Roth (SPD) )

land-Pfalz, da ging es um Sportvereine. Ich möchte diese ganze Geschichte hier nicht noch einmal aufwärmen.

Im Ergebnis glauben wir, dass wir diesen runden Tisch „Sexueller Missbrauch“ unterstützen müssen. Hierzu hat die SPD mit einem umfassenden Papier vom 06. Juli 2010 ihren Beitrag geleistet. Wir hätten uns gewünscht, dass trotz der Vielzahl von Verbänden an der einen oder anderen Stelle noch mehr hinzugekommen wäre. Man sollte Notrufnummern und Stellen, die sich mit dieser Thematik befassen, besser bekannt machen. Man sollte aber das Thema auf jeden Fall nicht verengen und den Blick auf keinen Fall nur auf die katholische Kirche richten. Das würde den Opfern und ihrem Schutz nicht gerecht. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD.)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Roth. - Das Wort hat nun die Abgeordnete Willger von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau Willger übernimmt die Restredezeit der CDU-Landtagsfraktion. Ihnen stehen damit 20 Minuten und 33 Sekunden zur Verfügung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Keine Sorge, ich werde die Redezeit mit Sicherheit nicht ausschöpfen. Aber das gibt mir Gelegenheit noch einmal klarzustellen, warum auch wir dem Antrag auf gar keinen Fall so zustimmen können, wie er vonseiten der LINKEN gestellt worden ist. Dieser Antrag enthält zwei Unterstellungen. Erstens wird mit der Aufforderung an die Deutsche Bischofskonferenz unterstellt, dass im Übrigen, insbesondere von staatlicher Seite, ein vorbildlicher Umgang bei der Entschädigung von Missbrauchsopfern besteht. Das ist mitnichten der Fall. Außerdem wird deutlich, dass gerade bei diesem Modell aus Österreich die Beträge über den Richtwerten der Gerichte bei Schmerzensgeld liegen. Wenn man das vergleicht, haben wir eine ähnliche Situation auch bei deutschen Gerichten. Und das, was sich auch bei uns an Schwierigkeiten ergibt, zum Beispiel vor den Sozialgerichten, zeigt, dass hier sehr viel mehr Handlungsbedarf besteht und wir auf gar keinen Fall so tun dürfen, als wäre hier nur noch die Deutsche Bischofskonferenz nicht auf dem richtigen Gleis.

Die zweite Unterstellung ist, dass die Regelung der österreichischen Unabhängigen Opferschutzkommission vorbildlich ist. Auch das ist eine Unterstellung, denn hier gibt es einiges, was durchaus diskussionswürdig ist. Zu Recht hat der Kollege Eugen Roth darauf hingewiesen, dass die Opferplattform auch Diskussionsbedarf sieht und dass es gerade auch in Österreich Opfer gibt, die hiermit nicht ein

verstanden sind und die noch nicht einmal bereit sind, sich auf dieser Basis auf ein Gespräch einzulassen. Auch hier ist es notwendig hinzuhören und herauszubekommen, wo die Gründe hierfür liegen. Man wird den Opfern nur dann gerecht, wenn man nicht nach einer schnellen Lösung sucht, sondern nach einer Lösung, die wirklich anerkennend ist und die der Problematik tatsächlich gerecht wird.

Wir haben hier erhebliche Probleme in allen Bereichen. Es gibt nämlich - und das ist das erste Problem, das ich ansprechen möchte - keinen objektiven Maßstab, der für alle Missbrauchsopfer einheitlich wäre, um zu bemessen, wie schlimm das ist, was sie erlebt haben und wie sehr es sie verletzt hat. Insbesondere ist das Maß der Gewaltanwendung nicht dieser Maßstab. Es ist nur eine Möglichkeit, aber ist nicht der Maßstab, mit dem das gemessen werden kann. Wir haben auch das Problem, wie der Nachweis der jeweiligen Gewaltanwendung erfolgen soll. Das ist nach diesem österreichischen Modell notwendig. Dieser Nachweis ist nicht einfach zu führen. Das gilt auch für den Nachweis über die Verletzungsfolgen. Und dann kommt noch ein ganz großes Problem hinzu, das wir immer haben. Das ist insbesondere bei seelischen Schäden der Nachweis der Kausalität, dass diese seelischen Schäden ausschließlich auf diesen Missbrauch zurückzuführen sind. Das ist ein sehr, sehr großes Problem. Wir haben es mit Folgen zu tun, die oft nicht heilbar sind. Insbesondere bei ganz schwerwiegenden Folgen, wenn es zum Beispiel dazu kommt, dass ein Missbrauchsopfer eine multiple Persönlichkeit entwickelt und ein Leben lang hierunter zu leiden hat, haben wir das Problem, dass es hier nur sehr, sehr schwierige Diagnoseverfahren gibt. So etwas ist nur sehr schwer einer Aufklärung zugänglich zu machen.

Nichts brauchen Opfer dringender als die Anerkennung und dass man sie ernst nimmt, dass man ihnen glaubt und dass man sie nicht noch einmal durch eine Nachweismühle dreht - selbst wenn man sagt, dass man bereit, ist die Anforderungen wesentlich niedriger zu stellen. Wir haben vor allen Dingen das Problem: Je schlimmer die Übergriffe und je jünger die Opfer, je schwächer die Opfer, umso schwieriger ist ihr Schutz und umso schwieriger ist auch eine Regelung über ihre Entschädigung. Hinzu kommt noch ein Problem: Je enger das Vertrauensverhältnis ist und je enger das Abhängigkeitsverhältnis, desto gravierender wirken sich Übergriffe aus. Denn je jünger die Opfer waren und je enger das Abhängigkeitsverhältnis war, umso eher wird geschwiegen. Das sind ja auch die Gründe für jahrzehntelanges Schweigen und die müssen entsprechend ernst genommen werden.

Selbst wenn man sagt, dass hier eine Glaubhaftmachung des sexuellen Missbrauchs für die Anerken

(Abg. Roth (SPD) )

nung genügen soll, so ist es dennoch praktisch unmöglich, bei den Entschädigungszahlungen dass erfahrene Leid individuell gerecht zu differenzieren. Das sind die Schwierigkeiten, mit denen wir es zu tun haben.