Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf an den Ausschuss für Finanzen und Haushaltsfragen zu überweisen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfes 15/488 in Erster Lesung unter gleichzeitiger Überweisung an den Ausschuss für Finanzen und Haushaltsfragen ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf Drucksache 15/488 in Erster Lesung mit Stimmenmehrheit abgelehnt wurde.
Zugestimmt haben die Fraktionen PIRATEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, abgelehnt haben alle übrigen Fraktionen.
Zweite und Dritte Lesung des von der CDULandtagsfraktion und der SPD-Landtagsfraktion eingebrachten Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Saarlandes zur Stärkung der Bürgerbeteiligung (Drucksache 15/140) (Ab- änderungsanträge Drucksachen 15/459, 15/ 477, 15/486 und 15/491)
Zweite Lesung des von der CDU-Landtagsfraktion und der SPD-Landtagsfraktion eingebrachten Gesetzes zur Änderung des Volksabstimmungsrechtes (Drucksache 15/302)
Zur Berichterstattung über beide Vorlagen erteile ich der Vorsitzenden des Ausschusses für Justiz, Verfassungsund Rechtsfragen sowie Wahlprüfung Frau Abgeordneter Petra Berg das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf als Berichterstatterin des Ausschusses für Justiz, Verfassungs- und Rechtsfragen sowie Wahlprüfung und des Ausschusses für Inneres und Sport heute für beide Gesetzentwürfe einen gemeinsamen Bericht zur Volksgesetzgebung erstatten.
Der Gesetzentwurf der CDU- und SPD-Landtagsfraktion Drucksache 15/140 zur Änderung der Verfassung des Saarlandes zur Stärkung der Bürgerbeteiligung wurde vom Plenum in seiner 7. Sitzung vom 19. September 2012 in Erster Lesung mehrheitlich angenommen und zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Justiz, Verfassungs- und Rechtsfragen sowie Wahlprüfung überwiesen.
Der Gesetzentwurf der CDU- und SPD-Landtagsfraktion Drucksache 15/302 zur Änderung des Volksabstimmungsrechtes wurde vom Plenum in seiner 11. Sitzung vom 16. Januar 2013 in Erster Lesung einstimmig angenommen und zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen.
Ich komme zunächst zu der an den Justizausschuss überwiesenen Drucksache 15/140, die die Verfassungsänderung beinhaltet. In Artikel 98 der saarländischen Verfassung wird durch den Gesetzentwurf klargestellt, dass Gesetzesvorlagen auch durch Volksbegehren in den Landtag eingebracht werden können. Neu in die Verfassung aufgenommen wird mit Artikel 98a die Möglichkeit, den Landtag mittels
Volksinitiative mit Themen zu befassen, die Gegenstände politischer Willensbildung sind und seiner Zuständigkeit unterliegen. Der bisherige absolute Finanzvorbehalt in Artikel 99 der saarländischen Verfassung entfällt. Unter Wahrung des Budgetrechts des Landtages bleiben nur noch bei bestimmten finanzwirksamen Gesetzen wie dem Landeshaushaltsgesetz, Abgabenund Besoldungsgesetzen Volksbegehren ausgeschlossen.
Bei anderen finanzwirksamen Gesetzen sind Volksbegehren statthaft, wenn bestimmte finanzielle Auswirkungen nicht überschritten werden, nämlich 0,3 Prozent des für den Zeitpunkt der Beantragung des Volksbegehrens festgestellten Haushaltsplans. Das Volksbegehren muss bei kostenverursachenden Maßnahmen als Zulässigkeitsvoraussetzung einen konkreten, begründeten Vorschlag zur Deckung der Kosten der begehrten Maßnahme enthalten.
Das erforderliche Quorum für Volksbegehren wird deutlich abgesenkt. Statt wie bisher nur einem Fünftel der Stimmberechtigten müssen sich nunmehr lediglich mindestens 7 Prozent der Stimmberechtigten innerhalb von drei Monaten in amtlich ausgelegte Unterstützungsblätter eintragen. Entspricht der Landtag dem Volksbegehren nicht binnen zwei Monaten, so ist innerhalb von weiteren zwei Monaten ein Volksentscheid herbeizuführen.
Der dem Volk zur Entscheidung vorgelegte Gesetzentwurf muss durch einen konkreten und begründeten Kostendeckungsvorschlag sowie durch eine Stellungnahme der Landesregierung begleitet sein. Zum Beschluss einfacher Gesetze durch Volksentscheid ist die Zustimmung von mindestens einem Viertel der Stimmberechtigten erforderlich.
Erstmals ist eine Verfassungsänderung durch Volksentscheid möglich. Dazu müssen sich mindestens die Hälfte der Stimmberechtigten an der Abstimmung beteiligen, davon mindestens zwei Drittel der Abstimmenden dem Gesetzentwurf zustimmen.
Nun zu der an den Innenausschuss überwiesenen Drucksache 15/302, dem Gesetz zur Änderung des Volksabstimmungsrechts. Zunächst zur Volksinitiative. Der Antrag muss schriftlich an den Landtagspräsidenten gerichtet sein und muss genau beschreiben, womit sich der Landtag im Rahmen seiner Zuständigkeit befassen soll. Die Initiative muss durch persönliche und handschriftliche Unterschriften von mindestens 5.000 Stimmberechtigten unterstützt werden, wobei die Unterschriften nicht älter als sechs Monate sein dürfen. Die Stimmberechtigung ist durch eine von der Gemeinde kostenfrei auszustellende Bescheinigung nachzuweisen.
Sind Mängel im Antrag vorhanden, können diese innerhalb eines Monats nach Aufforderung behoben werden. Vor einer Entscheidung über den Antrag
soll der Antragsteller gehört werden. Die Entscheidung über eine Ablehnung des Antrags muss begründet werden und kann vor dem Verfassungsgerichtshof binnen eines Monats angefochten werden. Befasst sich der Landtag mit der Volksinitiative, so wird vor einem Beschluss zu deren Gegenstand die Vertrauensperson nochmals angehört.
Nun zum Volksbegehren. Das Volksbegehren muss den Anforderungen des Artikels 99 der Landesverfassung entsprechen. In § 5 des Volksabstimmungsgesetzes wird der Begriff der Staatsleistung nun erstmals legaldefiniert und damit konkretisiert. Unter Staatsleistungen sind danach solche Hilfen und Zuwendungen zu verstehen, die unmittelbare staatliche Geldleistungen gegenüber Gruppen oder Individuen beinhalten. Wenn der Landtag binnen zwei Monaten dem im Volksbegehren unterbreiteten Gesetzesantrag nicht entspricht, hat die Landesregierung innerhalb von zwei weiteren Monaten einen Volksentscheid herbeizuführen.
Zur gemeinsamen Anhörung. Der Justiz- und der Innenausschuss haben am 07. März 2013 eine gemeinsame Anhörung zu beiden Gesetzesvorhaben durchgeführt. Dabei wurden folgende Punkte diskutiert. Die Absenkung der Quoren wurde grundsätzlich begrüßt, teilweise wurde für eine noch weitergehende Absenkung der Quoren plädiert. Die Verfassungsmäßigkeit des inversen Stimmgewichts bei Beteiligungsquoren wurde erörtert. Zum Teil wurde vertreten, der Gegner eines Volksbegehrens könne mit seinem Nein einen widersinnigen Erfolg herbeiführen, indem er den Gegnern zum Erreichen des Quorums verhelfe. Dies verleite die Gegner regelmäßig zum Abstimmungsboykott.
Überwiegend wurde angeregt, über eine stärkere Verzahnung von Volksinitiative und Volksbegehren nachzudenken und die Volksinitiative wegen ihres Charakters als Massenpetition auf alle Einwohner, gleich welcher Staatsangehörigkeit, und auf Jugendliche auszuweiten. Viele Experten plädierten dafür, die Ausnahmetatbestände beim Volksbegehren weiter zu reduzieren und nur das Haushaltsgesetz als Ausnahmetatbestand zu belassen. Zum Teil wurde auch die Gesetzgebung zur Besoldung und den Entgeltzahlungen als Ausnahmetatbestand anerkannt. Die prozentual festgelegte Obergrenze für finanzielle Auswirkungen wurde überwiegend als problematisch erachtet. Vom Initiator eines Volksbegehrens einen Kostendeckungsvorschlag zu verlangen, wurde zum Teil als Überforderung des Volkes angesehen. Stattdessen wurde eine Kostenschätzung durch die Landesregierung vorgeschlagen.
Die Amtseintragung wurde größtenteils als Verfahrenserschwernis bewertet. Es wurde dafür plädiert, die freie Sammlung von Unterschriften anstelle oder neben der Amtseintragung sowie die Zulassung eines Briefeintrages analog zur Briefwahl zuzulassen.
Diskutiert wurde, dass die Verfassung nicht mit Detailregelungen überlastet werden sollte. Es wurde vorgeschlagen, Regelungen wie den Kostendeckungsvorschlag und die Amtseintragung im Ausführungsgesetz statt in der Verfassung zu regeln. Sowohl der Justiz- als auch der Innenausschuss haben sich infolge der Anhörung mit den Abänderungsanträgen befasst.
Zu den Abänderungsanträgen der Drucksache 15/ 140. Ein Abänderungsantrag der PIRATEN-Landtagsfraktion, der unter anderem eine freie Unterschriftensammlung, eine weitere Absenkung der Quoren, eine weitere Auflockerung des Finanzvorbehalts und das Absehen von einem Kostendeckungsvorschlag vorsah, wurde im Justizausschuss mehrheitlich abgelehnt. Dieser Antrag liegt Ihnen als Drucksache 15/477 vor.
Ein Abänderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der unter anderem die Möglichkeit der Überleitung einer Volksinitiative in ein Volksbegehren vorsah, wurde im Justizausschuss mehrheitlich abgelehnt. Dieser Antrag liegt Ihnen als Drucksache 15/486 vor.
Nach einem Abänderungsantrag der Koalitionsfraktionen, der im Justizausschuss mehrheitlich angenommen wurde und Ihnen als Drucksache 15/459 vorliegt, genügt für Volksinitiativen der Antrag von mindestens 5.000 Einwohnern des Saarlandes, die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung mindestens 16 Jahre alt sind. Die Volksinitiative wird damit für Jugendliche und ausländische Mitbürger und Mitbürgerinnen geöffnet.
Zu den Abänderungsanträgen der Drucksache 15/ 302. Ein Abänderungsantrag der PIRATEN-Landtagsfraktion, der Ihnen als Drucksache 15/480 vorliegt und unter anderem den Nachweis der Stimmberechtigung durch die Gemeinden entfallen lässt und die Prüfung dem Landtag auferlegt, wurde mehrheitlich abgelehnt.
Ein Abänderungsantrag der Koalitionsfraktionen wurde im Innenausschuss mehrheitlich angenommen. Er liegt Ihnen als Drucksache 15/461 vor. Mit diesem Antrag wird die Öffnung der Volksinitiative für Jugendliche ab 16 Jahren und ausländische Mitbürger und Mitbürgerinnen einfachgesetzlich umgesetzt.
Zu den Beschlussempfehlungen der Ausschüsse. Erstens. Der Justizausschuss empfiehlt dem Plenum mehrheitlich mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Oppositionsfraktionen die Annahme des Gesetzentwurfs Drucksache 15/ 140 nach Maßgabe des Abänderungsantrages Drucksache15/459.
fraktionen bei Gegenstimmen der Oppositionsfraktionen die Annahme des Gesetzentwurfs Drucksache 15/302 nach Maßgabe des Abänderungsantrages Drucksache 15/461. - Vielen Dank.
Ich danke der Berichterstatterin und eröffne die Aussprache. - Das Wort hat für die Fraktion der PIRATEN Herr Fraktionsvorsitzender Oskar Lafontaine.
(Heiterkeit. - Abg. Spaniol (DIE LINKE) : Für die PIRATEN? - Abg. Augustin (PIRATEN): Den habe ich aber nicht zum Vorsitzenden gewählt.)
Es tut mir ausgesprochen leid. Es weiß ja jeder, er spricht für die Fraktion DIE LINKE. Ich habe mich da an manche Karnevalssitzung mit dem Hut erinnert. Entschuldigung, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich zum Thema spreche, möchte ich zunächst meiner Freude Ausdruck verleihen, Herr Präsident, dass Sie heute die Sitzung leiten.
Ich möchte Ihnen im Namen des ganzen Hauses das haben Sie am Beifall gehört und vielleicht darf ich das als Älterer hier sagen - alles Gute wünschen, gute Besserung für die nächste Zeit und weitere Genesung.
Wenn ich gewusst hätte, wie Sie mich heute ankündigen, wäre ich mit einer Augenklappe erschienen. Das konnte ich nicht ahnen und so schnell konnte ich nicht reagieren.
Scherz beiseite. - Das Gesetz, über das wir heute reden, ist nach meiner Auffassung eines der wichtigsten Gesetze, die wir in dieser Legislaturperiode beraten. Es geht um die Demokratie. Ich weiß, dass bei diesem Wort der eine oder andere vielleicht etwas Langeweile verspürt. Dennoch glaube ich, dass dieses Wort uns alle herausfordern sollte und wir uns immer wieder die Frage stellen sollten, wie wir unsere demokratische Ordnung verbessern können.
Wenn Versuche gemacht worden sind, an denen auch ich auf bundespolitischer Ebene beteiligt war, über die Verbesserung der Demokratie zu sprechen, muss man immer wieder feststellen, dass das Wort Demokratie von vielen benutzt wird, ohne dass diejenigen, die es benutzen, eine inhaltliche Definition dieses Begriffes geben können oder wollen. Vielleicht ändert sich das irgendwann einmal.
Ich möchte die klassische Definition der Antike in Erinnerung rufen, die nach meiner Auffassung noch immer eine der besten Definitionen ist. Sie besagt: Wir bezeichnen eine Gesellschaftsordnung dann als demokratisch, wenn sich die Interessen der Mehrheit durchsetzen. Diese auf Perikles zurückgehende Definition zeigt, dass man die Demokratie nicht formal bestimmen kann, sondern vom Ergebnis her bestimmen muss. Wenn Sie sehen, was derzeit in Europa geschieht, wird niemand von Ihnen aufstehen und sagen, in Europa setzten sich die Interessen der Mehrheit durch. Wir haben also allen Grund darüber nachzudenken, wie wir unsere demokratische Ordnung so verbessern können, dass die inhaltliche Bestimmung der Demokratie mehr und mehr greift.
Auf der Ebene eines Landesparlamentes kann man diese inhaltliche Bestimmung der Demokratie natürlich ebenfalls anwenden. Denn wenn man die Entscheidungen selbstkritisch betrachtet - ich sage bewusst selbstkritisch und denke an die letzten Jahrzehnte -, dann muss man immer wieder die Frage aufwerfen, ob die Entscheidungen der Parlamente tatsächlich von der Mehrheit der Bevölkerung getragen werden. Es ist hinsichtlich der Bundesebene sicherlich nicht polemisch, wenn ich darauf hinweise, dass Steuergesetze, Gesetze zur Rentenversicherung, zur Arbeitslosenversicherung und, wie alle Umfragen zeigen, auch Entscheidungen zur Außenpolitik oft getroffen werden, obwohl die große Mehrheit der Bevölkerung eine ganz andere Auffassung hat.