Beschlussfassung über den von der CDULandtagsfraktion und der SPD-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Fiskalpakt als gesamtstaatliche Aufgabe begreifen Chancen nutzen und Risiken minimieren
Zur Begründung des Antrages der DIE LINKE-Landtagsfraktion erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Oskar Lafontaine das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der sogenannte Fiskalpakt ist hier in Europa das wichtigste Vertragswerk der letzten Jahrzehnte, und da die Landesregierung aufgerufen ist, daran mitzuwirken oder nicht mitzuwirken, dass die notwendige Zweidrittelmehrheit im Bundesrat gegeben ist, stellt unsere Fraktion den vorliegenden Antrag zur Abstimmung. Wir bitten den Landtag, die Landesregierung aufzufordern, dem Fiskalvertrag nicht zuzustimmen. Ich will dazu kurz eine Argumentation vortragen, die nicht meine ist, die aber vielleicht den einen oder anderen zum Nachdenken bringen wird. Es ist die Argumentation der Gewerkschaft Verdi, der ja viele Mitglieder dieses Hauses - auch ich - angehören. Sie bittet die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, diesem Vertrag nicht zuzustimmen, und begründet dies wie folgt:
Erstens: Der Fiskalvertrag schadet der Demokratie. Wenn dieses Argument richtig wäre, würde es ausreichen, um dem Vertrag nicht zuzustimmen. Wir sind der Überzeugung, dass er in der Tat die Demokratie in Europa außer Kraft setzt. Ich will dazu einen Zeugen aufrufen, Heribert Prantl, der heute in der Süddeutschen Zeitung zu diesem Vertrag einen Kommentar geschrieben hat. Dort steht: „Das erste Gebot der EU-Krisenpolitik heißt (...): Keine Zeit, keine Zeit. Das zweite: Noch schneller noch mehr Milliarden ausgeben. Das dritte: Keine Rücksicht nehmen auf die Parlamente.“ Das ist hier entscheidend. „Das vierte: Erst kommt der Markt, dann kommt der Mensch. Das fünfte: Die alten demokratischen Regeln sind untauglich für das neue Europa.“ Heribert Prantl kommt dann zu dem Schluss: „Die Demokratie ist verrückt geworden.“ Aufgrund der Zeit will ich eines hinzufügen: Nicht die Demokratie ist verrückt geworden, sondern das Bankensystem in Europa ist verrückt. Wenn Sie bereit sind, Argumente aufzunehmen, können Sie das jetzt noch einmal in Spanien erleben. Die Staaten drucken via Zentralbank Geld und geben es für 1 Prozent den Geschäftsbanken, und die reichen es in der Größenordnung von 6 bis 7 Prozent an die Staaten weiter. Die Differenz tragen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Das ist ein völlig absurdes System, das notwendigerweise zu einer Explosion führen muss. Wenn man sich nur einmal vor Augen führt, meine Damen und Her
ren, dass eine siebenprozentige Verzinsung dazu führt, dass sich, ohne einen einzigen neuen Kredit aufzunehmen, die Verschuldung in zehn Jahren verdoppelt, weiß man, wohin das Ganze notwendigerweise führen muss. Es wird also nichts gelöst werden.
Das zweite Argument von Verdi lautet: Der Fiskalpakt erhöht den Konsolidierungsdruck auf Länder und Kommunen. Auch hier will ich einen Zeugen aufrufen, der zumindest einen Teil des Hauses zum Nachdenken bringen müsste: den neuen Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein. Er sagt, dass Sparmaßnahmen nicht mehr ausreichen, um dem Vertrag zu entsprechen, und führt dann wörtlich aus: „Niemand in diesem Land hat genügend Phantasie, wie das, ohne das Land in Schutt und Asche zu legen, gehen soll.“ Mit „das“ ist die Einhaltung des Fiskalvertrages gemeint. Wenn jemand zu einem solchen Urteil kommt, sollte man zumindest darüber nachdenken, ob man einem solchen Vertrag überhaupt zustimmen soll.
Das dritte Argument von Verdi ist, dass der Fiskalvertrag ökonomisch schädlich ist. Ich erspare mir dazu Ausführungen. Wir haben im Zusammenhang mit Lehman Brothers erlebt, dass nur mit konzertierten Aktionen aller Staaten über Konjunkturpakete der Zusammenbruch der Weltwirtschaft gestoppt werden konnte. Jetzt machen wir unter Federführung der Deutschen das krasse Gegenteil. Dass Deutschland auf dem Gipfel der letzten Tage völlig isoliert war, ist ja durch die Presse gegangen. Ich brauche das nicht weiter zu vertiefen.
Das entscheidende Argument von Verdi ist aber, dass der Fiskalvertrag den Sozialstaat beschädigt, und das will ich dann doch vorlesen, in der Hoffnung, dass es dem einen oder anderen vielleicht doch ins Ohr geht. Verdi argumentiert wie folgt, und Sie hören es jeden Tag in den Nachrichten: „In Europa werden die Haushalte zu 80 Prozent über die Ausgabenseite konsolidiert. Von Rom bis Madrid werden jetzt unter dem Deckmantel der Sparpolitik Staatsdiener entlassen, Löhne, Arbeitslosengeld und Renten gekürzt. Das Arbeitsrecht kommt unter die Räder. Der Fiskalpakt wird diese Kahlschlagpolitik fortsetzen.“
Wie man als jemand, der den Sozialstaat trägt oder der Demokratie verpflichtet ist, einen solchen Vertrag akzeptieren kann, das entzieht sich völlig unserer Kenntnis. Wir meinen also, dass wir allen Grund haben - ich will es heute angesichts der Zeit kurz machen -, den Landtag aufzufordern, der Landesregierung zu raten, im Bundesrat diesem Knebelvertrag für Demokratie und Sozialstaat nicht zuzustimmen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lafontaine. - Zur Begründung des Antrags der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion erteile ich Frau Abgeordneter Dr. Simone Peter das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die europäische Finanzmarktkrise stellt die Staaten in Europa vor immense Herausforderungen. Nach den letzten Monaten und Jahren ist uns allen bewusst, dass ohne ein hohes Maß an Solidarität und Solidität diese Krise nicht zu bewältigen sein wird, und beim Thema Solidarität möchte ich aufgrund der Aktualität hinzufügen, dass dies auch heißt, Griechenland, das übrigens seit heute eine neue Regierung hat, jetzt ein Stück entgegenzukommen, zumindest im Zeitplan. Einen Austritt Athens aus der Währungsunion und ein Auseinanderbrechen der Eurozone herbeizureden, wie es gestern ein Chefinvestor der Deutschen Bank prophezeite, ist meines Erachtens das komplett falsche Signal zur falschen Zeit. Und falsch ist es auch, wie die Bundesregierung die Krise bisher analysiert und gemanagt hat: Die Krise wird ausschließlich auf mangelnde Haushaltsdisziplin und zu hohe Staatsschulden zurückgeführt - hier gebe ich dem Kollegen Lafontaine recht -, nicht jedoch auf die weitaus relevantere Finanzkrise, die dazu führte, dass viele Staaten die Schulden ihres Finanz- und Bankensektors übernehmen mussten, oder auf die ökonomischen Ungleichgewichte in der Eurozone und die ungleiche Vermögensverteilung.
Sparen allein hilft nicht aus der Krise, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Staatsverschuldung in Europa insgesamt verbindlicher zu begrenzen, ist unvermeidbar. Wir GRÜNEN haben dazu bundesweit Vorschläge auf den Tisch gelegt. Der mit dem Fiskalpakt eingeschlagene Weg ist mit Blick auf die geringen Mitwirkungsrechte der europäischen Institutionen nicht die beste Lösung. Der Fiskalpakt sollte deshalb zügig - Stichwort Demokratie - in das europäische Gemeinschaftsrecht integriert werden; das Europäische Parlament sollte stärker einbezogen werden. Zudem stellt sich in Deutschland die Frage nach verbesserten Informations- und Beteiligungsrechten für Bundestag und Bundesrat. Hier hat die Bundestagsfraktion der GRÜNEN gestern einen Erfolg verbuchen können, denn es ist durchaus hilfreich, dass das Bundesverfassungsgericht aktuell bestätigt hat, dass die Rechte des Bundestages bei der Einrichtung des ESM-Rettungsschirms durch die Bundesregierung verletzt wurden. Das Urteil bezieht sich auf die Verfassungsbeschwerde unserer Bundestagsfraktion, und ich bin der Meinung, dass es auch in die Diskussion über den EU-Fiskalpakt einfließen muss.
Bezüglich der ökonomischen Erweiterungen sehen wir es als unabdingbar an, dass die Begrenzung der Schulden von einem Investitionspaket flankiert wird, um rentierliche Investitionen auszulösen und eine nachhaltige Struktur aufzubauen - nachhaltig deshalb, weil für circa zwei Drittel der Leistungsbilanzdefizite in Spanien und Frankreich der Ölpreisanstieg verantwortlich ist. Dazu gibt es eine ganz interessante aktuelle Studie, die man sich einmal vor Augen führen sollte. Es führt kein Weg daran vorbei, endlich in Ressourceneffizienz, ökologische Modernisierung, moderne Infrastruktur und Innovationsstrukturen zu investieren. Ich habe gerade eben gelesen, dass sich nach einer Bilanz des DIW der jährliche zusätzliche Investitionsbedarf für erneuerbare Energien und Energieeffizienz auf gut 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts von 2008 beläuft. Das ist die Größenordnung der Konjunkturpakete von 2008 und 2009. Wenn man das fortschreibt, wird man erhebliche Beschäftigungs- und Wertschöpfungseffekte erfahren.
Uns geht es auch um einen Altschuldentilgungsfonds - das ist übrigens ein Vorschlag des Sachverständigenrats der Bundesregierung zur Entlastung verschuldeter Länder -, der durch eine Vermögensabgabe für Millionäre finanziert werden kann. Des Weiteren plädieren wir für die Einführung der Finanztransaktionssteuer zur Besteuerung von Finanzprodukten, denn die Ursache der Finanzkrise muss endlich bekämpft und der Spekulation ein Preis gegeben werden. Wir haben es einmal errechnet: Eine Finanztransaktionssteuer von 0,01 bis 0,1 Prozent auf Aktien, Derivate und Devisenhandel bringt EU-weit circa 57 Milliarden Euro ein, die in Schienen, Stromnetze, Forschung und Bildung investiert werden können. Erste Schritte zu dieser Steuer sollen ja übermorgen auf dem nächsten ECOFIN eingeleitet werden. Ich hoffe, wir können hier europaweit vorangehen, um diese seit Langem geforderte Steuer auf den Weg zu bringen.
Bei der Umsetzung des Fiskalpakts sind aber auch Aspekte zu berücksichtigen, die für die Bundesländer und besonders für das Haushaltsnotlageland Saarland von politischer Relevanz sind. Wir hatten dazu letzte Woche den Finanzminister im Ausschuss. Ich weiß, die Ministerpräsidentin hat am diesbezüglichen Bund-Länder-Treffen teilgenommen. Das ist wichtig und notwendig, denn es ergeben sich aus den unterschiedlichen Vorgaben des Fiskalpaktes hinsichtlich des Schuldenabbaupfades im Vergleich zur grundgesetzlichen Schuldenbremse und aufgrund rechtlicher, definitorischer Unklarheiten einige Dinge, die noch zu klären sind. Nach dem Fiskalpakt darf das gesamtstaatliche strukturelle Defizit der beteiligten 25 EU-Staaten nicht mehr als 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen. Im
Gegensatz dazu schreibt die im Grundgesetz verankerte deutsche Schuldenbremse vor, dass der Bund ab 2016 ein strukturelles Defizit von maximal 0,35 Prozent aufweisen darf und die Länder ab 2020 gar kein strukturelles Defizit mehr machen dürfen. Es dürfen also keine zusätzlichen Schulden mehr gemacht werden, wenn man konjunkturelle Faktoren und Sondereffekte herausrechnet. Das führt dazu, dass die grundgesetzliche Schuldenbremse möglicherweise angepasst werden muss und die Länder bereits vor 2020 eine Schuldenbegrenzung betreiben müssen beziehungsweise einen bereits eingeschlagenen Schuldenabbaukurs beschleunigen müssen.
Gerade das Saarland - wir diskutieren es heute unter verschiedenen Aspekten - gehört zu den Ländern, die bereits heute nach einem mit dem Stabilitätsrat vereinbarten Konsolidierungspfad Schulden abbauen, um die Konsolidierungshilfen des Bundes zu erhalten. Die angesprochenen Unterschiede des Fiskalpaktes im Vergleich zur deutschen Schuldenbremse bergen die Gefahr, dass dieser Schuldenabbau beschleunigt werden muss und sich andere finanzielle Risiken für das Land ergeben. Es ist also aus unserer Sicht unabdingbar sicherzustellen, dass der Schuldenabbau durch die Umsetzung des Fiskalpaktes nicht noch weiter beschleunigt wird und das Saarland nicht noch größere Sparanstrengungen leisten muss.
Eine weitere konkrete Gefahr für das Saarland ergibt sich insofern, als in Berechnungen des strukturellen Defizits nach der Definition des Fiskalpaktes im Gegensatz zur deutschen Schuldenbremse auch die Schulden von Sozialversicherungen und Kommunen zumindest teilweise eingehen. Man ist da in Verhandlungen. Es besteht also die Möglichkeit, dass die Länder, damit auch das Saarland, in Haftung genommen werden. Darauf muss man achten, genauso muss auf den sogenannten automatischen Korrekturmechanismus geachtet werden. Mit ihm soll die Nichteinhaltung der Schuldenbremse sanktioniert werden. Mit ihm soll es mit der EU möglich sein, aktiv in den Haushaltsvollzug eingreifen zu können, womit die Haushaltsautonomie der Länder unterlaufen werden würde.
Bei diesen Punkten sind in den Verhandlungen der Länder mit dem Bund offenbar schon einige Fortschritte erzielt worden. Aufgrund der Tragweite der Auswirkungen des Fiskalpaktes fordern wir mit dem Antrag die Landesregierung aber noch einmal explizit auf, in den Verhandlungen zur Ratifizierung des Fiskalpaktes durchzusetzen, dass der vom Saarland mit dem Stabilitätsrat eingeschlagene Konsolidierungspfad so beibehalten werden kann und nicht beschleunigt wird. Es ist in den Verhandlungen durchzusetzen, dass der Einbezug von Schulden der Sozialversicherungen und der Kommunen nicht zu un
kalkulierbaren Belastungen für die Länder führen und der Bund die Haftung übernimmt. Es ist ebenfalls durchzusetzen, dass die Haushaltsautonomie der Länder entsprechend der nationalen Schuldenbremsen-Regelung gewahrt bleibt. In den Verhandlungen ist auf die Einführung von Bund-Länder-Anleihen, sogenannten Deutschland-Bonds, gerade im Sinne der schwachen Länder zu drängen, die der Betrachtung des gesamtstaatlichen Defizits im Fiskalpakt gerecht werden. In diesem Sinne werbe ich für unseren Antrag und bitte um Zustimmung. - Vielen Dank.
Vielen Dank Frau Dr. Peter. - Zur Begründung des Antrags der Koalitionsfraktionen erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Frank Finkler das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst möchte ich auf die beiden vorliegenden Anträge der GRÜNEN-Fraktion und der Fraktion DIE LINKE zum Fiskalpakt eingehen. Der vorliegende Antrag der GRÜNEN zum Fiskalpakt greift zwar die grundsätzlichen Risiken in Zusammenhang mit dem Saarland auf, ist aber im Hinblick auf die Forderung gegenüber dem Bund zu kompromisslos ausgestaltet sowie in der Begründung zu schwach, teilweise auch etwas unklar formuliert. Frau Peter, einen Punkt will ich erwähnen. Es geht um die Flankierung mit entsprechenden wirtschaftspolitischen Maßnahmen. Dies ist im Rahmen des Fiskalpaktes vorgesehen.
Eine Ablehnung des Fiskalpaktes durch den Antrag der Landtagsfraktion DIE LINKE kann - das wird auch bei den nachfolgenden Ausführungen deutlich - nicht nachvollzogen werden. Es liegt auch nicht im Interesse des Landes, Herr Lafontaine. Besonders gilt dies für den Satz in Ihrem Antrag, in dem es heißt, der Fiskalpakt sei ökonomisch unsinnig. Als Ökonom stellten sich mir da die Haare zu Berge. Verantwortlich mit Geld beziehungsweise mit Schulden zu haushalten, ist nicht unsinnig, sondern ökonomisch äußerst sinnvoll. Nichts anderes will der Fiskalpakt.
Wichtig zu erwähnen ist, dass der Fiskalpakt auf europäischer Ebene durch ein Paket von wirtschaftspolitischen Maßnahmen begleitet wird; denn die Schuldenkrise kann nur auf Basis solider Finanzen mit wirtschaftlicher Dynamik überwunden werden. Beides gehört zusammen. Das eine funktioniert nicht ohne das andere.
Die Landtagsfraktionen von CDU und SPD stehen mit ihrem gemeinsam eingebrachten Antrag zum Fiskalpakt. Es wird begrüßt, dass auf europäischer Ebene mit dem Fiskalpakt verbindliche und durchsetzbare Verschuldungsbegrenzungen vereinbart werden. Denn nur ein stabiles Europa ist ein Europa mit gemeinsamer Zukunft. CDU und SPD verknüpfen mit ihrem Antrag jedoch wesentliche Punkte, die für die Umsetzung bezogen auf das Saarland wichtig sind. Wir erwarten, dass sich die saarländische Landesregierung - wie bisher schon geschehen - auf Bundesebene dafür einsetzt.
Wir gehen in unserem Antrag auf Details ein. Wir wollen nicht über die Europapolitik im Großen reden, sondern wir wollen sehen, wie der Fiskalpakt unser Saarland betrifft. Bevor ich zu diesen Punkten im Detail komme, möchte ich zunächst die Auswirkungen für Deutschland und das Saarland im Einzelnen nennen. Was bedeuten nun die Regelungen des Fiskalpaktes für Deutschland und unser Saarland?
Zunächst zu Deutschland. Der Fiskalpakt sieht im Kern vor, dass ab 2014 ein gesamtstaatliches Defizit von 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes nicht überschritten werden darf, solange die Schuldenquote nicht deutlich unter 60 Prozent liegt. Was heißt das konkret? - Es wird geschätzt, dass das Bruttoinlandsprodukt für 2012 bei 2.800 Milliarden Euro liegt. Wenn ich davon 0,5 Prozent berechne, sind das 14 Milliarden Euro, das heißt, bei der Aufstellung des Haushaltes 2014 darf der Bund nicht mehr als 14 Milliarden neue Schulden machen. Laut aktuellen Prognosen beziehungsweise aktueller Konstellation kann Deutschland den Zielwert im Rahmen des Fiskalpaktes 2014 erreichen. Es müssen aber selbstverständlich permanent weitere Anstrengungen unternommen werden.
Zu den Bundesländern. Alle Bundesländer unterliegen der Schuldenbremse und müssen laut Grundgesetz - Frau Peter, das müssen alle - bis 2020 ohne Nettokreditaufnahme auskommen. Der Haushalt 2020 muss also ohne neue Schuldenaufnahme realisiert werden. Bezogen auf die Bundesländer muss man aber bezüglich der Auswirkungen des Fiskalpaktes differenzieren. Die fünf Haushaltsnotlageländer Berlin, Bremen, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein haben mit dem Bund einen verbindlichen Konsolidierungspfad ab 2011 vereinbart und erhalten dafür entsprechende Konsolidierungshilfen. Das Saarland hat auf dem Weg dahin den richtigen Kurs eingeschlagen. Dies wurde erst vor Kurzem durch den Stabilitätsrat eindeutig bestätigt. Das Saarland hat die Konsolidierungshilfen für 2011, insgesamt 260 Millionen Euro, komplett erhalten. Von diesem konsequenten Sparkurs, natürlich verbunden mit der Förderung wirtschaftlichen Wachstums, dürfen wir nicht abweichen. Wer das nicht begriffen hat, gefährdet die Existenz des Saarlandes.
Für das Saarland kann man das Fazit ziehen, dass das Land allein betrachtet durch den Fiskalpakt weder verschärften noch leichteren Anforderungen gegenübersteht. Für die anderen 11 Bundesländer, die keine Konsolidierungshilfe bekommen und mit dem Bund keine festen Vereinbarungen für den konkreten Abbau der Neuverschuldung getroffen haben, bedeutet der Fiskalpakt jedoch eine Verschärfung. Dort ist vorgesehen, die Neuverschuldung beginnend ab dem Jahr 2013 bis 2020 gleichmäßig auf null zurückzufahren. Das würde bedeuten, dass sich die Vorgaben aus der Schuldenbremse des Grundgesetzes ab 2013 für alle Bundesländer fast nicht mehr unterscheiden.
Unsere Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte vor wenigen Tagen in einem Interview zu Recht: „Mit Blick auf die Gesamtsituation in Europa wäre es ein fatales Zeichen, wenn der Fiskalpakt ausgerechnet in Deutschland nicht ratifiziert würde.“ - Sie vertrat in dieser Frage aber auch klar die Position, dass der Bund, was die möglichen Belastungen aus dem Fiskalpakt für die Länder und Kommunen betrifft, gesprächsbereit sein muss. Konkret: Es muss in irgendeiner Form eine Entlastung stattfinden. Eine Zustimmung zum Fiskalpakt kann nicht mit zusätzlichen, unkalkulierbaren Lasten für das Saarland verbunden sein.
Bedeutend für das Saarland ist insbesondere die Frage von etwaigen Sanktionszahlungen. Wenn Deutschland die Defizitquote von 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes theoretisch doch überschreiten sollte, droht die Gefahr von Finanzsanktionen in Höhe von bis zu 0,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Da laut Vertrag zum Fiskalpakt der gesamtstaatliche Haushalt eines Landes bewertet wird - also auch Land, Kommunen, Sozialversicherungen sollen im Sanktionsfall nach Auffassung des Bundes die Länder mit in die Haftung genommen werden. Da die Verteilung der Lasten zu einem erheblichen Teil verursachungsabhängig gestaltet werden soll, ist das Saarland aufgrund der Einbeziehung der Kommunen besonders gefährdet. In einer solchen Situation müsste das Saarland einen erheblichen Teil übernehmen. Schnell kämen zweistellige Millionenbeträge auf das Land zu, was nicht mit dem Ziel des Defizitabbaus im Sinne der Schuldenbremse zu vereinbaren wäre.
Deshalb fordert der gemeinsame Antrag von CDU und SPD die saarländische Landesregierung auf, sich in Zusammenhang mit dem Fiskalpakt gegenüber dem Bund für nachfolgende Punkte einzusetzen:
Erstens, dass mit der innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalpaktes keine Verschärfungen des vom Saarland mit dem Bund vereinbarten Konsolidie
rungspfades verbunden sind. Der erfolgreich eingeschlagene Weg des Saarlandes im Rahmen der Schuldenbremse - ich sage es noch einmal - darf nicht durch zusätzliche Belastungen gefährdet werden.
Zweitens, dass durch die noch zu konkretisierende innerstaatliche Umsetzung des Fiskalpaktes die Haushaltsautonomie von Bund und Ländern nicht beeinträchtigt wird. Das Saarland muss hier seine Handlungsspielräume behalten und selbst entscheiden können. Dafür müssen wir uns stark machen.
Drittens, dass Bund und Länder im Stabilitätsrat zusammenwirken, um einer Überschreitung der gesamtstaatlichen Defizitobergrenze von 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes entgegenzuwirken. Dort müssen Bund und Länder zusammenarbeiten, um zu Konsenslösungen zu kommen, die verhindern, dass wir die Grenze von 0,5 Prozent überschreiten. Hier geht es zum Beispiel darum, wie saarländische Kommunen mithilfe des Bundes in die Lage versetzt werden, ihren Beitrag zur Einhaltung des Fiskalpaktes zu leisten. Eine Alternative könnte auch die Entlastung des Saarlandes im Bereich der Soziallasten bilden. Eine denkbare Option wäre eine Übernahme der Kosten der Eingliederungshilfe, denn dies würde das Saarland jährlich um etwa 200 Millionen Euro entlasten. Mir ist durchaus bekannt, dass im Saarland die Kosten der Eingliederungshilfe vom Land und nicht von den Kommunen getragen werden. Wenn aber der Bund das Saarland entlastet, ergeben sich mehr Spielräume, um die Kommunen zu entlasten.
Viertens, dass der Bund in gemeinsamen Gesprächen mit den Ländern für den Fall eventueller Strafzahlungen - wenn diese Hürde von 0,5 Prozent gerissen wird -, die durch den Einbezug von Schulden der Sozialversicherung und der Kommunen in die Berechnung entstehen können, Regelungen trifft, die nicht zulasten der Länder gehen.
Fünftens, dass die Möglichkeit der Ausgabe gemeinsamer Anleihen von Bund und Ländern überprüft wird. Hierunter werden sogenannte DeutschlandBonds verstanden. Hierdurch können die Bundesländer - und das ist für das Saarland sehr wichtig an den besseren Zinskonditionen des Bundes am Kapitalmarkt partizipieren. Bei einem Zinsvorteil des Bundes von derzeit 1 Prozent könnte das Land bei einem Altschuldenstand von derzeit 12 Milliarden Euro um 100 Millionen Euro entlastet werden. Laut aktueller Meldung am Wochenende kann das Saarland bereits durch deutlich gesunkene Zinsen auf dem Kapitalmarkt in Höhe von minus 0,4 Prozent 50 Millionen Euro einsparen. Zu beachten gilt, meine Damen und Herren, dass es sich bei diesen beiden Werten zusammen um 150 Millionen jährlich handelt. Man muss sich einmal vor Augen führen: Wir als Saarland müssen im Rahmen der Schulden
bremse jedes Jahr 65 Millionen einsparen. Hier könnte das Saarland um 150 Millionen entlastet werden.
Sechstens, dass eine Finanztransaktionssteuer eingeführt wird. Mit einer Finanztransaktionssteuer werden alle Geschäftsvorgänge an den Finanzmärkten besteuert, jeder Kauf von Aktien, festverzinslichen Wertpapieren oder Derivaten wird besteuert. Durch die Einführung der Finanztransaktionssteuer werden Spekulationen an den Finanzmärkten, die für die Krise mit ursächlich waren, gedämpft. Das generierte Steueraufkommen trägt dazu bei, die Kosten der Staatsschuldenkrise zu senken beziehungsweise die Einnahmen zu erhöhen.
Sie sehen, meine Damen und Herren, das sind konkrete Vorschläge, wie das Saarland mit dem Fiskalpakt umgehen soll.