Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kolb, ich muss mich zwar kurz fassen, weil ich recht wenig Redezeit habe, möchte jedoch trotzdem das, was Sie gesagt haben, kurz aufgreifen und den Versuch starten, Ihnen klarzumachen, worin der Unterschied liegt zwischen der Bildungspolitik, die unsere Vorgängerregierung gemacht hat, und derjenigen, die Ihre Regierung macht.
Da gibt es nämlich einen fundamentalen Unterschied. Es gab in vielen einzelnen Bereichen einen richtigen Wechsel. Wir haben versucht, längeres gemeinsames Lernen durchzusetzen. Das war auch vereinbart. Verhindert hat es die SPD, obwohl es auch in ihrem Parteiprogramm stand. Wir haben die Gemeinschaftsschule umgesetzt - gegen Ihre Stimmen. Die LINKE hat mit zugestimmt; sonst hätte es keine Verfassungsänderung gegeben. Wir haben ein Kooperationsjahr eingeführt. Wir haben die Inklusion
in erkennbarer Form umgesetzt. Wir haben in der Jamaika-Koalition vereinbart, dass die demografische Rendite im System bleibt. Alles das haben Sie nicht gemacht. Außerdem wurden in der JamaikaKoalition fünf zusätzliche Gebundene Ganztagsschulen pro Jahr vereinbart. All das, was ich jetzt gesagt habe, führen Sie fort. Es steht in der mittelfristigen Finanzplanung, Herr Minister, da können Sie ja einmal nachsehen.
Also unter der Jamaika-Koalition gab es in der saarländischen Bildungspolitik einen fundamentalen Wandel. Sie wiederum führen das fort, was wir vorgegeben haben, allerdings mit einem Unterschied: Sie sparen.
Wir hatten eine klare Vereinbarung. Bei uns blieben die Stellen im System. Nehmen wir einmal den Unterrichtsausfall an Berufsschulen. Mittlerweile gibt es im Saarland eine Protestwelle, weil Berufsschulreferendare, die wir dringend bräuchten, nicht übernommen werden. Mehr Stellen, die Sie jetzt so nicht mehr zur Verfügung stellen, bräuchten wir dringend auch beim Ausbau der Gemeinschaftsschulen. Dort gibt es nämlich einen erhöhten Lehrerbedarf, weil wir an diesen Schulen in der fünften und sechsten Klasse schlichtweg eine größere Stundentafel haben. Wir haben ein Schulordnungsgesetz, das Sie auf den Weg gebracht haben, welches jedoch dazu führt, dass sich rund 20 Gemeinschaftsschulen in der Gefahr befinden, bis zum Jahr 2016 geschlossen zu werden. Sie argumentieren, Sie legten Schulen zusammen, aber auch eine Schulzusammenlegung ist eine Schulschließung.
Abg. Kolb (SPD) mit einer Zwischenfrage: Herr Kollege Ulrich, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass der Entwurf des Schulordnungsgesetzes, der jetzt beschlossen wurde, wesentlich besser ist als der Entwurf, der aus dem Hause Kessler kam? In seinem Haus lag die Messlatte für die Schülerzahl an weiterführenden Schulen bei 250; jetzt sind es nur noch 220. Das ist eine deutliche Verbesserung und eine Garantie für Schulstandorte.
Frau Kolb, darauf gebe ich Ihnen gern Antwort. Der wesentliche Unterschied besteht in Folgendem: Beim Schulordnungsgesetz, das Klaus Kessler in der Jamaika-Koalition auf den Weg gebracht hat,
Sie hatten also die Chance, sich zu entwickeln, neue Konzepte anzubieten, für ihren Schulstandort zu werben. Alle Experten haben in den entsprechenden Fachgesprächen bestätigt, dass die Möglichkeit bestanden hat, eine Schule zu entwickeln. Mit Ihrem neuen Gesetz haben diese Schulen gerade einmal noch zwei Jahre Zeit - wenn auch bei einer etwas geringeren Schülerzahl -, das Konzept umzusetzen.
Und jeder Schulleiter, der nicht gerade parteipolitisch argumentiert, sagt Ihnen, dass zwei Jahre eine viel zu kurze Zeit sind, um an diesen Schulen irgendetwas zu verändern.
Das heißt, in zwei Jahren werden wir hier in diesem Lande eine Reihe von Schulschließungen erleben. Deshalb habe ich gestern bereits gesagt: Wir hatten einen großen Schulschließungsminister, der hieß Jürgen Schreier, und hier sitzt der kleine Schulschließungsminister, der heißt Ulrich Commerçon.
Abg. Kolb (SPD) mit einer Zwischenfrage: Herr Kollege Ulrich, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass den möglichen Schulschließungen wir sprechen von möglichen Schließungen - ein geordnetes Verfahren vorausgeht? Und sind Sie zweitens bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Ihr Minister mit der Frist von fünf Jahren die Diskussion eigentlich nur über den nächsten Wahltermin schieben wollte und dass im Gegensatz dazu die Große Koalition den Menschen die Wahrheit sagt?
Frau Kolb, ich nehme das, was Sie gerade gesagt haben, gerne zur Kenntnis, aber deshalb entspricht es noch nicht der Realität und der Wahrheit. Ich sage es jetzt noch einmal: Es ist ein fundamentaler Unterschied zu Ihrer Bildungspolitik, dass ein Schulstandort einen Zeitraum von fünf Jahren zur Verfügung hat - das ist eine volle Legislaturperiode -,
um den eigenen Standort im Vergleich zu anderen Standorten und auch zu anderen Schulformen weiterzuentwickeln, und somit die Chance hat, für ihn
zu werben - mit entsprechenden pädagogischen Konzepten und anderen Angeboten. Das ist ein ganz großer Unterschied. Die Schulstandorte, die aufgrund des Commerçon-Gesetzes geschlossen werden, stehen ja jetzt schon teilweise fest - wir haben sie ja schon einmal veröffentlicht -, weil sie nicht im Ansatz die Chance haben, nicht den Hauch einer Möglichkeit haben, die geforderten Mindestschülerzahlen innerhalb der nächsten zwei Jahre zu erreichen. Dies ist ein großer, fundamentaler Unterschied zu unserer Bildungspolitik in der Jamaika-Koalition. Das muss man einfach deutlich machen.
Aber zurück zu meinem Redebeitrag. Qualitätsverbesserung spielt ja auch eine große Rolle, und ich hatte es vorhin bereits als Zwischenruf hineingerufen: Die Sozialdemokraten - ich glaube, zu ihnen gehören auch Sie, Frau Kolb, und insbesondere der Bildungsminister Commerçon - sind in den letzten Wahlkampf mit der Forderung nach kleineren Klassen hineingegangen. Ja wo haben Sie denn diese Forderung umgesetzt? Diese kleineren Klassen wird es unter der Großen Koalition nicht geben. Sie sind im Koalitionsvertrag nicht festgeschrieben, und Sie werden und können sie auch gar nicht einrichten. Also werden vollmundige Wahlkampfversprechen hier nicht umgesetzt. Sehen Sie sich einmal die Klassengrößen an den Gymnasien an. Ich nehme einmal meine Heimatstadt Saarlouis. Dort gibt es drei Gymnasien. Ihre Eingangsklassen haben 31 bis 33 Schülerinnen und Schüler. Wir haben eben zu wenig Lehrerinnen und Lehrer, um die Klassen verkleinern zu können.
Thema Inklusion. Wir GRÜNEN haben für den Haushalt 20 zusätzliche Stellen beantragt, weil wir sie in den Regelschulen und an den Förderschulen brauchen, um die Inklusion auch umsetzen zu können. Der Inklusionsbeauftragte ist de facto abgeschafft. Das ist eine Folge. Ich habe gestern bereits gesagt, dass der Inklusionsbeirat bis jetzt nicht getagt hat. Auch für die Lehrerfeuerwehr an Grundschulen steht kaum noch etwas zur Verfügung. Auch hierfür brauchen wir zusätzliche Lehrerstellen. All das war in der Jamaika-Koalition vereinbart. Im PwC-Gutachten ist es nachzulesen. Dort stehen all diese Zahlen drin. Wir machen heute also einen wirklichen Rückschritt. Ich komme zu den Gebundenen Ganztagsschulen. Ich habe die Zahlen eben genannt. Wenn Minister Commerçon vollmundig verkündet, er werde fünf zusätzliche Gebundene Ganztagsschulen pro Jahr entwickeln, dann ist das in Ordnung, aber Jamaika hat das auch schon getan. Es ist eine reine Fortschreibung und daher nichts Neues.
Ich komme zu den Gebühren für die Freiwillige Ganztagsschule. Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Das sagte Ulrich Commerçon,
aber die Bildung hängt doch vom Geldbeutel der Eltern ab, weil Sie Gebühren in einem Bereich erheben, wo es ganz kritisch ist. Es sind die kurzen Gruppen, in welche die Kinder von Leuten mit kleinem Geldbeutel gehen. Dort werden jetzt Gebühren erhoben. Das ist ein Problem. Es ist ein falscher Weg. Das sage ich ganz offen.
Wo sind die auch von Ihnen im Wahlkampf geforderten Qualitätsverbesserungen an den saarländischen Schulen? Woher nehmen Sie die Pädagogen, um das zu tun? Das sehe ich nicht. Wo sind die von der Sozialdemokratie geforderten Entlastungen für die Lehrerinnen und Lehrer? Wo sind die Entlastungen insbesondere für die Grundschulleiter? All das gibt es nicht. Herr Minister, man muss immer wieder fragen: Wo, wo, wo?
Es gibt einen Bereich, in dem die Stellen aufwachsen. Das ist das Ministerium selbst. Im Ausschuss gab es einen kuriosen Vorgang. Dort wurde der Minister gefragt, ob es Stellenaufwüchse beim Ministerium geben würde. Er kannte sie gar nicht. Er wusste nur etwas von einer Stelle. Erst auf schriftliche Anfrage der GRÜNEN hat Ulrich Commerçon zugegeben, dass es sechs Stellen sind. Meine Damen und Herren, so kann man mit einem Ausschuss nicht umgehen. Man kann nicht versuchen, Stellen zu verstecken, die dann im Haushalt stehen. Das ist ein sehr peinlicher Vorgang.
Der Minister wurde im Ausschuss gefragt, ob zusätzliche Stellen vorhanden sind. Das ist aktenkundig und im Protokoll nachzulesen. Die Antwort war, er wisse es nicht so genau. Er wisse nur etwas von einer Stelle. Es sind aber sechs Stellen. Das ist so gelaufen. So kann man mit einem Ausschuss nicht umgehen. Aber das ist Ihre Art, in diesem Lande Bildungspolitik zu machen. Man versucht zu verschleiern, wo man es nur kann. Man versucht auch, die Leute an der Nase herumzuführen. Wir alle wissen, wohin das führt. Bei den Zahlen, die Sie vorgegeben, werden Sie nicht drumherum kommen, weitere Stellen im Bildungsbereich zu sparen. Wir werden im nächsten und übernächsten Haushalt wieder darüber diskutieren. Dann werden Sie von Ihrer eigenen Argumentation vorgeführt werden. Das ist auch der Grund, warum wir den Bildungsetat von Minister Commerçon ablehnen werden. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lieber Kollege Hubert Ulrich, ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, Sie waren schon einmal besser.
Es fällt mir schwer, dies sagen zu müssen. Aber: Wenn Sie auf der einen Seite sagen, der Ausschuss werde belogen -
(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Ich habe nicht gesagt, er wird belogen. Ich sagte, der Minister hat es nicht gesagt. Belügen ist etwas anderes! - Unruhe.)
Gut, er habe es nicht gesagt. Es seien Stellen versteckt. - Wenn Stellen versteckt werden, dann halte ich es aber für klug, dass ein Minister sie so gut versteckt, dass man sie nicht sieht.
Aber Sie haben sie gesehen. Also sind sie nicht versteckt worden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten nun sachlich an die Sache gehen. Sie wollen 20 Stellen hierfür und 20 Stellen dafür, da stelle ich eine ganz einfache Frage. Herr Kollege, wie wird das gegenfinanziert? - Ich erlaube mir Folgendes zu Stellenanforderungen im Haushalt zu sagen: Ich darf dazu aus der Haushaltsrede des Ministers Kessler zitieren, der Ihnen sehr bekannt ist und der, wie man hört, bei Ihnen immer noch leicht bildungsberatend tätig ist, wenn auch nicht immer erfolgreich.
Herr Minister Kessler sagte in der Haushaltsdebatte 2011 zu den Stellenanforderungen der Opposition, dass die Beschäftigung mit dem Haushalt bei der Opposition wie jedes Jahr natürlich die Forderung nach mehr Stellen hinterlässt. Wobei er sich natürlich wundere, warum das nicht während der Regierungszeit geschehe. Eine Erklärung liege wohl darin, dass man es als Opposition stets leicht habe, etwas zu fordern, was man letzten Endes nicht zu finanzieren brauche.
(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Wir fordern genau das, was in unserer Koalition umgesetzt werden sollte.)
Das sagte Ihr Bildungsminister Kessler. Es kommt noch ein schöner Satz: „Das macht ein Gesamtvolumen von etwa 6 Millionen Euro aus, ohne die anfallenden Versorgungsbezüge mit einzurechnen. Ich finde das unseriös, meine sehr geehrten Damen und Herren.“ - Das war das Zitat von Minister Kessler, der damals auf Stellenanforderungen der Opposition geantwortet hat. Dem ist im Grunde genommen nichts hinzuzufügen.