Protokoll der Sitzung vom 17.06.2015

ger Anlass. Wir haben nämlich erwartet, dass demnächst die Eckwerte der neuen Bund-Länder-Finanzbeziehungen festgelegt werden würden. Es ist außerordentlich bedauerlich, dass nach langwierigen Verhandlungen offensichtlich bis jetzt kein greifbares Ergebnis zustande gekommen ist.

Meine Damen und Herren, nachdem in der Regierungserklärung über weite Strecken bekannte Tatsachen erwähnt worden sind, die wir hier schon öfters diskutiert haben, haben wir erwartet, dass Sie, Frau Ministerpräsidentin, vielleicht etwas zu dem Thema sagen, das die Öffentlichkeit in den letzten Tagen besonders erregt hat, nämlich Ihre Aussagen zur zivilrechtlichen Verbindung gleichgeschlechtlicher Paare.

(Zuruf von der CDU: Das ist ein ganzer Tages- ordnungspunkt! - Heiterkeit.)

Ich weiß nicht, was Sie da zu lachen haben.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Die Große Koalition darf über alles lachen!)

Ja klar. Am besten lachen Sie über sich selbst, dann wäre das vielleicht eben noch begründet.

(Beifall bei der LINKEN.)

Das ist ein viel zu ernstes Thema. Nachdem sich viele Menschen an dieser Debatte beteiligt haben, wäre hier vor dem Parlament die Gelegenheit gewesen, dass Sie, Frau Ministerpräsidentin, das klarstellen. Das ist unsere Auffassung.

(Beifall bei der LINKEN.)

Ich finde es keinen Ausweis von Souveränität, dass Sie dieses Thema vermeiden. Sie haben ja allen Grund, dieses Thema jetzt zu vermeiden, denn Sie sind sehr heftig kritisiert worden, zunächst einmal aus Ihrem eigenen Landesverband, von der Jungen Union und dann von denjenigen, die in Ihrem Landesverband die Rechte der gleichgeschlechtlichen Paare vertreten. Dann sind Sie von Ihrer Koalitionspartnerin wie folgt kommentiert worden; das wäre doch vielleicht eine Bemerkung wert gewesen. Ich darf es hier vortragen. „Wir müssen die zivilrechtliche Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare öffnen. (...) Vergleiche mit Inzest und Polygamie bringen uns in dieser gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung mit Sicherheit nicht weiter.“ Wenn Ihre Vertreterin Ihre Bemerkungen so kommentiert, dann sind wir der Auffassung, dass Sie es dem Parlament schuldig wären, hier Rede und Antwort zu stehen! Alles andere ist Feigheit und Ausweichen vor der Verantwortung.

(Beifall bei der LINKEN.)

Nachdem Sie dazu nichts gesagt haben - wir werden nachher eine Debatte dazu haben -

(Laute Zurufe von den Regierungsfraktionen: Ah!)

Herr Kollege Meiser, Sie wollen eine Frage stellen. Bitte schön. - Das wird jetzt aber nicht auf die Redezeit angerechnet?

Nein, nein. Sie wird entsprechend verlängert.

Abg. Meiser (CDU) mit einer Zwischenfrage: Herr Kollege Lafontaine, sind Sie gewillt, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir heute Nachmittag diesen Punkt auf der Tagesordnung haben und dass sich dort mit Sicherheit die Regierung, die Ministerpräsidentin und alle Fraktionen erklären werden? Ich verstehe die Versuchung, das Thema jetzt in der Fernsehzeit aufzugreifen, obwohl es nicht passt. Aber es wäre schon schön, wenn wir uns hier an die Ordnung halten und heute Nachmittag in Ruhe diskutieren würden. Sind Sie gewillt, zur Kenntnis zu nehmen, dass sich die Ministerpräsidentin dem Thema ganz offen stellen wird? - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU. - Zurufe von den Oppositi- onsfraktionen.)

Herr Kollege Meiser, ich danke Ihnen für diese Mitteilung. Es ist erfreulich, dass die Ministerpräsidentin heute Nachmittag etwas dazu sagt.

(Verbreitet Sprechen bei der CDU.)

Ich will etwas hinzufügen. Nachdem wir erfahren haben, dass Sie die Abstimmung wieder nicht freigeben wollen - ich plädiere und werbe ja dafür, die Abstimmung freizugeben -, möchte ich sagen, wie wir die Angelegenheit handhaben. Wir haben diskutiert, ob es nicht sinnvoll wäre, zumindest einen Antrag in namentlicher Abstimmung aufzurufen. Da wir aber wissen, dass wir damit Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus in Schwierigkeiten bringen, verzichten wir darauf. Dennoch appelliere ich an Sie: Geben Sie bei solchen Themen die Abstimmung frei! Das Thema ist kein Thema für Fraktionsdisziplin!

(Beifall bei der LINKEN.)

Nun komme ich zu dem, was Sie in der Regierungserklärung angesprochen haben.

(Zurufe von den Regierungsfraktionen: Ah! Bra- vo!)

Ich komme zunächst zu dem Thema, das wir hier schon häufig diskutiert haben, nämlich zu den Finanzen.

(Zurufe des Abgeordneten Wegner (CDU). - Zuruf von der LINKEN: Einfach mal zuhören! - Abg. Wegner (CDU): Heute Nachmittag ist er nicht mehr da.)

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )

Frau Präsidentin, vielleicht kann der Lärm eingestellt werden?

Ich bitte um ein wenig Ruhe.

Ich komme zu dem Thema, das Sie angesprochen haben: die Finanzen. Hier haben Sie im Grunde genommen Ihre Situation selbst kommentiert, nämlich durch Ihre Reaktion auf den Kollegen Ulrich. Sie haben sich zu der merkwürdigen Aussage hinreißen lassen, bei den Bund-Länder-Finanzbeziehungen würden Zahlen keine Rolle spielen oder so ähnlich. Dann sagte der Kollege Ulrich: Nein! Dann ließen Sie sich zu einer Unverschämtheit hinreißen, indem Sie von Grenzdebilität gesprochen haben. Dafür sollten Sie sich entschuldigen! Ich interpretiere das aber so: Sie wissen, dass Sie nichts vorzuweisen haben, sind nervös geworden und reagieren deshalb in dieser unverschämten Art und Weise.

(Beifall bei der LINKEN.)

Es wäre vor dem morgigen Tag der Anlass gewesen, jetzt etwas nachzuliefern, was Sie bis zum heutigen Tage nicht geliefert haben, nämlich ein Konzept des Saarlandes, wie die Bund-Länder-Finanzbeziehungen in Zukunft aussehen sollen. Ich kenne keines! Vielleicht haben Sie es irgendwo in der Schublade? Vielleicht können Sie irgendetwas dazu sagen? Wir kennen doch die Aussagen des Finanzministers. Die kennen wir alle! Aber wenn ich sehe, wie sich gerade heute die ostdeutschen Ministerpräsidenten positionieren, zum Beispiel den Umsatzsteuerausgleich betreffend, dann meine ich, man hätte dazu vielleicht irgendetwas sagen können.

Wir haben einmal darüber diskutiert, wie es mit dem Solidaritätszuschlag sei, und haben uns dazu positioniert. Sie auch. Aber wie steht es denn um die Verhandlungen über diesen Zuschlag? Was ist nach all den Gesprächen die Position des Saarlandes? Man hätte dazu irgendetwas sagen können.

Wir haben vom Kollegen Roth gehört, dass es eine Arbeitsgruppe auch mit den Gewerkschaften über die Verbesserung der Einnahmen gibt. Aber wir müssen feststellen, dass dabei überhaupt nichts herauskommt. Wir waren uns aber doch einig, dass die Probleme des Landes ohne Einnahmeverbesserungen nicht gelöst werden können. Ich sage Ihnen das noch einmal und schreibe es Ihnen ins Stammbuch.

Sie haben überhaupt kein Konzept. Ich habe in einer Frage angesprochen, was Ihre Position beispielsweise bei der Erbschaftssteuer ist. Sie haben kein Konzept! Das ist im Grunde genommen die Tragik, dass sich hier zwei Parteien zusammengefunden haben, die jetzt in der merkwürdigen Situation sind,

dass die eine Regierungspartei von Anfang an gesagt hat, wir wollen keine Einnahmeverbesserungen, das kommt überhaupt nicht infrage, die andere hat sich mittlerweile dieser Auffassung angeschlossen, und jetzt wissen sie einfach nicht weiter. Das ist die wirkliche Lage! Bei dieser Verfahrensweise wird es keine Lösung der Haushaltsprobleme des Landes geben!

(Beifall bei der LINKEN.)

Ich wiederhole: Ich mache Sie nicht dafür verantwortlich, dass Sie auf Bundesebene nicht genügend Durchsetzungskraft haben. Das kann man so ohne Weiteres nicht abrufen. Ich mache Sie aber dafür verantwortlich, dass kein Konzept vorliegt. Das können Sie ja sofort widerlegen, wenn es anders ist. Aber es liegt nichts vor. Das müssen wir als Opposition monieren.

Nun müsste man Ihre Regierungserklärung durchgehen, wie oft Sie von erfolgreich und von Dank gesprochen haben. Sie haben am Schluss sogar alle Saarländerinnen und Saarländer umarmt, indem Sie gesagt haben, dieser erfolgreiche Weg wäre der Erfolg aller Saarländerinnen und Saarländer, also auch der Erfolg der Opposition. Wir dürfen uns geschmeichelt fühlen. Wir würden ja gerne auf die Erfolge stolz sein, aber wir fragen uns immer, auf welche Erfolge sollen wir eigentlich stolz sein. Auf den Erfolg der Haushaltskonsolidierung oder Haushaltssanierung können wir nicht stolz sein.

Nun könnten Sie natürlich sagen, das ist die übliche Art und Weise der Opposition, die Arbeit der Regierung infrage zu stellen. Nein. Dass Sie bei den Finanzen nicht weiterkommen, haben Ihnen mehrere ins Stammbuch geschrieben. Beispielsweise hat der Rechnungshof gesagt, dass Sie Ihre Personalplanung nicht zum gewünschten Ergebnis führen wird. Sie übergehen das einfach; Sie ignorieren das. Sie sagen dazu überhaupt nichts.

Der Stabilitätsrat - ich habe Ihnen das hier schon einmal vorgetragen - lobt Sie nicht so, wie das immer öffentlich vorgetragen wird. Das ist einfach die Unwahrheit. Der Stabilitätsrat sagt, dass das Saarland, anders als andere Sanierungsländer, in den Jahren 2014 bis 2016, also jetzt, Handlungsbedarfe ausweist, die noch zu konkretisieren sind. Wo ist die Konkretisierung? Vielleicht habe ich etwas überlesen, das könnten Sie dann ja sagen. Das Land werde daher seinen Konsolidierungskurs, wie im Sanierungsbericht angekündigt, zügig deutlich verstärken müssen, um seine Handlungsfähigkeit zu bewahren. So weit die Stellungnahme des Stabilitätsrates.

Wo ist also die Antwort der Landesregierung? Sie erzählen hier immer wieder dasselbe. Sie weichen den Fragen des Rechnungshofes aus. Ich habe es hier vorgelesen. Es gibt dazu überhaupt keine Antwort. Wenn etwa ein Korrespondent der Saarbrücker

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )

Zeitung schreibt, dass Sie es trotz der jetzigen Planung nicht schaffen werden, den Ausgleich zu schaffen oder auf das Niveau der anderen Bundesländer zu kommen, dann müssten Sie das doch entkräften können! Sie müssten doch sagen, dass das, was dieser Korrespondent schreibt, falsch ist. Aber nichts von alledem, man übergeht mit wolkigen schönen Formulierungen diese Probleme. So kommen wir natürlich nicht weiter.

Wir haben festgestellt - da wird es wieder etwas erfreulicher -, dass Sie sehr viele Dankesworte an alle Mitglieder des Kabinetts gefunden haben. Das hat mir ein schlechtes Gewissen gemacht. Es war nicht meine Praxis, alle Mitglieder des Kabinetts immer wieder zu loben und ihnen zu danken.

(Zuruf des Abgeordneten Theis (CDU).)

Ja natürlich, Ihnen, Herr Theis, wurde nicht gedankt. Das war allerdings ein schweres Versäumnis.

(Lachen bei den Oppositionsfraktionen.)

Dass man Herrn Theis nicht gedankt hat, ist für mich völlig unverständlich.

(Lachen und Beifall bei der LINKEN.)

Das muss ich wirklich rügen, ein solch konstruktives Mitglied des Hauses nicht besonders zu loben, wenn so viel gedankt wird. - Sie kommen bei den Länderfinanzen nicht voran. Auch das, was Sie zu den Gemeindefinanzen gesagt haben, ist alles lieb und nett, löst aber die Probleme der Gemeindefinanzen nicht. Deshalb fallen wir infrastrukturell immer weiter zurück - darauf gehe ich gleich noch ein -, denn wir können mit anderen Ländern nur mithalten, wenn wir in einer finanziellen Situation sind, die uns in etwa in die Lage versetzt, die gleichen Investitionen zu tätigen.

Nun ist die öffentliche Investition in der Bundesrepublik Deutschland schon im europäischen OECD-Vergleich, etwa im Bildungsbereich, unterdurchschnittlich. Wenn wir dann im Saarland noch weiter unterdurchschnittlich werden im Vergleich zum Durchschnitt des Bundes, dann ist das eine sehr negative Entwicklung. Deshalb wäre es notwendig, auch bei den Gemeindefinanzen einen Ansatz zu finden. Man kann nicht darauf hoffen, dass die Grundsteuer genügend erhöht wird oder die Gebührenhaushalte durch Gebührenerhöhungen noch kräftiger gespeist werden. Es muss vielmehr eine andere Gestaltung der öffentlichen Finanzen geben und deshalb ist der gesamte Ansatz, der jetzt allerdings auch von den Koalitionsparteien auf Bundesebene gesucht wird, falsch. Wir können in einer Zeit exorbitant auseinanderklaffender Einkommen und Vermögen ohne eine Neuordnung des Steuersystems die finanziellen Probleme bei uns, in Deutschland und in Europa nicht lösen. So einfach sind die Zusammenhänge.