Protokoll der Sitzung vom 14.11.2018

essiert sich für ein politisches Amt. Normal? Gibt es nicht immer noch Vorurteile? Sprüche wie „Oh je, hoffentlich kann die das mit Kind!“ oder „Weißt du eigentlich, was du dir da antust?“ oder - auch sehr schön - „Wird dir dann auch noch Mittagessen gekocht?“ Weit hergeholt? Nein. Mir selbst ist das passiert. Natürlich ist es nicht einfach, aber Hand aufs Herz: Können wir Frauen das nicht mindestens genauso gut wie unsere männlichen Kollegen? Ich glaube es nicht nur, ich weiß es mittlerweile. Ja, das können wir. Ich ermuntere alle Frauen, den Schritt in die Politik zu machen und sich für ihren Ort, ihre Stadt, ihr Land und die Belange der Menschen einzusetzen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich bin der Meinung, dass es sehr wichtig ist, dass sowohl Frauen als auch Männer in unseren Parlamenten vertreten sind und die jeweiligen Themen spezifisch aus ihrer Sichtweise darstellen. Repräsentative Demokratie heißt nicht, dass die Herren entscheiden, was Frauen wichtig ist. Das heißt, dass Männer und Frauen gleichberechtigt Politik für die Menschen unseres Landes machen.

Ja, wir haben schon viel erreicht. Die Sozialdemokratie hat auf dem Weg zur Gleichberechtigung der Geschlechter immer vorne und gegen massive Widerstände gekämpft. Deshalb ist das Jahr 2018 für uns Sozialdemokratinnen 100 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts ein besonderes Jahr. Am 30. November 1918 trat in Deutschland das Reichswahlgesetz mit dem Frauenwahlrecht in Kraft. Mit der Einführung des aktiven und passiven Frauenwahlrechts wurde die Grundlage für die politische Gleichberechtigung von Männern und Frauen geschaffen. Im Jahr 1919 konnten Frauen das erste Mal in der Geschichte wählen und gewählt werden. Ein immenser Kraftaufwand und eine entsprechende Ausdauer waren jahrzehntelang notwendig, um dieses Recht einzuführen.

Doch das Wahlrecht alleine war kein scharfes Schwert auf dem Weg zur Gleichberechtigung. Auf das Beharren der Mutter des Grundgesetzes, Dr. Elisabeth Selbert, wurde 1949 in Art. 3 Abs. 2 GG die Gleichberechtigung von Mann und Frau auch verfassungsrechtlich verankert. Wir verdanken dem Kampf der Sozialdemokratin Dr. Elisabeth Selbert, dass im Grundgesetz die Gleichberechtigung festgeschrieben wurde. Wenn man bedenkt, wie viel Spott, Hohn und Diskriminierung Dr. Elisabeth Selbert erfahren musste und wie wenig sie sich dadurch von ihrem Ziel hat abhalten lassen, dann wird uns klar, welche schwere Bürde wir als Sozialdemokratinnen tragen und welchen hohen Maßstab wir an unser eigenes Handeln legen müssen, wenn es um die Frage der Gleichberechtigung geht. Machen wir uns nichts vor: Der Kampf geht weiter.

(Abg. Spaniol (DIE LINKE) )

Ich nenne nur einige Beispiele, wie schwer sich die Politik immer noch tut, Frauen gleichermaßen zu repräsentieren. Barbara Spaniol hat es eben schon gesagt. Im aktuellen Bundestag sitzen immer noch doppelt so viele Männer wie Frauen. Im saarländischen Landtag beträgt die Anzahl der Frauen nur 35 Prozent. In den Kommunen ist die Lage am dramatischsten. Es gibt im Saarland 48 Bürgermeister, aber nur 4 Bürgermeisterinnen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist und bleibt ein eklatantes Repräsentationsdefizit, das einer Demokratie wie der unseren unwürdig ist. Ja, der Frauenanteil ist bei der SPD, den GRÜNEN und der Linkspartei höher, aber es nützt doch nichts, Schuldige zu suchen. Wir alle müssen uns verändern. Die Präsenz von einigen Frauen in der Spitzenpolitik sollte keinen falschen Eindruck erwecken. Politik ist immer noch eine höchst männliche Domaine. Lassen Sie uns gemeinsam die Politik so verändern, dass sich endlich mehr Frauen engagieren können, beispielsweise familienfreundliche Sitzungszeiten einführen und nicht Sprüche zu diesem Thema loslassen wie „Ja, gut und schön, aber die wichtigen Themen werden nach der Sitzung an der Theke besprochen“. Andere Beispiele sind der Umgang mit Frauen in der Parteigliederung, Verantwortung teilen, Themensetting anpassen, Frauenförderung als Prozess begreifen, nicht als etwas, das man mal bei einer Frau macht und dann ist es wieder gut.

Ich bin überzeugt, dass sich nicht die Frauen verändern müssen, sondern die Politik muss sich verändern.

(Beifall von den Regierungsfraktionen und bei der LINKEN.)

Weil das Sein das Bewusstsein bestimmt, ist es auch die Arbeitswelt, die sich verändern muss. Noch immer verdienen Frauen im Schnitt 21 Prozent weniger als Männer. Darauf entgegnen manche Herren, Frauen würden überwiegend in den sozialen, schlecht bezahlten Berufen arbeiten. Das ist richtig, aber ist das denn gerecht? Wir haben in diesem Hohen Hause in den vergangenen Monaten viele gute Debatten über die Arbeitsbedingungen in der Pflege geführt. Wir wissen, dass über 80 Prozent der Beschäftigten in der Pflege weiblich sind. Das sind Frauen, die anderen Menschen helfen und denen man schon mal sagt, sie hätten etwas anderes lernen sollen, wenn das Geld nicht reicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frauen suchen sich nicht die falschen Berufe aus. Weibliche Berufe werden oft immer noch nicht gerecht vergütet. Die Aufwertung der sozialen Berufe ist daher auch ein Kernanliegen von mir als Abgeordnete. Ich bin mir sicher, dass sie auch einen entscheidenden Beitrag zur Schließung der Lohnlücke leisten kann und damit zu mehr Gleichberechtigung.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Aber Gleichberechtigung hat auch etwas damit zu tun, ob der Staat genug Sorge dafür trägt, Familien zu entlasten, etwa durch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wenn Frauen arbeiten gehen wollen, brauchen sie gute Betreuung. Wir machen im Bund mit dem Gute-Kita-Gesetz einen wichtigen Schritt nach vorne, um die Betreuungsqualität zu verbessern. Aber die beste Qualität nützt nichts, wenn die hohen Kita-Gebühren das Gehalt auffressen. Das hat die SPD erkannt. Das war im Landtagswahlkampf unser Kernthema, und wir werden Wort halten. Wir werden Eltern entlasten, damit mehr Geld für die Familie bleibt. Beginnend ab dem nächsten Kita-Jahr bis zum Ende der Legislatur 2022 werden die Kita-Gebühren halbiert. Das ist Politik, die bei den Menschen ankommt. Erlauben Sie mir den Hinweis: Das zeigt, dass es in Deutschland auch Große Koalitionen gibt, die funktionieren.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Aber auch im öffentlichen Dienst muss mit gutem Beispiel vorangegangen werden. Stichwort Landesgleichstellungsgesetz: Entgelt-Check in Unternehmen mit Landesbeteiligung. Das Thema Rente: Der Frauenerwerbsanteil ist im Saarland bundesweit am geringsten, das schlägt auch auf den Rentenanspruch. Gleichberechtigung: Chancengleichheit beschäftigt uns auch in der heutigen Zeit und ist ein wichtiges Thema. Das Thema Elternzeit, Führungspositionen in Unternehmen oder auch das Thema Lohngleichheit müssen weiter vorangetrieben werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, 100 Jahre Frauenwahlrecht - das ist ein Grund zum Feiern. Aber 100 Jahre haben nicht ausgereicht, um Ungleichheiten zu beseitigen, Ungleichheiten in der Familie, Ungleichheiten im Arbeitsleben und auch Ungleichheiten in der Politik. Lassen Sie uns dafür kämpfen, dass es nicht noch weitere 100 Jahre dauert, bis der Satz in Artikel 3 GG endlich Wirklichkeit wird: Männer und Frauen sind gleichberechtigt.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Für die AfD-Landtagsfraktion rufe ich den Fraktionsvorsitzenden Josef Dörr auf.

Herr Präsident! Liebe Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie man unschwer sehen kann, bin ich ein Mann, und Männer - auch andere - wachsen unter Frauen auf, mit Großmüttern, Müttern, Schwestern, später Ehefrauen, Töchtern. Jeder, der mit

(Abg. Holzner (SPD) )

klarem Verstand um sich schaut, sieht schon, dass selbstverständlich Frauen den Männern ebenbürtig sind, dass sie gleichberechtigt sein müssen, auch im öffentlichen Leben. Da gibt es überhaupt keinen Zweifel.

(Sprechen.)

Wenn man heute liest, dass vor 100 Jahren die Frauen zum ersten Mal wählen durften, so ist das eigentlich undenkbar. Aber es war ja nicht nur das Wahlrecht! Frauen waren auch nicht geschäftsfähig. Sie konnten keine Geschäfte abwickeln, sie mussten ihre Männer fragen, die mussten unterschreiben. Später waren sie teilweise geschäftsfähig. Sie durften auch nicht jeden Beruf ergreifen. Zum Teil war es gesetzlich verboten, zum Teil war es einfach ein automatisches Gebot der Gewohnheit. Piloten zum Beispiel - eine Frau konnte keine Pilotin werden.

Das ging so weit, dass es auch eine gewisse Kleiderordnung gab. Das habe ich selbst noch erlebt. Noch nach dem Krieg wäre keine Frau auf die Idee gekommen, eine Hose anzuziehen, obwohl das ein praktisches Kleidungsstück ist. Heute ist das gang und gäbe. Die Frau kann es sich aussuchen, sie kann einen Rock anziehen, sie kann eine Hose anziehen. Das war damals nicht so.

(Anhaltendes Sprechen.)

Die Sprache war rein männlich. Ein Amtmann oder ein Kaufmann, das war jedem geläufig, aber „Kauffrau“, das ist einem nicht über die Lippen gekommen. Die Sache hat sich also gewaltig zum Positiven entwickelt, das kann man ruhig so sagen.

Allerdings - das ist von meinen Vorrednerinnen schon gesagt worden - gibt es noch einiges zu tun, und das sollten wir gemeinsam auch angehen. Wir sollten gemeinsam darauf hinwirken, dass die Lücken, die bei der völligen Gleichberechtigung noch bestehen, tatsächlich aufgefüllt werden. Deshalb werden wir als AfD-Fraktion diesem Antrag zustimmen.

(Beifall von der AfD.)

Als nächsten Redner rufe ich für die AfD-Landtagsfraktion Herrn Abgeordneten Rudolf Müller auf.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem jetzt alles Richtige, Wichtige und Ernsthafte gesagt wurde, dem wir selbstverständlich zustimmen, habe ich Ihnen noch ein kleines Gedicht mitgebracht von einem Macho; er ist schon länger tot. Das Gedicht ist ziemlich genau 100 Jahre alt. Ihm ist bei der Thematik seinerzeit etwas aufgefallen, das hier zum Ausdruck kommt:

Wie reizend sind die Frauen! Nur sie sind unser Glück. Sie sind - das weiß ein jedermann des Herrgotts Meisterstück. Nur eines macht mich stutzig: Gott schuf für uns die Frau, er selbst jedoch nahm keine sich, dazu war er zu - - äh - Schau mal an, er hielt die Frau sich ferne, denn er wußt‘, die Frauen herrschen gerne. Hätt‘ er ‘ne Frau genommen, da konnt‘ es ihm passier‘n, da wär‘ er nicht der Herrgott mehr, dann würde sie regier‘n.

Otto Reutter.

(Beifall von der AfD.)

Ich rufe auf die Ministerin für Soziales, Gesundheit, F r a u e n -

(Heiterkeit und Zurufe)

- - Frauen und Familie.

Herr Präsident! - Ich hätte in der Tat eine Auszeit gebraucht. - Meine Herren!

(Große Heiterkeit.)

Meine lieben Damen! Ich freue mich sehr, dass wir heute über das Frauenwahlrecht sprechen. Wir haben in den letzten Tagen gefeiert und ich hatte an der einen oder anderen Stelle - bei manchen Veranstaltungen hier im Land, aber auch auf Bundesebene - das Gefühl, manch einer denkt: Komm, das geht vorbei. Debattieren wir noch einmal drüber, dann haben wir noch mal 100 Jahre Ruhe, dann ist es wieder gut.

Nein, das ist nicht so, und ich will auch begründen, warum. Dieses Wahlrecht ist nicht vom Himmel gefallen. Vor 100 Jahren waren es ganz engagierte Frauen, die das aktive und passive Wahlrecht erkämpft haben und sich gegen viele Vorurteile haben durchsetzen müssen. Die Geburtsstunde - wir haben es schon gehört - war 1918. Am 19. Januar 1919 war der erste Reichskonvent. Da konnten Frauen nicht nur gewählt werden und sich zur Wahl stellen, vielmehr gingen auch 82 Prozent der wahlberechtigten Frauen zur Wahl. Kandidiert hatten damals 300, von denen sind 37 gewählt worden.

Bei uns, im damaligen Saargebiet, hatten wir eine Sonderstellung. Uns wurde erst im Versailler Vertrag im März 1922 die Möglichkeit gegeben, einen Landesrat einzurichten, der ausschließlich beratende Funktion hatte. Ihm gehörten 30 Mitglieder an. Drei

(Abg. Dörr (AfD) )

mal dürfen Sie raten, wie viel Frauen dabei waren eine. Damals Elisabeth Hallauer.

Dem Landtag dieses Saarlandes gehörten in der ersten Wahlperiode - das war 1947 bis 1952 - insgesamt 50 Abgeordnete an, darunter vier Frauen; das waren 8 Prozent. Wenn wir uns den Frauenanteil der laufenden Legislaturperiode anschauen, liegen wir, die Kollegin hat es schon gesagt, bei etwa 35 Prozent. Wir stellen fest, dass wir trotz aller Bemühungen und trotz aller Kämpfe für die Frauenrechte es sowohl auf Bundesebene als auch in den Länderparlamenten nicht über 40 Prozent geschafft haben. Das können wir nicht wegdiskutieren und nicht weglachen, auch nicht mit dummen Sprüchen oder mit Gedichten.

Diese Entwicklung müssen wir nach meiner Auffassung auch im Zusammenhang mit krisenhaften Entwicklungen in unseren westlichen Demokratien betrachten. Eine davon ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Erstarken von rechten Parteien, das Erstarken von rechten Parteien und Bewegungen in Europa und den USA. Nicht zuletzt ist vieles von dem, was wir in puncto Gleichstellung mittlerweile für selbstverständlich gehalten haben, in den letzten Jahren von rechtspopulistischen Kräften infrage gestellt worden. Rechte Parteien fordern nämlich nicht nur - dankenswerterweise -, dass Frauen auch mit einer Hose am Rednerpult stehen können, sondern auch die Rückkehr zu traditionellen Geschlechterrollen. Viele Rechte, nicht im Saarland, aber andernorts, diffamieren teilweise Frauen- und Gleichstellungspolitik öffentlich als „Genderwahn".

Auch das müssen wir, bei allem Feiern, bei dem wir es uns gutgehen lassen, ansprechen. Wir müssen uns diesen Entwicklungen entgegenstellen, und zwar nicht nur wir Frauen, sondern alle, die in unserem Land politische Verantwortung tragen. Deshalb bin ich froh, dass wohl heute das ganze Parlament diesem Antrag zustimmen wird.

Louise Otto-Peters hat dazu bereits 1843 festgestellt: „Die Stellung der Frau im Staate ist ein Barometer für die Freiheit einer Gesellschaft." Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir als Indikator für den Grad der Gleichstellung in unserer Gesellschaft die Repräsentanz von Frauen nicht nur in politischen Führungs- und Entscheidungsprozessen, sondern auch in den Verwaltungen, in der Wirtschaft sowie in Forschung und Lehre heranziehen, dann sieht es im Hier und Jetzt zum Teil noch sehr unerfreulich aus. So liegt zum Beispiel der Frauenteil in den Vorständen der 105 börsennotierten und voll mitbestimmten Unternehmen derzeit immer noch im einstelligen Bereich, bei nur 7 Prozent. Das ist zu wenig.

Auch ist es immer noch ein Fakt, dass in unserer Gesellschaft Kinder von alleinerziehenden Müttern das höchste Armutsrisiko haben. Dies nachhaltig zu

verändern bleibt unsere Daueraufgabe. Wir haben heute Morgen, als der Ministerpräsident die Regierungserklärung abgegeben hatte, auch darüber gesprochen. Frau Rehlinger hat als Wirtschaftsministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin deutlich gemacht, dass wir Frauen in Arbeit bringen müssen. Warum und weshalb, darauf werde ich noch zurückkommen.