Protokoll der Sitzung vom 25.06.2014

Es gibt einige Unterstützungsleistungen, die auch mit diesen Mitteln erfolgt sind. Wir können sie Ihnen gerne noch mal auflisten, soweit sie uns im Einzelnen verfügbar sind. Aber ansonsten sind sie natürlich auch den verantwortlich Tätigen verfügbar. Jemand ganz in Ihrer Nähe wird Ihnen sicherlich dazu auch noch Auskunft geben können.

Ich wäre Ihnen dennoch dankbar, wenn Sie uns eine Liste zur Verfügung stellen würden.

Es besteht noch die Möglichkeit für andere Abgeordnete, Zusatzfragen zu stellen. Wie ich sehe, wird davon kein Gebrauch gemacht.

Wir kommen dann zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung:

Erste Lesung des von der DIE LINKE-Landtagsfraktion eingebrachten Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Saarlandes

(Drucksache 15/954)

Erste Lesung des von der DIE LINKE-Landtagsfraktion eingebrachten Gesetzes zur Änderung des Kommunalselbstverwaltungsgesetzes (Drucksache 15/953)

Zur Begründung erteile ich Herrn Abgeordneten Prof. Dr. Heinz Bierbaum das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir haben zwei miteinander im Zusammenhang stehende Gesetzentwürfe eingebracht mit dem Ziel, die öffentliche Daseinsfürsorge auch möglichst öffentlich zu organisieren. Und wenn entsprechende Unternehmen veräußert werden sollen, ist dies an sehr enge Auflagen und an eine Beteiligung der Bürger zu binden. Es geht dabei um Unternehmen der Daseinsfürsorge, um Unternehmen, die sich mit der Erbringung von Verkehrsleistungen befassen, die Leistungen in der Abfallwirtschaft erbringen, die die Bevölkerung mit Wasser und Energie versorgen, mit Wohnraum, wo Krankenhäuser bereitgestellt werden, und um Unternehmen, die wesentliche Beiträge zur wirtschaftlichen und kulturellen Infrastruktur des Landes leisten.

Solche Unternehmen sollen nach unserer Auffassung im Prinzip nicht privatisiert, sondern öffentlich organisiert werden, weil sie dem Gemeinwohl zu dienen haben und deswegen nicht unter Rentabilitätsgesichtspunkten organisiert werden können. Hinzu kommt, dass solche Leistungen auch allen Bürgerinnen und Bürgern zugänglich gemacht werden sollen. Dies ist am besten dadurch zu gewährleisten, dass sich solche Unternehmen im beherrschenden Einfluss der öffentlichen Hand befinden.

Wir schließen allerdings nicht grundsätzlich eine Veräußerung oder Privatisierung aus. Allerdings sind wir der Auffassung, dass dies dann auch per Gesetz geregelt werden muss, was bedeutet, dass entsprechende Auflagen gemacht werden müssen. Daher schlagen wir vor - das ist der Sinn der Gesetzesänderung im Hinblick auf die saarländische Landesverfassung -, dass solche Veräußerungen an ein Gesetz gebunden werden, weil durch das Gesetzgebungsverfahren sichergestellt wird, dass damit über das gewählte Parlament, über den saarländischen Landtag auch die Bevölkerung befasst ist, dass sie insofern Einfluss darauf hat und nicht außen vor gelassen wird.

Wir sind ferner der Auffassung, dass solche Gesetze eine große Zustimmung erfahren sollten. Deswegen schlagen wir weiter vor, dass, wenn ein solches Gesetz mit weniger als zwei Dritteln der Mitglieder beschlossen wird, es an einen Volksentscheid gebunden wird. Dies ist möglich. Den Weg dafür haben wir geöffnet. Wir meinen, dass in einem solchen Fall auch die Bevölkerung gefragt werden und ein Volksentscheid durchgeführt werden sollte.

Wir haben einen weiteren Gesetzentwurf vorgelegt, der sich auf die kommunale Ebene bezieht. Hier geht es um eine Änderung des Kommunalselbstverwaltungsgesetzes (KSVG). Das ist nur die logische Folge dessen, was wir mit der Änderung der saarländischen Verfassung auf der Landesebene for

dern. Auf der Ebene des KSVG geht es insbesondere um § 21, wo wir ebenfalls deutlich machen wollen, dass solche Unternehmen öffentlich bleiben sollen und auch hier ein Volksentscheid beziehungsweise auf der kommunalen Ebene ein Bürgerentscheid möglich sein soll.

Ich will nicht verhehlen, dass wir dieses Gesetz nicht eigenständig erfunden haben, sondern dass es dafür ein Vorbild gibt. Das ist das in Bremen mit Stimmenmehrheit der LINKEN, der GRÜNEN und der SPD verabschiedete Gesetz, das ähnlich ist und das wir an saarländische Verhältnisse angepasst haben. Wir halten dies für eine sinnvolle Initiative und sind der Auffassung, dass das auch für unser Land angemessen ist. Wir haben es deshalb übernommen und entsprechend verändert.

Auf Landesebene haben wir die Ausnahme vorgesehen, dass wir kleine Kapitalgesellschaften entsprechend § 267 Handelsgesetzbuch davon ausnehmen wollen, weil sie nicht die entscheidende Bedeutung für das Gemeinwohl haben. Kleine Kapitalgesellschaften sind Unternehmen, die eine Bilanzsumme von 4,8 Millionen Euro und einen Umsatz von 9,7 Millionen Euro nicht überschreiten, die im Jahresdurchschnitt nicht mehr als 50 Arbeitnehmer beschäftigen. Wenn davon zwei Kriterien erfüllt sind, handelt es sich um kleine Kapitalgesellschaften, die wir auf Landesebene ausschließen wollen.

Wir sind der Auffassung, dass insbesondere das Thema der Daseinsfürsorge eine besondere Bedeutung hat, wo es um Unternehmen geht, die die Bevölkerung mit elementaren Leistungen versorgen. Ich erinnere an die große Diskussion auch auf europäischer Ebene über die Privatisierung etwa von Betrieben im Bereich der Wasserwirtschaft. Beim Wasser wird nicht nur auf Landesebene und nationaler Ebene eine zentrale Auseinandersetzung geführt, sondern weltweit. Es handelt sich um eine wesentliche Ressource, die allen zugänglich gemacht werden soll und wo es Bestrebungen gibt, dies stärker unter Profitgesichtspunkten zu organisieren, also zu privatisieren. Wir sind der Auffassung, dass wir solchen Ansinnen nicht entsprechen sollten. Wir sollten vielmehr dafür sorgen, dass das, was die Bevölkerung braucht - Wohnen, Krankenversorgung, bestimmte kulturelle Leistungen, Abfallwirtschaft -, allen zugänglich ist sowie öffentlich organisiert und kontrolliert wird. Das ist die wesentliche Zielsetzung unseres Antrages.

(Beifall bei der LINKEN.)

Wir wollen nicht missverstanden werden: Wir schließen überhaupt nicht aus, dass es möglicherweise auch zu anderen Organisationsformen eher privatrechtlicher Art kommt. Allerdings wollen wir - das ist der wesentliche Sinn dabei - dies daran binden, dass es entweder ein Gesetz werden soll bezie

hungsweise dass die Bürger über einen Volksentscheid oder einen Bürgerentscheid daran beteiligt werden. Wir sehen im Übrigen darin auch eine Stärkung der Demokratie, weil dieser Volksentscheid, den wir auf den Weg gebracht haben, ein wesentliches Element ist, um die Demokratie zu stärken. Ich glaube, gerade bei solchen Dingen, die alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes angehen, ist es notwendig, dass eine entsprechende Beteiligung gegeben ist.

Ich appelliere daher an Sie, unseren Gesetzentwürfen zuzustimmen und den Weg dafür freizumachen, dass sie im Ausschuss beraten werden können. An anderer Stelle war dies durchaus möglich. Ich sage in Richtung SPD, dass der Koalitionszwang nicht unbedingt so weit gehen müsste, sich einem solch sinnvollen Ansinnen zu verschließen, sondern den Weg dafür zu öffnen, damit wir das beraten können. - Vielen Dank.

(Beifall von der LINKEN.)

Ich eröffne die Aussprache. - Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Roland Theis das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Hintergrund der heute von Ihnen, Herr Professor Bierbaum, vorgestellten Gesetzentwürfe sind die von Ihnen angesprochenen grundsätzlichen Debatten über die Fragen: Wie erfüllen der Staat und die öffentliche Hand ihre Aufgaben? Welche Rechts- und Organisationsformen dienen am besten dem öffentlichen Interesse? Welche Organisation dieses Teils der Wirtschaft und ihrer Unternehmen dient dem Gemeinwohl am besten?

Daher legen Sie heute zwei Gesetzentwürfe vor, die unter dem Schlagwort der Privatisierungsbremse - in der Tat, Sie haben es angesprochen - bereits in anderen Bundesländern diskutiert worden sind beziehungsweise diskutiert werden. Sie betreffen zwar vordergründig Verfahrensregelungen, können aber in der Sache nur beurteilt werden, wenn man sich mit den grundsätzlichen Thesen befasst, die im Hintergrund stehen. Auch wenn Sie sagen, wir schließen mit einer sogenannten Privatisierungsbremse Privatisierungen nicht aus, sind doch die Hürden so klar, dass es faktisch zu einem Ausschluss kommen würde.

Deshalb möchte ich mich in meinen Ausführungen mit den Thesen befassen, die im Hintergrund stehen, mit denen Sie Ihre Gesetzentwürfe begründen und die es aus meiner Sicht zu diskutieren gilt. Ihr Antrag geht davon aus - Sie haben es gerade ausgeführt -, dass das, was dem öffentlichen Interesse dient, am besten in öffentlicher Hand verbleibt. Die

(Abg. Prof. Dr. Bierbaum (DIE LINKE) )

These, die dahinter steht, lautet also: Die Frage der Eigentümerstellung ist entscheidend dafür, ob ein Unternehmen oder eine Institution dem Gemeinwohl dienen kann oder nicht. Die Frage, die sich mir stellt, ist deshalb, ob das überhaupt zutrifft. Ist es zwingend richtig, dass eine öffentliche Eigentümerstellung im Vergleich zu einer privaten dem öffentlichen Wohl besser zu dienen geeignet ist oder nicht?

Ich will klarstellen und gar nicht in Zweifel ziehen, dass gerade in Fällen kommunaler Daseinsvorsorge der richtige Weg - beispielsweise bei der Infrastruktur - sein kann, dies in öffentlicher Trägerschaft zu organisieren. Dafür kann im konkreten Fall zum Beispiel sprechen, wie Sie das gesagt haben, dass dadurch der Einfluss der Kommune oder der öffentlichen Hand noch unmittelbarer wirken kann als im Fall von regulierten privaten Unternehmen. Dies stellen wir dem Grunde nach überhaupt nicht infrage. Sie sehen das daran, dass dies gerade zurzeit im Saarland weder kommunal noch landespolitisch mit einem konkreten Vorschlag diskutiert wird.

Sie haben ein weiteres Beispiel dafür genannt. Die EVP-Fraktion - also die Parteienfamilie der CDU hat in der Debatte um die Dienstleistungsrichtlinie im zuständigen Binnenmarktausschuss die Pflicht zur Privatisierung der Wasserversorgung im europäischen Parlament gerade verhindert. Aber ich stelle die Frage: Gilt die These, die Ihrem Antrag zugrunde liegt, uneingeschränkt? Gilt das für jedes Unternehmen, das dem öffentlichen Wohl dient? Gilt das für jede Infrastruktur, ausnahmslos und für alle Zeit? Die Hürde, die Sie errichten würden, würde genau dazu führen, dass dieser Status quo fixiert wird.

Ich finde, ein Blick in die Lebenswirklichkeit und ein Rückblick in die letzten zwei Jahrzehnte zeigen, dass gerade nicht die Infrastruktur und nicht jede Dienstleistung, die, wie Sie in Ihrem Gesetzentwurf schreiben, einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen Infrastruktur leistet, stets in öffentlicher Hand verbleiben muss, um dem öffentlichen Wohl dienen zu können. Es gibt zahlreiche Beispiele dafür. Bestes Beispiel dafür ist die Privatisierung der Telekommunikation in den Neunzigerjahren, die zu einem massiven Qualitätsanstieg und zu preiswerteren Dienstleistungen geführt hat. Wenn Sie beispielsweise die inflationsbereinigten Preise für Telekommunikationsdienstleistungen vergleichen, werden Sie feststellen, dass sie für Telefonie und Internet heute circa 60 Prozent dessen bezahlen, was Sie 1995 ausgeben mussten.

Die Revolution der Mobiltelefonie von Smartphone & Co, so wie wir sie alle täglich leben, kann ich mir bei allem Respekt für und bei allem Vertrauen in die öffentliche Verwaltung nicht als ein Projekt vorstellen, das durch das Bundespostministerium organisiert worden wäre. Nicht nur die technische Revolution war in privaten Händen gut aufgehoben; auch der

Verbraucher hat finanziell profitiert. Beim Mobilfunk haben sich die Kosten in zwei Jahrzehnten um zwei Drittel reduziert. Die großen Gewinner der Privatisierung der Telekommunikation waren gerade das Gemeinwohl und der Verbraucher.

Das gilt im Übrigen auch für neue Technologien wie zum Beispiel die Versorgung mit Breitbandinternet. Denn nur weil ein Unternehmen einen, wie Sie sagen, wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen Infrastruktur leistet, gehört es jedenfalls im Prinzip noch lange nicht in öffentliche Hand. Wir dürfen uns nicht nur um diejenigen Unternehmen Gedanken machen, die bereits in öffentlicher Hand sind. Wenn Ihre These zuträfe, dass öffentliches Wohl nur im öffentlichen Eigentum möglich wäre, müsste es ja auch um Unternehmen gehen, die heute andere Organisationsformen haben.

Ein kurzer Blick in die Saarwirtschaft reicht aus, um Ihre Ausgangsthese zu widerlegen. Ein Unternehmen wie beispielsweise Inexio, das mittlerweile über eine beachtliche Infrastruktur mit Glasfaserinternet und Glasfasernetzen im Saarland und darüber hinaus verfügt, müsste der Grundthese Ihres Antrages ich sage nicht: Ihrem Antrag - folgen, besser öffentlich organisiert zu sein als privat. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist nicht nur wirtschaftlich nicht vorstellbar, das wäre auch nicht im Sinne des Gemeinwohls, weil es gerade der Dynamik und der Effizienz von privaten Unternehmen und des Marktes bedarf, um solche Innovationen zur Marktreife zu führen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ihre These - öffentliches Wohl geht nur im öffentlichen Eigentum - gilt auch in diesen Bereichen nicht. Ich glaube, Sie werden mir zustimmen, dass die zahlreichen kirchlichen Krankenhäuser einen ebenso wichtigen und hochwertigen Beitrag zur Versorgung der Bürger zu leisten imstande sind, wie es die staatlichen und kommunalen Krankenhäuser tun. Wer etwas anderes behauptet, ignoriert die Realität.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit ich nicht missverstanden werde, sage ich Folgendes: Dies ist gerade kein Plädoyer für blinde Marktgläubigkeit, sondern eine Widerlegung Ihrer These, dass die eigentumsrechtliche Zuordnung entscheidend dafür ist, ob ein Unternehmen am Gemeinwohl orientiert sein kann oder nicht. Für die Frage nämlich, ob ein Unternehmen dem Gemeinwohl dient, kann es sehr wohl vernünftig sein. Die These, die Sie aufstellen, ist aber absolut nicht richtig.

Interessant ist daher die Frage, ob die zweite These, die Ihrem Antrag zugrunde liegt und mit der Sie argumentieren, zutrifft. Diese zweite These lautet, dass dann, wenn öffentliche Daseinsvorsorge oder Infrastruktur in privater Hand ist, der Zugang der Bürger hierzu von der - ich will es neutral so nennen

(Abg. Theis (CDU) )

- Willkür des Unternehmens abhängig sein kann. Auch hier zeigt ein Blick in unsere Rechtsordnung, dass das Gegenteil der Fall ist. Unternehmen, die öffentliche Infrastruktur vorhalten oder Dienstleistungen anbieten, die der Grundversorgung der Bevölkerung dienen, bewegen sich ja gerade nicht im rechtsfreien Raum, und das ist auch gut so. Ernst Ulrich von Weizsäcker hat zu Recht in einem Bericht an den Club of Rome festgestellt, dass gute Regulierung Voraussetzung für erfolgreiche Privatisierung ist. Das gilt in Deutschland im Übrigen weit über die Bereiche hinaus, die Sie in Ihrem Antrag ansprechen. Wer in einem Rechtsverhältnis, das nicht auf Augenhöhe zwischen Anbieter und Nachfrager abgeschlossen wird, seine Waren und Dienstleistungen anbietet, ist selbstverständlich nicht völlig frei so wie es Ihr Antrag behauptet - in seinem geschäftlichen Handeln. Die verfassungsrechtlich gewährte Eigentumsfreiheit wird zu Recht durch die Sozialbindung des Eigentums, wie sie unser Grundgesetz festlegt, eingeschränkt.

Das gilt gerade für die Fälle, die Sie in Ihrem Antrag nennen. Gerade dort gibt es zahlreiche Vorschriften, die den diskriminierungsfreien Zugang zu wichtigen Dienstleistungen sicherstellen. § 10 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes regelt zum Beispiel, dass die Anbieter von Eisenbahndienstleistungen grundsätzlich jedermann nach den Bedingungen des amtlich veröffentlichten Tarifs befördern müssen, garantiert und diskriminierungsfrei. Das gilt selbstverständlich auch für Krankenhäuser, die Patienten nicht einfach ablehnen können.

Was Sie mit dieser These von der Lebenswirklichkeit zeichnen, wäre ein Zerrbild, denn ein solcher Kontrahierungszwang, also die Pflicht zum Abschluss eines Vertrages, existiert im deutschen Recht weit über die Bereiche hinaus, die Sie hier ansprechen. Das gilt für Apotheker, die gerade nicht frei entscheiden können, ob sie Frau Müller oder Frau Meier ein Medikament verkaufen oder nicht. Es gilt für die Anbieter von Telekommunikation, für gesetzliche Krankenkassen, für KFZ-Haftpflichtversicherungen; selbst der Bäcker, wenn er der einzige bei Ihnen vor Ort ist und Sie ein Brot kaufen wollen, unterliegt dem Kontrahierungszwang. Freiheit des Eigentums heißt nicht Willkür, sondern heißt Sozialbindung.

Kurzum: Überall dort, wo es beispielsweise wegen eines natürlichen Monopols oder wegen einer besonderen Abhängigkeit des Kunden oder wegen der besonderen Bedeutung des angebotenen Produkts für den Kunden keine Waffengleichheit im Markt gibt, schränkt die Rechtsordnung die Freiheit des Eigentums ein und sorgt damit dafür, dass der diskriminierungsfreie Zugang von Bürgern zu diesen Dienstleistungen gewahrt bleibt. Auch die zweite These, die Ihrem Antrag zugrunde liegt, entspricht

weder der Realität noch den Fakten. Doch selbst wenn wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit Ihrer Begründung einverstanden wären, so könnten wir dennoch Ihren Gesetzentwürfen nicht zustimmen, weil sie in mehrerlei Hinsicht aus unserer Sicht in die falsche Richtung gehen.

Lassen Sie mich daher zum Ende einige wenige Argumente darstellen, die an sich bereits die Ablehnung Ihres Vorschlags begründen. Dabei sind es zunächst praktische Gründe, die sich aus den Folgen Ihrer Verfahrensvorschläge in der Verfassung und im Kommunalselbstverwaltungsgesetz ergeben. Ihr Gesetzentwurf würde im Falle der Veräußerung von Unternehmen - die Sie ja, wie Sie es hier vortragen, nicht ausschließen wollen - zeitlich gesehen zu Hängepartien führen, die zu einem nicht zu kalkulierenden Risiko für Unternehmen und Steuerzahler führen können. Gerade das Erfordernis eines zustimmenden Bürgerentscheids, eines zustimmenden Volksentscheids würde Privatisierungsprozesse quasi unmöglich machen. Eine solche Fixierung des Status quo heute, für alle Zeiten, macht in einer Welt, die sich täglich verändert, keinen Sinn.

Ihr Vorschlag bedeutet deshalb in erster Linie eine Einschränkung der parlamentarischen Demokratie im Land und der Gestaltungsmöglichkeiten der Kommunalpolitik in den Städten und Gemeinden. Die Einführung eines Zweidrittelmehrheitserfordernisses bedeutet nichts anderes als eine Lähmung der Parlamente und eine Beschränkung des Einflusses demokratischer Mehrheiten in unserem Land. Ein Instrument, das als reines Verhinderungsinstrument bereits gedacht ist, führt demokratische Prozesse und politische Debatten ad absurdum. Mit dieser Einschränkung des Budgetrechts des Parlaments es ist ja gerade nicht so, dass das Parlament nichts mit Veräußerungen zu tun hätte -, welches das primäre Vorrecht des unmittelbar demokratisch legitimierten Landtags ist, sorgen Sie für eine nicht zu rechtfertigende Einschränkung der parlamentarischen Demokratie. Diese Schwächung des Parlamentarismus in unserem Land lehnen wir ab.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ihren beiden Gesetzentwürfen, das habe ich versucht, zum Ausdruck zu bringen, liegt ein Zerrbild der rechtlichen und tatsächlichen Realitäten in unserem Land zugrunde. Für uns ist klar: Privateigentum und Gemeinwohlorientierung sind keine Gegensätze, sie dürfen auch keine sein. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland bringt dies auf den Punkt, indem es neben der Garantie des Privateigentums dessen Sozialbindung statuiert. Art. 14 Abs. 2 macht es deutlich, wenn er sagt: „Eigentum verpflichtet. Es soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Präziser, kürzer und - wie ich finde - schöner kann man einen der wesentlichen Grundgedanken der Sozialen Marktwirtschaft nicht auf den Punkt brin

(Abg. Theis (CDU) )

gen. An diesem Grundgedanken halten wir fest, deshalb lehnen wir Ihre Anträge ab. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)