Protokoll der Sitzung vom 17.06.2015

Deshalb war ich sehr positiv davon angetan, dass die Medien in großen Teilen dankenswerterweise gerade unter der Überschrift, die andere verneinen wollen, nämlich Meinungsfreiheit und Toleranz diese Debatte aufgearbeitet und deutlich gemacht haben, dass es weder diskriminierend ist, das Institut der

(Abg. Kessler (B 90/GRÜNE) )

Ehe für überholt zu halten und die Ehe für alle einzufordern, noch dass es diskriminierend ist, die Definition des Begriffs Ehe als Gemeinschaft von Mann und Frau zu sehen. Beides ist nicht diskriminierend. Das will ich heute festhalten.

Um es mit Blick auf unsere Ministerpräsidentin zu verdeutlichen: Wer in der gesamten politischen Diskussion der letzten Jahre in allen Lebensbereichen ihre Emanzipiertheit kennengelernt hat, wer ihre liberale Rolle in der CDU kennt, wenn es um eine offene Debatte gerade um die Achtung der sexuellen Identität geht und wenn es um die Beseitigung jeglicher Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften geht, für den entlarvt sich manche Diffamierung der letzten Wochen bis heute als plumper Populismus.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Es würde unserem gemeinsamen Anliegen einen Bärendienst erweisen, wenn wir nicht alle zu einer angemessenen Diskussionskultur zurückkehren. Es ist heute zu Recht ein Blick auf die Historie geworfen worden. Denn diese macht deutlich, dass unsere Gesellschaft, dass Rechtsprechung und Gesetzgeber einen langen und schwierigen Weg hinter sich gebracht haben. Aus heutiger Sicht war er erfolgreich, in vielen Fragen jedoch viel zu spät. Es wird deutlich, dass wir alle sowohl im Bundestag als auch in den Landtagen für eine offene Gesellschaft stehen, dass wir wissen, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften Werte leben, die grundlegend für unsere Gesellschaft sind, und dass wir rechtliche Regelungen beseitigt haben, die gleichgeschlechtliche Partnerschaften schlechter stellen.

Deshalb will ich noch einmal kurz auf die Chronologie der Gleichstellung homosexueller Partnerschaften eingehen, denn diese zeigt in beeindruckender Weise, dass Gesetzgebung und Rechtsprechung natürlich immer Niederschlag gesellschaftlicher Entwicklungen sind, dass ein gewisses Tempo in diesen Fragen notwendig war, dass aber auch ein Tempo der Überforderung wenig Sinn gemacht hätte. Ich meine - und deshalb will ich heute viele Stationen zitieren -, dass wir das in diesen Fragen Erreichte nicht verlieren dürfen, dass in der gesellschaftlichen Diskussion, die wir jetzt führen, ein Klima der Toleranz und der Offenheit nicht untergehen darf. Es besteht die große Gefahr, dass wir die Diskussion verkürzen auf die Frage des Ehebegriffs und der Adoption und dass ein Riesenkonsens in allen wichtigen Fragen verloren geht.

Ich denke, keiner von uns will sich heute noch mit dem § 175 befassen, aber das war der traurige Ausgangspunkt der damaligen Gesellschaft. Wir wissen, dass das Bundesverfassungsgericht in den Fünfzigerjahren das noch für verfassungskonform erklärt hat, was aus heutiger Sicht schlimm ist, aber es war

so. Wir wissen, dass Gott sei Dank 1969 im Zuge einer Liberalisierung der Gesetzgebung die Strafbarkeit aufgehoben worden ist.

Ich will jetzt nicht alle Stationen nennen, aber deutlich machen, warum ich gesagt habe, lassen Sie uns das Erreichte nicht kleinreden, indem die Diskussion so verkürzt wird, wie es derzeit der Fall ist. Sie wissen, dass das Bundesverfassungsgericht bis weit in die Neunzigerjahre in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, dass die Ehe nach Art. 6 Abs. 1 GG die Vereinigung von Mann und Frau zu einer Lebensgemeinschaft ist und dass diese Haltung, dieser Geist des Grundgesetzes auch dem Zeitgeist entsprechend von den Vätern des Grundgesetzes 1949 so festgeschrieben worden ist. Aus dieser Grundrechtsnorm ist damals vom Bundesverfassungsgericht nie ein Recht auf Eingehung einer Ehe mit einem gleichgeschlechtlichen Partner hergeleitet worden. Es ist stets betont worden, dass die Geschlechtsverschiedenheit zu den prägenden Merkmalen der Ehe gehört. Das ist die Historie, aus der die Entwicklungen, die wir heute kennen, gewachsen sind.

Der Gesetzgeber hat sich seitdem den Persönlichkeitsrechten und dem Gleichheitsrecht für gleichgeschlechtliche Partner nicht durch Zugang zum einfachrechtlichen Institut der Ehe, aber auf andere Weise massiv angenähert und hat ihm Rechnung getragen. Das Bundesverfassungsgericht hat 1993, obwohl damals noch sehr eng entschieden worden ist, trotzdem den Startschuss gegeben, indem gesagt worden ist, die rechtliche Absicherung homosexueller Paare ist klärungsbedürftig. 2001 ist das Gesetz zur eingetragenen Lebenspartnerschaft in Kraft getreten. 2005 ist das Lebenspartnerschaftsrecht weitgehend dem Eherecht angeglichen worden. Ich erinnere an das eheliche Güterrecht, an die Angleichung des Unterhaltsrechts, an die Zulassung der Stiefkindadoption, an die Einführung des Versorgungsausgleichs, an die Einbeziehung der Lebenspartner in die Hinterbliebenenversorgung. 2006 kam das Antidiskriminierungsgesetz im Arbeitsrecht. 2010 hat das Gericht in Karlsruhe entschieden, dass es bei der Erbschaftssteuer keine Benachteiligung homosexueller Lebenspartner geben soll. 2012 kam Vergleichbares im Bereich der Grunderwerbssteuer und beim beamtenrechtlichen Familienzuschlag. Entsprechende Regelungen - und das ist auch hier gewürdigt worden - haben wir im Landesrecht natürlich nachvollzogen.

Klar stellt sich auf der Grundlage dieser Entwicklung dann die Frage, wieso staatlich registrierte Lebensgemeinschaften, die mit vergleichbaren Rechten und Pflichten ausgestattet sind, unterschiedlich benannt und behandelt werden. Schwule und Lesben, die eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen, verpflichten sich zu einer auf Dauer auf gegenseitiges

(Abg. Meiser (CDU) )

Vertrauen und Verantwortung angelegten Beziehung. Also wird argumentiert, diesen Ehebegriff in der Konsequenz begrifflich und symbolisch der Ehe gleichsetzen. Das betrachtet von uns niemand als Anschlag auf die Ehe. Genauso sage ich aber auch, wenn jemand den Ehebegriff definiert, indem er das Wesensmerkmal in der Verschiedengeschlechtlichkeit sieht, auch mit Blick auf eine kulturelle Entwicklung, dann ist das sicherlich kein Anschlag auf gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften und Diskriminierung. Ich will beides gleichermaßen heute festhalten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für mich ist derzeit das Problem der Vorurteile und der Ressentiments immer noch das größte Problem. Die rechtliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren ist zumindest weitgehend erreicht. Dennoch, und das müssen wir uns alle offen eingestehen, gehören begriffliche Diskriminierungen am Stammtisch, auf dem Schulhof, auf dem Sportplatz - das sage ich auch als Präsident eines Verbandes - immer noch zum Alltag. Viele Schwule und Lesben können sich heute noch nicht offen im Beruf zeigen. Im Spitzensport ist das Thema weitgehend tabuisiert. Dort nehmen wir derzeit eine allmähliche Öffnung wahr. Deshalb muss die Antwort darauf sein, eine Bewusstseinsbildung zu schaffen in Richtung dessen, was der Gesetzgeber, was die Rechtsprechung inzwischen alles gemacht hat. Wir müssen werben dafür, dass alle das so sehen, dass alle das akzeptieren und tolerieren. Das wird dann die Gemeinschaft und das Miteinander ausmachen, nicht eine einfache Begrifflichkeit.

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich abschließend noch etwas zum Thema der Anträge sagen. Frau Kollegin Maurer, was Ihre Ausführungen zum Antrag der PIRATEN betrifft, dem wir alle zustimmen wollen, so teilen wir Ihre Begründung insgesamt nicht. Ich weise darauf hin, dass wir uns verständigt haben und gesagt haben, unabhängig von den unterschiedlichen Auffassungen in der Frage stehen wir zum Koalitionsvertrag, wir haben die Forderungen formuliert. Dazu werden wir heute auch stehen.

Ein Zweites. Ich sage für die CDU-Landtagsfraktion ganz offen, dass wir uns in dem Willensbildungsprozess, der derzeit auf Bundes-und Landesebene stattfindet, nicht durch Anträge, die jetzt gestellt werden, treiben oder vorführen lassen. Ich werde heute für meine Fraktion keine endgültige Antwort darauf geben, wie wir mit dem Begriff der Ehe und all den Fragen, die ich dargestellt habe, umgehen werden, ebenso mit dem Thema Adoption. Ich stehe dazu, dass die CDU eine Volkspartei ist mit einem breiten Meinungsspektrum, das sich von bis - ich habe die Positionen dargelegt - bewegt. Bundes- und Landespartei werden sich in den kommenden Monaten wie schon bei vielen schwierigen Fragen in den letzten

Jahren, Präimplantation und vielen anderen Fragen, diesem Willensbildungsprozess stellen, getragen von der Achtung unterschiedlicher Auffassungen, getragen von der Achtung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und von gegenseitiger Toleranz. Die Fähigkeit dazu haben wir in schwierigen Fragen bewiesen, und ich bin sicher, dass uns dies auch mit der Gleichstellung von Ehe und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gelingen wird. - Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Das Wort hat nun der Fraktionsvorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Stefan Pauluhn.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte in einem Land leben, in dem alle vor dem Gesetz gleich sind. Ich möchte in einer Gesellschaft leben, in der Frauen und Männer gleichberechtigt sind. Ich möchte auch in einer Gesellschaft leben, in der niemand benachteiligt ist aufgrund seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen. Ich möchte in einer Gesellschaft leben, in der niemand benachteiligt wird aufgrund seiner Behinderung. Lebe ich schon in dieser Gesellschaft? Lebe ich schon in dieser Gesellschaft, obwohl all dies heute schon der Normierung des Artikels 3 unseres Grundgesetzes entspricht? Absolute Gleichberechtigung von Mann und Frau, keine Benachteiligung aufgrund der Herkunft, der Sprache, der Heimat? Keine Benachteiligung aufgrund von Behinderung?

Ich finde, die Gesellschaft, in der ich lebe, unsere Gesellschaft, hat noch einiges aufzuarbeiten und aufzuholen. Wir haben noch einiges umzusetzen, bevor dieser Artikel unserer Verfassung Wirklichkeit geworden ist. Und obwohl vieles noch nicht vollkommen umgesetzt ist, was die Mütter und Väter unserer Verfassung als Norm festgeschrieben haben, heißt dies keineswegs, dass wir uns im Wandel der Zeit und im Bewusstsein der Entwicklung unserer Gesellschaft, ja auch in der Konfrontation mit der Lebenswirklichkeit, nicht auch mit der Fortschreibung dieser gesetzlichen Normen, sei es im Grundgesetz oder in der allgemeinen Gesetzgebung, nicht nur heute, eigentlich permanent, auseinanderzusetzen hätten. Ich will in einer Gesellschaft leben, in der niemand aufgrund seiner sexuellen Identität benachteiligt ist.

(Beifall bei der SPD.)

Ich finde, dass die Öffnung der Ehe und damit auch die Gleichbehandlung gleichgeschlechtlicher Leben

(Abg. Meiser (CDU) )

spartnerschaften mit der klassischen Ehe von Mann und Frau vor dem Gesetz unmittelbar dazugehören.

(Beifall bei SPD und den Oppositionsfraktionen.)

Darum bin ich und ist auch meine Partei, die SPD, für eine Gleichsetzung des Ehebegriffs auch für homosexuelle Paare. Eingetragene Lebenspartnerschaften gibt es schon. Sie leben mitten unter uns und es gibt keinen wirklichen Grund, ihre Lebensentscheidung nicht mit der einer heterosexuellen beurkundeten Partnerschaft, nämlich der Ehe, gleichzusetzen. Ich bin verheiratet und habe ein Kind. Für mich als Vater ist es wichtig, dass mein Kind in einer möglichst gewaltfreien Gesellschaft aufwächst, dass meine Tochter mit Werten wie Nächstenliebe und Verantwortungsbewusstsein aufwächst, dabei auch Verständnis für das Anderssein erfährt und erlebt, entwickelt und lernt, möglichst früh auch damit umzugehen. Ich wünsche mir, dass meine Tochter zu einem Menschen heranwächst, der andere akzeptiert, so wie sie sind, und Verschiedenheit als Bereicherung begreift. Das versuche ich meinem Kind mit auf seinem Weg ins Erwachsenwerden zu vermitteln. Dazu zählt auch die Wahrnehmung und das Erklären von Realitäten des Lebens, das Erklären von Lebenswirklichkeiten. Ich will, dass ein jeder, eine jede nach seiner beziehungsweise ihrer Façon in unserem Land glücklich sein kann und das eigene Leben so gestalten kann, wie er beziehungsweise sie es will - natürlich in Grenzen und Regeln, die diese Freiheit letztlich erst ermöglichen. Das ist hier sicher nicht die Frage. Aber so lautet meine Vorstellung unseres Zusammenlebens in Deutschland. Dabei ist die Kraft der Liebe natürlich ein zentraler Aspekt. Gerade darum möchten wir Sozialdemokraten die Ehe als Institution schützen und möchten sie stärken. Dafür wollen wir sie für alle öffnen, egal ob die Hochzeitspaare aus Frau und Mann, zwei Frauen oder zwei Männern bestehen. Wie ich bereits sagte: Ein jeder nach seiner Façon.

(Beifall bei der SPD und den Oppositionsfraktio- nen.)

Wenn Menschen aus Liebe zueinander den Bund der Ehe beschließen wollen, dann sollte der Staat ihnen keine Steine in den Weg legen. Das ist die klare Haltung der SPD in diesem Land. Diese klare Haltung ist bekannt und ich will sie auch von dieser Stelle mit Nachdruck vertreten. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Thema Gleichstellung ist für dieses Hohe Haus kein neues Thema, auch nicht in dieser Legislaturperiode. Es erlangt heute bei uns, wie in vielen anderen Landesparlamenten in diesen Tagen, genau wie im Bundesrat und auch im Bundestag, darum einen neuen Diskussionsansatz, weil die Iren mit ihrem Volksentscheid auch der europäischen Diskussion einen neuen Schub verliehen haben. Und obwohl niemand per se behaupten würde, dass Deutschland generell rückständiger oder religi

ös konservativer geprägt wäre als Irland, wird die Debatte bei uns zurzeit im politischen Raum an mancher Stelle sehr aufgeheizt geführt. Gerade weil auch ich nicht belegt behaupten kann, dass auch in meiner Partei neben den zweifelsfrei bekannten Beschlusslagen unserer Parteitage das Meinungsbild in der Mitgliedschaft dazu eindeutig ausfällt - das ist nun einmal so in einer Volkspartei -, ist und bleibt es wichtig, bei der Abwägung von Argumenten darauf zu achten, dass keine neuen Ressentiments entstehen.

(Beifall bei der SPD.)

Wir sollten alle bemüht sein, keine Bollwerke von gestern neu zu errichten, Bollwerke und Mauern, die die Mehrheit der Menschen durch ihr Denken und Handeln im Hier und Heute schon längst überwunden haben. Wir sollten Brücken bauen in der Debatte und auch im gesetzlichen Handeln. Obwohl schon 2001 für Lesben und Schwule die Möglichkeit geschaffen wurde, eine eingetragene Lebenspartnerschaft einzugehen und obwohl das Bundesverfassungsgericht bereits in mehreren Entscheidungen eine Angleichung zur Ehe einforderte, Kollege Meiser ist umfassend darauf eingegangen, ist dies bis heute nicht vollends umgesetzt. Noch in der letzten Woche brachte Justizminister Maas einen Gesetzentwurf ins Bundeskabinett ein, der in zahlreichen Gesetzen und Verordnungen gleichstellende Regelungen für Ehe und Lebenspartnerschaft vorsieht. Aber die vollkommene Angleichung ist auch damit noch nicht erreicht. Insofern würde die Öffnung der Ehe endlich mit einer fortlaufenden Befassung in Einzelgesetzgebung auch Schluss machen und, so Bundesjustizminister Maas, wenn man so will, auch Arbeit ersparen und raumgreifende Abstimmungsprozesse endlich eindämmen, nämlich in der Fassung eines einzigen übergreifenden Gesetzentwurfes. Es ist eigentlich Zeit zu handeln und dies umzusetzen.

(Beifall bei der SPD und den Oppositionsfraktio- nen.)

Und darum bedauere ich es auch ein Stück weit, dass unsere Debatte im Plenum heute mehr auf die öffentlich geführte Debatte zurückzuführen ist als dem Bewusstsein oder dem Willen oder der Kraft, heute hier im saarländischen Landtag tatsächlich etwas verändern zu können. Mit den Anträgen von LINKEN und GRÜNEN wird doch auch der politische Versuch unternommen, noch einmal beim Thema die unterschiedlichen Auffassungen innerhalb des Regierungslagers zu dokumentieren. Das ist Ihr Recht. Das ist legitim und ich möchte es Ihnen auch nicht absprechen. Da aber die unterschiedlichen Positionen zwischen SPD und CDU bekannt sind, ergibt sich daraus am heutigen Tag kein Erkenntnisgewinn. Es ergibt sich nichts Neues. Der Versuch, einen belasteten Keil ins Regierungslager zu tragen,

(Abg. Pauluhn (SPD) )

kann daher nicht gelingen. Er kann schon deshalb nicht gelingen, weil beide große Volksparteien - im Übrigen wie alle Parteien - in vielen Feldern in sich, aber gerade untereinander, unterschiedliche Auffassungen haben. Es gibt keine Koalition zweier Parteien, weder rot-rot noch schwarz-grün oder in einer großen Koalition, die in allen politischen Feldern gleicher Auffassung wären. Das wäre ja auch geradezu grotesk. Und darum sollte es auch niemand wundern, wenn wir in der Aussage zur Sache klar, aber in der Abstimmung danach, im Koalitionsbündnis gebunden, auch gelassen und unaufgeregt ihren Versuch der Keilbildung zurückweisen. Auch das ist ein normaler Vorgang.

Im Übrigen ist das schon ein bisschen einer Ehe ähnlich: Da kann die eine auch nicht immer alles das tun, was der andere nicht will. Der Kompromiss oder das Enthalten, das ist meist die Lösung zum Erhalt eines geschlossenen Vertrages. Ja, wir stehen dafür ein, dass es zu dieser Frage auch in der Großen Koalition Meinungsverschiedenheiten in der Sache gibt. Das halten die beiden diese Koalition tragenden Fraktionen zweier großer Volksparteien auch prima aus, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Wichtig dabei bleibt, dass diese Verschiedenheit untereinander sachgerecht und in der Wortwahl abgewogen diskutiert wird.

Ich will nun keine Ressentiments wecken und keine Mauern bauen. Nichtsdestotrotz stellt sich bei zwei der vorgelegten Anträge schon die Frage, inwiefern die Forderung nach Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare bei uns im Saarland entschieden werden kann. Wir entscheiden das hier nicht! Das mag man bedauern, aber wir entscheiden es hier nicht. Ich denke, dazu gibt es in diesem Hause keine unterschiedlichen Antworten.

(Zuruf des Abgeordneten Kessler (B 90/GRÜ- NE).)

Die Antwort, Kollege Kessler, kann nur lauten: Der Einfluss dieses Parlaments auf die politische Entscheidung in dieser Frage ist, von diesem Ort aus, am heutigen Tage, vorsichtig ausgedrückt mager bis inexistent, zumindest aber äußerst begrenzt.

Der Bundesrat hatte, wie Sie alle wissen, dieses Thema am vergangenen Freitag auf der Tagesordnung. Das wurde ja bereits angesprochen. Neun Bundesländer, in denen die SPD entweder mit den GRÜNEN oder mit der LINKEN regiert, haben sowohl eine sogenannte Entschließung als auch einen Gesetzentwurf in die Länderkammer eingebracht, mit denen sie die vollständige Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare fordern. Das Saarland hat sich zu diesen Punkten enthalten, weil es in unserer Koalition dazu unterschiedliche Auffassungen

gibt. Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, dass sich das Saarland bei Abstimmungen im Bundesrat enthält, wenn keine Einigung erzielt werden kann. Auch das schwarz-grüne Hessen hat sich enthalten, weil auch dort diese Klausel im Koalitionsvertrag steht. Diese Klausel ist den GRÜNEN dort nicht unbekannt. Trotz der Enthaltung des Saarlandes und Hessens - und das ist, zumindest aus sozialdemokratischer Sicht, die gute Nachricht - haben die beiden Anträge am Freitag in Berlin eine Mehrheit gefunden. Sie werden nun im Bundestag beraten. Das zeigt, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass das Land insgesamt in der Debatte doch vorankommt.

Nicht nur in Deutschland kommt die Debatte voran, auch in Europa ist das so. Mittlerweile haben, auch darauf wurde schon hingewiesen, zwölf EU-Staaten die Ehe geöffnet. Zu diesen Staaten zählen auch konservativ regierte oder katholische Länder, etwa das Vereinigte Königreich, das katholische Spanien oder, als jüngstes Beispiel, Irland. Die Zeichen der Zeit stehen eindeutig auf Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Dieser Entwicklung darf man beruhigt und auch gelassen ins Auge sehen.

Auch in Deutschland haben wir beim Thema Gleichstellung hinsichtlich der Ehe eine lange Entwicklung hinter uns. Noch 1993 lehnten es die Richter des Verfassungsgerichtes ab, die Ehe für Homosexuelle zu öffnen, und überließen dies der Politik. Dies hat die rot-grüne Bundesregierung zum Anlass genommen, 2001 mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz einen Meilenstein für lesbische und schwule Partnerschaften zu setzen. Diesen Weg der Toleranz und Vielseitigkeit müssen wir weitergehen, und zwar auf politischem Wege, meine sehr geehrten Damen und Herren. Viel zu oft schon hat uns das Bundesverfassungsgericht zum Abbau von Diskriminierungen aufgefordert, man kann gar nicht alle Urteile aufzählen. Wir als Politik sollten dieses Thema aktiv anpacken und vorhandene Diskriminierungen konsequent abbauen. Dafür ist die Politik da, dafür werden wir von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt.

Dennoch hechelt die Politik nicht selten gesellschaftlichen Entwicklungen hinterher. Sie tut dies vielleicht auch, so zumindest meine Analyse, weil wahrnehmbare, weil spürbare gesellschaftspolitische Akzeptanz des Bewahrens im Wertekanon oft stärker betont scheint als die tatsächlich gegenteilige Entwicklung in der Sache selbst. Dennoch kann doch heute, im Jahr 2015, niemand mehr bestreiten: Es gibt sie, die gleichgeschlechtlichen Paare. Menschen gleichen Geschlechts, die füreinander Verantwortung übernehmen, genau wie zwei Menschen unterschiedlichen Geschlechts. Und weil es sie gibt, und weil es normal geworden ist, sollte die Politik alles daransetzen, gesetzliches Handeln mit der Lebenswirklichkeit in Einklang zu bringen. Ich bin fest davon

(Abg. Pauluhn (SPD) )

überzeugt: Die Gleichstellung, sie wird kommen. Sie ist nicht aufzuhalten. Und ich finde auch, dass die Zeit dafür reif ist.

Es war eine lange Debatte bis zu diesem Punkt, ein langes Eintreten und Werben der Betroffenen selbst für ihre Gleichheit. Aber ich finde, ihr Einsatz hat sich gelohnt. Lassen Sie uns in unseren Parteien weiter dafür werben, dass der letzte Schritt nun auch sehr bald gegangen wird. Von der Erkenntnis, dass sich die Erde um die Sonne dreht und nicht umgekehrt, bis zur Anerkennung dieser Erkenntnis in allen wichtigen gesellschaftsrelevanten Institutionen vergingen bekanntlich mehr als 350 Jahre. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir bis zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare nicht mehr in Jahren, sondern allenfalls noch in Monaten rechnen müssen. Und das ist gut so. - Vielen Dank.