Danke, Herr Präsident! - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hat mich zunächst einmal etwas gewundert, dass das Kind nicht beim Namen genannt wird, aber spätestens in der Begründung wurde dann der Begriff Privatisierungsbremse genannt. Allerdings taucht auch das dazu gewählte Mittel, das Referendum, nirgends auf, und das möchte ich doch kurz aufgreifen. Zum Referendum gibt es ein interessantes Beispiel aus Hessen: In Hessen ist es nicht möglich, per Volksentscheid die Landesverfassung zu ändern, aber umgekehrt ist vorgegeben, dass dann, wenn der Landtag die Verfassung ändern möchte, ein Referendum durchgeführt werden muss, das Volk also zustimmen muss.
Das ist, wenn man sich die Bedeutung der Verfassung in Erinnerung ruft, ein sehr interessantes Konzept.
Ein vergleichbarer Fall liegt hier vor, denn die Einschränkungen, die wir in unserer Volksgesetzgebung im Saarland hinsichtlich der Finanzwirksamkeit von Entscheiden haben, lassen es nicht zu, einen Volksentscheid durchzuführen hinsichtlich der Privatisierung oder eben Nicht-Privatisierung von Unternehmen. Die Beträge, die dabei im Raum stehen, sind zu groß und sprengen deshalb den Rahmen, den unsere Volksgesetzgebung zulässt. Insofern ist gerade hier das Referendum auch ein interessantes Konzept, das ich hier genau wie bei der Verfassung in Hessen durchaus als sinnvoll erachte.
Was noch gar nicht angesprochen wurde: Wir hatten dieses Thema in ähnlicher Form schon einmal ganz zu Beginn dieser Legislaturperiode. Die LINKE hat damals mit der Drucksache 15/21 einen Gesetzentwurf vorgelegt, bei dem es auch um Privatisierung ging, allerdings war der deutlich allgemeiner gehalten. Man kann auch sagen, dass in den zwei Jahren das Ganze noch etwas weiter gereift ist. Wenn wir einmal schauen, was unabhängig von dem vorliegenden Gesetzentwurf in den letzten zwei Jahren zu dem Thema passiert ist - ich sage das deshalb, weil man sonst ja sagen könnte, dass es der gleiche Gesetzentwurf in etwas genauerer Form sei, der damals abgelehnt wurde und daher heute wieder abzulehnen sei -, denke ich erst einmal an den Berliner Wassertisch. Der war auch die Motivation für den
damaligen Gesetzentwurf - das unterstelle ich jetzt einfach mal so - und ein halbes Jahr, nachdem diese Drucksache 15/21 hier abgelehnt wurde, gab es in Berlin den Vorschlag der SPD, die Privatisierungsbremse in der Verfassung des Landes Berlin zu verankern. Insofern ist gerade der Berliner Wassertisch ein Beispiel, wo sich etwas getan hat.
Sehr geehrter Herr Theis, an dieser Stelle muss ich auch sagen, dass Sie zwar viele Dinge aufgezählt haben, wo es einen entsprechenden Kontrahierungszwang gibt, aber gerade der Berliner Wassertisch ist ein Gegenbeispiel. Da ging es eben schief.
Schauen wir einmal weiter, was sonst noch in den letzten zwei Jahren war oder auch gerade sehr aktuell ist. Das Land Thüringen hat am 14.09. Landtagswahl, dementsprechend ist dort momentan Wahlkampf. Das ist die Zeit, in der die Parteien verstärkt ihre Positionen nach außen tragen, so eben auch die SPD. Sie fordert auch aktuell im Landtagswahlkampf in Thüringen eine Privatisierungsbremse.
Dann gehen wir von Thüringen über die Grenze nach Hessen. Da hat die SPD auf ihrem letzten Landesparteitag den Beschluss gefasst - das ist jetzt etwas komplizierter -, ihre Landtagsfraktion aufzufordern, ich zitiere, „einen Gesetzentwurf für die Einführung einer Privatisierungsbremse in die hessische Verfassung zu erarbeiten und einzubringen“. Es war also nicht im Wahlprogramm der SPD, sondern es wurde der Fraktion vom Parteitag nachträglich zugetragen, sie möge dies doch bitte einbringen. Wenn man sich diesen Antrag und das, was der Parteitag der Fraktion vorgibt, anschaut, dann sieht man, dass der Wortlaut den hier vorliegenden Gesetzentwürfen verblüffend ähnlich ist.
Last but not least ist da noch die am weitesten reichende Änderung, sie wurde bereits vom Kollegen Dr. Heinz Bierbaum genannt, nämlich dass das Land Bremen die Privatisierungsbremse bereits in die Verfassung geschrieben hat. Ich bin an einer Stelle allerdings etwas verwundert. Herr Bierbaum, Sie haben gesagt, dass es Zustimmung von SPD, GRÜNEN und LINKEN gab. SPD und GRÜNE stellen dort die Koalition. Das sollte man wissen. Die LINKEN haben auch zugestimmt. Das möchte ich gar nicht bestreiten. In der Presseberichterstattung stand aber auch, dass ein paar Mitglieder der CDUFraktion zugestimmt haben. Das wundert mich zwar auch, aber es stand so in der Presse. Ich muss an der Stelle feststellen, dass die Zustimmung von LINKEN, PIRATEN, GRÜNEN, SPD und ein paar CDUMitgliedern auch hier reichen würde, um die Verfassung zu ändern.
Unter diesen Umständen und nachdem die SPD das Thema in mehreren Ländern selbst pusht, bin ich gespannt, unter welchen Ausreden sie es hier heute ablehnen wird.
Darauf bin ich wirklich gespannt. Ich muss aber auch sagen, dass sich eine Sache in den letzten zwei Jahren nicht geändert hat. Egal ob im Kreis, im Land, im Bund oder in Europa, egal ob vor zwei Jahren oder heute, wir stehen für mehr Bürgerbeteiligung. Deshalb haben wir damals zugestimmt und deshalb werden wir auch heute wieder zustimmen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute ein sehr diffiziles Thema, ein Thema, über das man wahrlich intensiv diskutieren und streiten kann. Deshalb möchte ich mich von der Argumentation her nicht absolut von der Argumentation des Kollegen Theis distanzieren, wenn ich auch vom Grundsatz her - das möchte ich ganz klar sagen dem Antrag der LINKEN zustimmen werde, zumindest um ihn in den Ausschuss zu überweisen, damit wir dort im Detail über vieles diskutieren können.
Wie so oft liegt die Wahrheit in der Mitte. Auf der einen Seite ist es für uns völlig klar, dass es überhaupt keinen Sinn macht, Privatisierungen im Grundsatz zu verteufeln, unmöglich zu machen oder die Hürden so hoch zu legen, dass es am Ende keine Privatisierung mehr geben könnte, selbst in Bereichen, wo es sinnvoll wäre. Auf der anderen Seite aber - das gibt der Antrag der LINKEN auch her gibt es eine ganze Reihe von öffentlichen Bereichen, nämlich die Bereiche der Daseinsvorsorge, wo man sehr vorsichtig sein sollte und auch sein muss. Das zeigen die gesamten historischen Erfahrungen aus der Bundesrepublik Deutschland.
Ich will zwei Beispiele aus den letzten Jahren nennen. Die Stadt Dresden verkaufte im Jahr 2006 ihre Wohnungsbaugesellschaft. Sie hat sich damit weitgehend saniert. Es war für die Stadt zunächst einmal ein wirtschaftlicher Erfolg. Wenn man heute aber genau hinschaut, das sagen zumindest die Fachleute, sieht man, dass sich die Bausubstanz und somit auch die Wohnkultur in der Stadt Dresden deutlich verschlechtert haben. Denn der private In
vestor hat weniger Interesse an Sanierungen. Er will seine Gewinne einfahren. Da stehen die Belange der Mieterinnen und Mieter erst einmal hintenan. Das war anders, solange die Stadt Dresden den Wohnungsbau in der Hand hatte.
Die Stadt Pforzheim ist das zweite Beispiel. Sie privatisierte im Jahr 2006 die städtische Verkehrsgesellschaft. Auch Pforzheim hatte zunächst große wirtschaftliche Vorteile für den städtischen Haushalt. Als plötzlich ein Sozialticket eingeführt werden sollte, hat der Private gesagt, das haben wir vertraglich nicht vereinbart. Das gibt es nicht. Als in Pforzheim neue ÖPNV-Linien gefordert wurden, die offensichtlich notwendig waren, gab es sie auch nicht. Hier sind wir mitten im Bereich der Daseinsvorsorge, und da sieht die Welt dann ganz schnell ganz anders aus.
Kollege Theis, beim Beispiel der Telekommunikation gebe ich Ihnen durchaus recht. Deshalb sage ich, man muss mit dem Thema sehr vorsichtig umgehen. Trotzdem sollte man darüber nachdenken, wie man mit der Privatisierung von Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge sensibler und vorsichtiger umgeht. Ich will Ihnen nennen, an welche Branchen wir als GRÜNE da in erster Linie denken. Es geht natürlich um die Wasserversorgung. Das ist die klassische öffentliche Daseinsvorsorge. Dort zu privatisieren, würden wir für einen ganz großen Fehler halten. Auch beim ÖPNV kann und muss man darüber diskutieren. Es mag im Einzelfall sinnvoll sein. In aller Regel haben wir da unsere Zweifel. Wir haben es auch hier erlebt. Die VSE hat sich in den Neunzigerjahren und danach an vielen saarländischen Stadtwerken beteiligt. Im Nachhinein betrachtet muss man feststellen, dass das nicht immer positiv war. Auch das ist ein Beispiel, hinter das man drei Fragezeichen setzen muss.
Ich habe vorhin das Beispiel Dresden genannt. Der öffentliche Wohnungsbau ist in unseren Augen ein klassisches Beispiel dafür, dass der Staat, insbesondere wenn es um den sozialen Wohnungsbau geht, die Finger ganz dick mit drin haben muss, sonst geht es nur noch um den privaten Vorteil und den kurzfristigen Gewinn. Da ist große Vorsicht angesagt.
Da ist auch noch die andere Seite der Medaille, die man bei der Diskussion nicht unter den Tisch fallen lassen darf. Natürlich ist der Staat nicht prinzipiell der bessere Unternehmer. Das wissen wir alle. Es gibt eine ganze Reihe von Negativbeispielen. Schauen Sie sich die verschiedenen Landesbanken an und was dort in den letzten zehn Jahren durch Missmanagement in den Sand gesetzt wurde. Unser EVS im Saarland ist auch nicht gerade ein Paradebeispiel für gute unternehmerische Führung. Auch
das ist ein Problem, das man im Auge behalten muss. Der Klassiker im Saarland ist die RAG, de facto ein Staatsunternehmen, mit allen negativen Folgen, die damit zusammenhängen. Deshalb sagen wir, es darf kein Privatisierungsverbot geben, man muss aber ernsthaft darüber nachdenken, wie man die Regularien und Mechanismen demokratisch nachsteuert. Da sehen wir im Ansatz der LINKEN einige sinnvolle Punkte. Deshalb werden zunächst einmal zustimmen. Dann kann dieser Antrag in den Ausschuss überwiesen werden.
Leider brennt jetzt meine rote Lampe. Vielleicht noch ein Schlusssatz, ein Beispiel aus dem Saarland, das manche hier noch im Kopf haben werden. Es geht um eine Diskussion, bei der man die Privatisierung ganz stark hinterfragen musste. In den Jahren um 2004 herum haben wir im saarländischen Landtag mehrfach intensiv darüber diskutiert, ob die Sparkassen zur Privatisierung freigegeben werden. Kollege Meiser weiß das sicher noch gut. Der damalige CDU-Wirtschaftsminister Dr. Georgi wollte das vorantreiben, wurde aber von seiner eigenen Fraktion und auch von uns GRÜNEN gestoppt. Wir haben das mehrfach massiv thematisiert. Es wäre ein großer Fehler gewesen.
Ich komme zum Ende. - Wenn man ins Detail geht, muss man sehr genau in die einzelnen Bereiche hineinschauen und dann Entscheidungen treffen. Man sollte aber an diesen Entscheidungen die Hauptbetroffenen, die Bevölkerung, in stärkerem Maße beteiligen. Das ist ein positiver Ansatz im Antrag der LINKEN. - Vielen Dank.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die LINKE nimmt sich in ihren Gesetzentwürfen des Problems des Schutzes von Unternehmen mit zentraler öffentlicher Bedeutung für das Gemeinwesen an. Allerdings scheint diese sehr weitreichende Initiative zur Änderung der Landesverfassung und des Kommunalwahlselbstverwaltungsgesetzes mit heißer Nadel gestrickt und ohne Beteiligung wichtiger Akteure, vor allem auf der kommunalen Ebene, erfolgt zu sein. Aber gerade die kommunale Ebene ist im Schwerpunkt betroffen.
Öffentlich wahrnehmbare Symbolik scheint im Vordergrund zu stehen. Das schicke ich voraus, denn an dem Thema ist ja, wenn man eine Operation dieser Größenordnung machen will - wie bei Radio Eriwan: „Im Prinzip ja, aber…“ -, im Prinzip was dran. Aber dann muss ich mich natürlich - ich habe mich extra kundig gemacht - vorher ausführlich mit der kommunalen Seite darüber unterhalten, die sehr stark betroffen ist, weil sie über sehr viel Tafelsilber zu entscheiden hat. Ich darf nicht schnell einen Antrag einreichen nach dem Motto, ein bisschen Beratung im Ausschuss und dann hätte man’s. So einfach geht das nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Eine allgemeine Bewertung. Die LINKE-Fraktion will mit ihren Gesetzesinitiativen zur Ergänzung des Artikels 52 der Verfassung durch einen neuen Absatz 2 sicherstellen, dass eine Veräußerung von Unternehmen des Landes - beziehungsweise bei Unternehmensbeteiligungen -, die in den Sektoren Verkehr, Abfall, Abwasser, Wasser, Energie, Infrastruktur, Dienstleistungen, Wohnungswirtschaft und Krankenhäuser tätig sind, nur noch durch Gesetz möglich sein soll. Zudem soll durch eine Änderung des Artikels 100 der Verfassung erreicht werden, dass für solche Unternehmensbeziehungsweise Beteiligungsverkäufe vorab ein Volksentscheid durchzuführen ist.
Artikel 52 der Verfassung des Saarlandes sieht eine obligatorische Sozialisierung von Schlüsselunternehmen der Wirtschaft wie zum Beispiel dem Kohlebergbau, der Energiewirtschaft sowie dem Verkehrsund Transportwesen vor. Darüber hinaus enthält Artikel 52 die Möglichkeit der fakultativen Sozialisierung von gemeinwohlrelevanten privatwirtschaftlichen Großunternehmen. Infolge der Strukturkrise der saarländischen Eisen- und Stahlindustrie in den späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren wurde auch über die Inhalte des Sozialisierungsartikels diskutiert. Beschlüsse der Landesregierung über Sozialisierungen wurden seinerzeit nicht gefasst. Unter der damaligen SPD-Regierung mit Ministerpräsident Lafontaine wurden keine solchen Sozialisierungsbeschlüsse gefasst. Das Ganze wurde auch im Zuge des Bergbaus diskutiert. Wir wissen, dass es am Ende zum Verkauf der Anteile des Saarlandes kam.
Gemäß Artikel 95 der Verfassung des Saarlandes ist die Landesregierung verpflichtet, den Landtag über wichtige Vereinbarungen zu unterrichten. Diese Vorgabe wird beim Kauf oder Verkauf von wesentlichen Beteiligungen an Unternehmen strikt beachtet. Darüber hinaus wird bei der Beteiligung an privatrechtlichen Unternehmen den Maßgaben des § 65 LHO Rechnung getragen, wonach ein wichtiges Interesse des Landes vorhanden sein muss und das Land einen angemessenen Einfluss, insbesondere im Aufsichtsrat oder in einem entsprechenden Überwa
chungsorgan erhält. Das Finanzministerium ist an den Verhandlungen zu beteiligen. Auch muss dessen Einwilligung eingeholt werden. Es gibt also auch über die Landeshaushaltsordnung durchaus Einwirkungsmöglichkeiten.
Die von den LINKEN angestrebte gesetzliche Legitimation der Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen würde die Geschäftsfähigkeit der Exekutive, also der Landesregierung, im Wirtschaftsverkehr stark beschneiden. Ich denke, das ist in der Konsequenz unstrittig. Zudem würden sich die geplanten Transaktionen zeitlich zumindest erheblich verzögern und damit ihren Zweck verlieren. Die Landesregierung wäre nur noch eingeschränkt handlungsfähig. Da ein Gesetzgebungsverfahren in weiten Teilen öffentlich abläuft, besteht außerdem die Gefahr, dass vertrauliche Informationen, Geschäftsgeheimnisse und wertbestimmende Vertragsinhalte vorzeitig bekannt werden.
Dies wiederum könnte dazu führen, dass Verkaufsgeschäfte des Landes mit Dritten erschwert oder gar verhindert werden. Der Gesetzesvorbehalt hätte somit nahezu einen Verbotscharakter. Eine vergleichbare Einschätzung ergibt sich auch bei der Bewertung eines obligatorisch vorgeschalteten Volksentscheides und wir bezweifeln, dass ausgerechnet in der Situation, in der sich das Saarland aktuell befindet, solche Maßnahmen hilfreich wären.
Im Übrigen sollen Volksbegehren und Volksentscheide gemäß den §§ 99 und 100 der geltenden Verfassung des Saarlandes bei einmalig finanzwirksamen Gesetzen nur dann stattfinden, wenn die finanziellen Auswirkungen insgesamt weniger als 0,3 Prozent des Haushaltsplanes betragen. Bei dem aktuellen Haushaltsvolumen des Saarlandes von rund 3,9 Milliarden Euro wären damit Volksbegehren und Volksentscheide auf Verkäufe von Unternehmensbeteiligungen in einer Größenordnung von weniger als 12 Millionen Euro beschränkt. Der Gesetzentwurf der LINKEN zielt aber gerade auf Schlüsselunternehmen der Saarwirtschaft mit einer wesentlich höheren Marktkapitalisierung ab. Auch dies zeigt, dass die Initiative nicht hinreichend durchdacht zu sein scheint.