Protokoll der Sitzung vom 16.10.2012

(Zurufe der Abgeordneten Kugler (DIE LINKE) und Ensch-Engel (DIE LINKE))

früher mit der Bundaxt gar nicht hart genug in den Wald hineinschlagen konnte. Sie reden in dieser Frage heute von einem Kahlschlag im öffentlichen Dienst. Ihr heutiger Guru, Ihr großer Meister hat in den Neunzigerjahren

(Anhaltende Zurufe von der LINKEN)

mit der gleichen Begründung, an der sich bis heute nichts geändert hat, darauf hingewiesen: Wenn man von anderen Bundesländern Geld bekommt, kann man sich nicht mehr leisten als die, die einem Geld geben. Sie sind in dieser Frage genauso heuchlerisch wie Ihr Vorturner. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsfraktionen. - Weitere Zurufe von der LINKEN.)

Das Fazit dieser Betrachtungsweise ist ganz klar: Wenn wir von anderen Bundesländern und dem Bund Hilfe und Geld bekommen, dürfen wir nur so viel Geld für die einzelnen Bereiche ausgeben wie die Bundesländer, von denen wir Geld bekommen. Ausnahmen müssen begründet werden. So einfach ist die Welt, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Zuruf des Abgeordneten Linsler (DIE LINKE).)

Kollege Linsler, auch und gerade die demografische Entwicklung im Saarland, in den letzten Jahren wie in der Zukunft, ist hierbei Fluch und Segen zugleich. Sie bedingt, dass es einen Rückgang der Bevölkerung gibt, der einerseits den automatischen Abbau von Personal und Leistungen scheinbar einfach macht. Andererseits stellt eine immer älter werdende Gesellschaft auch den öffentlichen Dienst vor ganz neue Herausforderungen. Dies gilt für die innere Sicherheit genauso wie für die Bildung und für alle anderen Bereiche - Finanzverwaltung, Gesundheit -, unterschiedlich stark und mit unterschiedlich ausgeprägten Anforderungen und Folgen. Die Augen vor den Folgen der demografischen Entwicklung zu verschließen oder gar den Menschen im Lande die Augen zuzuschmieren, wäre deshalb nicht nur fahrlässig, sondern der Bevölkerung gegenüber zutiefst verlogen. Dieses Spiel werden wir nicht mitmachen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich bin mir auch sicher, die Menschen in diesem Land sind bereits viel weiter in der Einsicht, dass sich etwas ändern muss. Sie sind viel weiter, als einige hier im Saal es glauben machen wollen. Das gilt auch für die Bereitschaft zu Veränderungen im öffentlichen Dienst. Deswegen kann ich nur als richtig einschätzen, was diese Landesregierung auf den

Weg gebracht hat, nämlich den Gewerkschaften Angebote zur gemeinsamen Zusammenarbeit bei den Herausforderungen im öffentlichen Dienst zu machen.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Da warten wir mal ab!)

Ein ernst gemeintes Angebot.

Wir wollen nicht nur nehmen und kürzen, sondern auch geben und motivieren. Ich will Ihnen an dieser Stelle nur kurz aufzählen, was auf unserer Seite gegeben werden soll. Im Koalitionsvertrag ist aufgeführt - und daran lassen wir uns messen -: Um die Funktionsfähigkeit der Landesverwaltung sowie die Motivation und Attraktivität des öffentlichen Dienstes weiterhin zu gewährleisten, muss ein Teil der Personaleinsparungen für Verbesserungen der Rahmenbedingungen der verbleibenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingesetzt werden.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Sag doch mal, wo.)

Wir wollen moderne Personalentwicklungskonzepte, die Verstärkung von Fort-, Aus- und Weiterbildung, die alters- und gesundheitsgerechte Gestaltung von Arbeitsplätzen und Prozessen. Wir wollen die Nachwuchskräftegewinnung verbessern, das Gesundheitsmanagement auf Vordermann bringen. Wir wollen attraktive Gehaltsstrukturen sowie ausreichende Entwicklungs- und Beförderungsoptionen im Landesdienst. Die Rahmenbedingungen für öffentlich Bedienstete im Saarland sollen sich nicht schlechter als das durchschnittliche Niveau der Länder und des Bundes entwickeln. Wir wollen flexible Arbeitszeitmodelle, Sabbatjahrregelungen, Beurlaubung wollen wir prüfen und verbessern. Familienkomponenten zur Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen sollen dazu beitragen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familientätigkeiten zu verbessern. Und wir wollen für die Wahrnehmung von Führungs- und Managementaufgaben die Aus- und Fortbildung berufsbegleitend verbessern. Meine sehr geehrte Damen und Herren, das sind nicht hohle Phrasen, das sind ganz klare, konkrete Angebote, mit denen wir in dieser Frage den Gewerkschaften zeigen, es geht nicht um Kahlschlag, es geht um Umbau. Am Schluss soll mehr, besseres, motiviertes Personal stehen. Das ist unser Ziel, meine Damen und Herren.

(Zuruf des Abgeordneten Linsler (DIE LINKE).)

Herr Kollege Linsler, ich darf Ihnen noch einmal vor Augen halten: Das, was Ihre Partei, Ihr großer Guru, als Kahlschlag darstellt -

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Sie sind ein Wendehals!)

Ich will Ihnen einmal etwas sagen zum Thema Wendehals. Sie waren in den Neunzigerjahren auf den Plätzen und auf den Straßen und haben gegen den

(Abg. Jost (SPD) )

demonstriert, der in diesem Land - immer mit der Begründung der Haushaltssanierung - Tausende von Stellen abgebaut hat. Jetzt sitzen Sie mit ihm in einer Bank. Wer ist denn hier der Wendehals, meine Damen und Herren?

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Es wird nicht darum gehen, Kahlschläge zu produzieren, sondern den öffentlichen Dienst zukunftssicher und effizienter und am Ende motivierter zu gestalten. Es wird um Effizienz und Effektivität gehen. Ja, es geht auch um Sparsamkeit, es geht aber auch um Qualität im öffentlichen Dienst. Das muss uns doch wichtig sein, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Koalitionsfraktionen.)

Unsere Verhandlungsposition gegenüber anderen muss wasserdicht sein. Das war übrigens auch immer die Argumentation eines ehemaligen Ministerpräsidenten, der heute Morgen leider nicht da ist.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Der wollte sich das nicht antun. Er hat gesagt, dich wolle er nicht hören!)

Er hat gesagt, er wolle mich nicht hören? Gut, man könnte sagen, das ist Arbeitsverweigerung, aber das müssen die Wählerinnen und Wähler von Herrn Lafontaine mit sich selbst ausmachen. Damals wie heute gilt das Prinzip: Wenn wir von anderen Geld bekommen, dürfen wir in der Argumentation nicht angreifbar sein. Wir müssen in unseren Verhandlungspositionen gegenüber anderen wasserdicht sein und durch nachgewiesene eigene Anstrengungen deutlich machen, wo wir stehen. Wir müssen uns doch die Frage stellen: Warum können andere bestimmte Dinge besser und günstiger als wir? Und wir müssen uns die Frage stellen, ob der Vorteil unserer Kleinheit unter dem Strich nicht auch mit günstigeren Rahmenbedingungen und weniger Kosten einhergeht.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Wo ist denn der Superminister?)

Meine sehr geehrten Damen und Herrn, die Altlasten, die uns drücken, sind Altschulden und Versorgungslasten. Wir haben die Chance, mit der Neuordnung des Bund-Länder-Finanzausgleichs ab 2019 Verbesserungen für das Land zu erreichen. Und ich bin auch dankbar, dass es in dieser Koalition eine große Einigkeit darüber gibt, dass ab 2019 bei der Verteilung von Mitteln aus dem Solidarpakt die Chance und auch die Notwendigkeit besteht, Gelder nicht mehr nach den Himmelsrichtungen zu verteilen. Das Prinzip muss lauten: Dort, wo es notwendig ist, dort wo Bedürftigkeit herrscht, dort muss das Geld hin, es darf nicht nach Himmelsrichtungen verteilt werden. Dann würde diese Region auch stärker davon profitieren.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich sage das auch mit Blick auf das Thema Altlastentilgungsfonds. Es gibt einen sehr guten Vorschlag von Olaf Scholz und der Hansestadt Hamburg, dass nach Auslaufen des Solidarpakts ab 2019/2020 die Gelder aus dem Solidarzuschlag verwandt werden sollen, um zusammengefasst die Zinsen eines Altlastfonds der Schulden der Länder zu tilgen. Dabei sollen sich die Länder verpflichten, für 50 oder 100 Jahre, die Schulden zu reduzieren. Wenn dies zum Tragen käme, hätte dies im günstigsten Falle eine Entlastung von bis zu 300 Millionen Euro für den saarländischen Landeshaushalt zur Folge. Und ich bin mir sicher, in diesem Hause würden wir einen solchen Vorschlag unterstützen, denn er würde dem Land unter dem Strich tatsächlich guttun.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Gerade wegen und nicht trotz dieser Herausforderungen stellen wir uns als Koalition diesen drängenden Fragen. Wir sind dabei stolz auf das, was wir seit Mai 2012 auf den Weg gebracht und auch bereits umgesetzt haben. Wir haben faktisch durch das neue Tariftreue- und Vergabegesetz einen Mindestlohn von 8,50 Euro bei Vergaben öffentlicher Aufträge im Land. Darauf sind wir stolz, meine sehr geehrten Damen und Herren. Genauso wollen wir im November den im Bundesrat anstehenden gesetzlichen Mindestlohnregelungen beitreten. Das ist eine Initiative anderer Bundesländer. Wir werden einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor von bis zu 15 Millionen Euro aus Landesmitteln speisen, damit wir niemanden auf dem Weg zurücklassen. Wir können es uns nicht erlauben, Geringqualifizierte außen vor zu lassen. Wir brauchen jeden und wir wollen mit dem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor dort auch ein Zeichen setzen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Wir wollen die Bekämpfung des Missbrauchs von Leih- und Zeitarbeit angehen, insbesondere dort, wo es um die Förderung von Industrie und Gewerbe geht. Wer sein Geld damit verdient, dass er das nur macht, wenn er überproportional Leih- und Zeitarbeiter beschäftigt, der kann dafür nicht auch noch staatliche Leistungen bekommen. Damit wollen wir Schluss machen. Wir sagen, gute Arbeit ist nicht nur gut bezahlt, sondern sie soll nach Möglichkeit auch unbefristet sein. Und diese gute Arbeit wollen wir in diesem Lande einführen. Auch darauf sind wir stolz, meine sehr gehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Wir geben auch Hilfen für die Kommunen. Der kommunale Entlastungsfonds ist schon mehrfach angesprochen worden: 120 Millionen Euro in den kommenden sieben Jahren, das ist ein Kraftakt sondergleichen. Wir wollen das ohne eigenen zusätzlichen

(Abg. Jost (SPD) )

Anteil der Städte und Gemeinden. Das ist das größte Einzelprojekt der Großen Koalition, das am Ende echte und zielgenaue Hilfen für notleidende Städte und Gemeinden in diesem Land bedeutet. Darauf sind wir stolz, meine Damen und Herren, eine wirklich gute Leistung.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Wir wollen die Spitzabrechnung vorziehen, wir wollen die Grunderwerbssteuer durch die Erhöhung mit Mitteln insgesamt von 3,5 Millionen Euro mit den Kommunen zusätzlich unterstützen, und es gibt Hilfen bei rentierlichen Investitionen. All das zeigt, -

(Abg. Dr. Peter (B 90/GRÜNE) : Wie beim Flughafen.)

Jetzt höre ich tatsächlich, dass die ehemalige Umweltministerin dazwischenruft: Wie beim Flughafen. Das, was wir jetzt gehört haben, diese 10 Millionen Euro, die stammen aus dem letzten Jahr. Sind Sie sich eigentlich darüber im Klaren, dass Sie im letzten Jahr in dieser Regierung noch Verantwortung getragen haben? Sie entblöden sich nicht, hier dazwischenzurufen: 10 Millionen im letzten Jahr. Es war doch Ihre Jamaika-Regierung, die das zu verantworten hat. Frau Ministerin, das ist eine Bankrotterklärung, die Sie hier noch nachträglich ableisten. Also wirklich, dümmer geht`s nimmer.

(Zurufe von den Oppositionsfraktionen.)

Eines der wichtigsten Politikfelder ist und bleibt für uns das Thema Bildungspolitik. Bildungspolitik ist die eigentliche soziale Frage des 21. Jahrhunderts. Wir wollen Schluss machen mit einer sozialen Auslese. Für uns ist klar und deutlich: Es kann nicht sein, dass die Zukunft eines jungen Menschen davon abhängig ist, wie dick das Portemonnaie von Papa und Mama ist. Für uns ist wichtig, dass das, was das Kind im Kopf hat, letztendlich seinen zukünftigen Weg ausmacht. Daran wollen wir festmachen. Wir wollen die soziale Auslese im Bildungsbereich in diesem Land letztendlich überwinden, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Wir wollen echte Ganztagsschulen. Das, was andere über Jahre hinweg nicht hingekriegt haben, wird jetzt von dieser Landesregierung auf den Weg gebracht. Es wird 25 echte Ganztagsschulen geben. Es wird mehr Lehrer und weniger Unterrichtsausfall geben und es wird kleinere Klassen für einen besseren Unterricht geben.

(Zuruf von der LINKEN: Wer hat denn das ver- handelt? - Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Das war ein Placebo, das Sie da verkauft haben! - Abg. Linsler (DIE LINKE): Das macht er doch die ganze Zeit!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Kollege Hubert Ulrich,

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Ja, ich höre zu!)