Protokoll der Sitzung vom 22.08.2018

Ja, ich erachte es als sinnvoll, den Verfassungsschutz aufzulösen. Aber bekanntlich haben wir hier im Parlament momentan keine Mehrheit dafür. Darum wollen wir doch zumindest nach Clemens Binninger mehr Kontrolle und mehr Transparenz für die Verfassungsschutzbehörde und damit stehen wir auch bei Weitem nicht alleine da. Im Gesetzentwurf fordern wir zum Beispiel einen parlamentarischen Beauftragten für die Verfassungsschutzbehörde, dies hat auch erst vor wenigen Wochen die CDUFraktion im Berliner Abgeordnetenhaus gefordert. Außerdem schlagen wir eine Whistleblower-Regelung vor, sodass Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber sich bei gravierenden Missständen innerhalb der Verfassungsschutzabteilung an ihre Landtagsabgeordneten wenden können, um auf Missstände hinzuweisen, ohne dafür eine Strafe zu riskieren.

Genau das fordert die SPD auf Landesebene, Stichwort ist Hessen. Schließlich wollen wir den Ausschuss für Fragen des Verfassungsschutzes stärken, dies ist eine Forderung, die auch von SPD und CDU auf Landesebene geteilt wird. Insofern bin ich wirklich gespannt, wie Sie heute - natürlich obligatorisch - gegen unseren Gesetzentwurf argumentieren werden. Damit lehnen Sie aber nicht nur meine Vorschläge und Anregungen ab, sondern auch die Vorschläge und Anregungen Ihrer eigenen Parteifreunde.

Wenn Sie heute zustimmen, es Ihnen allerdings um Details gehen sollte, dann erinnere ich daran, dass das Gesetz nicht direkt beschlossen ist, sondern

erst einmal an den Ausschuss überwiesen wird, wo man noch einmal über Details und Nuancen diskutieren kann. Dafür müssen Sie die Diskussion aber erst einmal zulassen. Deshalb bitte ich Sie um Ihre Zustimmung.

Zum Schluss ein weiteres Zitat von Jakob Augstein: „Welche Aufgabe erfüllt heute der Verfassungsschutz? Er schützt keineswegs die Verfassung. Er schützt die (vor)herrschenden Verhältnisse. Und die haben mit dem Geist der Verfassung immer weniger zu tun...“ - Vielen Dank.

(Beifall von der LINKEN.)

Bevor ich die Aussprache eröffne, teile ich Ihnen mit, dass der Fraktionsvorsitzende der AfD, Herr Josef Dörr, für eine Zwischenbemerkung um das Wort gebeten hat. Lieber Kollege Dörr, das geht vom Platz aus mit einem Saalmikrofon, das schon bereitsteht. Es folgt also eine Zwischenbemerkung zur Rede des Abgeordneten Dennis Lander.

Abg. Dörr (AfD) mit einer Zwischenbemerkung: Herr Lander hat hier behauptet, ich hätte Kontakte zu Rechtsradikalen. Das ist eine ungeheuerliche Behauptung, die absolut unwahr ist.

(Sprechen und Lachen des Abgeordneten Thul (SPD).)

Herr Thul, da brauchen Sie nicht so blöd zu lachen. Wenn er dafür Belege hat, dann soll er sofort Ross und Reiter nennen, ansonsten soll er das bitte zurücknehmen.

Herr Kollege Lander hat Gelegenheit, vom Rednerpult aus darauf zu antworten.

(Zuruf: Das ist gut so!)

Herr Kollege Dörr, jeder kann Google benutzen, Sie können die Artikel beispielsweise im STERN lesen, dort ist es ganz genau und dezidiert erläutert worden. Auch beim Tag der offenen Tür des Landtages am vergangenen Sonntag war die NPD anwesend. Sie hat sich um Ihren Stand getummelt. Ich denke, es ist kein großes Geheimnis, was hier im Saarland mit Ihrer Partei los ist.

(Beifall von der LINKEN. - Abg. Müller (AfD) : So eine oberflächliche Dummheit!)

Eine weitere Zwischenbemerkung ist nicht möglich. Wir kommen jetzt zur Aussprache. Herr Kollege Dörr, hier besteht die Möglichkeit, auf die Anmerkun

(Abg. Lander (DIE LINKE) )

gen nochmals einzugehen. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende der CDU-Fraktion Alexander Funk.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Hü und hott“ ist das Motto zum heute vorgelegten Gesetzentwurf. Gestern, sprich vor einem Jahr, hat die Linkspartei auf ihrem Bundesparteitag die Abschaffung des Verfassungsschutzes gefordert, heute möchte sie angeblich mehr Transparenz und Demokratie im Verfassungsschutz, aber noch heute steht auf der Internetseite der Bundestagsfraktion, der Verfassungsschutz sei ein Fremdkörper in der Demokratie und gehöre abgeschafft.

Eigentlich würde ich Ihnen an dieser Stelle wie schon so häufig empfehlen, Ihren Zettelkasten neu zu sortieren, das ist aber in diesem Falle gar nicht zutreffend, denn es handelt sich nicht um das übliche Chaos Ihrer Argumentationslinie, sondern es ist eine klare Strategie. Es geht Ihnen darum, dem Verfassungsschutz und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die für unsere Sicherheit sorgen, Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Es geht Ihnen darum, sie anzuketten und die Arbeit des Verfassungsschutzes zu untergraben. Wenn der Verfassungsschutz dann nicht mehr handlungsfähig ist, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keine Informationen mehr liefern und nicht mehr in der Lage sind, terroristische Anschläge zu verhindern, dann werden Sie Ihre Forderung nach Abschaffung des Verfassungsschutzes wiederholen. Lieber Herr Lander, genau das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Der Verfassungsschutz hat über Jahrzehnte hinweg sein Aufgabenspektrum erweitert und immer an die jeweilige Situation angepasst. Es ist wohl niemand hier im Saal, der bestreitet, dass die terroristische Gefahr in Deutschland, aber auch in Europa gewachsen ist. Um diese terroristische Gefahr zu verhindern, um unsere Demokratie und Freiheitswerte zu schützen, ist es notwendig, dass der Verfassungsschutz Informationen sammeln kann. Wir alle erinnern uns an die schrecklichen Ereignisse in Paris, Brüssel, aber auch in Berlin. Ja, sie konnten nicht verhindert werden, aber die Folge und Schlussfolgerung daraus kann nicht sein, dass wir die Arbeit des Verfassungsschutzes einstellen. Die Schlussfolgerung muss doch sein, dass wir ihn stärken, dass wir den Verfassungsschutz in seiner Arbeit unterstützen und technische Möglichkeiten schaffen, damit der Verfassungsschutz mit den Terroristen auf dieser Welt mithalten kann.

Terroristen vernetzen sich im Internet, im Darknet. Sie sind weltweit tätig. Um zu wissen, wie wir mit diesen Menschen umgehen und wer diese Menschen in unserem Land sind, ist es notwendig, dass der Verfassungsschutz Informationen sammeln kann. Dies ist absolut notwendig über Vertrauenspersonen. Wie stellen Sie es sich vor, beispielsweise einen Hassprediger in einer Moschee zu identifizieren? Wie wollen Sie junge Menschen, die sich von diesem Hassprediger radikalisieren lassen, identifizieren? Wie wollen Sie ermitteln, was sie vorhaben, welche Zutaten sie sich im Internet kaufen, um Sprengsätze und Bomben zu basteln, wenn wir nicht die Mitarbeit von Vertrauensleuten haben? Und Sie wollen die Vertrauensleute abschaffen. Sie wollen das verbieten, Sie wollen, dass nur noch Beamte diese Informationen sammeln können. Wie sollen wir uns das vorstellen? - Soll etwa einer mit dem typischen Schlapphut in die Moschee gehen und nach Informationen fragen? - Nein, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist zwingend notwendig, dass wir auch mit Vertrauenspersonen arbeiten. Wenn jemand im Jobcenter auffällig wird aufgrund seines Reiseverhaltens, weil er wochen- und monatelang ins Ausland abgewandert ist, vielleicht nach Syrien, dann aber zurückkommt, dann ist es hilfreich für unsere Demokratie und zu unserem Schutz, wenn diese Informationen dem Verfassungsschutz weitergeleitet werden.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Wir sagen ganz klar, wir wollen die Terroristen wegsperren und nicht unsere Vertrauensleute. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns.

(Zurufe der Abgeordneten Lander (DIE LINKE) und Schramm (DIE LINKE).)

Ihre Forderung nach Akteneinsicht geht in die gleiche Richtung. Es ist mir schon klar, dass Sie die Quellen gerne hätten und gerne wüssten, wer Vertrauensmann ist. Wenn diese Informationen aber zwei- oder dreimal durchgesickert und an die Öffentlichkeit gelangt sind, dann werden wir keine Vertrauenspersonen mehr haben. Deswegen wollen wir auch hier Quellenschutz und keine weiter gehende Akteneinsicht, damit man es nicht quasi auf dem Marktplatz ausbreiten kann.

Der Vorschlag der öffentlichen Anhörung, wie das in der Tat im Bundestag praktiziert wird, hört sich zunächst einmal gut an, aber was soll letztendlich dabei herauskommen? Welchen Mehrwert an Information hätten Sie denn, was nicht über eine Pressekonferenz, die der Verfassungsschutz jährlich durchführt, über Berichte im Innenausschuss oder im Verfassungsschutzausschuss mitgeteilt werden kann? Welche Informationen darüber hinaus sollte denn der Direktor des Verfassungsschutzes Ihnen mitteilen? Was geheimhaltungspflichtig ist, den Quellen

(Präsident Toscani)

schutz, kann er Ihnen nicht darlegen. Deswegen ist eine solche öffentliche Anhörung mehr eine Farce, sie produziert vielmehr Frust, Unzufriedenheit und Kritik. Deswegen lehnen wir auch das ab.

Im Übrigen vergleichen Sie auch Äpfel mit Birnen. Wenn der Bundestag das macht und das Bundesamt für Verfassungsschutz dort berichtet, dann reden wir über 80 Millionen Bundesbürger. Informationen, die dort geteilt werden, können nicht direkt zugeordnet werden. Wir leben jedoch im Saarland mit 1 Million Einwohnern. Jeder kennt jeden. Es gibt kleine Gruppen von 15 bis 16 Personen, die beobachtet werden müssen. Wenn sie mitbekommen, dass eine Vertrauensperson des Verfassungsschutzes unter ihnen ist, dann ist diese Person schnell enttarnt. Deswegen wollen wir auch dort unsere Vertrauensleute schützen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Eine weitere Forderung in Ihrem Gesetzentwurf ist der parlamentarische Beauftragte für den Verfassungsschutz. Das ist ein grundsätzlich lohnenswerter Gedanke, über den wir selbstverständlich diskutieren können. Allerdings will ich ins Verhältnis setzen, was das für Dimensionen beim Bund sind und wie das hier bei uns im Saarland ist.

Der Beauftragte des Bundes ist zuständig für den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz und den Militärischen Abschirmdienst. Er hat 30 Mitarbeiter. Da kann man eine Kontrolle machen. Wenn wir als Landtag uns hier noch einen Beauftragten leisten sollten, mit wie vielen Personen soll er ausgestattet werden und was kostet das für das Saarland, für unseren Landtag? Das ist in etwa so, als würden wir unseren Fuhrpark auf Ferrari umstellen.

Wenn wir Geld in die Hand nehmen, um unseren Verfassungsschutz zu stützen, dann müssen wir mehr Personal einstellen. Derzeit haben wir 71 Beamte beim Verfassungsschutz. In den 90er-Jahren gab es mal ein unabhängiges Gutachten, welches zu dem Schluss gekommen ist, dass wir eigentlich 93 Beamte benötigen. Und da gab es noch nicht die Gefahr durch den IS und andere terroristische Gefährder.

Also müssen wir doch darüber nachdenken, wie wir den Verfassungsschutz stützen und wie wir ihn stärken - auch durch technische Hilfsmittel. Dies ist ein Punkt, den wir sicherlich auch in der Haushaltsberatung zu diskutieren haben, damit der Verfassungsschutz zumindest technisch auf dem neuesten Stand ist. Das ist unser Anliegen und nicht, dass wir uns hier im Landtag einen Ferrari, einen parlamentarischen Beauftragten mit Büro und Mitarbeitern anschaffen, um dann Informationen zu ermitteln, die wir im Verfassungsschutzausschuss selbst erfragen können. Jeder Abgeordnete hat die Möglichkeit,

über seine Vertreter im Verfassungsschutzausschuss Nachfragen zu stellen, die öffentlich zugänglich sind. Auch in Pressekonferenzen haben die Medienvertreter die Möglichkeit, Nachfragen zu stellen. Insofern sagen wir, die Kontrolle des Parlaments läuft im Verfassungsschutzausschuss ab, wir brauchen hierfür keinen extra Beauftragten.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, aus den genannten Gründen gibt es von uns nicht etwa „hü und hott“, sondern ein ganz klares Nein zu diesem Gesetzentwurf.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Als Nächster spricht der Fraktionsvorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Stefan Pauluhn.

(Sprechen.)

Entschuldigung, wir haben die Regel, dass auf einen Vertreter der Regierungsfraktionen ein Vertreter der Opposition antwortet. Deshalb erteile ich Herrn Abgeordneten Rudolf Müller von der AfD-Fraktion das Wort.

Ich weise darauf hin, dass der Fraktionsvorsitzende Herr Dörr um die Gelegenheit zur Abgabe einer persönlichen Bemerkung gebeten hat. Diese Möglichkeit besteht und wird nach Ende der Aussprache gewährt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Danke für die Erteilung des Wortes an die Opposition, nachdem ein Vertreter der Regierungsfraktionen gesprochen hat. Allerdings ist es so, dass ich in diesem Fall die Aussagen von Herrn Funk rundherum, ganz und gar unterstützen kann. Ich möchte sie vielleicht noch um Folgendes ergänzen: Es ist in diesem Antrag die Rede davon, dass der Dienstweg nicht unbedingt eingehalten werden muss. Wenn wir so etwas beschließen würden, würde das das Arbeitsklima in diesem Amt - und es ist nun einmal ein Amt - wesentlich verändern. So etwas fördert das Denunziantentum und es schwächt letzten Endes den Verfassungsschutz. Das ist ja auch gewollt, verbunden mit dem Endziel seiner Abschaffung.

Dann ist die Rede von Vertrauensleuten und Gewährspersonen. Wenn die nach der Vorstellung der LINKEN nicht mehr zum Einsatz kommen dürften, dann würde sich der Verfassungsschutz teilweise taub und blind machen. Das kann auch nicht unsere Absicht sein.

Zum Thema Öffentlichkeit, die mit verschiedenen Maßnahmen gestärkt oder informiert werden soll, möchte ich sagen, dass der Verfassungsschutz un

(Abg. Funk (CDU) )

ser Inlandsgeheimdienst ist, und der verträgt sich halt nicht mit allzu viel Öffentlichkeit.

Hier kommt natürlich ins Spiel, dass wir als Demokraten und Bürger unseres Landes auch ein gewisses Vertrauen für einen solchen Dienst aufbringen müssen, der gewisse Zuständigkeiten und Befähigungen hat. Dieses Vertrauen, glaube ich, können wir zum großen Teil aufbringen. Wir von der AfD tun das jedenfalls. Wir haben grundsätzlich Vertrauen in den Verfassungsschutz und deshalb können wir in diesem Punkt auch nicht mitgehen.

Der Verfassungsschutz schützt, wie er schon sagt, die Verfassung, die Bürger, die Freiheit und die Demokratie. Der Verfassungsschutz ist nicht zu schwächen, gerade angesichts der Entwicklungen, die wir in letzter Zeit, in den letzten Jahren sehen. Er ist nicht zu schwächen, sondern zu stärken. Die AfD lehnt aus all diesen Gründen den Antrag der LINKEN ab. - Ich danke Ihnen!

(Beifall von der AfD.)