Protokoll der Sitzung vom 20.03.2013

Ich will noch etwas sagen zu dem Schutz der Hinweisgeber, auch das ist wichtig und richtig. Im Bereich der Betriebe zum Beispiel gibt es Betriebsräte, die sich für die Interessen der Arbeitnehmer einsetzen, die genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Genauso wichtig ist das auch für die Hinweisgeber. Es bringt ja nichts, das wurde eben schon gesagt, wenn die einen Orden bekommen und dann ihre Arbeit los sind. Was müssen sie dann machen? Sie müssen billige Lebensmittel kaufen, um ihre Familie zu ernähren, weil sie einen Hinweis gegeben haben.

Alles in allem finden wir den Antrag der Regierungsfraktionen sinnvoll und werden ihm zustimmen. Wir empfehlen den anderen, dies ebenfalls tun.

Ich komme noch kurz zum Antrag der GRÜNEN. Leider kann ich nicht komplett auf diesen sehr umfangreichen Antrag eingehen, dazu fehlt mir einfach die Redezeit; wir PIRATEN sind nur mit neun Minuten gesegnet. Der Antrag ist auch etwas zu kurzfristig gekommen, um ihn komplett durcharbeiten zu können. Ich habe allerdings einige Dinge gefunden, die auch wir PIRATEN fordern, zum Beispiel die Einführung einer Hygiene-Ampel. Der Verbraucher hat

(Abg. Maurer (PIRATEN) )

ein Recht darauf zu wissen, wie es das Restaurant, das er besuchen möchte, mit der Hygiene hält. Das mag vielleicht für den einheimischen Saarländer nicht ganz so wichtig sein - das ist die Sache des Saarländers, er kennt das Dorf, woher er kommt -, aber gerade für Touristen, die das Saarland besuchen und in Restaurants gehen, ist es wichtig zu wissen, wie es mit der Hygiene aussieht und ob es Skandale gegeben hat. Deshalb empfehle ich, auch dem Antrag der GRÜNEN zuzustimmen. Nicht nur deswegen, aber meine Redezeit ist gleich zu Ende. Danke sehr.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Antrag der Koalitionsfraktionen. Wer für die Annahme des Antrags Drucksache 15/398 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Antrag Drucksache 15/398 einstimmig angenommen wurde. Zugestimmt haben die Fraktionen CDU, SPD, DIE LINKE und PIRATEN, bei Enthaltung der Fraktion B 90/GRÜNE.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion. Wer für die Annahme des Antrags Drucksache 15/408 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Antrag Drucksache 15/408 mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt haben die Fraktionen der PIRATEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Dagegen gestimmt haben die Fraktionen CDU und SPD. Enthalten hat sich die Fraktion DIE LINKE.

Wir kommen zu Punkt 10 der Tagesordnung:

Beschlussfassung über den von der PIRATEN-Landtagsfraktion und der BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Einschränkung der Meinungs- und Informationsfreiheit durch ein neues Leistungsschutzrecht für Presseverlage verhindern! (Drucksache 15/388 - neu)

Zur Begründung erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Michael Hilberer das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Leistungsschutzrecht ist ein Grauen für alle, die ins Netz schreiben. Eigentlich wollte ich an dieser Stelle erklären, warum das so ist, und warum

dieses Gesetz so, wie es formuliert ist, keinen Sinn macht. Ich wollte Ihnen erklären, dass es schon jetzt für jeden Verlag, der öffentlich im Internet seine Inhalte bereitstellt, es eine ganz einfache technische Möglichkeit gibt zu verhindern, dass Suchmaschinen auf diese Inhalte zugreifen. Allerdings habe ich mich noch ein bisschen näher mit der Materie beschäftigt und möchte doch etwas umfassender darauf eingehen, wie stark der Eingriff durch dieses Leistungsschutzrecht in die Grundrechte ist, und was es eigentlich für eine moderne Medienlandschaft bedeutet.

Die Entwicklung im Gesetzgebungsverfahren für dieses Leistungsschutzrecht ist an Absurdität kaum noch zu überbieten. Ursprünglich wurde es vorgeblich dafür gestartet, die Interessen der Verleger gegenüber den Suchmaschinen zu stärken. Die Idee dahinter war folgende. Die Suchmaschinen machen im Internet unglaublich viel Geld mit Werbung. Sie haben ein Geschäftsmodell, das im Internet unglaublich gut funktioniert. Sie sind das Rückgrat der Informationsverarbeitung im Internet. Die Verlage dagegen darben. Sie haben Probleme mit ihrem ursprünglichen Geschäftsmodell. Sie haben weniger Abonnenten. Sie haben Probleme, Anzeigenkunden für ihre Druckerzeugnisse zu finden. Da war die Grundidee, man nimmt das Geld an der einen Stelle weg, wo viel gemacht wird, und gibt es an die andere Stelle, um die Presseverlage zu schützen. Suchmaschinen, das heißt Google. Google ist der größte Anbieter und mit Abstand Marktführer. Google dominiert den Markt. Das heißt, wir sprechen hier von einem Gesetz für die Presseverleger und gegen Google. Das war die Grundidee dahinter.

Nun hat das Gesetz im Gesetzgebungsverfahren einige interessante Veränderungen genommen. Die Bundesregierung hat den Text noch kurz vor der abschließenden Beratung im Bundestag entschärft. Nun sehen wir eine Version, in der Suchmaschinen, also Google, weiterhin kostenlos Texte anreißen dürfen. Dann frage ich mich natürlich, wer dieses Leistungsschutzrecht überhaupt noch braucht, wem dieses Leistungsschutzrecht überhaupt noch nutzt.

(Beifall von den PIRATEN und B 90/GRÜNE.)

Dann muss ich mir einmal anschauen, wie das heute aussieht, wie das Internet funktioniert. Heute sehen wir im Netz eine interessante Entwicklung. Wir sehen eine Gegenöffentlichkeit. Die geht auch gegen die etablierten Medien. Das heißt, wir haben eine Machtverschiebung von den Verlagen hin zum Nutzer, was die Nachrichtenbearbeitung angeht. Wir sehen Blogs, wir sehen Facebook, wir sehen Twitter. Wir sehen viele verschiedene soziale Dienste, die eine neue Medienmacht, eine neue Art der Öffentlichkeit, eine Macht der Öffentlichkeit bieten, ungefiltert und unkontrolliert.

(Abg. Maurer (PIRATEN) )

Das führt dann auch zu solchen Dingen, dass plötzlich ein riesiger Druck auf Politiker entsteht. Wir haben das beim Bundespräsidenten gesehen. Der Druck war natürlich auch über die klassischen Medien da. Aber das war ein Pingpong-Spiel. Das heißt, da war das Internet, da waren Nutzer im Internet, die haben sich empört, die haben geschrieben, und das wurde von den klassischen Medien wieder aufgenommen.

Wir haben momentan eine starke Veränderung. Was wollen wir jetzt machen? Der Versuch, der hier im Raum steht, ist offensichtlich: Es geht darum, diese Deutungshoheit der Verlage wieder irgendwie zurückzugewinnen. Das, meine lieben Damen und Herren, ist ein Projekt, das nur auf Kosten der Meinungsfreiheit gelingen kann. Das ist mit uns nicht zu machen.

(Beifall bei den PIRATEN und B 90/GRÜNE.)

Wenn ich mir anschaue, was von diesem sogenannten Leistungsschutzrecht übrig ist, dann komme ich zu dem Ergebnis, dass es nur noch ein Ziel hat, nämlich das öffentliche Beschäftigen mit Nachrichten im Internet riskant zu machen. Wer sich öffentlich mit aktuellen Ereignissen in seinem Blog auf Facebook, auf Twitter beschäftigt, der setzt sich plötzlich, nachdem dieses Gesetz da ist, der Gefahr der Abmahnung aus.

In den letzten Tagen gab es einen interessanten Blogbeitrag auf „Spreeblick“. Das ist einer der größten deutschen Blogs. Die haben geschrieben, dass sie in den letzten 10 Jahren schon bei geltender Gesetzeslage über 10.000 Euro an Anwalts- und Gerichtskosten gehabt haben, weil Medienanbieter immer wieder versucht haben, sie zu verklagen, um dort Inhalte zu ändern. Die konnten sich das leisten, dagegen vorzugehen. Aber der durchschnittliche Blogger kann sich das nicht leisten. Wenn dem eine Abmahnung ins Haus flattert, dann kann er die Rechtsgrundlage nicht mehr beleuchten, dann wird er einfach seinen Artikel herunternehmen. Das Gefühl der Abmahngefährdung reicht vollkommen aus, um im Kopf der Internetnutzer eine Schere anzusetzen.

(Beifall bei den PIRATEN und B 90/GRÜNE.)

Im Gegensatz zu Google haben diese normalen Internetnutzer nämlich nicht diese Menge an Geld. Sie können sich nicht gegen eine Abmahnindustrie wehren. Die gibt es wirklich da draußen. Das ist eine Abmahnindustrie, die gegen Internetnutzer vorgeht. Sie können sich nicht wehren gegen den Vorwurf, angeblich illegal Textpassagen übernommen zu haben. Das Leistungsschutzrecht, wie es jetzt vorliegt, schafft neue Rechtsunsicherheit. Denn was sind sie denn, diese kleinsten Textausschnitte? Es gibt keine klare Definition. Wir müssen darauf warten, dass die Gerichte das klären. Sie können nicht erwarten,

dass die Internetnutzer vor Gericht ihr Recht erstreiten werden. Das wird nicht funktionieren. Tür und Tor sind geöffnet für Verlagsabmahnungen. Eine reale Grundlage ist zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr notwendig, um eine Abmahnung zu schreiben.

Man kann das vergleichen mit der jetzigen Situation beim Filesharing. Auch dort ist die Rechtslage noch in weiten Teilen ungeklärt. Beim illegalen Streaming ist die Rechtslage noch weitestgehend ungeklärt. Es gibt dort sehr viele Abmahnungen an Internetnutzer, bei denen wir sehr sicher sein können, dass diese vor Gericht keinen Bestand hätten. Aber trotzdem schwappt eine Abmahnwelle nach der anderen über die deutschen Haushalte, von Nord nach Süd, von West nach Ost. Für die Abmahner ist es nämlich nicht notwendig, eindeutig recht zu haben. Es reicht völlig aus, wenn sie nicht offensichtlich im Unrecht sind.

(Beifall von den PIRATEN und B 90/GRÜNE.)

Wir sprechen hier von einem extremen strukturellen Ungleichgewicht. Auf der einen Seite haben wir Anwaltsbriefe mit hohen Geldforderungen, die Angst erzeugen. Auf der anderen Seite ist eine Wehr nicht möglich, weil die finanzielle Ausstattung bei den Betroffenen gar nicht vorhanden ist. Dann ist natürlich der Kurzschluss, man bezahlt lieber, hat seine Ruhe und nimmt seinen Beitrag aus dem Netz. Das Leistungsschutzrecht wird genau diesen Mechanismus ergeben. Verlage werden abmahnen aufgrund eines plausiblen Rechtsstandpunktes, der nicht gerichtssicher ist, aber Gerichte urteilen spät, Gerichte spielen für das Abmahnunwesen erst einmal keine Rolle.

Ein neues Abmahnunwesen, das hier entstehen wird, wird für einige Jahre funktionieren, bis der Rechtsrahmen von den Gerichten geklärt ist. Jetzt können Sie natürlich behaupten, gewerbliche Nutzer, das sind nicht die privaten Internetnutzer, das bin nicht ich, der irgendwo twittert oder auf Facebook einen Link teilt, aber auch diese Formulierung ist viel zu unklar. Denn was ist denn, wenn ich auf meinem Blog Werbung habe? Jeder zweite hat auf seinem Blog Werbung. Da bekomme ich ein paar Cent im Monat. Das ist ein Goody. Das reicht nicht einmal, um meine Hosting-Kosten zu decken. Aber trotzdem macht es mich juristisch gesehen gegebenenfalls zu einem gewerblichen Nutzer. Was ist mit Spendeneinnahmen? Es gibt inzwischen bei Twitter die Möglichkeit, dass jedes Mal, wenn jemand das Sternchen drückt, weil er einen Tweet von mir gut findet, er von seinem Konto auf mein Konto Minimalstbeträge an Geld überweist. Ist das schon gewerblich? Die Abmahnschreiben werden keine Rücksicht auf diese Details nehmen.

Zum Vergleich an dieser Stelle noch einmal Filesharing. Da kennen wir das schon. Das Gesetz, wie es momentan vorliegt, hat keinen Nutzen für die Verle

(Abg. Hilberer (PIRATEN) )

ger. Es schadet den Internetnutzern, es schadet dem Medium Internet an sich, weil es die Grundfesten erschüttert, wie dieses Medium funktioniert. Das ursprüngliche Ziel, eine Kampagne gegen einen einzelnen großen Hersteller Google, kann eigentlich auch nicht überzeugen. Google hat übrigens die Möglichkeit, Nachrichten zu sperren. Die leben nicht von ihrem Google-News-Dienst. Die können es sich einfach leisten zu sagen, wir nehmen die Verlage nicht mehr auf, wenn die Lizenzkosten verlangen. Verlage, ich habe das schon einmal kurz eingeräumt, haben auch jetzt schon die Möglichkeit - das ist eine Textzeile auf der ganzen Internetpräsentation -, Google auszusperren, indem sie einfach sagen: „Suchmaschine, schau dir bitte diese Seiten nicht an!“.

Was bleibt, ist ein gefährliches Gesetz ohne einen realen Nutzen. Deshalb ist es im Interesse dieses Hauses, im Interesse des Saarlandes - das Saarland ist nämlich ein Informatikstandort; das Saarland möchte vorne dabei sein, möchte auch mit der Entwicklung im Internet vorne dabei sein -, deshalb ist es in unserem Interesse, dass sich die Landesregierung auf der letzten Strecke im Bundesrat noch gegen dieses Gesetz auflehnt und den Willen formuliert, dass wir im Saarland dieses Gesetz nicht möchten. Deshalb bitte ich Sie, das zu unterstützen. Wir PIRATEN treten für ein freies Internet ein. Ich bitte Sie, uns an der Stelle zu folgen. - Danke schön.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat der Abgeordnete Uwe Conradt von der CDU-Landtagsfraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein besonderer Tag, heute ist der erste Welttag des Glücks. Ich glaube, es hat schon etwas damit zu tun, dass wir an diesem Tag ein Thema auf der Tagesordnung haben und diskutieren, das symbolisch für das Glück der PIRATEN steht. Es ist das Urheberrecht, es ist das Leistungsschutzrecht, es ist das, was die PIRATEN aus ihrem Schattendasein herausgeholt hat. Ich sage nur das Wort ACTA, womit es gelungen war, Unbehagen und Angstgefühle in die Öffentlichkeit zu bringen über die Frage, wie das Internet morgen aussieht, wie das Land mit Urheberrechten und der Bewertung der Leistungen im Internet umgeht.

Das ist ein Glück gewesen und das ist auch in Ordnung. Es hat vielleicht auch etwas mit Anfängerglück zu tun, aber das gehört zum politischen Geschäft dazu. Glück alleine reicht nicht. Genau deshalb, weil Sie wissen, dass Glück alleine nicht reicht, suchen

Sie heute hier diese Bühne im Landtag für ein Gesetz, das der ausschließlichen Bundesgesetzgebung unterliegt.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Was ist denn mit dem Bundesrat?)

Zwar haben wir als Land ein Einspruchsrecht im Bundesrat, aber es ist ein ausschließliches Bundesrecht. Sie wissen genau, dass dies auf die Bühne des Bundestages gehört. Sie bringen es in den Landtag, weil Sie dort niemals hinkommen werden.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Bitte, Herr Ulrich, ich lasse eine Zwischenfrage zu.

Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) mit einer Zwischenfrage: Herr Kollege, Ihnen ist doch bekannt, dass dieses Thema auch den Bundesrat berührt.

(Abg. Conradt (CDU) : Das habe ich ja selbst gesagt.)

Insofern ist das Abkanzeln an der Stelle nicht in Ordnung. Es geht darum, die Landesregierung aufzufordern, sich so oder so zu verhalten; das ist absolut legitim.

(Abg. Conradt (CDU) : Wo ist die Frage?)

Das war sie.

(Lachen bei den Regierungsfraktionen.)

Ich würde mich freuen, wenn Sie sich in Zukunft wenigstens bemühen würden, eine Frage zu stellen und nicht eine Anmerkung zu machen. Weil Sie wissen, dass Sie genau dort, wo die Entscheidungen in dieser Frage fallen, niemals hinkommen, geht es Ihnen ein Stück weit um Ihr Vermächtnis. Natürlich beteilige ich mich gerne an diesem Nachruf.