Zu Recht hat der Zweite Bevollmächtigte der IG Metall bei einer Demo auf der Alten Brücke, bei der ich anwesend war, darauf hingewiesen, dass unsere
Rechtsordnung offensichtlich groben Missbrauch zulässt, dass nicht irgendwelche Paragrafen eingebaut sind, mit denen sich dieser Missbrauch ahnden ließe. Wir können, meine Damen und Herren, nicht länger untätig sein! Zumindest bestünde doch ein Ansatz für eine Regierung darin, im Bundesrat initiativ zu werden, um diese Rechtslücken, wenn sie denn festgestellt sind, zu schließen. Es gilt, entsprechende Anträge zu stellen. Wir können doch nicht weiter tatenlos zusehen, wie diese Entwicklung immer weiter voranschreitet!
Zudem hätte ich dazu geraten, eine spezialisierte Kanzlei zu engagieren - es gibt Kanzleien, die auf Wirtschaftsstrafrecht spezialisiert sind - und zu überprüfen, ob man nicht doch noch den Fuß in Tür bekommt, um diesen gröbsten Missbrauch wirtschaftlicher Macht zu verhindern. Es gibt im Wirtschaftsstrafrecht den Tatbestand der Untreue, den sehe ich hier erfüllt. Er ist, ehe hier nun jemand eine Vorlesung über den Tatbestand der Untreue hält, in einem anderen Kontext erfüllt. Dass hier aber Vermögen veruntreut wird, das wird auch niemand mehr bestreiten. Und dass hier ein Treuebruch vorliegt, dass Vermögensdelikte vorliegen - ich glaube, ohne nun eine juristische Vorlesung zu halten, vom Inhaltlichen her ist das alles nicht mehr zu bestreiten.
Deshalb meinen wir, dass diese Prevent-Gruppe „Prevent“ ist ja ein englisches Wort -, diese „Verhinderungsgruppe“ und „Unterdrückungsgruppe“, um das mal zu übersetzen, nicht geeignet ist, die Eigentümerfunktion in diesem Unternehmen noch länger auszuüben. Es ist dringend geboten, jetzt irgendetwas zu unternehmen, meine Damen und Herren!
Nun folgt natürlich die große Eigentumsdebatte, die Debatte um die Sozialpflichtigkeit des Eigentums. Diesbezüglich hat eben die Veränderung des Bewusstseins in den letzten Jahrzehnten zu großen Veränderungen auch im Urteil geführt.
Ich weise darauf hin, dass die große Mehrheit der politischen Parteien rechts von den Freiburger Thesen der damaligen FDP steht. Ich kann nur jedem empfehlen, diese Thesen mal nachzulesen. Sie sind leicht nachzulesen, sie sind auch mit jedem iPhone abrufbar; ich habe das heute Morgen gerade gemacht. In diesen Thesen steht, das große Problem unserer Wirtschaftsordnung sei, dass der Zuwachs des Produktivvermögens einseitig und ausschließlich demjenigen zufalle, der das Unternehmen irgendwann einmal gegründet oder aufgebaut habe. Denken Sie mal darüber nach, ehe Sie meinen, Sie könnten dazu einfach so mit den Schultern zucken. Diesen Zustand hat die damalige FDP als sozial ungerecht angesehen und als Gefährdung unserer Demokratie. Das heißt, die daraus resultierende, immer
weiter voranschreitende Vermögenskonzentration war nach Meinung der damaligen FDP nicht zulässig, wenn man die demokratische Ordnung aufrechterhalten wolle. Ich weise darauf hin, wohlwissend, dass die große Mehrheit in diesem Hause diese Gedanken in dieser Form nicht mittragen würde.
Das hatte damals aber sogar Auswirkungen, meine Damen und Herren! Damals gab es einen Unternehmer namens Rudolf Augstein, der für die Freie Demokratische Partei im Bundestag saß. Und nun stellen Sie sich vor, was er gemacht hat: Er nahm solche Texte ernst! Unser Problem in der heutigen Gesellschaft, der Zerfall des Parteiensystems, resultiert daraus, dass solche Texte, wie ich einen eben angesprochen habe, nicht mehr ernst genommen werden. Die Bürgerinnen und Bürger haben den Eindruck, das steht zwar alles irgendwo geschrieben, eine Bedeutung hat es aber ohnehin nicht. Rudolf Augstein aber nahm den Text ernst und hat die Hälfte seines Unternehmens der Belegschaft gegeben, weil er wusste, dass er das Unternehmen in dieser Form allein gar nicht hätte aufbauen können, diese Vermögenswerte ohne die Belegschaft gar nicht hätte aufbauen können.
Stellen Sie sich einmal vor, solche Einsicht würde in unserer Gesellschaft Platz greifen - welche Veränderung könnten wir in unserer Gesellschaft erleben, welche Veränderungen der Machtstrukturen und welchen Fortschritt in der Demokratie in unserer Gesellschaft!
Daher meinen wir, dass das Eigentum nach wie vor sozialpflichtig ist und dass es daher notwendig ist, Konsequenzen entsprechend den Bestimmungen unserer Verfassung und entsprechend den Bestimmungen des Grundgesetzes zu ziehen.
In diesem Zusammenhang, meine sehr geehrten Damen und Herren, taucht dann ein Argument auf, das wirklich ärgerlich ist. Das ärgerliche Argument ist der Dummspruch, den ich von der Universität gehört habe: Der Staat sei ein schlechter Unternehmer. - So ein dummes Zeug! Warum ist das dummes Zeug? Kennt man die Wirtschaft im Saarland und das sollte man bei einem Professor unterstellen dürfen -, muss man auch darum wissen, dass die Stahlindustrie nicht mehr in dieser Form existieren würde, wenn wir diesen Dummspruch ernst genommen hätten.
Zumindest müsste man aber auch wissen, dass hierzulande gerade ein Staat tätig ist, um Weiterverarbeitungsbetriebe zu retten, und zwar der chinesische Staat. Denken Sie mal darüber nach, was es eigentlich heißt, dass der chinesische Staat Weiterverarbeitungsbetriebe an der Saar rettet, wir aber
aus ideologischer Befangenheit meinen, solche Schritte nicht gehen zu können! Der chinesische Staat rettet mittelbar über Staatsunternehmen die Schraubenwerke in Beckingen und Saar-Gummi in Büschfeld. Das sollte zumindest Professoren und andere davon abhalten zu sagen, der Staat sei ein schlechter Unternehmer. Hätte der chinesische Staat hier nicht eingegriffen und hätte er nicht das Interesse an unserer Technologie, hätte er nicht eine Langfristplanung, so wären bei diesen Unternehmen wieder Finanzhaie am Werk - oder wären jetzt auch vielleicht schon nicht mehr tätig und würden das an den nächsten Finanzhai verkloppen.
Meine Damen und Herren, wie wichtig es war, dass wir die Finanzhaie nicht an die Stahlindustrie herangelassen haben, können Sie jetzt bei ThyssenKrupp sehen. Thyssen-Krupp saß bei mir und hat gesagt, wir wollen den Laden übernehmen. Zusammen, Thyssen und Krupp! Und was wäre heute, wenn sie den Laden übernommen hätten, dies angesichts der Finanzinvestoren, die jetzt das Unternehmen zerschlagen und es teilweise mit der indischen Firma Tata fusionieren? Was wäre dann? Haben wir immer noch nicht erkannt - und ich beziehe mich bewusst noch einmal auf den Zweiten Bevollmächtigten der IG Metall -, dass unsere heutige Wirtschaftsordnung nicht mehr vergleichbar ist mit der Wirtschaftsordnung vor Jahrzehnten? Haben wir nicht erkannt, dass sich unsere Wirtschaftsordnung in eine Richtung entwickelt hat, bei der sie noch viel dringender die regulierende Hand des Staates braucht? Denn Finanzhaie gehören eben nicht zur sozialen Marktwirtschaft. Sie haben doch überhaupt kein Verhältnis zu einer sozialen Marktwirtschaft!
Was durch sie geschieht, was täglich geschieht, das ist kriminell und greift in die Lebensentwürfe und in die Existenzen von vielen Menschen ein.
Wenn nun, meine Damen und Herren, hier die Sorge besteht, Enteignungsgesetze seien unzulässig, möchte ich doch darauf verweisen, dass es noch gar nicht so lange her ist, dass der Deutsche Bundestag ein Enteignungsgesetz beschlossen hat. Damals ging es um die Banken. Die Frage ist aber doch: Sind 1.500 Arbeitsplätze bei Halberg Guss nicht genauso schützenswert wie der Finanzsektor, der zugegebenermaßen funktionieren muss? Sind sie nicht regional von ähnlichem Gewicht wie eine lächerliche Bank wie die IKB? Ich will das jetzt gar nicht weiter vertiefen, aber das sind doch Fragen, die wir zu beantworten haben!
Deshalb, meine Damen und Herren, sage ich: Eine Enteignung ist gar nicht so ein außergewöhnliches Instrument. - Und ich will Ihnen eine weitere Hilfestellung geben: Wenn in einem Dorf mit 1.500 Ein
wohnern eine Leitung, die für Ver- oder Entsorgung notwendig ist, verlegt werden muss, dann ist - daran haben wir uns beim Gesetzentwurf orientiert, in Baden-Württemberg - Enteignung selbstverständlich möglich. Muss eine Straße geführt werden, um beispielsweise das Dorf besser anzubinden, so ist die Grundstücksenteignung selbstverständlich. Müssen wir nun nicht auch einmal die Frage beantworten, ob der Staat nicht auch verpflichtet ist einzugreifen, wenn 1.500 Arbeitsplätze - das sind mindestens 3.000 Betroffene, wenn nicht sogar mehr - vernichtet werden? Ist der Staat nicht auch dann zum Eingreifen verpflichtet, um das Gemeinwohl durchzusetzen? Dass dem so ist, dass hier eine Verpflichtung bestünde, das ist jedenfalls unsere Überzeugung, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Ich habe vorhin auf die Entscheidung des SpiegelEigners Augstein verwiesen, der eben gesagt hat: Ich sehe ein, dass ich das Vermögen gar nicht selbst geschaffen habe, und deshalb gebe ich es zur Hälfte meiner Belegschaft. - Ich werbe hier seit Jahren für das Belegschaftsunternehmen. Nun stelle man sich einmal vor, was geschehen wäre, wenn im Laufe der Entwicklung von Halberg Guss ein Eigner eine ähnliche Entscheidung getroffen hätte, wie sie beispielsweise Rudolf Augstein damals getroffen hat! Das alles, was wir hier in der letzten Zeit erleben mussten, wäre nicht passiert. Sollten wir also nicht einmal darüber nachdenken, dass es sinnvoll sein könnte, sich in der Landespolitik zu überlegen, wie man Schritte hin zu einem Belegschaftsunternehmen gehen könnte? Ich würde auf jeden Fall dafür plädieren, dass man, wenn man sich - ich weiß ja, dass Sie das nicht tun werden - zu einer solchen Maßnahme entschließt, dies mit der Perspektive beschließt, die Belegschaft mit in die Verantwortung zu nehmen. Ich bin der tiefen Überzeugung, wir werden so lange keine wirklich demokratische Gesellschaft haben - ich zitiere den Christdemokraten Karl Arnold, ich habe es schon einmal gesagt, er war Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen -, wie wir nur Demokratie in der Politik haben, aber Diktatur oder autoritäre Zustände in der Wirtschaft. Das ist meine Überzeugung, und für diese Überzeugung stehe ich hier.
Da ich davon ausgehe, dass es eine intensive Debatte geben wird, mache ich hier mal einen Schnitt, ich muss ja noch Gelegenheit haben, etwas auf Ihre Argumente zu erwidern. Auf jeden Fall, meine sehr geehrten Damen und Herren, machen wir das hier nicht nur einfach so, weil wir denken: „Lasst die mal abstimmen“. Im Übrigen beantragen wir selbstverständlich namentliche Abstimmung, damit an diesem historischen Tag gezeigt wird, wie der Erkenntnisund Bewusstseinsstand im saarländischen Landtag
ist. Wir machen das, weil wir überzeugt sind, dass unsere Wirtschafts- und Sozialordnung einer Revision unterzogen werden muss und dass kriminelle Handlungen von Eigentümern im Sinne unseres Grundgesetzes unterbunden werden müssen!
Ich eröffne die Aussprache. - Als Erster hat das Wort für die CDU-Landtagsfraktion der Abgeordnete Marc Speicher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor allem aber heute Morgen: Liebe Mitarbeiter der Halberg Guss! Liebe Kollegen des Betriebsrates! Das, was wir in den letzten Tagen, Wochen und Monaten erlebt haben, hätte eigentlich niemand für möglich gehalten. Wir alle waren gewarnt, die Warnlampen leuchteten rot, als wir gehört haben, dass ein erneuter Eigentümerwechsel stattfindet, nämlich von dem vorherigen Eigentümer, der Süddeutschen Beteiligung, hin zu Prevent. Wir alle wissen um das Geschäftsgebaren dieser Firma. Trotzdem hat uns alle die Dynamik, auch gerade der letzten Tage, noch einmal überrascht.
Es spannt uns alle ein. Wir als Parlament sind seit Anfang des Jahres in Gesprächen, diskutieren hier im Parlament, in den Ausschüssen, wir sind bei Kundgebungen dabei, sammeln Unterschriften in der Bahnhofstraße oder demonstrieren mit für den Fortbestand des Betriebes. Es befasst aber auch die Landesregierung, namentlich Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger und Staatssekretär Jürgen Barke. Sie stehen vielleicht wenig in der Öffentlichkeit, aber umso wichtiger sind sie hinter den Kulissen beim Vermitteln und beim Verhandeln zwischen den Partnern. Es befasst auch die Gewerkschaften, Hans Peter Kurtz ist hier, aber auch weit über den Bezirk Saarbrücken und auch über die Grenzen des Landes hinaus ist die IG-Metall hier aktiv, sie hilft nach Kräften beim Organisieren, beim Beraten und beim Klären der wichtigen und komplizierten arbeitsrechtlichen Fragen.
Vor allem aber, meine Damen und Herren, sind der Betriebsrat und die Mitarbeiter der Neuen Halberg Guss damit befasst, für die es platt gesagt um viel geht, es geht für sie um alles. Sie fürchten um ihre Existenz, um Lohn und Brot, das belastet am allermeisten. Deswegen gilt es, den Betriebsrat besonders hervorzuheben. Sie sind Vermittlungspartner zwischen der Geschäftsführung und den Mitarbeitern. Auf Sie sind die Erwartungen von 1.200 bis 1.300 Mitarbeitern gerichtet, aber gleichzeitig stehen Sie zwischen allen Fronten, wenn man so will. Sie haben auch die Pflicht, Entscheidungen zu treffen.
Deshalb ist es mir ein Herzensanliegen, den Mitarbeitern, aber auch dem Betriebsrat zu danken, Ihnen Kraft und Ausdauer zu wünschen. Es geht um vieles. Liebe Halberger, der Landtag des Saarlandes steht hinter euch, haltet durch und kämpft weiter! Wir stehen an eurer Seite!
Ich glaube, dass es richtig ist, dass die Entwicklung der Neuen Halberg Guss in der Wirtschaftsgeschichte des Saarlandes beispiellos ist. Seit Jahren geben die Beschäftigten alles, sie verzichten auf Geld, damit die Neue Halberg Guss weiterlebt. Ob das auch auf den neuen Eigentümer Prevent zutrifft, ob das auf die bosnische Eigentümerfamilie Hastor zutrifft, dahinter hätte ich bis vor einigen Monaten ein dickes Fragezeichen gemacht. Heute ist klar: Die Neue Halberg Guss ist im Streit zweier Großkonzerne zwischen die Fronten geraten, die bosnische HastorFamilie betreibt hier ein nicht zu tolerierendes Spiel mit Arbeitsplätzen, aber auch mit einem saarländischen Traditionsunternehmen.
Man erwartet von uns als Politik mit Recht Antworten auf all diese Fragen. Der Gesetzentwurf der LINKE-Landtagsfraktion versucht aber, auf die Fragen von heute die Antworten von gestern zu geben. Ich will Ihnen gar nicht absprechen, dass ein ernsthaftes Anliegen dahinter steht; ich meine aber auch, dass das, was heute als Gesetzentwurf auf den Tisch gelegt worden ist, alter Wein in neuen Schläuchen ist. Was Verstaatlichung zu Ende gedacht heißt, haben wir von Ihrer eigenen Partei über vier Jahrzehnte erleben dürfen.
Ihre Partei hat in Mittel- und Ostdeutschland Verstaatlichungen durchgeführt. Es war die gleiche Partei, nur ein anderer Name. Das können Sie als „Quatsch“ bezeichnen, aber das, was Sie uns heute vorlegen, ist eine Scheinlösung und eben keine Alternative für eine Zukunft der Neuen Halberg Guss.
Sie wollen - und das sagen Sie ja ganz offen - eine andere Wirtschaftsordnung. Wir aber als CDU, und ich glaube auch die SPD, werden die bestehende Wirtschaftsordnung verteidigen. Wir stehen zur sozialen Marktwirtschaft und werden sie auch verteidigen.
Die soziale Marktwirtschaft ist Grundlage unseres Wohlstandes, die soziale Marktwirtschaft ist das Erfolgsmodell unseres Vaterlandes. Unser Land lag in Trümmern und wir haben es geschafft, aus Deutschland wieder ein blühendes Land zu machen, eben durch die Mittel der sozialen Marktwirtschaft.
Klar ist: Vieles kann man besser machen und nicht alles ist gut, das will niemand in Abrede stellen. Wir alle erleben, dass es Auswüchse der Marktwirtschaft gibt. Aber es geht darum, darauf neue Antworten zu geben.