Wir wollen ein Höchstmaß an Wahlfreiheit bezogen auf Bildungsgänge und Betreuungsangebote garantieren. Wir wollen alle jungen Menschen begabungsgerecht fördern und das Saarland zu einem Land unbegrenzter Bildungs- und Aufstiegschancen entwickeln.
Um diese Ziele zu erreichen, streben wir an, den Anteil der Ausgaben für Bildung und Wissenschaft am Landeshaushalt schrittweise auf 30 Prozent aufzustocken. Damit werden wir zugleich die Verpflichtungen des nationalen Bildungsgipfels erfüllen. Von allgemeinen Einsparquoten bleiben Bildung und Wissenschaft ausgenommen. Die auf Grund der demografischen Entwicklung frei werdenden finanziellen Mittel verbleiben im Bildungssystem und werden eingesetzt, um die Qualität zu verbessern. Damit, meine sehr verehrten Damen und Herren, steht fest: Wir räumen dem Bildungsbereich Priorität ein. Angesichts der Bedeutung des Bildungswesens für die Zukunft unseres Landes ist diese Prioritätensetzung nicht nur gerechtfertigt, sondern geboten. Deshalb haben wir uns dazu in aller Deutlichkeit entschlossen.
Ein erster Schwerpunkt wird dabei der quantitative und qualitative Ausbau der Krippenplätze und der Betreuungsangebote sein. Ziel ist, den ab dem 01. August 2013 bestehenden Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr einzulösen. Die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern werden wir reformieren. Perspektivisch wird ein inhaltlich fokussiertes Fachhochschulstudium angestrebt. Gleichzeitig soll der Studiengang „Pädagogik der Kindheit“ an der HTW um einen berufsbegleitenden Teil ergänzt werden. Für Kinderpflegerinnen und pädagogische Kräfte in Tageseinrichtungen und Freiwilligen Ganztagsschulen werden wir berufsbegleitende Fortbildungsmöglichkeiten anbieten. Damit ist sichergestellt, dass auch für diejenigen, die teilweise seit vielen Jahren hervorragende Arbeit in unseren Vorschuleinrichtungen leisten, neue Perspektiven eröffnet werden.
Auch wenn wir den Anteil derjenigen, die mit einer akademischen Ausbildung in diesem Bereich tätig sind, erhöhen: Wir wollen diejenigen, die jetzt tätig sind, die hervorragende Arbeit leisten, nicht vergessen und für sie neue Angebote schaffen. Wir wollen sie auf diesem Weg mitnehmen.
Außerdem wollen wir Bildung und Betreuung im Saarland künftig enger miteinander verzahnen. Neben den erwähnten qualitätssteigernden Maßnahmen werden wir deshalb das gebührenfreie letzte Kindergartenjahr gemeinsam mit den Trägern der Betreuungseinrichtungen zu einem obligatorischen Schulvorbereitungsjahr weiterentwickeln. Damit werden für die Kinder die Möglichkeiten eines gleitenden Übergangs vom spielerischen Lernen im Kindergarten zum strukturierten Lernen in der Grundschule geschaffen. Wir werden so bereits im Vorfeld der Grundschule Raum für die individuelle und gezielte Förderung unserer Kinder schaffen. Im Vordergrund wird dabei die frühzeitige Stärkung der Sprachkenntnisse stehen.
Neben dieser intensivierten Frühbildung und -förderung streben wir an, ab dem Schuljahr 2011/2012 die gemeinsame Grundschulzeit aller Kinder eines Jahrganges um ein Jahr zu verlängern. Unter der Bedingung, dass die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden können, sollen die Schülerinnen und Schüler in der fünften Klasse gemeinsam von Grundschullehrkräften und Lehrpersonal aus den weiterführenden Schulen unterrichtet werden. Dabei werden wir sicherstellen, dass alle Kinder nach ihren individuellen Lernmöglichkeiten gefördert und gefordert werden. Damit die Lehrkräfteversorgung im Zuge der so erweiterten Grundschule gewährleistet wird, werden wir im Einvernehmen mit der Universität - beginnend ab dem Jahr 2011 - die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer
für die Grundschule und die Sekundarstufe I wieder zurück ins Saarland verlagern. Wir wollen unsere Lehrerinnen und Lehrer in diesem Bereich wieder selbst ausbilden. Die neue individuelle Förderung werden wir am Ende der Grundschulzeit mit einem verpflichtenden Beratungsgespräch für die Eltern flankieren, das an die Stelle der bisherigen verbindlichen Schullaufbahnempfehlung tritt. Die Entscheidung über die weitere Schullaufbahn soll also in gemeinsamer Verantwortung von Eltern und Lehrern getroffen werden.
Das weiterführende Schulsystem soll ab dem Schuljahr 2013/2014 auf zwei gleichwertigen Säulen beruhen. Eine Säule ist das grundständige Gymnasium. Die zweite Säule besteht aus einer neuen Schulform, nämlich aus der Gemeinschaftsschule, in die die bisherigen Schulformen Erweiterte Realschule und Gesamtschule übergeleitet werden. Eltern und Kinder haben damit die Wahl zwischen zwei verschiedenen Schulformen und zwischen zwei unterschiedlichen Wegen zum Abitur. Das Gymnasium bietet unverändert das Abitur in 12 Jahren an, wobei wir aber die Stundentafel und die Lehrpläne des G 8 auf der Grundlage der Vorschläge der von der Vorgängerregierung eingesetzten Expertengruppe überarbeiten werden, um Überforderungen von Schülerinnen und Schülern zu vermeiden. Daneben wird die Gemeinschaftsschule alle Schulabschlüsse bis hin zum Abitur in 13 Jahren anbieten. Nach wie vor findet hier eine Leistungsdifferenzierung statt, über deren Ausgestaltung die Schulkonferenzen nach Festlegung eines KMK-konformen Differenzierungsrahmens entscheiden. Auch damit ermöglichen wir ein Höchstmaß an Wahlfreiheit, insbesondere für die Eltern. Wahlfreiheit ist Maxime dessen, was wir tun. Ich glaube, dass wir damit den Erwartungen, aber auch den Ansprüchen gerecht werden, die die Eltern stellen können.
Wir sind uns bewusst, dass die Umsetzung dieses 2-Säulen-Modells eine Verfassungsänderung voraussetzt. Dabei besteht zwischen den Koalitionspartnern über den dauerhaften Fortbestand des grundständigen Gymnasiums Einvernehmen. Bei einer Verfassungsänderung wird dies rechtlich abgesichert. Bei Nichtzustandekommen einer Verfassungsänderung bleibt die vierjährige Grundschule erhalten. Die Prinzipien der Chancengleichheit, Wahlfreiheit, Durchlässigkeit und des längeren gemeinsamen Lernens werden dann in Form von Teilreformen realisiert.
Unabhängig hiervon wollen wir künftig auf die unfreiwillige Wiederholung einer Klasse bis zum 7. Schuljahr verzichten. Erst dann werden verbindliche Ver
setzungsempfehlungen ausgesprochen. Sowohl für starke wie für schwächere Schülerinnen und Schüler werden wir in Zukunft verstärkt individuelle Förderprogramme einrichten. Wir wollen allen Kindern in ihren unterschiedlichen Begabungen gerecht werden. Insbesondere die Hochbegabtenförderung und die Sprachförderung für Kinder mit Migrationshintergrund werden wir weiter ausbauen. Darüber hinaus werden wir im Sinne der gerechten Leistungsbeurteilung und mit dem Ziel der Qualitätssicherung schulformübergreifend an den zentralen Abschlussprüfungen festhalten.
Nicht nur bei der Schullaufbahn, sondern auch im Bereich der halb- und ganztägigen Schulbetreuung wollen wir künftig umfassende Wahlfreiheit schaffen. Wir werden - neben der Freiwilligen Ganztagsschule - auch die gebundenen ganztagsschulischen Angebote und die Ganztagsklassen ausbauen. An Standorten mit mehreren Schulen gleichen Typs sollen schrittweise Ganztagsschulen errichtet werden können.
Lieber Herr Kollege Maas. Sie rufen an dieser Stelle: Zwangstagsschulen. Ich kann Ihnen sagen, dieses Modell sichert, dass die Eltern frei entscheiden können, welches Modell der Betreuung sie annehmen: gebundene Ganztagsbetreuung, freiwillige Ganztagsbetreuung oder Halbtagsbetreuung.
Die Eltern entscheiden! Das ist nicht Zwang, das ist Übertragung von Verantwortung an die Eltern. Das ist das Gegenteil von Zwang, aber das Richtige für unsere Eltern und unsere Kinder, Herr Kollege Maas.
Ich will abschließend noch zwei Vorhaben im Bereich der Schulorganisation und der Lehrerausbildung ansprechen. Um die Lehrer auf ihre künftigen Aufgaben im Bereich der Binnendifferenzierung und Individualförderung vorzubereiten, werden wir die Lehrerausbildung zugunsten der Stufenlehrerausbildung verändern. Darüber hinaus wird es in Zukunft verstärkt darauf ankommen, dem sich schon heute abzeichnenden Lehrermangel in einzelnen Fächern entgegenzuwirken. Wir wollen deshalb die Übernahme von Lehrkräften aus anderen Bundesländern intensivieren und verstärkt qualifizierte Seiten- und Quereinsteiger für den Lehrerberuf gewinnen. Diese qualitätssichernden Maßnahmen finden an den Schulen selbst ihre Fortsetzung. Wir werden systematische Qualitätsüberprüfungen durchführen und
gleichzeitig die Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Schule verbessern, insbesondere in den Bereichen Finanzplanung und Personalorganisation. Wir wollen mehr Verantwortung, mehr Wahlfreiheit in einem Schulsystem, in dem jeder mitgenommen wird, der Schwächere genauso wie der Stärkere. Das ist unser Ziel, dieser Aufgabe wird sich die neue saarländische Landesregierung stellen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich komme damit zu dem Bereich der Hochschulen. Auch im Bereich der Hochschulen setzen wir auf Eigenverantwortlichkeit und Selbstverwaltungsautonomie. An den bewährten Instrumenten des Globalhaushaltes und der Zielvereinbarungen halten wir fest. Wir werden auf eine Intensivierung der Zusammenarbeit der Hochschulen mit privaten Unternehmen mit dem Ziel hinwirken, verstärkt Mittel für Stiftungsprofessuren zu gewinnen und die dualen Studiengänge weiterzuentwickeln.
Die Koalitionspartner haben sich darauf geeinigt, das grundständige Erststudium ab dem Sommersemester 2010 wieder gebührenfrei zu stellen. Die Gebührenpflicht für Zweitstudien und Langzeitstudierende besteht fort. Die Koalitionspartner stimmen überein, dass der Wegfall der Gebührenpflicht nicht zu Lasten der Qualität der Lehre gehen darf. Dass sich die Qualität der Lehre an den saarländischen Hochschulen verbessert hat, kann man ohne Weiteres nachvollziehen, wenn man sich die Zahl der Ersteinschreibungen, aber auch die Zahl der Studienwechsler an die Universität des Saarlandes anschaut. Wenn alleine über 800 Studierende von anderen Hochschulen in diesem Semester an die Universität des Saarlandes wechseln, dann zeigt das: Die Exzellenz der Lehre hat sich verbessert. Das soll so bleiben, und deshalb erfolgt eine Kompensation für die wegfallenden Einnahmen der Hochschulen aus allgemeinen Haushaltsmitteln.
Im Bereich der strategischen Ausrichtung unserer Hochschulen verfolgen wir im Rahmen der Landeshochschulentwicklungsplanung das Ziel, bis zum Jahr 2020 eine attraktive und vernetzte Hochschullandschaft in Zusammenarbeit mit den Partnern der Großregion zu etablieren. Wir werden darauf hinwirken, dass insbesondere im Bereich der Zukunftsbranchen neue wissenschaftliche Einrichtungen und Studiengänge etabliert werden. Dazu zählt beispielsweise die Einrichtung eines Lehrstuhls für integrierte Mikrosysteme der Energieversorgung und die Unterstützung des Masterprogramms Visual Computing.
Auf dem Weg zu einer vernetzten Hochschullandschaft werden wir uns für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen der Universität des Saarlandes und der HTW, insbesondere im Bereich der Inge
nieurwissenschaften, einsetzen, und auch ein Promotionsrecht zur Aufwertung dieses und anderer Studiengänge an der HTW prüfen. Die Hochschulen und universitätsnahen Forschungsinstitute sind unverzichtbare Innovationstreiber in unserem Land. Wir werden sie daher in ihrem Bemühen um Exzellenz in Forschung und Lehre unterstützen und offensiv in den Prozess des Strukturwandels einbeziehen. Unser Land verfügt über hervorragende Forscher und Lehrer. Mit ihnen gemeinsam wollen wir neue Wege für die Zukunft unseres Landes gehen.
Auch die Gewährleistung der inneren Sicherheit, ohne dabei die Rechte des Einzelnen oder die Grundsätze einer offenen Gesellschaft zu schwächen, ist wichtiges innenpolitisches Anliegen der neuen saarländischen Landesregierung. Wir wollen die Bürgerrechte stärken und zugleich Freiheit, körperliche Unversehrtheit und Eigentum der Menschen schützen.
Wir werden jegliche Form des Extremismus konsequent bekämpfen. Wir werden die jederzeitige Handlungsfähigkeit der saarländischen Polizei auch weiterhin gewährleisten und die Polizeipräsenz in der Fläche erhalten. Darüber hinaus wollen wir vor dem Hintergrund einer sich wandelnden Gesellschaftsstruktur verstärkt Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Migrationshintergrund für den Polizeidienst gewinnen. Auch hier wollen wir neue Gemeinsamkeiten wagen.
Wir wollen Kriminalität nicht nur repressiv, sondern auch präventiv bekämpfen. Deshalb werden wir das in dieser Form einzigartige Landesinstitut für präventives Handeln ausbauen. Dieses Institut gibt es in vergleichbarer Weise nirgendwo. Wir haben über alle Parteigrenzen hinweg Anerkennung für dieses Institut erfahren. Wir wollen mit dieser Arbeit des Instituts dafür sorgen, dass Prävention gerade im Kriminalitätsbereich für uns ein wichtiges Thema ist. Unsere besondere Aufmerksamkeit werden wir dabei der Prävention und der Bekämpfung der Jugendkriminalität widmen, damit junge Menschen nicht auf die schiefe Bahn geraten.
Ich will auch ausdrücklich sagen, wir vergessen die Opfer von Straftaten nicht. Die vorhandenen Instrumente des Opferschutzes werden wir konsequent anwenden und ihre Ausweitung prüfen. Neue technologische Entwicklungen führen zu Gefährdungen insbesondere im Bereich des Datenschutzes. Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger im Rahmen unserer Möglichkeiten wirksam vor dem Missbrauch ihrer persönlichen Daten schützen. Eine Maßnahme hierzu wird die Schaffung eines unabhängigen Datenschutzzentrums sein, in dem der Datenschutz für den öffentlichen und den privaten Bereich zusammengeführt wird.
Parallel dazu werden wir im Saarland selbst auf eine eigene gesetzliche Grundlage zur Durchführung von Online-Durchsuchungen ebenso verzichten wie auf eine automatisierte Kennzeichenerfassung im Saarländischen Polizeigesetz. Darüber hinaus wird die Videoüberwachung im öffentlichen Raum allein der Vollzugspolizei im Rahmen der bestehenden rechtlichen Möglichkeiten vorbehalten bleiben.
Die saarländische Landesregierung, meine sehr verehrten Damen und Herren, weiß um die unterdurchschnittliche Finanzkraft der saarländischen Kommunen. Insoweit sitzen Land und Kommunen in einem Boot. Insoweit sind das Land und seine Kommunen in einer Schicksalsgemeinschaft verbunden. Die Landesregierung bietet den Kommunen des Landes eine offene und partnerschaftliche Zusammenarbeit an.
Wir sind bereit, den kommunalen Finanzausgleich zu überprüfen, um eine angemessene Berücksichtigung der unterschiedlichen sozialen, infrastrukturellen und kulturellen Lasten zu gewährleisten. Wir wollen gemeinsam mit den Kommunen die Zukunft des Landes gestalten und im Rahmen unserer Möglichkeiten die kommunale Selbstverwaltungsautonomie stärken. Wir wollen starke und gesunde Kommunen, denn nur dann gibt es ein starkes und ein gesundes Land.
Natürlich soll das Saarland auch in Zukunft eine Gesellschaft mit menschlichem Gesicht sein. Wir wollen, dass in diesem Land niemand im Abseits steht. Wir wollen die Menschen mitnehmen auf unserem Weg in die Zukunft. Wir setzen dabei auch auf das Engagement und die Solidarität der Saarländerinnen und Saarländer. Vor uns liegen viele Aufgaben, die staatliches, aber auch gesellschaftliches Engagement erfordern. Eine dieser Aufgaben besteht in der Bekämpfung der sogenannten neuen Armut.