Protokoll der Sitzung vom 04.05.2010

die aktuelle Situation im Wirtschaftsministerium Herrn Georgi zurückwünschen. Das kann ich nicht so ganz teilen.

(Zuruf des Abgeordneten Commerçon (SPD).)

Ich weiß, es war Ausdruck der Verzweiflung, aber Herr Georgi ist ausgerechnet jemand, der immer für Arbeitszeitverlängerung und den Niedriglohnsektor stand. Arbeitszeitverlängerung trägt übrigens auch zur Lohnsenkung bei. Das ist eine Politik, die falsch war und ist. Dies würde die prekäre Arbeit weiter nach vorne treiben, und das wollen wir nicht.

Zurück zum Thema strukturelle Arbeitslosigkeit, insbesondere Langzeitarbeitslose. Wir meinen, da muss etwas getan werden. Die Langzeitarbeitslosen sind diejenigen, denen dringend geholfen werden muss, weil sie von den Folgen der Krise am stärksten betroffen sind. Wir wollen sie nicht der prekären Arbeit überlassen; wir wollen sie nicht in Ein-EuroJobs oder ähnliche Verhältnisse schicken. Wir wollen ihnen vielmehr die Perspektive bieten, auch von ihrer Arbeit leben zu können.

(Beifall bei der LINKEN.)

Deswegen schlagen wir konkret einen öffentlichen Beschäftigungssektor mit rund 3.000 Arbeitsplätzen vor, wobei sich die Einkommen am Tarif beziehungsweise an einem Mindestlohn von 10 Euro in der Stunde orientieren sollten, wie wir ihn ja allgemein gefordert haben. Ich kenne die vielen Bedenken gegenüber dem Mindestlohn, aber es gibt keine Studie, die eine negative Wirkung nachweist. Ein Mindestlohn würde eine Grenze nach unten bieten und dem Lohndumping wirklich Einhalt gebieten.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Dies würde, wenn wir uns daran orientieren, bedeuten, dass man von einem Bruttogehalt von 1.800 Euro im Monat ausgehen müsste. Wenn wir die Möglichkeiten der Bezuschussung durch die Arbeitsagentur nach § 16 SGB II mit in Betracht ziehen, würde dies heißen, dass noch 25 Prozent vom Land zugeschossen werden müssten, weil 75 Prozent über die Arbeitsagentur gefördert würden. Bei 3.000 Beschäftigten würde dies im Jahr 16,2 Millionen Euro ausmachen. Für das Haushaltsjahr 2010 wären es 8,1 Millionen Euro.

Ich will in diesem Zusammenhang noch einen anderen Punkt deutlich machen: Während wir auf der einen Seite die Arbeitslosen haben, die keine Beschäftigung finden, liegen auf der anderen Seite gesellschaftliche Bereiche brach, in denen es dringend notwendig wäre, etwas zu tun. Damit meine ich insbesondere die Pflegedienste, die sozialen Dienste, die Hilfe für Senioren, für ältere Beschäftigte und dergleichen mehr. In diesen Bereichen sollten solche Arbeitsplätze zusätzlich eingesetzt werden. Wir meinen, dass dies notwendig ist und dass die dafür

erforderlichen Ausgaben ebenfalls über den Haushalt getragen werden müssten. Dies halten wir für ein wesentliches Element, um prekären Beschäftigungen entgegenwirken zu können. Es geht darum, mehr Arbeitsplätze zu schaffen und etwas für die soziale Gerechtigkeit in diesem Land zu tun. - Vielen Dank.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Das Wort hat der Abgeordnete Christoph Kühn, FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege Scharf ist ja schon auf die Aussage der Kollegin Biendel eingegangen, und die Kollegin Ries hatte noch einen Zwischenruf gestattet. Es war nicht langsam, wenn ich jetzt einmal meine Person nehme. Ich bin seit September 2009 Mitglied dieses Hauses. Wir haben im letzten Jahr ein Gespräch mit dem Landesjugendring geführt. Wir haben damals die Erhöhung in Aussicht gestellt. Wir werden sie nachher umsetzen. Also ich weiß nicht, was daran langsam ist, Frau Kollegin.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem vorliegenden Einzelplan 05 zeigen die Regierungsfraktionen, dass es möglich ist, den Spagat zwischen Investitionen und Sparzwang zu bewältigen. Ich möchte aus dem weiten Themenfeld des Ministeriums nur einige wenige Punkte herausgreifen.

Der saarländische Arbeitsmarkt war und ist infolge der Wirtschaftskrise angespannt. Massenentlassungen konnten durch die Kurzarbeit beziehungsweise ihre Verlängerung aufgefangen und somit verhindert werden. Trotzdem musste ein vorübergehender Anstieg der Arbeitslosenrate verzeichnet werden. Im November 2008, vor der Finanzkrise, waren rund 33.500 Männer und Frauen arbeitslos, im April 2009 waren es 40.500, und heute liegen wir bei 39.800. Dies sind garantiert immer noch zu viele, aber wir sind noch weit entfernt von den 55- bis 60.000 Arbeitslosen, die von der Opposition prognostiziert wurden. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die aktuelle Statistik und auch erste Signale aus der Wirtschaft deuten darauf hin - da muss ich dem Kollegen Bierbaum widersprechen -, dass wir wenn auch nur eine leichte, aber doch eine Trendwende in Sicht haben.

Nun komme ich zu dem bereits angesprochenen öffentlichen Beschäftigungssektor. Er hat sicherlich seine Berechtigung für einen Teil der Langzeitarbeitslosen und ist - das ist eben bereits angeklungen - ein Teil unserer Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik. Was wir jedoch aus unserer Sicht nicht brauchen, ist ein übermäßig aufgeblähter öffentlicher Be

(Abg. Prof. Dr. Bierbaum (DIE LINKE) )

schäftigungssektor, wie er von Ihnen gefordert wird. Und wenn ich auf den Mindestlohn zurückkommen darf: Die 10 Euro pro Stunde, die gefordert wurden, sind unseres Erachtens illusorisch und entsprechen eher dem Niveau im demokratischen Sozialismus. Aber der hat ja auch nichts mit der Realität zu tun.

(Beifall bei der FDP. - Abg. Prof. Dr. Bierbaum (DIE LINKE) : Luxemburg hat 11 Euro. - Zurufe der Abgeordneten Spaniol (DIE LINKE) und Ries (SPD).)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, statt wie von der Opposition gefordert übermäßig in staatlich finanzierte Jobs zu investieren, gilt es stattdessen, intelligent, zielführend und nachhaltig in Arbeitsuchende zu investieren. Wir investieren in diesem Jahr 3 Millionen Euro in die Qualifizierung von Arbeitslosengeld-2-Empfängern. Durch gezielte Maßnahmenförderung stellen wir die Beratung, Weiterund Nachqualifikation von Arbeitslosen und der von Arbeitslosigkeit bedrohten Menschen zur Verfügung. Insgesamt fördern wir den Arbeitsmarkt so mit mehr als 18 Millionen Euro. Bei einer angemessenen Arbeitsmarktpolitik sollte nicht die staatliche Beschäftigung im Mittelpunkt stehen, wichtig ist die Förderung des Einzelnen.

Lassen Sie mich den Punkt Migration und Förderung der interkulturellen Einrichtungen aufnehmen. Menschen mit Migrationshintergrund sind häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen. Das liegt auch daran, dass es ihnen in unserem schulischen System schwer gemacht wird. Dies hat eine Studie der OECD gezeigt. Wir alle sind uns einig, dass im Saarland durch vielfältige Projekte versucht wird, Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund besser in unsere Gesellschaft einzubinden. Es gibt viele kleine private und karitative Organisationen und Vereinigungen, die alle das Ziel verfolgen, diese Jugendlichen auf ihrem Weg in unsere Gesellschaft zu begleiten. Diese Organisationen konkurrieren jedoch um die gleichen Mittel, sodass wir jeden nur ein bisschen, aber keinen wirklich gut ausstatten können. Durch die Erweiterung der Titelgruppe 72 um die Projekte der interkulturellen Jugendarbeit wird es diesen Organisationen ermöglicht, mehr Mittel und Spielräume für sich in Anspruch zu nehmen. Dem dient ebenso die Erhöhung des Titels 684 02. Uns Liberalen ist dabei besonders wichtig, dass wir durch gezielte Unterstützung weg vom Gießkannenprinzip hin zu einer nachhaltigen Integration kommen.

Neben den allgemeinen Schwierigkeiten im Leben von behinderten Menschen macht es ihnen die Gesellschaft auch nicht leichter. Es heißt ja, Menschen sind nicht behindert, Menschen werden behindert. Es gibt häufig Schwierigkeiten in den Bereichen Bildung, Wohnen und Arbeiten. Die UN-Behindertenrechtskonvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung hat das Thema nochmals in unser

Blickfeld gerückt. Durch einen Aktionsplan wird die Inklusion von Behinderten weiter verbessert. Sie müssen in ein inklusives Regelschulsystem eingebunden werden. Menschen mit Behinderung müssen nach ihren Möglichkeiten selbstständig wohnen können. Behinderten muss es erleichtert werden, durch eine sozialversicherungspflichtige Arbeit ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Wir müssen ihnen die Anerkennung geben, die ihnen zusteht.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Durch zusätzliche 100.000 Euro für Menschen mit Behinderung lassen sich weitere Maßnahmen auf dem Weg zur Inklusion verwirklichen. Es ist wichtig, dass wir damit die Maßnahmen zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen fördern. Es ist wichtig, dass wir mit diesen Mitteln aufklären und Unternehmern deutlich machen, dass die Arbeit von Menschen mit Behinderung für Betriebe keine Belastung, sondern eine Bereicherung sein kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn ich mir den Einzelplan 05 ansehe, so kann ich sagen, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden, der sicherlich im nächsten Haushalt seine Fortführung finden wird. Die Finanzierung von vielen der förderwürdigen Projekte ist sichergestellt. Ich bitte Sie daher um Ihre Zustimmung. - Vielen Dank.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Das Wort hat nun die Abgeordnete Frau WillgerLambert von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die sozialen Gesichtspunkte sind ein wichtiger Schwerpunkt bei dieser Haushaltsdebatte. Sie sind es, weil es eine zentrale Aufgabe von uns allen ist, dafür zu sorgen, dass sich soziale Verwerfungen nicht weiter verfestigen. Wir wissen alle, dass Armut sich vererbt. Dies hat sehr vielfältige Auswirkungen. Bei der Diskussion des Einzelplans 05 geht es insbesondere darum, dass wir Teilhabechancen und Teilhabegerechtigkeit in den unterschiedlichsten Bereichen verwirklichen. Ein wichtiger Punkt, bei dem dies zu bewerkstelligen ist, ist der Bereich Bildung. Ich möchte ihn jetzt ausnehmen, weil er morgen eine zentrale Rolle spielen wird.

Es ist deutlich geworden, wie sehr Armutsbekämpfung eine Querschnittsaufgabe ist, die in allen Ressorts zu verankern ist. Wir haben hier unterschiedliche Aspekte. Ich möchte mit den Kindern beginnen. Ich habe vorhin schon einmal gesagt, wie wichtig es ist, dass gemeinsame Verantwortung wahrgenommen wird. Es ist nicht nur Landessache, sondern es ist auch auf den anderen staatlichen Ebenen wich

(Abg. Kühn (FDP) )

tig. Ich bin froh, dass gerade mit den Kinderarmutsprojekten und deren Ausdehnung entsprechende Zeichen gesetzt werden. Wir können in diesen Projekten wichtige Präventionsarbeit leisten, damit Dinge sich nicht verfestigen und wir früh einen gewissen Aufbruch erreichen.

Ich bin auch sehr froh, dass der Bereich der Jugendlichen erheblich aufgewertet worden ist. Wir haben es erreicht, dass Stellen für Jugendbildungsreferenten im Haushalt vorgesehen sind. Es gibt die Aufstockung beim Landesjugendring. Von meinem Vorredner wurden auch die Schoolworker angesprochen. Die Nachtbusse sind für mich ebenfalls ein Thema, das mit Mobilität, Selbstständigkeit, Teilhabe und damit auch mit Verhinderung von Ausgrenzung zu tun hat.

Bezogen auf den Arbeitsmarkt haben wir unterschiedliche Probleme und auch einen unterschiedlichen Blick darauf. Es gibt den Zusammenschluss der Initiativen im Hinblick auf die Verschärfung von § 16 SGB II. Dieses Thema liegt uns am Herzen, weil es darum geht, Langzeitarbeitslosen längerfristig Perspektiven zu bieten. Ich kann unterstreichen, wie wichtig es bei Langzeitarbeitslosen ist zu handeln. Allerdings ist vollkommen ausgeschlossen, dass wir als Land Mittel, die von der Bundesagentur nicht mehr zur Verfügung gestellt werden, auffangen. Das geht einfach nicht. Das ist eine Finanzierung auf Kosten zukünftiger Generationen. Das hat mit Nachhaltigkeit nichts mehr zu tun.

Man sieht bei den Gegenfinanzierungsvorschlägen, die vonseiten der SPD und der LINKEN gemacht wurden, dass man keine Perspektive hat. Ich kann mich zwar mit dem öffentlichen Beschäftigungssektor anfreunden, aber ob dieser geeignet ist, gerade in der Pflege und Altenhilfe entsprechende Angebote zu machen, ist für mich fraglich. Denn wir müssen Qualität diskutieren.

(Abg. Prof. Dr. Bierbaum (DIE LINKE) : Es geht um zusätzliche Arbeitsplätze. Sie haben überhaupt keinen Schimmer.)

Wir brauchen in diesen Bereichen zusätzliche Qualität. Das wird immer schwieriger, gerade auch im Hinblick auf die demografische Entwicklung. Wir brauchen Angebote, die Menschen in die Lage versetzen, so lange wie möglich ihre eigenen Ressourcen aufrechtzuerhalten und ein Leben in Selbstständigkeit zu führen. Das können wir nicht mit einem öffentlichen Beschäftigungssektor erreichen, der nicht die Flexibilität besitzt, die wir gerade für alte Menschen brauchen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Bezogen auf das Thema Mindestlohn haben wir ja die Auseinandersetzung geführt. Ich habe Ihnen gesagt, dass wir vom Grundsatz her beieinander sind.

Aber einen 10-Euro-Mindestlohn auch noch im Landeshaushalt abzusichern, das ist geradezu absurd! Das geht weit über die Möglichkeiten eines Landesgesetzgebers hinaus.

(Zuruf des Abgeordneten Prof. Dr. Bierbaum (DIE LINKE).)

Wichtig ist uns auch, dass die Chancengleichheit für Frauen einen besonderen Stellenwert erhält. Das ist in diesem Haushalt auch geschehen. Da geht es darum, dass wir effizientere Strukturen haben, auch Netzwerkstrukturen, die diese Chancengleichheit für Frauen garantieren, ob es um den Bereich Forschung und Lehre geht, wo etwas geschehen soll, oder ob es darum geht, die Frauenbibliothek, die mit einem breiten Bildungsangebot aufwartet, aber auch ein wichtiges Dokumentationszentrum ist, abzusichern. Auch da bin ich dankbar, dass wir das trotz der schwierigen Haushaltsituation hinbekommen haben.

Es ist aber auch wichtig, im Alltag Unterstützung zu gewähren. Deshalb ist es richtig, dass wir bei ARBEIT UND LEBEN Saar eine Titelaufstockung haben, um zu verhindern, dass Frauen aus dem Arbeitsmarkt gedrängt werden, vor allem dort, wo es um die Pflege und Unterstützung von alten Menschen in der Familie geht.

Was behinderte Menschen betrifft, so haben meine Vorredner eine ganze Reihe von sehr wichtigen Dingen gesagt. Inklusion ist die Leitidee, die heruntergebrochen werden muss. Hier geht es darum, dass Chancengerechtigkeit und Selbstbestimmungsrechte tatsächlich eröffnet und gelebt werden. Das ist sowohl im frühkindlichen Bereich als auch im gesamten Bildungsbereich, aber auch bezogen auf den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt eine ganz große Herausforderung, der wir uns stellen wollen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei B 90/GRÜNE.)

Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Heike Kugler von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht vorab an die FDP: Ich glaube nicht, dass Luxemburg den Ruf hat, sonderlich sozialistisch zu sein, und die haben mehr als 10 Euro Mindestlohn.

(Beifall bei der LINKEN.)

Herr Meiser hat uns heute Morgen mitgeteilt, wir wollen ein Land sein, das allen eine Chance bietet. Dann fangen wir einmal bei den Kindern an! Gemessen am Bundesdurchschnitt sind 16,8 Prozent der saarländischen Bevölkerung arm. Damit lebt etwa jeder sechste Saarländer unter der Armutsgrenze.

(Abg. Willger-Lambert (B 90/GRÜNE) )

Kinder und Jugendliche sind deutlich überproportional davon betroffen. Daher, so schätzt die Liga der Freien Wohlfahrtspflege, kann davon ausgegangen werden, dass jedes fünfte Kind unter Armutsbedingungen aufwächst.