Der Streit dreht sich aber auch um die Frage der Methode, des richtigen Weges, der gegangen werden soll. Es geht um die Frage: Regelt man das alles über den Verordnungsweg oder regelt man das über den Vertragsnaturschutz? Genau das tun im Übrigen sehr viele Bundesländer. Wenn man die handelnden Personen beobachtet und kennt, ist es kein Wunder, dass es bei uns von oben herab geregelt werden soll. Man traut den Landbesitzern und den Landnutzern nicht über den Weg und will verordnen, wie sie sich zukünftig richtig verhalten sollen.
Das ist die Art und Weise, wie das Umweltministerium derzeit an vielen Stellen mit unterschiedlichen Gruppen im Land umgeht. Dies führt natürlich zu Misstrauen bei den Bürgerinnen und Bürgern, weil es auf der anderen Seite das Misstrauen der Regierung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land gibt. Das schafft mehr Bürokratie, das schafft im Verordnungsweg eine Sprache, die viele Bürgerinnen und Bürger gar nicht mehr verstehen können. Das ist nicht beteiligungsorientiert und diskreditiert am Ende die Zielsetzung und die Idee des Naturschutzes in der Bevölkerung. Mit dem Weg, den Sie bei Natura 2000 einschlagen, Frau Ministerin, gefährden Sie selbst die Ziele, die Sie in der Sache erreichen wollen.
Deshalb fordern wir Sie heute an dieser Stelle auf, Frau Ministerin, kehren Sie um, nehmen Sie Abschied vom Verordnungsweg. Gehen Sie den Weg, den auch viele andere Bundesländer gehen, nutzen Sie den Vertragsnaturschutz. Das ist rechtlich möglich und es ist machbar. Darauf möchte ich besonders hinweisen, denn in der Anhörung ist uns von der Regierung gesagt worden, das wären ja so viele Grundstückseigentümer und man könne nicht mit so vielen gleichzeitig Verträge abschließen, das würde man gar nicht schaffen.
Ich kann dazu nur sagen, die Rheinland-Pfälzer beispielsweise können das. Sie sagen, Sie können das nicht. Dann sind Sie die erste saarländische Landesregierung, die sagt, was die Pfälzer können, das können wir nicht. Eine solche Regierung können wir doch unserem Land eigentlich nicht zumuten. Also bitte, strengen Sie sich an!
Was die Pfälzer können, das müssen die Saarländer auch können. Im Übrigen, ich glaube, das wäre mit Sicherheit finanzierbar.
Insofern macht es natürlich Sinn, auf die Anhörung zurückzukommen, die wir im saarländischen Landtag vor wenigen Tagen zu der Thematik durchgeführt haben. Da will ich mich noch einmal bei allen Fraktionen und dem Vorsitzenden des Umweltausschusses bedanken, dass diese Anhörung relativ kurzfristig möglich war. Die Ergebnisse sind ja durchaus interessant.
Der Bauernverband Saar - wenn ich mit Ihrer Genehmigung zitieren darf - sagt in seiner Stellungnahme: „Bei der Ausweisung wurde den saarländischen Landwirten vom Ministerium für Umwelt“ - das war wohl noch das alte - „zugesagt, dass der Status quo der Bewirtschaftung in diesen Gebieten beibehalten werden kann. Diese Zusage steht im Widerspruch zu den jetzt geplanten Verordnungen.“
Die Landwirtschaftskammer Saarland sagt in ihrer Stellungnahme: „Die äußerst restriktiven Bewirtschaftungsauflagen, wie sie für die landwirtschaftliche Nutzung der Natura-2000-Flächen im Saarland vorgesehen sind, gehen weit über das Notwendige zur Einhaltung des Verschlechterungsverbotes hinaus und führen zu empfindlichen Ertragseinbußen.“
Die Interessengemeinschaft aus dem Bliesgau schreibt: „Die Einschränkungen lassen bei den Verfassern der Verordnung erhebliche Defizite in der Kenntnis der betroffenen Areale und deren Bewirtschaftung erkennen. Landwirtschaftliche Flächen, ob Wiesen, Felder oder Obstplantagen, lassen sich nicht nach dem Kalender bewirtschaften.“
Die Vereinigung der Jäger des Saarlandes kommt in ihrer Stellungnahme zu der Erkenntnis: „Weder fachlich noch emotional wird sich die geplante restriktive Umsetzung von Natura 2000 im Saarland positiv auf die Schutzgüter auswirken. Wenn Naturschutz sich auf 11,6 Prozent der Landesfläche mit fachlich zweifelhafter Methodik beschränken soll, ist dies ein weiterer Angriff auf die regionaltypische Biodiversität.“
Die Interessengemeinschaft Renglischberg schreibt: „Innerhalb der Mitglieder der Interessengemeinschaft und auch Teilen der Bevölkerung der Region herrschen Irritation, Wut und Enttäuschung über das Vorgehen Ihres Ministeriums, sowohl die Art und Weise als auch den Inhalt der geplanten Verordnung betreffend. Viele fühlen sich getäuscht und über den Tisch gezogen.“ So weit die Stellungnahmen der Fachverbände.
Die sind in ihrer einhelligen Ablehnung nicht alleine. Viele Gemeinderäte und Ortsräte haben sich mit dem Thema befasst. Parteiübergreifend mit Stimmen von CDU, GRÜNEN und FDP vor Ort sind bei
spielsweise in Mandelbachtal und in der Gemeinde Gersheim entsprechende Resolutionen verabschiedet worden. Selbst die FDP im saarländischen Landtag - so konnte ich lesen - schließt sich dieser grundsätzlichen Kritik an der saarländischen Landesregierung an.
In einem Schreiben des Fraktionsvorsitzenden der FDP an die Ministerin heißt es: „Viele Bürgerinnen und Bürger, deren Grundeigentum von den Schutzmaßnahmen eingeschlossen ist, fühlen sich in ihren Rechten verletzt. Durch die Verordnungen zu Natura 2000 im Saarland werden die Nutzungsrechte auf ihren Flächen äußerst eingeschränkt. Häufig ist die herkömmliche Nutzung, die zu dem erhaltenswerten Zustand geführt hat, nicht mehr möglich. Die Bürgerinnen und Bürger sprechen in diesem Zusammenhang von ‚Enteignung’.“ Das schreibt die FDP und ihr Fraktionsvorsitzender im Landtag. „Es ist ihnen unverständlich, aus welchen Gründen ihre naturnahe Bewirtschaftung und Nutzung durch diese Verordnungen außer Kraft gesetzt werden.“ Der FDPFraktionsvorsitzende kommt daher auch zu der Bitte an die Ministerin: „Durch eine Kooperation mit Bürgerinnen und Bürgern soll eine nachhaltige Strategie zu einem dauerhaften und langfristig angelegten Schutz von Flora und Fauna führen.“
Das ist unser Weg des Vertragsnaturschutzes. Ich wünsche mir und erwarte von daher, dass zumindest die FDP am heutigen Tage einmal ihre eigene Meinung vertritt, auch wenn sie im Moment an der Debatte wohl gar nicht teilnehmen will
außer dem Minister, Entschuldigung - und daher unserem Antrag tatsächlich nachher zustimmen wird. Die Debatte ist in jedem Fall am heutigen Tage notwendig, denn jetzt geht es um die Grundsatzentscheidung, welcher Weg im Saarland in Zukunft gegangen werden soll. Für die Mehrzahl der Flächen müssen wir überhaupt erst noch Regelungen finden. Da gibt es im Moment noch keine Verordnungsentwürfe. Unser Vorschlag ist, belassen Sie es dabei. Gehen Sie mit uns und mit den Betroffenen den Weg des Vertragsnaturschutzes. Die Debatte ist aber heute notwendig, Frau Ministerin, damit auch Sie die Gelegenheit haben, sich in dieser Angelegenheit einmal zu äußern. Bislang haben Sie sich meist hinter dem Rücken Ihres Staatssekretärs versteckt.
Das geht gar nicht, sagt sie, okay, Sie lugen hier und da hervor. Heute können Sie auf jeden Fall Stellung beziehen, wie Sie selbst in dieser Sache dazu stehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Thema - das ist deutlich geworden - beschäftigt
viele Menschen in unserem Land. Die Saarländer sind ja insofern ein sympathisches Volk, als sie sich von manchen Dingen nicht die Stimmung vermiesen lassen, sondern sie fühlen sich angestachelt, kreativ zu werden.
Uns hat von einem unbekannten Autor ein Gedicht erreicht, das ich Ihnen nicht vorenthalten möchte, weil es im Grunde vieles auf den Punkt bringt:
„Die Vögel vom Renglischberg. Das Getreide wird nun reifer, bald naht Mornellos Regenpfeifer, aus der Tundra und den Taigen, um sich hier in Perl zu zeigen. Auf dem Renglischberg genau, möchte er landen mit seiner Frau, auch war’n es der Vögel drei, ein lediger Onkel war noch dabei. Dieser kannte aus historischer Quelle, am Renglischberg die Landestelle. Während die Bauern dort noch säen, will der Naturschutz dort schon mähen. Und es beginnt nun ein Streiten, wie ist die Landebahn zu bereiten, damit Mornellos dann und wann, hier auf dem Berge landen kann. Doch nach längerem Hin und Her, blieb die Landebahn doch leer. Für den Naturschutz eine Qual, es war doch alles optimal. Am Ende war jetzt zu erfahren, der Mornellen-Onkel, reich an Jahren, zum Landen fehlt ihm nicht der Wille, doch leider flog er ohne Brille, weshalb er, was ist’s für ein Mist, in Luxemburg gelandet ist. Die Vogelwelt kennt keine Schranken, doch kann er hier jetzt billig tanken.“
Meine Damen und Herren, Sie sehen, die saarländische Bevölkerung macht sich ihre Gedanken über die Politik der saarländischen Landesregierung. Ich denke, Sie könnten sich ein Prinzip selbst zu Eigen machen, das in der Debatte eine große Rolle spielt. Die Zielsetzung ist doch das Verschlechterungsverbot. Dieses sollte auch für die Politik der saarländischen Landesregierung an sich gelten. Also machen Sie es nicht schlechter, machen Sie es in Zukunft besser, unterstützen Sie unseren Antrag. - Vielen Dank.
Herzlichen Dank, Herr Dr. Jung. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat nun Markus Schmitt von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich versuche mich heute hier nicht als Dichter, ich versuche mich heute hier einmal als Denker.
(Lachen bei den Oppositionsfraktionen. - Abg. Ensch-Engel (DIE LINKE) : Heute einmal! - Abg. Huonker (DIE LINKE): Einmal als Denker! - Beifall bei der LINKEN.)
Umso länger ich über die Rede von meinem Kollegen Magnus Jung nachdenke, merke ich, dass das hier nicht so ergiebig war. Es war auch nicht sehr viel Neues, was hier vorgetragen wurde. Aber damit mehr Verständnis in die Sache kommt, versuche ich einmal, das Verfahren hier in einfacher Form darzustellen.
Artikel 59 der saarländischen Verfassung formuliert den Schutz der natürlichen Lebensgrundlage als besondere Aufgabe unseres Landes. Tiere, Pflanzen sowie die natürlichen Lebensgrundlagen Boden, Wasser und Luft, also die ganze Naturlandschaft, sind der besonderen Fürsorge des Staates unterstellt. Diesem Punkt fühlten sich die Landesregierung und wir als Regierungskoalition selbstverständlich besonders verpflichtet.
Mit der Ausweisung und dem Schutz der Natura2000-Gebiete kommt das Land zunächst einmal einer europäischen Verpflichtung nach. Die Sinnhaftigkeit haben Sie ja auch nicht angezweifelt. In der Öffentlichkeit, in der Anhörung des Ausschusses und auch heute im Plenum können wir den Weg diskutieren, wie wir dieses Ziel des Naturschutzes umsetzen. Und da - das muss ich Ihnen von der Opposition mal sagen - kommt Ihr Antrag viel zu spät und ist damit ein bloßer Schaufensterantrag, den wir deshalb auch ablehnen werden.
Ich kann das auch gerne begründen. Denn da, wo es Sinn macht, hat die Landesregierung Ihre Forderungen schon längst umgesetzt. Sie ist längst bei der Arbeit und es gibt auch schon viele gelöste Fälle. Die von Ihnen geforderten runden Tische - ich kann nur das beantworten, was Sie in Ihren Anträgen schreiben - gibt es schon heute. Es hat sie aber auch gestern schon gegeben und es wird sie, wenn die besonders kritischen Verordnungen überarbeitet und neu aufgelegt werden, was wir ja angeboten haben, auch morgen wieder geben. Von daher ist Ihre Forderung nach meiner Ansicht schon längst zu hundert Prozent erfüllt.
Es wird hier auch weiterhin ein breites öffentliches Beteiligungsverfahren und Informationsveranstaltungen vor Ort gegeben. Die hat es schon gegeben und die wird es immer geben, es ist ein fließender Prozess. Denn die Landesregierung hat die dem Ministerium vorgetragenen Einwände geprüft, entspre
chende Anregungen bereits aufgenommen und teilweise auch schon umgesetzt. Auch Ihnen müsste zu Ohren gekommen sein, dass das Ministerium für Umwelt, Energie und Verkehr inzwischen das Ministerium der runden Tische genannt wird. Dies ist ein Ausweis für einen transparenten, offenen und bürgernahen Politikstil dieser Landesregierung, für den ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bedanken möchte.
Die breite Einbindung aller Beteiligten, die Wahl eines kooperativen Verfahrens, das zum bestmöglichen Interessensausgleich von Naturschutz und Naturnutzung führt, macht die Sache eben kompliziert und langwierig. Die hohen Fallzahlen tun ihr Übriges dazu. Eine einfache Lösung gibt es hier sicherlich nicht. Dass man den gleichen Schutzumfang im Wege des Vertragsnaturschutzes erzielen kann, davon ist diese Landesregierung nicht unbedingt überzeugt, zumal hier nicht das Saarland, sondern die EU im Streitfall erster Ansprechpartner wäre. Diesen Vorteil sollte man an dieser Stelle auch einmal erwähnen dürfen. Denn Regelungen für die Allgemeinheit, die zur Naturerhaltung notwendig sind, können so nicht getroffen werden.
Auch die Ausgleichszahlung im Rahmen des vertragsrechtlich geregelten Naturschutzes macht die Sache unpraktikabel und ist - das sage ich hier ganz offen - aktuell nicht ohne Weiteres finanzierbar. Naturschutz darf nicht von der Kassenlage abhängen, nicht von der Kassenlage unseres Landes, die bekanntermaßen extrem angespannt ist, aber auch nicht von der Kassenlage des Eigentümers, der einen Vertrag kündigt, um höhere Zahlungen zu erzielen.
Ich glaube, dass der von der Landesregierung eingeschlagene Weg gerade auch durch die Überarbeitung der Verordnung - das gestehe ich zu - unter Berücksichtigung der begründeten Anregungen geeignet ist, um einen sinnvollen Ausgleich zwischen Naturschutz und Naturnutzung zu erzielen. Ich sehe uns auf einem guten Weg. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin jetzt doch einigermaßen verblüfft, weil der Kollege Schmitt hier gesagt hat, es hätte diese runden Tische in ausreichendem Maße gegeben. Dann waren wir wohl auf unterschiedlichen Veranstaltungen.
Ich hatte den Eindruck, dass die Betroffenen, die wir angehört haben, von diesen runden Tischen nichts gehört haben, nicht anwesend waren oder keine vernünftigen Vorschläge von ihnen bekommen haben.
Es steht ja wohl außer Frage, dass wir alle unsere Natur, die biologische Vielfalt von Flora und Fauna in Europa, schützen wollen, auch die Nutzer und Bauern. Der Aufbau eines europaweiten Netzes ist notwendig, um diesen Naturschutz zu erreichen. Deshalb wurden von der EU die entsprechenden Richtlinien herausgegeben. Die Umsetzung im Saarland hat leider nicht so funktioniert, wie wir uns das vorgestellt hatten. Warum? Die praktische Naturschutzarbeit wurde und wird vor allem auf regionaler und lokaler Ebene von den dort wirtschaftenden Menschen und Verbänden geleistet. Erst durch die Nutzung und Pflege dieser Gebiete wurden sie zu dem, was sie heute sind - eine einzigartige Kulturlandschaft mit Lebensräumen für seltene Pflanzen und Tiere. Naturnutzung schließt Naturschutz nicht zwingend aus.
Die Landesregierung hat nun aber ohne Rücksprache mit den Eigentümern, den Landnutzern und den verschiedenen Verbänden - zumindest wurde uns das so berichtet - Naturschutzgebiete ausgewiesen. Es wurden Verordnungen erlassen, die zum Teil überzogene Forderungen aufweisen und die in der verlangten Form gar nicht umsetzbar sind. Sie nutzen nicht dem Erhalt der Gebiete, sie würden sogar in einigen Fällen eher schaden. Eine Bewirtschaftung der Flächen wäre nur noch bedingt möglich. Es gibt offenbar ein kaum zu überwindendes Kommunikationsproblem; daneben vermisse ich eine Akzeptanzstrategie, die die Bevölkerung für Naturschutzmaßnahmen insgesamt sensibilisieren würde.
So wurde bereits vor der Ausweisung der Gebiete versäumt, mit Kommunen und Betroffenen zu reden. Das Ergebnis ist ein heilloses Durcheinander. Die Betroffenen zeigten Verärgerung und Unverständnis bis hin zu Wut und Verzweiflung wegen massiver und begründeter Existenzbedrohungen. Diese Situation hätte vermieden werden können, haben wir doch bei der letzten Anhörung der Verbände erfahren, dass es durchaus andere Möglichkeiten der Umsetzung dieser EU-Richtlinie gibt. Die Verordnungen hätten ohne Weiteres den gebiets- und nutzungsspezifischen Gegebenheiten angepasst werden können. Die Eigentümer, Pächter und Verbände hätten in Entscheidungen eingebunden werden können.