Protokoll der Sitzung vom 02.12.2014

(Abg. Meiser (CDU) : Und warum gucken Sie mich jetzt an? - Heiterkeit.)

Nur als gutes Beispiel. - Vielmehr: Wir als Gesellschaft werden älter sein. Es wird zudem einen hohen Anteil an frei verfügbaren Informationen geben, die zeitsouverän konsumierbar sind. Wir werden in allen möglichen Bereichen aus Dienstleistungen und Produkten in einer Vielfalt frei wählen können, die wir heute erst in ihren Anfängen sehen. Eine der Erschütterungen, die wir bereits erkennen können, ist ja die Problematik der Händler der Innenstadt, die zunehmend gegen das große Angebot im Internet konkurrieren müssen.

Das Saarland ist für diese umfassenden Veränderungen aber noch nicht bereit. Hier ist die Landespolitik gefragt. Wir PIRATEN haben vier Leitinvestitionen formuliert, mit denen das Land für die Zukunft

fitgemacht werden kann. Es sind die vier Leitinvestitionen Bildung, Breitband, Gesundheit und Mobilität.

(Beifall von den PIRATEN.)

Beginnen wir mit dem Thema Mobilität. Der öffentliche Personennahverkehr ist das Rückgrat eines jeden multimodalen Mobilitätskonzepts. Künftig wird noch mehr gelten als heute: Ein schlechter ÖPNV bedeutet automatisch eine unzureichende Mobilität der Bevölkerung. Die bereits umfassende Lösung -

(Ministerin Rehlinger: Die Rede ist aber nicht von heute. - Heiterkeit des Redners und der Ministe- rin.)

Ja, stimmt. Da bin ich aber sehr gespannt, wie Sie das nachher wieder als eigenen Erfolg hinstellen. Aber, sehr schön: Der neue Fahrplan -

(Ministerin Rehlinger: Nicht als eigenen Erfolg, als Erfolg des Saarlandes!)

Der neue Winterfahrplan ist mit Sicherheit schon eine kleine Verbesserung, aber bei Weitem noch nicht ausreichend.

(Sprechen.)

Nein, ich möchte das hier jetzt gar nicht zum Streitgespräch degradieren. Ich finde es sehr gut, dass der Schienenverkehr mit dem Winterfahrplan für das Saarland besser aufgestellt ist.

(Erfreute Zurufe von der Regierungsbank und Beifall von den Koalitionsfraktionen.)

Das ist ein wichtiger erster Schritt - aber eben nur ein erster Schritt. Wir haben im Laufe des Jahres ja bereits eine umfassende Lösung für die ÖPNV-Problematik im Land vorgestellt, mit einem umlagefinanzierten und fahrscheinlosen Öffentlichen Personennahverkehr, der aufgrund der Umlagefinanzierung zusätzlich Gelder für Investitionen generiert. Darauf möchte ich aber heute gar nicht wieder eingehen, da ich weiß, dass dafür derzeit keine Mehrheit besteht. Schauen wir uns erstmal die Situation heute an first things first. Die Situation im bestehenden System muss gravierend verbessert werden.

(Beifall von den PIRATEN.)

Die Saarländerinnen und Saarländer zahlen eben auch nach der Umsetzung des Winterfahrplans immer noch zu viel Geld für zu schlechten ÖPNV. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, im Rahmen dieser Haushaltsverhandlungen 790.000 Euro zur Neuorganisation des ÖPNV im Saarland einzustellen. Damit wollen wir Reformen aus anderen Bundesländern nachvollziehen, etwa aus NordrheinWestfalen, wo man über drei Jahrzehnte hinweg von einem System, das eher unserem ähnelte, zu einem moderneren ÖPNV gekommen ist. Wir brauchen dafür keine drei Jahrzehnte. Wir schauen uns an, was dort passiert ist, und setzen das passend für das

Saarland um. Wir wollen uns aber natürlich auch Regionen anschauen, die innovativ sind, die einen sehr guten ÖPNV haben, sei es der Rhein-NeckarRaum oder auch die Region Freiburg/Schwarzwald. Die Saarländerinnen und Saarländer sollen endlich den bestmöglichen ÖPNV bekommen für das Geld, das sie bezahlen.

(Beifall von den PIRATEN.)

Wenn ich über den ÖPNV nachdenke, sehe ich immer auch ein Netzwerk. Die Knotenpunkte des Netzwerkes sind die einzelnen Stationen und Haltestellen. Wenn man sich das vor dem inneren Auge vorstellt, spannt sich quasi ein Netz über das Saarland, mit Ästen in unsere Nachbarregionen. Das Schöne an Netzwerken ist: Die Netzwerk-Gesamtleistung lässt sich exponentiell steigern, indem man geschickt einzelne Verbindungen hinzufügt. Wir haben uns entschieden, für die Haushaltsverhandlungen zwei solche Verbindungen herauszugreifen, das ist der Lückenschluss der Bahn zwischen Homburg und Zweibrücken und das ist die Reaktivierung der Bahnstrecke links der Saar von Saarbrücken nach Großrosseln und Überherrn. Der Kollege Neyses wird darauf morgen noch im Detail eingehen. Wichtig für jetzt ist: Mit überschaubaren Investitionen kann man eine starke Verbesserung der Mobilität im Saarland erreichen!

(Beifall von den PIRATEN.)

Schauen wir auf den Bereich Gesundheit. Das Saarland liegt vorn! Es liegt vorn bei der demografischen Entwicklung, vor allen westlichen Bundesländern. Wir haben die perfekte Mischung aus großstädtischem Bereich mit Saarbrücken und einem ländlichen Raum, und damit perfekte Rahmenbedingungen, um zu der Modellregion schlechthin für alle denkbaren Projekte moderner Gesundheitsversorgung zu werden. Wir stellen 1 Million Euro in den Haushalt ein für eine Stabsstelle, die Modellprojekte anwerben soll. Wann immer in der Bundesrepublik ein Modellprojekt startet, bei jeglicher Neuentwicklung in Vorsorge und Versorgung, soll das Saarland immer ganz vorn in der Reihe stehen. Das Saarland soll der Testmarkt für neue Gesundheitsinitiativen sein!

(Beifall von den PIRATEN.)

In diesem Bereich steckt unglaublich viel Dynamik. Alle westlichen Industrienationen stehen vor der gleichen Problematik mit in die Jahre gekommenen Gesundheitssystemen. Vor allem im Bereich der Vorsorge, der jetzt auch voll in diesen digitalen Umbruch reinrutscht, drängen unglaublich viele Player mit neuen Ideen auf den Markt. Hier steckt richtig Musik drin. Wir wollen das Saarland da endlich vorn sehen!

(Beifall von den PIRATEN.)

(Abg. Hilberer (PIRATEN) )

Die zweite Aufgabe der Stabsstelle besteht im Aufstellen eines neuartigen Gesundheitsplans, der Vorsorge- und Versorgungsplan für ein neuartiges Gesundheitssystem sein soll. Wir wollen unabhängig von bestehenden Rahmenbedingungen erstmal die Lage analysieren, ohne auf die Platzhirsche im System zu achten einen bedarfsgerechten Plan entwickeln und dann im Anschluss mit diesem Plan auf Bundesebene endlich die Diskussion über die Reform unseres Gesundheitssystems voranbringen. Da wollen wir einen Gang hochschalten, damit wir die strukturellen Probleme, die uns natürlich auch im Saarland besonders hart treffen, überwinden können. Ich würde sagen, bei diesem Entwurf kriegt man noch richtig was für 1 Million Euro. Aber das funktioniert auch nur aufgrund der Größe und der besonderen Eigenschaften unseres Bundeslandes. Wir müssen das endlich als Chance begreifen und auch als Chance vermarkten. Der Gesundheitsbereich bietet sich dafür an.

(Beifall von den PIRATEN.)

Kommen wir zu der wichtigsten Infrastruktur der Informations- und Wissensgesellschaft, echtem Breitband-Internet. Um eines vorwegzuschicken: Echtes Breitband heißt nicht Kupferkabel! Kupferkabel ist das Netz der Vergangenheit, das ist das Telefonnetz. Das hat die Bundespost freundlicherweise überall vergraben, das hat damals die Bundesrepublik Deutschland auch richtig viel Geld gekostet. Inzwischen sind diese Investitionskosten abgeschrieben, nach der Privatisierung ist das Kupfernetz eine Cashcow der Telekom, entsprechend wirbt sie auch politisch für eine möglichst weite Nutzung dieses abgeschriebenen Netzes. Heute sprechen wir aber von Glasfaser, denn beim Kupferkabel kommen wir jetzt sehr schnell an den Rand des technisch Machbaren.

Damit sind wir auch schon bei der nächsten Leitinvestition. Glasfaser ist die Leitungstechnologie von heute, aber glücklicherweise auch von morgen. Das Problem dabei ist für uns als Saarland - wir brauchen da gar keine 1,5 Milliarden Euro wie Bayern -, dass es für ein Unternehmen unrentabel ist, alle 52 saarländischen Gemeinden mit Glasfaser zu verbinden. Der Ausbau vor Ort dagegen ist glücklicherweise eigenwirtschaftlich zu leisten und auch wirtschaftlich attraktiv. Hier bringen wir das Land ins Spiel. Mit überschaubaren 25 Millionen Euro über drei Jahre verbinden wir alle 52 Gemeinden im Saarland mittels Glasfaser. Die Erschließung vor Ort kann dann privatwirtschaftlich oder von Stadtwerken wirtschaftlich erfolgen. Das rentiert sich für die Unternehmen, und so schaffen wir es, im ganzen Saarland ein schnelles und zukunftsfähiges Internet aufzubauen. Wir durchschneiden den Gordischen Knoten und binden das gesamte Saarland an echtes BreitbandInternet an!

(Beifall von den PIRATEN.)

Damit steht die Infrastruktur, kommen wir zu den Rohstoffen. Der wichtigste Rohstoff für die Informations- und Wissensgesellschaft ist Bildung. Wir erleben gerade eine Wende. Annähernd alle Informationen werden in großen Schritten zeitsouverän über das Netz zugänglich. Dieser unglaubliche Überfluss an Information muss in Zukunft zugeordnet, bewertet und interpretiert werden. Dafür werden wir auch in Zukunft den Menschen brauchen. Dafür brauchen unsere Bürgerinnen und Bürger Bildung auf höchstem Niveau. Bei der Bildung steht unser Land vor großen Herausforderungen. Wenn ich mir den Bereich Schule anschaue, haben wir das Thema Inklusion. Wir möchten, dass alle Kinder an unseren Schulen gemeinsam lernen können.

Wir sind immer noch im Prozess der Einführung der Gemeinschaftsschule. Selbst die Einführung von G 8 an Gymnasien kann man nicht als abgeschlossen betrachten. Wir haben vorhin das Beispiel mit den Defiziten in der Physik gehört, die sich dann im Studium auswirken. Es geht um Dinge wie, dass der Logarithmus an Gymnasien erst unterrichtet wird, nachdem er eigentlich in Physik schon gebraucht worden wäre.

Es gibt aber auch gesellschaftliche Herausforderungen an unseren Schulen. Diese müssen zunehmend Erziehungsaufgaben übernehmen. Das wird auch notwendig, weil unsere Kinder immer längere Zeit in den Schulen verbringen.

(Sprechen bei der CDU.)

Es gibt auch neuartige Phänomene an unseren Schulen, mit denen wir umgehen müssen. Ich möchte noch einmal das Thema Cybermobbing herausgreifen, weil das tatsächlich eine ganz neue Qualität hat. Wir alle kennen aus unserer Schulzeit die Problematik, dass es in der Klasse immer einen gibt, der den Spott abgekriegt. Aber das ist nicht zu vergleichen mit dem, was heute bei Cybermobbing geschieht. Denn während wir früher nach Hause gingen und vielleicht im Sportverein oder in der Feuerwehr oder einfach nur daheim Ruhe hatten und ein ganz anderes Standig, wird heute dieses Mobbing ausgedehnt über 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Auch mit diesem Phänomen muss die Schule fertig werden.

(Beifall von den PIRATEN und der Abgeordneten Spaniol (DIE LINKE).)

Gleichzeitig muss sich die Schule inhaltlich weiterentwickeln, sie muss die Kinder fit machen für die Informationsgesellschaft; die ist gesetzt, daran können wir nicht vorbeidiskutieren. Und in dieser Situation spart die Landesregierung Lehrerstellen ein. Das passt nicht zusammen. Wir machen in unserem Entwurf diese Kürzungen rückgängig, denn obwohl auch wir einen Sparbeitrag der Schulen verlangen, möchten wir diesen Sparbeitrag im System. Sie sol

(Abg. Hilberer (PIRATEN) )

len freigewordene Kapazitäten nutzen, um Inklusion, Schulreform, neue Medien, Erziehungsaufgaben und so weiter zu meistern. Wir wollen hier mehr Souveränität der einzelnen Schulen dabei, wie sie ihre Mittel verteilen.

(Beifall von den PIRATEN und der Abgeordneten Spaniol (DIE LINKE).)

Auch die Hochschulen stehen in diesem Land vor großen Umwälzungen. Sie müssen fit werden für neue Konzepte des lebenslangen Lernens, sie stehen plötzlich im internationalen Wettbewerb mit Hochschulen auf der ganzen Welt, und sie sollen auch noch Veränderungen im Sinne der Eckpunkte der Landesregierung meistern, etwa die EuropaAusrichtung. Und das alles, während die Landesregierung Geld aus dem System nimmt und an den Hochschulen spart. Auch das kann nicht funktionieren!

(Beifall von den PIRATEN und der Abgeordneten Spaniol (DIE LINKE).)

Wir machen in unserem Entwurf auch hier die Kürzungen im Haushalt rückgängig. Auch hier verlangen wir einen Sparbeitrag der Hochschulen, aber auch hier im System. Sie sollen frei gewordene Kapazitäten nutzen, um dieses neue Profil zu schaffen und vor allem um weiter vorne mitzuspielen.

(Beifall von den PIRATEN.)

Bildung, Breitband, Gesundheit, Mobilität - das sind unsere vier Leitinvestitionen für ein zukunftsfähiges und vor allem für ein lebenswertes Saarland. Es sind vier Leitinvestitionen, die einen Kraftakt darstellen, keine Frage, die aber auch machbar sind. Diese vier Leitinvestitionen sind dringend notwendig, wenn dieses Bundesland aus seiner Abwärtsspirale ausbrechen will.

(Beifall von den PIRATEN.)

Wir schaffen den finanziellen Raum für diese Leitinvestitionen teilweise durch Einsparungen, aber, das will ich an der Stelle nicht verhehlen, auch durch stärkeres Ausreizen des Puffers bis zur strukturellen Defizitgrenze. Wir gehen damit um 44 Millionen Euro näher an die Grenze, als die Landesregierung das vorsieht. Das heißt, es verbleibt ein Puffer von etwa 20 Millionen Euro, was nicht viel ist. Damit werden wir aber auch weiterhin die Konsolidierungshilfen des Bundes erhalten können. Nicht jede unserer Investitionen ist ein sich verstetigender Haushaltsposten, das betrifft im Großen und Ganzen nur den Bereich Bildung. Seien wir ehrlich, bei über 16 Milliarden Euro Landesschulden fallen diese 40 Millionen Euro bei den Bund-Länder-Finanzverhandlungen wohl kaum noch zusätzlich ins Gewicht.

(Beifall von den PIRATEN.)

Besser wir führen ein zukunftsfähiges Land in die Verhandlungen als ein abgewirtschaftetes mit 40 Millionen Euro weniger auf der Schuldenuhr. Die Zukunft wird nicht auf das Saarland warten.

(Beifall von den PIRATEN.)

Da wir gerade bei den Bund-Länder-Finanzverhandlungen sind, wenden wir uns noch kurz dem Antrag der Koalition zu zur Anerkennung der Haushaltsnotlage des Saarlandes bei der Kofinanzierung von Bundesmitteln. Inhaltlich ist dagegen nichts zu sagen. Wir werden dem zustimmen. Die Übernahme des Kofinanzierungsanteils ist auch nur logisch bei den gegebenen Rahmenbedingungen. Aber weshalb dann schon wieder dieser devote Tonfall? Ist das die Verhandlungsstrategie der Landesregierung? Ist es die Verhandlungsstrategie der Landesregierung, in dieser Form in die Verhandlungen zu gehen? Gibt es überhaupt eine Verhandlungsstrategie? Sie müssen wenigstens ein Verhandlungsziel haben.