Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Heib, ich fasse die Armutsdebatte aus unserer Sicht kurz zusammen. Ich stelle fest, dass das Armutsrisiko im Saarland sehr hoch ist. Wir müssen daher diese Debatte führen. Wir können uns nicht darauf beschränken, uns nur einmal kurz über die Sozialstudie zu unterhalten, denn wir haben zu konstatieren, dass dieser Haushalt eben keinen Fahrplan, keinen Aktionsplan zur Armutsbekämpfung, zu einer tatsächlich wirksamen Armutsbekämpfung, enthält. Das ist der zentrale Punkt. Deshalb müssen wir auch weiterhin über dieses Thema diskutieren. Deshalb werden wir auch weiterhin kritisch auf das
An dieser Stelle möchte ich mich auch an die verehrte Frau Frauenministerin wenden. Ich will aus Ihrem doch sehr umfassenden Ressort einige Punkte herausgreifen. So gibt es zwar mit Kapitel 05 03 eine Haushaltsstelle „Frauenpolitik“. Ich glaube aber, dass viele hier mit mir darin übereinstimmen, dass deswegen noch lange keine Politik für Frauen stattfindet.
Frau Heib, Frau Willger-Lambert, zwar wurden endlich die Mittel für die Frauenbibliothek wieder erhöht. Das begrüßen wir sehr. Darüber habe ich mich gefreut. Allerdings, werte Kolleginnen, ist das kein Ruhmesblatt Ihrer Politik, sondern eine längst überfällige Selbstverständlichkeit, nachdem es in der Vergangenheit ausgerechnet bei dieser Einrichtung, einer der wichtigsten Frauenbildungsstätten in der Landeshauptstadt, zu unsinnigen Kürzungen gekommen war.
Wir begrüßen es auch, dass die wenigen in diesem Kapitel ausgewiesenen Projekte etwas mehr Geld bekommen. Das ist richtig und wichtig. Aber, Frau Ministerin, ist das wirklich eine Antwort auf die verheerenden Ergebnisse, die von der Sozialstudie gerade in puncto Armut von Frauen herausgearbeitet wurden? Damit ist ein zentraler Punkt angesprochen, und eine adäquate Antwort bietet der Haushalt diesbezüglich mit Sicherheit nicht. Frauen sind am stärksten von der Hartz-4-Politik betroffen. Die Sozialstudie hat gezeigt - das ist immer wieder zu betonen -, dass Frauen im Saarland vielfach im Niedriglohnsektor und in prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten müssen.
Entscheidend dabei ist das Verb „müssen“. Das ist der springende Punkt. An dieser Stelle finden sich die Baustellen, die es zu bearbeiten gilt. Das hat Ihnen auch die Arbeitskammer, die in diesem Hause in der letzten Zeit leider des Öfteren gescholten wurde, in den zurückliegenden zwei Jahren sehr klar vor Augen gehalten. Sie hat Ihnen beschrieben, wie es in unserem Land aussieht hinsichtlich der stillen Reserve, der Beschäftigung von Frauen. Wir wissen das also schon lange genug, und auch Sie, diesbezüglich die Verantwortung tragend, wissen das lange genug. Die Zahl der Frauen in Minijobs, in Teilzeitjobs, in Leiharbeit, und das ist der Hintergrund der prekären Beschäftigung, steigt kontinuierlich an.
Das ist schlimm, denn eine gesicherte Existenz ist so nicht planbar, kann so nicht aufgebaut werden.
Auch in einer Anfrage der LINKEN im Bundestag ist das schon einmal abgefragt worden. Gemäß der Antwort auf diese Anfrage nahm die Zahl der mit Frauen besetzten Vollzeitstellen in Deutschland seit 1999 um rund 640.000 ab. Das sind harte Zahlen, hinter denen Menschen stehen, hinter denen Frauenschicksale stehen. Man muss also etwas tun.
Zudem liegen die Löhne der Frauen gut 23 Prozent unter dem Niveau der Löhne ihrer männlichen Kollegen.
Es reicht nicht, diesen Fakt immer nur am Equal Pay Day anzuprangern. Das muss auch hier gesagt werden, das gehört in eine frauenpolitische Debatte. Und diese Feststellung gehört auch in die Debatte, in der der Haushalt, der sich angeblich mit Frauen und Frauenförderung befasst, beraten wird.
Das heißt, Frau Ministerin, dass wir von einer Gleichberechtigung in der Arbeitswelt noch meilenweit entfernt sind. Ich glaube, das lässt sich nicht bestreiten. Ohne wirksame gesetzliche Regelungen wird sich diese Lohndiskriminierung auch nicht ändern.
Frau Ministerin, wir warten noch immer auf Ihren Aufschrei, auf Ihre Forderung nach einem flächendeckenden Mindestlohn. Wir warten bis heute auf Ihr klares Bekenntnis zur Abkehr vom Niedriglohnsektor. Wir warten noch immer darauf, dass von Ihnen als Frauenministerin die Initiative für ein Gleichstellungsgesetz hinsichtlich der privaten Wirtschaft ausgeht. Das alles sind Ansätze, die man verfolgen kann, wenn man ernsthaft Frauenpolitik betreiben möchte.
Frau Ministerin, wir erwarten auch ein klares Wort Ihrerseits gegen das Ärgernis der allzu oft nur befristeten Beschäftigung von Frauen. Die Zahl der Frauen mit befristeten Arbeitsverträgen steigt beständig an. Mir scheint, im ganzen Haushalt, feststellbar insbesondere auch im Bildungsbereich, zieht sich das Motto „befristete Beschäftigung“ durch die Stellenpläne. Frau Ministerin, ich erinnere an eine Debatte, die wir in diesem Hause vor vier Jahren geführt haben. In dieser Debatte, in der es um Frauenförderung, um Frauenpolitik ging, warfen Sie mir sinngemäß vor, ich käme immer mit den „ach so geknechteten Frauen“. Ich will noch einmal sagen, worum es in der Debatte damals ging. Es ging um das PSC, um Personalvermittlung, um das, was immer eine besondere Härte vor allem für Frauen darstellt. Ich
sagte damals: Es sind doch hauptsächlich die weiblichen Landesbediensteten in den unteren und mittleren Besoldungs- und Gehaltsgruppen, die von Umstrukturierungen, Kürzungen und Sparmaßnahmen durch die Hintertür betroffen sind. Dann rede ich auch gern mal von „geknechteten Frauen“. Wenn man diese Bilanz sieht, ist das gerechtfertigt.
Frauen werden genauso oft betroffen sein von bestimmten „Wegsparmaßnahmen“, die Sie ja auch angekündigt haben. Wenn Sie wirklich jede dritte Stelle im Land streichen wollen, sind das auch wieder die weiblichen Bediensteten, die davon betroffen sein werden, und genauso ihre Familien.
Frau Ministerin, ich fasse an dieser Stelle zusammen: Erkennen Sie doch die Zeichen der Zeit! Machen Sie endlich einmal Politik für Frauen, damit wir wieder von Frauenförderung und Frauenpolitik im Saarland sprechen können. Schaffen Sie Rahmenbedingungen, damit Frauen hier im Land neue berufliche Perspektiven haben, von denen sie auch mit ihren Familien gesichert leben können, damit Frauenpolitik in diesem Land überhaupt wieder einmal stattfindet. - Ich bedanke mich.
Das Wort hat nun die Ministerin für Arbeit, Familie, Prävention, Soziales und Sport, Frau Annegret Kramp-Karrenbauer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt, der heute vonseiten der Landesregierung vorgelegt wird, ist im Einzelplan 05 ein Dokument dafür, dass wir in finanzpolitisch schwieriger Situation trotzdem in der Lage sind, einerseits positive Ansätze der Vergangenheit kontinuierlich fortzuführen, andererseits neue Akzente zu setzen insbesondere dort, wo wir in der Koalitionsvereinbarung Zusagen und Versprechen gemacht haben, und das alles - und das unterscheidet unseren Haushalt von den Anträgen, die Sie als Opposition hier vorgelegt haben nicht im Wolkenkuckucksheim, sondern auf finanzpolitisch realisierbarer und verantwortlicher Grundlage!
Von der Kollegin Biendel ist angesprochen worden, es sei nicht genug vernetzt worden, wir hätten nicht genug nachhaltige Strukturen und überhaupt würden wir bei allen Ansätzen streichen. Sehr geehrte Frau Kollegin Biendel, dass Sie das nicht wissen können, ist mir klar, Sie sind neu im Landtag. Aber ich hätte erwartet, dass die Kolleginnen und Kollegen, die
schon länger dabei sind, Sie informiert hätten. Wir haben heute im Haushalt erstmals in der Geschichte des Landes eine integrierte Sozialberichterstattung mit Blick auf Jugendhilfe in den Kreisen. Diese Kosten werden zu einem Drittel vom Land finanziert, obwohl wir nicht dazu verpflichtet sind. Wir schaffen mit dem Projekt Schoolworker gerade die Vernetzung im sozialen Nahraum.
Es gibt viele andere Projekte, auch Kinderarmutsprojekte, bei denen wir die Diskussion zuerst mit den Kreisen geführt haben, damit die Projekte nachhaltig auf Dauer mit Unterstützung der Kreise angelegt sind. All das widerspricht dem, was Sie hier gesagt haben. Sie meinen, Sie müssten als Argument gegen eine entsprechende Politik die Besetzung des Landesjugendhilfeausschusses nennen. Ich kann Ihnen nur sagen: Mein Ministerium hat im Dezember die Fraktionen angeschrieben mit der Bitte, entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. Es sind bis heute - das ist zumindest mein Kenntnisstand - von den Fraktionen noch nicht alle Vorschläge benannt worden. Deswegen ist der Ausschuss noch nicht eingeladen worden. Ich werde noch einmal nachhaken bei den Fraktionen, bei denen es hängt.
Es ist die Rede davon, wie wir angeblich Haushaltsansätze kürzen. Wir wählen Haushaltsansätze, von denen wir nachweislich gesagt haben, dass Sie auskömmlich sind für das, was damit erreicht werden soll - etwa für den Bereich Förderung von Freizeiten. Dort haben Sie ein Plus von 80.000 Euro gefordert. Es stehen Haushaltsreste von 74.000 Euro nicht nur zur Verfügung, sondern sie sind beim Finanzminister zur Übertragung beantragt und genehmigt. Dann bedeutet der Aufwuchs von 80.000 Euro, dass ich entweder für diese 80.000 Euro, die ich nicht brauche, an anderer Stelle kürzen muss, oder dass ich Schulden dafür aufnehmen muss, die mir dann den Spielraum in den nächsten Jahren einengen. Deswegen ist das unverantwortlich, unnötig und reiner Populismus!
Wir sind bei den Haushaltsansätzen. Schauen wir uns die Anträge der Opposition an. Die LINKEN haben ja kaum einen Gegenfinanzierungsvorschlag gemacht, die SPD hat einen gemacht, jedenfalls in der Zeitung, der ist im großen Antrag nicht mehr aufgetaucht. Globale Minderausgabe 59 Millionen Euro! Ich habe meinen Haushaltsreferenten gebeten, auf Grundlage der Verteilungsquoten zwischen den Ressorts auszurechnen, was das für mein Ministerium bedeutet. 59 Millionen globale Minderausgabe bedeuten allein für mein Ressort eine Einsparleistung von 5 Millionen Euro, die nicht aus der Phase 1, also aus den gesetzlichen Verpflichtungen, zu erbringen sind, die nicht aus dem Personalhaushalt zu
erbringen sind, sondern die aus freiwilligen Ausgaben zu erbringen sind. Ich darf Ihnen die Titel vorlesen, aus denen ich diese 5 Millionen Euro überhaupt erwirtschaften kann. Das sind: 720.000 Euro für Integrationsmaßnahmen von Ausländern und Aussiedlern - gestrichen, null, keine Projekte mehr! 770.000 Euro für die Förderung der Ligaverbände Freie Wohlfahrtspflege - keine Förderung mehr, keine Projekte, null! 300.000 Euro für den Bereich der Frauenförderung - alles was wir dort haben, auch an Hilfsstrukturen, rasiert! 90.000 Euro für den Bereich Leben und Arbeiten im Saarland. 120.000 Euro für die Interventionsstelle Häusliche Gewalt. 750.000 Euro für den Bereich Frühe Hilfen - das, was wir bundesweit einmalig etabliert haben, das rasieren Sie mit Ihrem Gegenfinanzierungsvorschlag weg! 100.000 Euro LPH, 450.000 Euro Suchtprävention, 120.000 Euro Ambulantes Hospiz - das bedeutet globale Minderausgabe von 59 Millionen Euro so, wie Sie es vorgeschlagen haben. Sie schlagen alles an Strukturen weg, um anschließend im Arbeitsmarkt die aufzufangen, die hier weggefallen sind. Das ist irrsinnige Politik, das ist unverantwortlich. Deswegen werden wir das nicht mitmachen!
Es ist das Thema Frauen angesprochen worden. Die Kollegin Spaniol hat eben noch mal das Beispiel der geknechteten Frauen gebracht im Zusammenhang mit dem PSC. Es mag ein Zufall sein, aber als ich vorhin bei der Debatte zum Einzelplan des Innenministers auf die Zuschauertribüne geschaut habe - einige Kolleginnen und Kollegen aus der Verwaltung kenne ich ja noch -, habe ich zufälligerweise, Frau Kollegin Spaniol, so ein geknechtetes Exemplar aus dem PSC gesehen.
(Abg. Spaniol (DIE LINKE) : Machen Sie sich nicht lustig über die Frauen. Vielen Frauen geht es sehr schlecht. Wo sind die Mischarbeitsplätze?)
Es ist eine Frau, die Abitur gemacht hat, die dann aus familiären Gründen eine Tätigkeit als Schreibkraft aufgenommen hat und die dank des Gesetzes zum PSC die Möglichkeit hatte, zu einem Zeitpunkt, als sie an einen beruflichen Aufstieg nicht mehr geglaubt hat, den Aufstieg in den gehobenen Verwaltungsdienst zu machen und die mittlerweile Beamtin im gehobenen Verwaltungsdienst ist. Das sind die geknechteten Frauen aus dem PSC, die Sie angeführt haben. Auch das ist Populismus pur, das hat nichts mit der Realität zu tun!
Sie wissen ganz genau, dass sich Frauenpolitik nicht nur in den entsprechenden Haushaltstiteln an dieser Stelle im Haushalt festmacht, sondern auch an ganz vielen anderen Bereichen. Alles, was wir bei Bildung, Wirtschaftsförderung oder in anderen
Bereichen tun, ist selbstverständlich keine Politik, die nur Männern zugute kommt, sondern es ist immer auch Politik, die Frauen zugute kommt. Wenn Sie die Sozialstudie sehr genau lesen, wissen Sie auch, dass gesagt worden ist, dass es insbesondere in der Gruppe der Alleinerziehenden ein Armutsrisiko gibt. Man muss aber auch in der Gruppe der Alleinerziehenden unterscheiden, denn auch dort gibt es Frauen, die durch die gezahlten Unterhaltsleistungen sehr gut finanziell über die Runden kommen - das wird ausdrücklich in der Studie gesagt -, aber es gibt auch einen Teil, der echte Probleme hat. Wenn man die strukturierten Interviews liest, ist interessant zu sehen, dass die Rechnung "Wir bieten eine Krippenbetreuung an, dann geht die Frau den ganzen Tag arbeiten und alles ist in Ordnung" gerade nicht aufgeht! Es gibt Fälle mit multiplen Problemen. Diese Frauen kommen aus einem sehr tradierten Familienbild, die sagen: „Ich will nicht den ganzen Tag arbeiten, ich will bei meinen Kindern bleiben.“ Deswegen braucht man dort ganz andere Strukturen, ganz andere Hilfsangebote. Deswegen ist es auch richtig, dass die Kollegin von der Leyen in Berlin gesagt hat: Einer der Schwerpunkte der nächsten Zeit wird insbesondere mit Blick auf die Arbeitsmarktpolitik die Situation von Alleinerziehenden sein.
Wir müssen zusammenarbeiten. Sehr geehrter Herr Kollege Schnitzler, wenn insbesondere auch in der Landeshauptstadt Saarbrücken die größten Defizite beim Ausbau der Krippenplätze liegen, dann lohnt es sich, dort Infrastrukturen aufzubauen, damit die Frauen Betreuungsplätze bekommen und arbeiten gehen können.
Sie reden sehr gerne über die Sozialstudie. Ich bin froh und dankbar, dass wir diese Sozialstudie haben, weil sie uns ein differenziertes Bild von der Wirklichkeit bietet.