Protokoll der Sitzung vom 15.10.2013

In den anstehenden Verhandlungen des Bundes und der Länder müssen unsere spezifischen Probleme eingebracht und einer Lösung zugeführt werden: die demografische Entwicklung und ihre Folgen, die Pendlersituation, die überdurchschnittlichen Soziallasten, die unterdurchschnittliche kommunale Finanzkraft, die Altschulden und die Versorgungslasten. Am Ende der Betrachtung dieser Ausgangslage und der Rahmenbedingungen sowie der zugrundeliegenden Herausforderungen bleibt die Erkenntnis, dass nichts von allein kommen wird und die allein glückselig machende Lösung nicht zu erwarten ist. Eine Verbesserung erfolgt nur durch eigenes Zutun und Handeln, Zaghaftigkeit wird bestraft. Wir haben auf Dauer nur dann eine Chance als eigenständiges und selbstbewusstes Bundesland, wenn wir besser und schneller, günstiger und effizienter, zukunftsorientierter und auch pfiffiger als die anderen Länder sind.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Das müsstet ihr aber auch mal sein!)

Das geht nur mit genügend Selbstbewusstsein, Ideenreichtum und konsequentem Handeln, auch wenn dieses Handeln unbequem ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch wenn es wehtut, auch wenn es Gewohntes verändert. Diese Landesregierung bietet mit diesem Landeshaushalt einen Beleg dafür, dass wir den Herausforderungen mutig entgegentreten.

(Sprechen.)

(Abg. Jost (SPD) )

Wir sagen, was ist. Wir handeln, wo die Notwendigkeit besteht. Wir nutzen die Chancen, um den Zusammenhalt in unserem Land zu bewahren und um die Eigenständigkeit des Landes zu sichern. Ich habe es eben schon mal gesagt: Unser Motto ist nicht „Jammern und Motzen“, sondern „Anpacken und Plotzen“. Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Haushalt, den wir für das Jahr 2014 in die parlamentarische Debatte eingebracht haben, bietet eine gute Grundlage und stellt den Anfang der notwendigen Veränderungen in diesem Land dar. Wir bitten um Zustimmung. - Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall von den Regierungsfraktio- nen.)

Das Wort hat für die Fraktion der PIRATEN Herr Fraktionsvorsitzender Michael Hilberer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Jost, getreu Ihrem Motto haben Sie uns angepackt und gemotzt.

(Sprechen.)

Ich empfehle Ihnen, sich, bevor Sie nach Berlin gehen, noch einmal anzuschauen, welche Teile des Grundgesetzes unter Ewigkeitsvorbehalt stehen und welche nicht. Die Schuldenbremse zählt jedenfalls nicht dazu, sie kann man durchaus rausstreichen, wenn man eine politische Mehrheit dafür findet.

(Beifall von den PIRATEN.)

Man kann unsere Kritik an diesem Haushalt nicht nachvollziehen, wenn man sich nicht auch die gesamtstaatliche Situation anschaut. Schauen wir auf Deutschland, so sehen wir ein reiches und erfolgreiches Land in der Mitte Europas.

(Zuruf von der CDU: Das sehen wir auch!)

Wir sehen ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts je Erwerbstätigenstunde - daran kann man wirklich festmachen, wie es um die Wirtschaftskraft in einem Land bestellt ist -, seit 1991 von 30 auf 40 Euro, dies bereits inflationsbereinigt. Von „Gürtel enger schnallen“ kann angesichts dieser Zahlen eigentlich keine Rede sein. Wir haben in diesem Land ein privates Geldvermögen in Höhe von mehr als 5 Billionen Euro. Das ist mehr als das Doppelte des Wertes von 1990. Nach Schätzungen des Bundesfinanzministeriums beträgt das Nettovermögen in Deutschland 8,6 Billionen Euro, davon besitzen die vermögendsten 10 Prozent fast 5,2 Billionen Euro netto an Geld- und Immobilienvermögen. Der größte Teil davon ist geerbt. Die privaten Geldvermögen allein nur das Geld! - sind mehr als doppelt so groß wie die gesamte Schuldenlast unseres Staatswesens. Bei diesen Zahlen kann man doch gesamtwirtschaft

lich nicht von einer klammen Haushaltslage sprechen!

(Beifall von den PIRATEN.)

Vielmehr ist es so, dass das Geld an der falschen Stelle eingenommen wird und an anderer Stelle zu wenig oder gar nichts eingenommen wird. Dieses Geld, das wir nicht einnehmen, wird dringend benötigt für Investitionen in die Zukunft. Das ist Geld, das wir brauchen, um dieses Land für die Zukunft fit zu machen, denn die Situation wird für uns nicht einfacher; wir sind eine alternde und schrumpfende Gesellschaft, und wir stehen im internationalen Wettbewerb.

Allein die Steuerreformen seit 1998 haben hochgerechnet zu Mindereinnahmen von 470 Milliarden Euro geführt. Das ist Geld, das heute fehlt, deshalb ist es auch an der Zeit umzusteuern.

(Beifall bei den PIRATEN und B 90/GRÜNE.)

Man muss kein PIRAT sein, um auf diese Idee zu kommen, aber offensichtlich hilft es. Trotzdem möchte ich noch einmal auf die Initiative der Bundesländer Baden-Württemberg, Hamburg, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen verweisen, bereits aus dem Jahr 2012, die sich mit einer Wiedereinführung der Vermögenssteuer beschäftigt. Das Interessante daran ist, dass die Initiative dafür eine Studie beim Deutschen Institut für Wirtschaft in Auftrag gegeben hat, das wirklich nicht als linksfreundliches Institut verschrien ist.

(Zuruf: Doch! - Sprechen.)

Bei dem Modell, das durchgerechnet wird, gibt es bereits einen hohen Freibetrag von 2 Millionen Euro. Das bedeutet, dass diese Vermögenssteuer nur noch 150.000 natürliche und 160.000 juristische Personen in Deutschland betrifft. Es wird bereits berücksichtigt, dass es dafür Erhebungskosten gibt, weil Steuern natürlich nicht umsonst erhoben werden können. Es wird auch berücksichtigt, dass die Menschen Steuervermeidungsstrategien entwickeln werden, um diese Steuer nicht bezahlen zu müssen. Das ist menschlich, das ist normal. Trotzdem kämen wir damit auf ein zusätzliches Steuereinkommen von 12 Milliarden Euro jährlich. Auf das Saarland entfielen daher jährlich 100 Millionen Euro allein aus dieser moderaten Erhöhung der Vermögenssteuer.

(Vereinzelt Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Erweitern wir dieses Szenario noch um spezifische Maßnahmen wie eine Verdoppelung der Erbschaftssteuer oder ein Anheben des Spitzensteuersatzes erhalten wir mehr Geld. Eine Verdoppelung der Erbschaftssteuer würde zusätzlich 50 Millionen Euro im Jahr einbringen. Ein Anheben des Spitzensteuersatzes würde dem Saarland weitere Mehreinnahmen von 30 bis 40 Millionen Euro im Jahr einbringen.

(Abg. Jost (SPD) )

Das ist übrigens eine Forderung der GRÜNEN, auch der SPD, und bis zum amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl wurde es zumindest von der CDU hier im Lande immer wieder ins Gespräch gebracht. Diese eher moderaten Reformen würden dem Saarland insgesamt fast 200 Millionen Euro Mehreinnahmen im Jahr bringen. Leider sehen wir keine entsprechenden Pläne unserer Landesregierung. Stattdessen rudert die CDU bezüglich des Spitzensteuersatzes sogar zurück und möchte nichts mehr davon wissen. Kämen wir zusätzlich zu einer Lösung der Altschuldenproblematik, hätten wir nach dem Ende der Konsolidierungshilfen einen ausgeglichenen Haushalt und zusätzlich Spielräume für Investitionen.

Investitionen sind dringend notwendig, denn seit Jahren fahren wir unser Staatswesen auf Verschleiß. Das ist kein Geheimnis, das sieht man, wenn man sich im Land umschaut. Wir haben einen Investitionsrückstau, der im kommunalen Bereich besonders deutlich ist, dort wird auch die Logik der Schuldenbremse übertragen: Weniger Schulden in den Büchern, mehr Schulden in der Infrastruktur. Ich möchte hier Zahlen des Deutschen Institutes für Urbanistik in Berlin aus dem Jahr 2008 nennen. Der Investitionsbedarf der Kommunen wird bei 704 Milliarden Euro gesehen, die kommunale Investitionstätigkeit bleibt allerdings weit darunter und ist auch seit Jahren stark rückläufig. Der Bildungsbereich im Land hat einen jährlichen Mehrinvestitionsbedarf von 45 Milliarden Euro: Ganztagsbetreuung, Schulinfrastruktur, das Thema Inklusion, das in vielen Ländern zur Chefsache erklärt wurde, all das benötigt Geld.

Schauen wir auf die Kreditanstalt für Wiederaufbau, auch ein verlässlicher Partner bezüglich volkswirtschaftlicher Zahlen. Sie sagt uns, dass nach Schätzung der Kommunen im April 2013 der Investitionsrückstau 123 Milliarden Euro beträgt und damit 20 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. Es ist eine Steigerung von 20 Milliarden Euro von einem Jahr auf das nächste! Die zurückliegende Verkehrsministerkonferenz hat festgestellt, dass jährlich 7 Milliarden Euro für die Instandhaltung bestehender Straßen und Brücken fehlen. Es ist also nicht verfehlt zu sagen, wir haben verfallende Infrastrukturen, kaputte Straßen, marode Brücken, bröckelnde Schulen und baufällige Gebäude an unseren Hochschulen. Jeder, der mit der Bahn fährt, weiß, dass nicht gewartete Züge und baufällige Gleise der Grund für Verspätungen sind. Auch im Saarland kann man das an jeder Ecke besichtigen. Der Sanierungsstau baut sich auf, jeden Tag gehen dadurch der Gesellschaft Werte in Millionenhöhe verloren. Das ist eben die neue Verschuldung, die wir den kommenden Generationen auflasten.

(Vereinzelt Beifall bei der Opposition.)

Von diesem Erbe, das wir an unsere Kinder weitergeben, wird aber nichts erzählt, wenn hier über die Schuldenbremse gesprochen wird. Wenn aber dem Staat systematisch die Mittel entzogen werden, die erforderlich sind, um die öffentliche Infrastruktur wenigstens zu erhalten, dann übergeben wir unseren Kindern eben ein Land, in dem selbst zentrale Einrichtungen einer modernen leistungs- und wettbewerbsfähigen und vor allem lebenswerten Gesellschaft nicht mehr funktionieren.

(Beifall bei der Opposition.)

Lassen Sie mich noch eines klarstellen: Schulden findet niemand gut. Schulden finden auch wir nicht gut. Wir sind nicht der Meinung, Schulden seien unproblematisch. Natürlich muss es Bestreben eines seriösen und nachhaltigen Haushaltes sein, Schulden, die momentan unvermeidlich sind, mittel- und langfristig auszugleichen. Diese logische Feststellung darf aber nicht missinterpretiert werden als eine Verständigung über die pauschale Ablehnung von Schulden. Es bringt nichts, wenn wir im Saarland Schulden in den Büchern reduzieren und dafür Schulden in der Infrastruktur und im Ausbleiben der Wirtschaftsleistung der Zukunft anlegen. Damit ist in diesem Land keinem geholfen!

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Schauen wir also auf unser Land. Was passiert nun im Saarland unter der Logik der Schuldenbremse? Der Staat zieht sich aus zentralen Bereichen zurück, diese Meldung gab es bereits in den letzten Wochen. Wir sprechen von der zeitlichen Schließung von Polizeidienststellen gerade im nördlichen Saarland, private Sicherheitsdienste sollen dort übernehmen.

(Zuruf: Was? - Abg. Schmitt (CDU) : Was ist das für ein Quatsch? - Sprechen und Unruhe.)

Ich merke schon, ich habe Sie verwirrt.

(Sprechen und Unruhe bei der CDU.)

Wir sprechen davon, dass im Nordsaarland Polizeidienststellen über Nacht geschlossen und dann von privaten Sicherheitsdiensten bewacht werden. Ich spreche nicht davon, dass private Sicherheitsdienste die Polizeiaufgaben übernehmen. Ich hoffe, das ist damit geklärt. Es ändert aber nichts daran, dass wieder schlechtere Beschäftigungsverhältnisse über Subunternehmer geschaffen werden, im Vergleich zu den Beamten, die dort normalerweise sitzen.

Die Krankenhausfinanzierung ist ein wichtiges Thema, darüber werden wir hier noch öfters sprechen, das Thema ist noch nicht abgeschlossen. Die Investitionen im Krankenhausbereich trägt seit der letzten Föderalismusreform das Land. Kein Geld oder weniger Geld in dieser Sparte bedeutet auch keine oder weniger Investitionen. Das ist sehr schwierig, wenn

(Abg. Hilberer (PIRATEN) )

wir davon ausgehen, dass das Krankenhaussystem im Land konsolidiert werden muss. Wir brauchen eigentlich einen Krankenhausplan, der uns zeigt, an welcher Stelle wir im Saarland welche Grundversorgung brauchen. Wie soll ein solcher Umbau ohne Investitionen gestemmt werden? Noch schlimmer ist der Rückzug des Landes aus der Krankenhausplanung, die Kassen sollen mit den Trägern die Planung machen. Das Land ist an der Stelle raus, wir geben das Heft aus der Hand! Ähnlich ist es, wenn gesagt wird, der Bund soll das Geld investieren. Dann hat der Bund natürlich die Hosen an und bestimmt, was eine sinnvolle Krankenhausversorgung für unser Land ist.

Wir sehen Blüten kreativer Haushaltsgestaltung, beispielsweise beim Neubau des HTW-Parkhauses. Es wird eine öffentlich-private Partnerschaft zur Errichtung dieses Parkhauses gegründet, die uns im Endeffekt mit höheren Zinslasten zurücklässt, als wenn wir es direkt aus dem Landeshaushalt finanziert hätten. Es sieht in den Büchern aber erst mal besser aus. Damit, meine Damen und Herren, ist im wahrsten Sinne des Wortes kein Staat zu machen.

(Vereinzelt Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Dann haben wir das große Thema Personalabbau. Bis zum Jahr 2020 sollen 2.400 Stellen beziehungsweise 2.400 Vollzeitäquivalente gespart werden, was durchaus mehr ist als 2.400 Beschäftigte. Das ist ein sehr diffiziles Thema, denn es ist natürlich einer der großen Ausgabenblöcke in jedem Landeshaushalt, im Saarland ist es genauso. Es ist ein Thema, über das wir ehrlich und offen sprechen müssen.

Was vermisse ich an dieser Stelle? Ich vermisse dieses versprochene Heben von Effizienzreserven, das Versprechen, dass mit weniger Leuten das Gleiche oder mehr geleistet werden kann. Sie haben versprochen, eine öffentliche Aufgabenkritik vorzulegen, einen Bericht bis Ende 2013. Für uns als Parlament, als Haushaltsgesetzgeber, wäre es essenziell, diesen Bericht auch zu den Haushaltsberatungen zu haben.

Wir sehen in unserem Land ausbleibende Investitionen. Schauen wir uns die Universität des Saarlandes an. Ich möchte Ihnen die Lektüre der Studie „Die Universität des Saarlandes in sozio-ökonomischer Perspektive“ ans Herz legen. Die Uni ist nämlich ein Wirtschaftsmotor in unserem Land. Jede Investition in die Uni, jeder Euro, den wir dort investieren, mobilisiert 2 Euro Wirtschaftskraft in unserem Land.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Das müssen Sie mit einer anderen Wirtschaftsförderung in dieser Form erst einmal schaffen. Wir haben das große Thema Schulbildung. Jedes Kind, das wir

nicht schaffen mitzunehmen, wird uns morgen als Erwachsener fehlen, gerade bei einer schrumpfenden Bevölkerung.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)