Protokoll der Sitzung vom 26.10.2016

Ich möchte noch auf ein weiteres Problem hinweisen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Bis 2019 - die Ministerpräsidentin hat es gesagt - bleibt im Grunde alles beim Alten. Das heißt, wir bekommen nur die 260 Millionen Euro Konsolidierungshilfe. Schaut man einmal in die mittelfristige Finanzplanung des Finanzministers, so ist dort zu lesen, dass ab dem Jahre 2019 in diesem Land immer noch 90 Millionen Euro eingespart werden müssen.

Es bleibt mir ein großes Rätsel, wie dies unter den derzeitigen Bedingungen geschehen soll. Da bin ich gespannt.

(Zuruf des Abgeordneten Pauluhn (SPD).)

Die Frau Ministerpräsidentin hat ja angekündigt, dass in dieser Hinsicht auf dem sehr steinigen Pfad der Konsolidierung bis 2019 noch Gespräche mit dem Bundesfinanzminister und dem Stabilitätsrat geführt werden müssen. Das ist auch dringend notwendig, denn es ist mir ein Rätsel, wie andernfalls dieses Konsolidierungsziel erreicht werden soll.

Sieht man das, liebe Kolleginnen und Kollegen, im Zusammenhang, so muss man zu folgendem Ergebnis kommen: Die Altschuldenproblematik bleibt ungelöst. Die Finanzierung der davongaloppierenden Versorgungskosten ist nicht gesichert. Zins- und Konjunkturschwankungen können den Wert der erreichten Beihilfen mindern. Das sklavische Festhalten an der Schuldenbremse verhindert rentierliche Investitionen in Zukunftsbereiche des Landes. Und dass wir bisher die Defizitobergrenze nicht erreicht haben, dass wir bisher die Schuldenbremse einhalten konnten, das ist meines Erachtens auch nicht das Verdienst der Großen Koalition oder der Politik der Landesregierung. Das ist im Wesentlichen der nach wie vor doch erstaunlich guten Konjunkturlage und ganz wesentlich auch dem historisch niedrigen Zinsniveau geschuldet, nicht aber Ihren politischen Leistungen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Insofern sage ich noch einmal: Die Landesregierung und die Große Koalition haben das riesengroße Problem der Landesfinanzen im Grunde nicht gelöst. Sie präsentieren als Große Koalition eigentlich eine kleine Lösung, dafür wäre aber keine Große Koalition notwendig.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Ein Fortschritt ist das Ganze natürlich schon. Dass diese Neuregelung der Finanzbeziehungen, von der natürlich auch das Saarland enorm profitiert, überhaupt auf Bundesebene zustande gekommen ist, das ist eine Leistung. Das ist aber nicht das Verdienst von Großen Koalitionen, von denen es in der gesamten Republik vier Stück gibt. Nein, diese Leistung, dass die Bundesländer sich hier zusammengeschlossen haben und einem Finanzkompromiss zustimmen, der dankenswerterweise im Saarland entwickelt worden ist, ist meines Erachtens das Verdienst aller Bundesländer, unabhängig von der Ausgestaltung der Koalitionen der Regierungen, die sich hier zusammengerauft haben. Unterm Strich haben die Länderregierungen auch etwas gegen den Bund erreicht, denn der hat ja bis zum Schluss noch auf der Bremse gestanden. Und dazu stelle ich in aller Deutlichkeit fest - und bin insoweit auch beim Kollegen Hans -, dass sich an dieser Stelle das föderale System durchaus bewährt hat.

(Beifall bei B 90/GRÜNE.)

Und damit Sie nicht sagen, der Kessler kritisiert ja nur, will ich noch zwei Sachverhalte ansprechen, die aus unserer Sicht - das sehen wir etwas anders als die LINKE - durchaus positiv zu bewerten sind. Es geht dabei um die Gründung einer Verkehrsinfrastrukturgesellschaft beim Bund mit der Aufgabe der Planung und des Baus von Autobahnen. Das begrüßen wir. Es war schon immer unsere Forderung, den Bund hierbei stärker in die Verantwortung zu neh

(Abg. Kessler (B 90/GRÜNE) )

men, weil wir im Saarland ja auch nicht in der Lage waren, die Bundesmittel zum Beispiel für den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur in vollem Umfang abzurufen. Eine Anfrage der GRÜNEN im Bundestag hat ergeben, dass seit 2012 26 Millionen Euro nicht abgerufen worden sind. Die sind uns schlicht und ergreifend durch die Lappen gegangen.

(Zurufe: Falsch!)

Das ist nachzulesen in der Antwort auf die Anfrage.

(Weitere Zurufe.)

Deshalb ist die Gründung einer Verkehrsinfrastrukturgesellschaft aus unserer Sicht zunächst einmal ein richtiger Weg. Ich möchte aber auch sagen: Eine Privatisierung wollen wir GRÜNE nicht. Wir wollen nicht, dass irgendwelche Hintergedanken von Minister Dobrindt durchgehen, in denen die Möglichkeit einer Privatisierung nach wie vor existiert. Nein, es muss bei der rechtlichen Ausgestaltung sehr genau darauf geachtet werden, dass die Bundesautobahnen und Bundesstraßen Eigentum des Bundes bleiben.

(Beifall bei B 90/GRÜNE). Außerdem wollen wir wie auch andere sicherstellen, dass daraus keine Nachteile für das Personal erwachsen. Im Tarifbereich könnten ja sogar Vorteile resultieren, aber es geht dabei auch um Umsetzungen und Versetzungen. Wir wollen erreichen, dass dem Personal keine Nachteile entstehen. Ich begrüße daher alle Aussagen, die das so zusichern. Der zweite Punkt, den wir positiv bewerten, ist die Vereinbarung zur finanziellen Unterstützung im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur, insbesondere für finanzschwache Kommunen. Dadurch wird ja, Kollege Lafontaine, der Weg dafür freigemacht, dass Investitionen in die Bildung durchaus auch über Bundesmittel möglich sind. Wir waren immer dafür, dass das Kooperationsverbot komplett abgeschafft wird. Das geschieht nun zwar nicht, wir haben es aber immerhin mit einer Lockerung zu tun. Aus unserer Sicht ist das ein Fortschritt, ein Schritt in die richtige Richtung. (Beifall bei B 90/GRÜNE.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist ja verständlich, dass heute in dieser Sondersitzung - das ist ja auch die Absicht dieser Sitzung - gelobhudelt wird und die Ministerpräsidentin sich über das erreichte Finanzergebnis freut. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass - und jetzt bin ich wieder bei den LINKEN - das Land nach wie vor ein riesengroßes Einnahmeproblem hat. So ist die Große Koalition im Hinblick auf Steuergerechtigkeit, hinsichtlich der Frage einer echten Reform der Erbschaftsteuer, bei der Besteuerung extrem hoher Einkommen - es geht hierbei nicht um kleine oder Fachar

beitereinkommen, wie hier polemisch gesagt worden ist - oder hinsichtlich der Einführung der Vermögensteuer offensichtlich in eine große Duldungsstarre gefallen. Zu diesen Themen gibt es keine Signale, obwohl ja im Koalitionsvertrag darüber so einiges steht.

(Zurufe und Sprechen.)

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, sage ich klipp und klar: Die Sanierung unseres Haushaltes wird ohne eine Verbesserung der Einnahmeseite durch eine andere Steuerpolitik im Bund nicht gelingen. Signale in diesem Sinne, nämlich zur Sanierung des Landeshaushaltes über eine andere Steuerpolitik, gibt es bislang aber nicht. Das bedauere ich außerordentlich und kritisiere es ausdrücklich. Daher werden wir dem Antrag der LINKEN an dieser Stelle nachher auch zustimmen.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Stattdessen sparen Sie noch, was die Einnahmeseite angeht: Sie sparen in der Finanzverwaltung, beispielsweise durch die Einsparung von Stellen in der Betriebsprüfung. Es ist dazu gesagt worden, die Kosten der Betriebsprüfer würden die Einnahmemöglichkeiten bei den Steuern deutlich übersteigen. Das bezweifele ich im Einzelfall. Und wie wollen wir zudem dem kleinen Steuerzahler, dem Bürger, der redlich seine Steuern zahlt, vermitteln, dass die Großen in diesem Land beim Steuereinzug und bei der Steuerprüfung eher großzügig behandelt werden und die Kleinen, die regelmäßig und treu ihre Steuern zahlen, regelmäßig zur Steuerpflicht herangezogen werden? Es gibt hierbei auch die moralische Verpflichtung zu zeigen, dass der Staat dafür sorgt, dass Steuern eingezogen werden. Deshalb bleiben wir dabei: Stellen Sie mehr Betriebsprüfer ein! Sie leisten dadurch einen Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit in diesem Land, aber auch zur Verbesserung der Einnahmeseite.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Es geht jetzt darum, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Zukunft des Landes finanziell gut zu gestalten. Angesichts dessen erschreckt es mich manchmal schon, wie inkompetent, wie dilettantisch, aber auch wie verschwenderisch dieses Land zum Teil mit Geld umgeht. Ich erwähne als Beispiel das Missmanagement beim HTW-Hochhaus; hierbei hat die Landesregierung durch Umbaumaßnahmen, Kosten für Instandhaltung und auch durch die Finanzierung der Ersatzquartiere Zusatzkosten von mittlerweile insgesamt 16 Millionen Euro verursacht. Zumindest ein Teil dieser Kosten wäre durch ein professionelles Management vermeidbar gewesen. Aber auch die Kosten für den Vierten Pavillon sind durch die Decke geschossen, ohne dass dies erforderlich gewesen wäre: Bei diesem Projekt sind wir mittlerweile bei 40 Millionen Euro angelangt. Hinzu

(Abg. Kessler (B 90/GRÜNE) )

kommt, dass bei den saarländischen Hochschulen, zukunftsträchtigen Bereichen dieses Landes, die völlig falsch angelegte Schuldenbremse greift und im Ergebnis die Hochschulen des Saarlandes schlicht und ergreifend zusammengespart werden. Das geht nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerade unsere Hochschulen sind Aushängeschilder für unser Land. Sie sollen junge Leute ins Land ziehen, und diese jungen Leute sollten möglichst auch im Land bleiben, um der demografischen Entwicklung entgegenzuwirken. Die Landesregierung hat aber diesen Hochschulen, insbesondere der Universität, einen harten Sparkurs verordnet, der dazu geführt hat, dass sich die Studienbedingungen verschlechtert haben. Und was die Entwicklung der Studierendenzahlen angeht - die Zahlen gehen jetzt zurück, die Begründung ist geliefert worden -, da warten wir einmal ab, ob sich das jetzt stabilisiert oder eher nach unten verstetigt. Letzteres wäre für dieses Land katastrophal.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Es geht in unserem Land aber nicht nur ums Geld, wenn es um die Zukunft der Bürgerinnen und Bürger geht. Es geht auch um Fragen der Gesundheit, der Mobilität, aber auch um die Bewältigung großer Infrastrukturprobleme. Auch hierauf hat die Landesregierung und die sie tragende Große Koalition keine Antwort. Ich nenne erneut das Beispiel Grubenwasser. Wir GRÜNE sind in großer Sorge, dass, wenn die Pumpen der RAG abgestellt werden, es zu Belastungen des Trinkwassers kommt. Ich habe aber den Eindruck, so wie die Landesregierung mit dem Thema umgeht, dass sie eher die Interessen der RAG stützen will, als die Gesundheit der Bürger zu schützen.

(Beifall bei B 90/GRÜNE. - Oh-Rufe und Spre- chen bei den Regierungsfraktionen. - Zurufe des Abgeordneten Pauluhn (SPD) und der Ministerin Rehlinger.)

Wo es auch nicht ums Geld geht, das ist der ÖPNV, der im Land sehr stark vernachlässigt wird und unbedingt eine Reform braucht.

(Sprechen.)

Beim ÖPNV haben Sie einen Gesetzentwurf vorgelegt, der nicht annähernd an das heranreicht, was an Verbesserungen in anderen Bundesländern bisher erreicht worden ist. Auch hier herrscht Stillstand in diesem Land, liebe Kolleginnen und Kollegen, da kann ich einem Lob an anderer Stelle nicht zustimmen.

(Anhaltendes Sprechen.)

Ich fasse zusammen. Der Finanzkompromiss zwischen Bund und Land ist keine nachhaltige Lösung für die Zukunft und den Erhalt der Eigenständigkeit dieses Landes. Die Altschuldenfrage ist nicht gelöst,

und die Finanzierung der steigenden Versorgungsausgaben steht in den Sternen. Durch das Risiko der Konjunkturschwankung und eines Anstieges der Zinsen können finanzielle Beihilfen im Laufe der Jahre an Wert verlieren. Eine Verbesserung der Einnahmeseite wird durch keinerlei Aktivität der Landesregierung und der Großen Koalition angestrebt. Unter diesen Bedingungen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist eine nachhaltige Sicherung der Zukunftsfähigkeit dieses Landes einfach nicht gesichert. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Das Wort hat für die SPD-Landtagsfraktion Herr Fraktionsvorsitzender Stefan Pauluhn.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Um es vorwegzunehmen, ich möchte mich in der Bewertung der Einigung über die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen ab dem Jahr 2020 beim Bemühen um Superlative eher zurückhalten. Ich würde dies nun auch eher vorsichtig als ein historisches Ereigniss beurteilen, wie das medial genannt wurde. Was diese Entscheidung aber ganz sicher ist, ist ein Etappensieg, aber nicht nur ein Etappensieg. Sie ist eine echte Zukunftsoption für die Eigenständigkeit unseres Bundeslandes und damit eine Option für eine politische Selbstbestimmung auf lange Zeit, nun auch festgeschrieben über die schwierige und oftmals schmerzliche Zeit der Haushaltskonsolidierung hinaus. Der neue Bund-Länder-Finanzausgleich gilt dann unbefristet, und das über das Jahr 2020 hinaus. Ich finde, das ist eine große Leistung, die mit vielen Akteuren erreicht wurde.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Es waren lange und zähe Verhandlungen, die diesem Kompromiss vorausgingen. Bereits 2012 begannen die ersten Gespräche zu diesem Finanzausgleich, und oft sah es so aus, als würde das Ganze scheitern. Ich war in den letzten Tagen selbst nicht dabei, aber sicherlich lag das Scheitern in den letzten langen Nächten mehrfach auf dem Tisch. Am Ende steht nun doch ein Erfolg. Ich finde, das sollten dann alle in diesem Haus auch mit etwas Genugtuung und ehrlich analysierend zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich will bei allem Widerspruch in den Einzelheiten meinen Hut vor dem Kollegen Lafontaine ziehen, der die Größe hatte, heute Morgen hier auch Danke zu sagen.

(Abg. Spaniol (DIE LINKE) : So ist es!)

(Abg. Kessler (B 90/GRÜNE) )

Aber, was die GRÜNEN gerade abgeliefert haben, war mal wieder ein Zeichen dafür, dass man überhaupt nicht bereit ist, auch nur die geringsten Fakten des Erreichten zur Kenntnis zu nehmen. Das war nichts, Kollege Kessler, das war gar nichts!

(Beifall bei den Regierungsfraktionen. - Zuruf des Abgeordneten Kessler (B 90/GRÜNE).)

Die Tatsache, dass das Saarland gerade seit 2012 auf Bundesebene immer ein verlässlicher Verhandlungspartner war und dabei auch immer ernst genommen wurde, hat sicher dazu beigetragen, dass wir in den Verhandlungen gehört wurden und genau dieses Ergebnis erreichbar wurde. Wir haben alle Konsolidierungsvereinbarungen erfüllt. Wir haben die schmerzlichen Sparvorgaben konsequent umgesetzt. Wir haben beim Defizitabbau die Obergrenzen stets eingehalten und in der Finanzplanung aufgezeigt, dass dieses Land wirklich gewillt ist, den Weg bis 2020 auch zu gehen. Damit, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben SPD und CDU ihr größtes, ihr wichtigstes Wahlversprechen aus dem Jahr 2012 umgesetzt und eingehalten.

Wir sind angetreten, um diesem Land Zukunftsfähigkeit zu geben. Ich denke, das ist eine Botschaft, die man durchaus selbstbewusst und auch mit etwas Freude aus dieser Koalition in den politischen Raum und in das gesamte Saarland tragen darf. Das ist ein Erfolg dieser Koalition.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)