Protokoll der Sitzung vom 17.12.2009

(Zuruf der Abgeordneten Hoffmann-Bethscheider (SPD).)

Liebe Frau Hoffmann-Bethscheider, dann ist die SPD in Thüringen auch regierungsunfähig, weil die Klausel dort auch im Koalitionsvertrag steht. So ein Unsinn!

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Das gilt für die SPD in Berlin und in Brandenburg. Überall sind solche Bundesratsklauseln drin. Jetzt machen Sie doch nicht so, als würden wir hier die Republik neu erfinden!

(Zuruf der Abgeordneten Hoffmann-Bethscheider (SPD).)

Die zentrale Frage Wachstumsbeschleunigung wird im Kabinett beschlossen und morgen wird abgestimmt.

(Sprechen bei der SPD.)

Die Linie ist, dass wir dem Gesetz zustimmen, wenn unsere Landesinteressen gewahrt sind und wenn wir kompensatorische Zahlungen erhalten können. Diese Linie werden wir vertreten und zwar gemeinsam als Partner. - Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der CDU.)

(Abg. Schmitt (CDU) )

Das Wort hat Herr Fraktionsvorsitzender Rolf Linsler.

(Sprechen bei der LINKEN.)

Stellvertretender Fraktionsvorsitzender - so schnell geht es manchmal.

(Verbreitet Sprechen und Heiterkeit.)

Ich dachte, ich wäre direkt befördert worden. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz soll für Wachstum sorgen. Das sagt schon das Wort. Was hilft es aber dem Staat, wenn Firmenerben um Millionen entlastet werden und wenn die Mehrwertsteuer - wie Herr Schmitt vorhin zu erklären versucht hat - von 19 auf sieben Prozent gesenkt wird? Das sind zwölf Prozent für Hotels. Die Spitzenhotels - nicht die kleineren, die vielleicht davon profitieren könnten -, die es im Grunde genommen gar nicht notwendig haben, werden entlastet. Vielleicht übernachten Sie dort und wollen etwas Schönes tun; kann ja sein.

(Zurufe: Oh. - Heiterkeit und Lachen. - Abg. Mül- ler (CDU) : Wie meinst Du das?)

Herr Schmitt, entlastet werden die größeren Unternehmen, nicht die kleinen und die mittelständischen. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Bei den Ehepaaren mit Kindern werden die Besserverdienenden bedient und nicht die Ehepaare, die unter die Geringverdiener fallen oder Hartz-4-Empfänger sind. Aus dem Grund sage ich klar und deutlich: Das ist kein Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Das ist ein Wachstumsklientelbedienungsgesetz! Das haben Sie so ungefähr angedeutet. Die CDU kann ja gar nichts dafür. Wir sind in einer Koalition. Die FDP ist schuld. Das sage ich jetzt. So war es inhaltlich zu hören. Zumindest habe ich es so verstanden. Damit hätten Sie vielleicht gar nicht unrecht.

Die Entlastung kostet uns 8,5 Milliarden Euro. Davon sollen die Länder 2,3 Milliarden und die Gemeinden 1,6 Milliarden tragen. Das Saarland - so der saarländische Ministerpräsident; es ist auch sonst so gesagt worden - müsste 40 Millionen dazu beisteuern. Der Ministerpräsident sagte, das Saarland will dem Gesetz nicht zustimmen. Oder habe ich es heute Morgen im Saarländischen Rundfunk falsch verstanden? Er hat das gemeldet. Das wäre prima! Dann stimmen Sie der Vorlage zu, die die SPD vorgelegt hat. Damit erfüllen Sie das, was heute im Rundfunk kam. So einfach ist das.

Die saarländischen Kommunen - das heißt die Städte und die Landkreise - warnen vor ruinösen Folgen für die Kommunalfinanzen. Es gibt auch das Gutachten, das die Landesregierung wegen der Stadt

Saarbrücken in Auftrag gegeben hat. Ich will das Gutachten zitieren. Aber Sie berufen sich als Landesregierung darauf, die Stadt Saarbrücken, in der ich wohne und in der ich gewählt worden bin, müsste sparen. Ich gebe nur zwei, drei kleine Beispiele. Der Winterdienst muss, wenn es schneit, extra besteuert und bezahlt werden. Das steht dort drin; das soll gemacht werden. Weiterhin steht drin, dass die Bürgerinnen und Bürger mehr tragen sollen als andere. Jeder weiß - das passiert Ihnen auch so, Herr Ministerpräsident; Sie pendeln von Eppelborn nach Saarbrücken herein -, dass die Straßen in Saarbrücken mehr belastet werden als woanders. Das ist ja logisch.

(Sprechen.)

Also müsste man doch dafür eintreten, dass solche Sachen nicht gemacht werden. Mein letztes Beispiel. Als Empfehlung steht drin, die Stadt Saarbrücken solle dafür sorgen, dass durch Blitzer mehr Geld eingenommen wird. Das heißt, die stehen in Zukunft irgendwo mit dem Tarnnetz und machen die Knöllchen. Das heißt, den Rechtsstaat auf den Kopf zu stellen, Herr Justizminister. Die Blitzer werden nicht aufgestellt um abzukassieren; sie werden aufgestellt, um die Fahrerinnen und Fahrer zu erziehen! Das teile ich. Aber nicht mit dem Tarnnetz hinstellen und Geld einziehen, damit es den Städten und Gemeinden besser geht!

(Sprechen. - Zuruf der Abgeordneten Willger- Lambert (B 90/GRÜNE).)

Dazu kommt, dass Sie, Herr Ministerpräsident, für die Schuldenbremse eingetreten sind. Das habe ich schon damals nicht verstanden. Das habe ich immer gesagt; das sage ich nicht zum ersten Mal. Sie haben dieses Werk unterschrieben; es kommt ins Grundgesetz hinein. Dafür hatte ich kein Verständnis. Man kann auch keines dafür haben. Die Schuldenbremse wirkt schon 2016 und, soweit ich das im Kopf habe, bis 2020.

(Abg. Müller (CDU) : Für den Bund.)

Für den Bund. Wir sind aufgefordert, bis 2020 die Schulden zu begrenzen und unsere Zinsen zu bezahlen. Die Hälfte wurde Ihnen zugesagt: 230 Millionen. Es fehlen immer noch 270 Millionen, die wir jährlich tragen müssen.

(Sprechen bei der CDU.)

Wir haben auf der einen Seite durch das in Rede stehende Gesetz Steuereinnahmeverluste. Wir sollen - wie gesagt - die Schuldenbremse, die Sie mit unterschrieben haben, bis 2020 erfüllt haben. Das kann eventuell nur Folgendes heißen, worüber man sich im Saarland auch unterhalten muss. Wenn wir durch dieses in Rede stehende Gesetz draufzahlen müssen, was wir bis 2020 aufgrund der Schuldenbremse erbringen müssen, dann laufen wir nach jet

zigem Stand - ohne den Teufel an die Wand zu malen; das wissen Sie aber auch, Herr Ministerpräsident - Gefahr, dass eine Neugliederung der Länder bevorsteht. Das heißt, das Saarland läuft ab 2020 Gefahr, nicht mehr selbstständig zu sein! Das muss man im Saarland klar und deutlich zum Ausdruck bringen. Die Gefahr ist da. Ich gehe davon aus, dass wir Saarländer dies mehrheitlich nicht wollen.

(Beifall bei der LINKEN.)

Aus diesem Grund muss man diese Regierung und die Vorgängerregierung, die Sie zehn Jahre lang geführt haben, fragen: Wer trägt Schuld an der Finanznotlage des Landes? Doch sicherlich die, die zehn Jahre lang dran waren und immer noch dran sind! Die müssen das machen!

(Lachen und Heiterkeit. - Zurufe von der CDU. - Abg. Wegner (CDU) : Waren Sie schon einmal bei der Saar-Gemeinschaftsinitiative?)

In den letzten zehn Jahren war die CDU in der Alleinregierung. Der Chef der Deutschen Steuergewerkschaft - Dieter Ondroweck -

(Zuruf: Wie?)

Ondrozeck.

(Sprechen.)

Heißt er nicht so?

(Minister Jacoby: Nein.)

Wie heißt er denn?

(Minister Jacoby: Ondracek.)

Ondracek. Danke für den Hinweis. Das ist prima. Ich kenne den Herrn Ondracek nicht persönlich. Wenn mir der Minister das sagt! Er ist immerhin Minister.

(Lachen und Heiterkeit. - Sprechen. - Beifall.)

Er sagt, dieses Wachstumsbeschleunigungsgesetz wäre der größte Blödsinn. Er sagt nicht nur Blödsinn. Er sagt, es sei Blödsinn hoch 3. Er ist ein Mensch, der bei der Steuergewerkschaft Bundesvorsitzender ist; er war lange in der Bundesfinanzbehörde beschäftigt -

(Abg. Müller (CDU) : War er doch gar nicht.)

Das habe ich gelesen. - Ich gehe davon aus, dass er weiß, wovon er spricht.

(Sprechen.)

Bei der Anhörung im Bundestag sind 17 Experten angehört worden. 17! 15 von diesen Experten waren gegen das Gesetz. Wo kommt denn jetzt Euer Expertenverstand her? Im Bundestag waren von 17 15 dagegen. Und, wer ist denn jetzt Euer Experte von der Jamaika-Koalition, der erklärt, wie es wirklich ist? Es ist vorhin gesagt worden - das Stichwort Verdi ist gefallen; danke, Herr Minister; das war der Pe

ter -, Arbeitgeber und Arbeitnehmerverbände sind sich in der Ablehnung dieses Gesetzes einig. Sie bringen es mit den Worten auf den Punkt: Weder werden Arbeitsplätze geschaffen noch gehalten noch werden sonstige arbeitsmarktpolitische Ziele erreicht. Das muss Ihnen doch eigentlich zu denken geben. Wenn Ihre Klientel zumindest auf der Arbeitgeberseite so harte Worte formuliert, dann muss das doch zu denken geben. Man muss doch darüber nachdenken.

Das Gesetz verengt die Spielräume von Ländern und Kommunen zur Finanzierung der sozialen Infrastruktur vor Ort. Das hat unter anderem die Städtetagspräsidentin Roth aus Frankfurt gesagt. Sie weiß, was sie redet. Sie ist CDU-Mitglied. Sie macht in Frankfurt ganz gute Arbeit. Wir können von unserer Seite hinhören und sagen, sie hat vielleicht gar nicht so unrecht. In meinen Augen hat sie 100 Prozent recht.

Und dieses Gesetz verschärft die Kluft zwischen Arm und Reich. Das ist eigentlich der zentrale Punkt. Es soll ein Gesetz verabschiedet werden, das 8,5 Milliarden Euro umverteilt. Dieses Gesetz kommt genau denen zugute, die in der Gesellschaft hervorragend dastehen. Diejenigen, die nicht so hervorragend dastehen, haben von ihm große oder größere Nachteile.

(Zuruf des Abgeordneten Commerçon (SPD).)