Protokoll der Sitzung vom 18.05.2011

Herr Bierbaum, Sie haben zu Recht gesagt, dass die Problematik auch in unserem Antrag durchaus deutlich wird, und ich denke, wir sind uns wirklich einig darin, dass wir alle in diesem Parlament gegen Missbrauch von Leiharbeit im Saarland sind und wirklich alles dafür tun müssen, um solchen Missbrauch zu verhindern. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, man sollte das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, und ich habe das Gefühl, Herr Professor Dr. Bierbaum, dass Sie wieder kräftig dabei sind, dies zu tun. Sie wollen das Kind mit dem Bade ausschütten.

Ich habe mich mit meiner Kammer und mit der IHK unterhalten. Dort ist niemandem ein Unternehmen bekannt, das in der Größenordnung von 30 Prozent Leiharbeiterinnen oder Leiharbeiter in seinen Reihen hat. Von daher denke ich, dass es einfach richtig, gut und vorausschauend ist, wenn man nicht einfach irgendwelche Dinge aus anderen Parlamenten übernimmt. Ich sage jetzt einmal: Die GA-Förderrichtlinien und Fördergebiete von Thüringen sind mit Sicherheit nicht mit denen im Saarland zu vergleichen. Von daher sind die Instrumente auch von ihrer Wirksamkeit her in einer ganz anderen Größenordnung zu sehen. Man sollte hier also, wie ich meine, mit ein bisschen mehr Augenmaß an die Dinge herangehen.

Leiharbeit, meine sehr verehrten Damen und Herren von der LINKEN, ist nicht nur ein schlechtes Instrument, so wie Sie es hier dargestellt haben. Sie ist nicht nur unter dem Aspekt „prekär“ zu sehen. Sie ist vielmehr auch eine Chance für gering Qualifizierte. Und ich erinnere die Kolleginnen und Kollegen der SPD daran, dass sie mit ihrer Bundesregierung dieses Instrument der Leiharbeit eingeführt haben - zu Recht, wie ich finde, denn wir haben ein so hochkompliziertes Arbeitsrecht, dass die Flexibilität in der Wirtschaft einfach verloren gegangen ist. Deshalb brauchen wir auch die Leiharbeit, aber wie gesagt: immer vor dem Hintergrund, dass wir hier nicht in einen Missbrauch hineingehen.

Ich denke, der vorliegende Antrag hat auch folgenden Hintergrund: Er soll die hervorragende Entwicklung des saarländischen Arbeitsmarktes in den letzten 18 Monaten ein bisschen schlechtmachen. Sie, Herr Professor Bierbaum, haben eben von einem Drittel prekärer Beschäftigung gesprochen. Ich werde darauf nachher noch eingehen. Aber wie sieht denn die Realität aus? Wir haben eine sehr hohe Beschäftigungsquote. Im April 2011 hatten wir 7 Prozent Arbeitslosigkeit. Das ist im Saarland die beste Aprilquote seit über 30 Jahren. Von daher können wir, wie ich meine, auf unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auf die Unternehmen stolz sein, weil sie diese Krise so gemeistert haben. Ich erinnere an die Prognosen der Arbeitskammer, die für das Jahr 2010 mit 50- bis 60.000 Arbeitslosen gerechnet hat. Gott sei Dank liegen wir jetzt deutlich unter dieser Marke, Gott sei Dank hat sich der saarländische Arbeitsmarkt ganz anders entwickelt, als es von der Arbeitskammer prognostiziert wurde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Unternehmen und auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben vorgesorgt. In diesem Zusammenhang muss man darauf hinweisen, dass wir eine Bundesregierung hatten, die die Krise richtig gemeistert hat. Wir befassen uns nachher mit einem Wirtschaftsantrag, in dem drei Herren aus der SPD ge

(Abg. Prof. Dr. Bierbaum (DIE LINKE) )

nannt werden, aber es war eine gemeinsame CDUSPD- Bundesregierung, die Maßnahmen in Bezug auf die Kurzarbeit ergriffen und hinsichtlich der Qualifizierung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vorausschauend gedacht hat. Der Fachkräftemangel ist nämlich nicht nur eine Fata Morgana; er ist in vielen Berufen und Gewerken schon angekommen. Und wir können auch auf Folgendes stolz sein: Wir haben seit Januar vergangenen Jahres 8.000 zusätzliche Arbeitsplätze. Ich denke, das ist eine hervorragende Ausgangsposition. Und wenn ich mir die Prognosen für das Jahr 2011 und die Wirtschaftsdaten ansehe, können wir davon ausgehen, dass wir zumindest gegen Jahresende auf eine Arbeitslosenzahl von 30.000 kommen können. Vielleicht können wir diese Zahl sogar noch unterschreiten.

Die Arbeitskammer und Sie, meine Damen und Herren von der LINKEN, sprechen von einem Drittel prekärer Beschäftigung. Da sind die Niedriglohnempfänger aufgeführt; da sind Minijobber aufgeführt, die ausschließlich Minijobs verrichten; da sind befristete Arbeitsverhältnisse aufgeführt. Minijobber im Nebenjob - also solche, die bereits einen regulären Job haben - haben Sie ebenfalls zu den prekären Arbeitsverhältnissen gezählt, ebenso die Leiharbeiter und die Ein-Euro-Jobber. Herr Professor Dr. Bierbaum, das macht noch nicht einmal die Hans-Böckler-Stiftung, und die steht nun wirklich nicht im Verdacht, der gegenwärtigen Bundesregierung nahezustehen.

(Zuruf des Abgeordneten Prof. Dr. Bierbaum (DIE LINKE).)

Also das geht alles ein bisschen zu weit. Ich möchte auch deutlich machen, dass das Niedriglohnangebot im Saarland bei 21,7 Prozent liegt. In der gesamten Bundesrepublik sind es 21,1 Prozent. Im Ausland sprechen wir von 28,1 Prozent. Und was signifikant ist, wenn Sie sich die Statistik einmal anschauen: Menschen mit einem hohen Bildungsniveau machen einen Anteil von 4,9 Prozent aus, Menschen mit abgeschlossener Berufsausbildung einen Anteil von 17,1 Prozent, Menschen ohne Berufsabschluss einen Anteil von 30,6 Prozent. Das heißt, wir müssen den Weg über die Qualifizierung gehen. Und wenn man hier den Niedriglohnsektor anspricht, muss man dazusagen, dass die Arbeitskammer den Wert der OECD angegeben hat, nämlich 9,85 Euro. Ich erinnere an die Mindestlohndebatte und all die anderen Dinge. Man muss hier also schon ein bisschen deutlicher differenzieren. Lassen Sie mich neutrale Beobachter des saarländischen und des deutschen Arbeitsmarktes zitieren. Das Institut der deutschen Wirtschaft -

(Widerspruch bei der LINKEN.)

Ich komme noch zu anderen. Ihnen gefallen sowieso nie Aussagen von Wirtschaftsverbänden. Nach Ihrer Meinung lügen die sich alle in die Tasche, ähnlich wie die Hans-Böckler-Stiftung und andere Einrichtungen.

(Zurufe von der LINKEN.)

Ich weiß nicht, wie Sie das machen wollen; das ist, sage ich einmal, insoweit unseriös. - Also: Das Institut der Deutschen Wirtschaft hat eine Umfrage zum Lohnniveau im Saarland durchgeführt und dieses Lohnniveau als mittelstandsorientiert bezeichnet. Warum? Wir haben wenige Geringverdiener und wenige, die ganz viel Geld in der Tasche haben. Von daher bewegen wir uns hier im Saarland auf einem mittelstandsorientierten Wert. Die Bertelsmann-Stiftung hat 2010 einen Standortwettbewerb durchgeführt. Dort hat man untersucht, wie sich die Transferempfänger auf die einzelnen Bundesländer verteilen. Rheinland-Pfalz hat mit 7 Prozent am besten abgeschnitten; Hessen und das Saarland landeten mit jeweils 9 Prozent auf dem zweiten Platz. Man hat dann gesagt, dass im Saarland die soziale Absicherung überdurchschnittlich hoch ist.

Die Sozialberichterstatter der Statistischen Landesämter haben in einer Studie festgestellt, dass es im Saarland eine unterdurchschnittliche Armutsgefährdung gibt. Ich weiß, das passt Ihnen alles nicht so in den Kram, aber es sind Tatsachen, die man auch von diesem Pult aus nennen muss. Weiterhin wurde festgestellt, dass im Saarland die Einkommen weniger ungleich als sonst in Westdeutschland verteilt sind. Die Job-AG hat bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine Umfrage durchgeführt, und zwar im März 2010, also in einer Zeit, von der man sagen kann, dass man sich noch am Ende der Krise befunden hat, dass es erst langsam bergauf ging.

Da haben die Saarländerinnen und Saarländer das Saarland mit Hessen und Rheinland-Pfalz auf dem zweiten Platz gesehen. Die Menschen in diesem Land empfinden den Arbeitsmarkt, ihre Arbeitsmarktbedingungen, ihren Arbeitsplatz und ihre Sicherheit als nicht so schlecht. Das Ansehen und der Wert sind nicht so schlecht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin nicht hier vorne am Pult, um Leiharbeit schönzureden oder um die Dinge in ein anderes Licht zu rücken, als es sich gehört. Ich habe zu Anfang meiner Rede bereits gesagt, dass sie ein wichtiges Mittel für die Firmen ist, Auftragsspitzen abzufangen und Situationen, die sie sonst am Arbeitsmarkt nicht bedienen könnten, zu bewältigen. Von daher ist sie ein wichtiger Bestandteil dieses Arbeitsmarktes. Herr Professor Bierbaum, wenn Sie sagen, es sei eine Schande für Deutschland, dass es hier sehr viel mehr Leiharbeit gibt als in anderen europäischen Ländern, so schauen Sie sich einmal die Arbeitslo

(Abg. Wegner (CDU) )

senzahlen in diesen Ländern an. Da frage ich Sie, ob es nicht vielleicht besser ist, Leiharbeiter zu sein als in Ausweglosigkeit, Arbeitslosigkeit und ohne Perspektive?

Es wird immer gesagt, der Klebe-Effekt sei lange nicht so hoch, wie behauptet werde. Reden Sie mit Herrn Schön, mit Hydac und Ford, wo Equal Pay ab der ersten Stunde gezahlt wird. Reden Sie mit Herrn Schuler, dem Betriebsratsvorsitzenden von ZF. Schauen Sie, welche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als Erste genommen werden, wenn Stellen ausgeschrieben sind. Es sind die, die dort als Zeitarbeiter schon einmal in Beschäftigung waren. Das hat im vorigen Jahr sehr viel Positives in diesem Bereich bewirkt. Es ist immer schön, alles ein bisschen schlechtzureden, aber die Realität sieht häufig eben etwas anders aus.

Ich darf Sie daran erinnern, dass wir in der Leiharbeit den höchsten Stand an tariflicher Durchorganisation haben. Wir haben in fast allen Bereichen eine klare tarifordentliche Regelung. Das Bundesarbeitsgericht hat im Dezember des vergangenen Jahres die Verträge der christlichen Gewerkschaften für ungültig erklärt. Was bedeutet das dort rückwirkend? Es gilt Equal Pay und der Anspruch der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer darauf. Auch hier muss man die Dinge, wie ich finde, deutlich zurechtrücken. Wir haben den Gleichstellungsgrundsatz im Gesetz fest verankert. Er besagt, dass es nach sechs Wochen gleiche Arbeitszeit geben muss, dass der Urlaubsanspruch und der Status gleich sein müssen, aber auch das Entgelt. Allerdings gibt es hier sehr viele Ausnahmen aufgrund der Tarife, die abgeschlossen worden sind. Aber da - ich schaue den Kollegen Roth an - sind die Gewerkschaften gefordert. Sie müssen ihrer Tarifautonomie gerecht werden und die nötigen Verhandlungen führen, um die Rahmenbedingungen auch in der Zeitarbeitsbranche so zu gestalten, dass sie Anklang finden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu diesem Thema kann man sehr viel sagen. Wir alle wollen keine Schleckers und AWOs oder andere, die hier Schindluder treiben. Deshalb gibt es das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, das von Frau von der Leyen auf den Weg gebracht worden ist und das wir als Saarland mit unserer Landesregierung positiv begleiten. Wir sind gegen Drehtür-Effekte. Wir sind dagegen, dass die fest angestellte Stammbesatzung einer Firma ausgelagert wird und dann über die Drehtür in Leiharbeit in die Firma zurückkommt. Wir werden das Gesetz positiv begleiten.

Lassen Sie mich noch zwei bis drei Sätze zur Thüringer Situation sagen. Ich habe eben schon angedeutet, dass man dort eine ganz andere GA-Quote hat als hier. Aber man muss natürlich bedenken, dass es nicht die Flexibilität des Arbeitsmarktes beeinträchtigt. Wenn ich Unternehmen fördere, die

neue Arbeitsplätze schaffen und erweitern, dann ist das etwas anderes. Sie schaffen zusätzliche Arbeitsplätze. Man kann sagen, die sich jetzt in Leiharbeit Befindlichen könnten dadurch in normale sozialversicherungspflichtige Beschäftigung kommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben einen Prüfantrag an diese Landesregierung gegeben, weil wir der festen Überzeugung sind, dass wir nicht genug wissen, um die Situation des saarländischen Arbeitsmarktes richtig beurteilen zu können. IHK, HWK, VSU, Arbeitskammer und Agentur werden uns helfen, diese Daten zu ermitteln. Dann werden wir das Thema erneut aufrufen und die richtigen Maßnahmen ergreifen, aber wir werden nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. - Vielen Dank.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich eröffne die Aussprache. - Für die SPD-Landtagsfraktion hat Herr Abgeordneter Eugen Roth das Wort.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Wegner, Form und Inhalt, wie Sie den Antrag der JamaikaKoalition begründet haben, halte ich für stark abwegig. Sie haben im Grunde genommen gegen Ihren eigenen Antrag gesprochen. Ich will auf zwei Stellen eingehen. In dem Antrag der Regierungsfraktion heißt es in Absatz 3: „Es ist nicht hinnehmbar, dass Unternehmen in Deutschland die Zeitarbeit zur Kostendämpfung nutzen und fest angestellte Mitarbeiter entlassen, um sie anschließend dauerhaft durch billigere Zeitarbeiter zu ersetzen.“ - Sie stellen das in Ihrem Antrag als Tatsache fest. Aber Sie, Herr Wegner, haben es bestritten. In dem Antrag heißt es weiter, um die Dimension der Leiharbeit in saarländischen Unternehmen richtig einschätzen zu können, müssten entsprechende Untersuchungen durchgeführt werden. Dann sagen Sie aber beim nächsten Tagesordnungspunkt, bei uns sei alles super, die Wirtschaft brumme, es gehe aufwärts, wir hätten dieses Problem nicht. Wenn Sie also erst analysieren müssen, was stattfindet, wie wollen Sie dann beim nächsten Tagesordnungspunkt bereits die Feststellung haben? - Da haben Sie aber sehr schnell analysiert. Ich finde, Ihr Beitrag wurde der Dimension des Problems und Ihrem eigenen Antrag nicht gerecht. Wenn Sie schon von Populismus sprechen, so würde ich auch die eigenen Argumente etwas sorgfältiger abwägen.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Wir müssen leider feststellen - hier stimmen die LINKE und die SPD im Saarland überein -, dass der Missbrauch von Leiharbeit, das Unterbieten regulä

(Abg. Wegner (CDU) )

rer Branchentariflöhne und die Verdrängung von Stammbelegschaften zur Regel geworden sind und nicht mehr die Ausnahme. Schlecker ist ein prominentes Beispiel, aber leider nicht das einzige. So hatten wir beim Saarland Sozialgipfel, einer Verbindung aus Kirchen, Wohlfahrts- und Jugendverbänden sowie aus Gewerkschaften - gewissermaßen eine saarländische Volksfront von rechts bis links und wieder zurück -, am 30. November Herrn Markus Breitscheidel zu Gast, einen investigativ tätigen Journalisten, der sein Buch „Arm durch Arbeit" vorgestellt hat. Er ist speziell auf das Leiharbeiterproblem eingegangen und hat dargestellt, wie schlimm es in Großbetrieben ist. Ein Beispiel war Opel. Er hat weiter ausgeführt, wie es in mancher Großbäckerei aussieht. Wir kennen das auch von Herrn Wallraff. Jetzt so zu tun, als sei das Problem vernachlässigbar und wegzuschieben, als könne es noch ein paar Analysen vertragen - die dann hoffentlich aber nicht so lange dauern wie beim Tariftreuegesetz -, das geht wirklich an der Situation generell und speziell im Saarland völlig vorbei.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Sie haben die CGZP, die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und PersonalService-Agenturen, angeführt. Sie ist ein weiterer Beleg in dieser ganzen Sache. Sie wurde auf Drängen richtiger Gewerkschaften vor das Bundesarbeitsgericht gezogen. Wahrscheinlich hätten Sie gesagt, das sei alles nicht so schlimm und gehöre zum Pluralismus. Es kam das Verbot des Bundesarbeitsgerichtes. Nicht von ungefähr macht die IG Metall derzeit eine Kampagne mit Namen „Gleiche Arbeit Gleiches Geld“.

Dieser Kampagne hat sich beispielsweise - wie ich finde, zu Recht - Herr Dr. Norbert Blüm angeschlossen. Es sind noch andere dabei, aber ich nenne jetzt einmal ganz bewusst Norbert Blüm, der sein gewerkschaftliches Herz dort nicht verleugnet und an der richtigen Stelle mitkämpft. Auch das sollte Ihnen zu denken geben.

Wenn es darum geht, die Situation im Saarland etwas näher zu beleuchten, dann halte ich die Arbeitskammer des Saarlandes für eine seriöse Quelle, nicht für eine unseriöse; da unterscheiden wir uns anscheinend. Es würde Sinn machen, einmal nicht solche Abwehr- und Ausweichdiskussionen zu führen, sondern, wenn man diese Analysen hat, auch mit diesen Analysen umzugehen. Dann könnten wir uns die ganzen Zwischenschritte im Interesse des Saarlandes, der Saarländerinnen und Saarländer schenken und gleich zum Thema kommen.

Ich verweise auf das, was Heinz Bierbaum gesagt hat: Die Arbeitskammer des Saarlandes hat detailliert nachgeprüft und aufgrund von Zahlen der Bundesagentur für Arbeit beziehungsweise der statisti

schen Ämter in Bund und Land belastbar nachgewiesen, dass bei uns der Boom überwiegend ein Leiharbeitsboom ist, dass bei uns der Aufwuchs an Arbeitsplätzen um 8.000 zum Stand 26. April zu einem großen Teil - rund 3.000 - in Leiharbeit gemündet ist. Das sind natürlich die Ersten, die aus dem Betrieb wieder draußen sind, wenn unsere Wirtschaft einmal stottert. Da ist also nichts mit Sicherheit. Der Klebeeffekt hat sich überwiegend als Märchen erwiesen. Das ist eine Geschichte - ja, da stehe ich auch dazu -, die auf Rot-Grün zurückgeht. Wir sind uns aber nicht zu schade, diese Dinge noch einmal nachzujustieren, wenn wir merken, dass diejenigen, denen wir Vertrauen geschenkt hatten, diese Regel systematisch missbraucht haben. Sie haben damit unser politisches Vertrauen missbraucht, wir müssen das neu regulieren; das ist unser Anliegen.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Letzte Bemerkung. Kollege Wegner, Sie haben gesagt, Sie kennen im Saarland keinen Betrieb, der über 50 Prozent Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer hat.

(Zurufe von der LINKEN: 30 Prozent!)

Über 30 Prozent - ich kenne eine höhere Zahl. Sie können ja selbst einmal rechnen, wie viele das sind. Wir haben die Firma Vivento, ein Ableger der Telekom auf dem Eschberg - da kann man zu Fuß hingehen -, dort sind von rund 410 Beschäftigten rund 270 in Leiharbeit und Zeitarbeit mit Löhnen im Spitzenbereich von brutto rund 8 Euro, auch für Feiertags- und Nachtarbeit. Das Schlimme bei der Sache ist: Es sind überwiegend Frauen. Das ist etwas, was man auch nicht unterschlagen darf. Die Problematik ist also, dass dies auf dem Rücken der Frauen, der Kolleginnen ausgetragen wird. Das darf so nicht weiterlaufen.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Nun hat bezeichnenderweise in Thüringen eine CDU-SPD-Koalition gesagt: Genug geschwätzt, wir wollen jetzt mal was machen. Analysen und Betroffenheitsrhetorik, das kann noch jahrelang so weitergehen, das hilft aber den Beschäftigten nicht und schadet am Schluss noch dem Standort. Es schadet dem Standort deshalb, weil die Kultur des „hire and fire“ letztendlich dazu führt, dass auch gesunde Unternehmen nicht stabilisiert, sondern destabilisiert werden. Im Übrigen geht es natürlich an dem Thema Fachkräftesicherung völlig vorbei, Thema verfehlt.

Die haben gehandelt, die haben das in ihrer Richtlinie berücksichtigt. Frau Christine Lieberknecht von der CDU und Wirtschaftsminister Matthias Machnig von der SPD haben das gemacht, weil sie gesagt haben, wir wollen das Image des Billigstandortes loswerden, insbesondere im Kampf um die Fach

(Abg. Roth (SPD) )

kräfte. Diese Überlegung ist richtig. Leider ist unser schönes Saarland das Thüringen des Westens. Wir konkurrieren mit Bremen um das Schlusslicht, was atypische und prekäre Beschäftigungsverhältnisse betrifft. Da muss es doch einmal möglich sein, einen kleinen Schritt zu gehen - das ist ja noch kein Riesenkonzept -, der dort praktisch schon gegangen wird und auch von der CDU mitgetragen wurde. Die sind ja bestimmt nicht auf den Kopf gefallen, sondern haben sich etwas dabei gedacht. Es müsste doch möglich sein, das auch bei uns umzusetzen.

Ich habe es eben erwähnt: Ich habe damals die Geschichte mit dem Tariftreuegesetz erlebt, 2008 bis 2010 haben wir geprüft. Wenn Jamaika nicht gekommen wäre, hätte es wahrscheinlich überhaupt kein Tariftreuegesetz gegeben. Wenn wir jetzt noch einmal prüfen, dann rennt uns das Thema weg. Es führt leider zu einer Erosion unseres Landes und der Arbeitskräfte im Standorte-Wettbewerb von innen. Es ist nicht etwas, was man beiläufig machen kann, sondern es ist etwas, was in den Fokus der entsprechenden politischen Planungen gerückt werden muss. Von daher bitte ich einfach darum, sich das noch einmal zu überlegen. So schlimm kann das ja nicht sein. Mir ist nicht bekannt, dass Thüringen untergegangen wäre, seit die das gemacht haben. Deren Prüfungen werden nicht vollkommen anders ausfallen als unsere. Wenn Sie mir eine Stunde Zeit geben, bringe ich Ihnen alle Zahlen, die Sie brauchen, unter anderem Zahlen der Arbeitskammer des Saarlandes, qualitativ zehnmal besser als die des Instituts der deutschen Wirtschaft, das Sie als seriös ansehen. Ich weise nur darauf hin, dass die vom Arbeitgeberverband finanziert werden, also nicht von irgendwelchen Firmen, die dort drin sind. Man könnte bei dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit auf Knopfdruck alles sofort kriegen, was man will.

Ich habe den Eindruck, es fehlt hier an politischem Willen. Ich sage Ihnen abschließend: Wenn Sie meinen, dass diese weitere Erosion in Richtung Billigzipfel im Südwesten der Republik -

(Zuruf.)

Sie haben so gesprochen, Kollege Wegner, im Gegensatz zu dem, was in eurem Antrag steht!