Protokoll der Sitzung vom 26.08.2020

In der Praxis gibt es tatsächlich das Problem, dass es immer schwieriger wird, ehrenamtliche Mandatsträger für die Mitarbeit in Ortsräten, Stadt- und Gemeinderäten zu finden. Es ist kein spezifisches Problem, das es nur im kommunalen Ehrenamt gibt. Es ist eine Problematik, die sich im gesamten Ehrenamt stellt. Deswegen ist es richtig - wie es der Vorschlag jetzt vorsieht -, dass wir den Kommunen flexibel aufgrund der individuellen Gegebenheiten vor Ort durch Satzungsrecht ermöglichen, die Größenklassen im Gemeinderat und in den Ortsräten anzupassen. Richtig ist auch, dass eine Untergrenze eingezogen wird. Auch bei den kleinsten Gemeinden muss die Mindestanzahl der Gemeinderatsmitglieder bei 21 und der Ortsräte bei 5 liegen.

Ich komme zu dem letzten der in meinen Augen wesentlichen Punkte. Es geht um die Übertragung und Aufzeichnung öffentlicher Gemeinderatssitzungen. Eben sind der Umgang mit Medien und die transparente Berichterstattung angesprochen worden. Hier soll die Möglichkeit der Übertragung und Aufzeichnung von Ratssitzungen und von Ausschusssitzungen - sofern sie abschließend entscheiden - durch die Änderung der Geschäftsordnung geschaffen werden. Ich glaube, auch das schafft Rechtsklarheit in einer ganz wichtigen Fragestellung. Zuletzt gab es die eine oder andere Diskussion im Landkreis Saarlouis. Künftig wird es möglich sein, dass Ratssitzun

(Abg. Schäfer (CDU) )

gen gestreamt werden und Debatten für die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar sind.

Ein weiterer wichtiger Aspekt in dieser Frage ist, dass die Persönlichkeitsrechte des einzelnen Mandatsträgers gewahrt bleiben. Das ist der entscheidende Unterschied zwischen uns als hauptberuflichen Politikern und den Ehrenamtlern. Sie muss man in besonderer Weise schützen. Das Persönlichkeitsrecht wird dahingehend ausgestaltet, dass der Einzelne es untersagen kann, dass sein Redebeitrag veröffentlicht wird. Ich halte das für einen wirklich wichtigen Punkt. Hier wird dem Anspruch auf Transparenz, Information der Öffentlichkeit und dem Minderheitenschutz eines Ehrenamtlers Rechnung getragen. Das ist eine gute Lösung.

Ich freue mich auf die weitere Diskussion im Innenausschuss. Ich denke, im Fachausschuss müssen wir uns noch mit einer Vielzahl an Detailregelungen auseinandersetzen, die der Gesetzentwurf beinhaltet. Darauf freue ich mich genauso wie auf die Diskussion. - Vielen Dank.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank. - Als nächster Redner ist der Fraktionsvorsitzende Josef Dörr von der AfD vorgesehen.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Saarländerinnen und Saarländer! Es ist ein umfangreiches Gesetz vom Innenminister eingebracht worden. Dort stehen sehr viele nützliche Dinge drin. Aus diesem Grund wird die AfD-Fraktion dafür stimmen, dass dieses Gesetz im Ausschuss ausgiebig beraten wird.

Es sind einige Dinge vom Innenminister und meinen Vorrednern angeführt worden. Ich möchte auf zwei Dinge eingehen, bei denen die Opposition, insbesondere die kleine Opposition, unserer Ansicht nach ein bisschen dazwischengeholt wird. Das eine ist die Möglichkeit für Gemeinderäte, die Anzahl ihrer Sitze zu verringern. Wir haben das schon bei den Ortsräten. Eben ist das Beispiel angeführt worden, dass man bis auf fünf heruntergehen kann. Das heißt, eine Partei muss 20 Prozent der Stimmenanteile haben, um überhaupt in den Ortsrat hineinzukommen. Das ist für manche Parteien etwas schwierig. Selbst wenn es neun sind, also eine Zahl unter zehn, muss man über 10 Prozent haben. Ich war bei den letzten Kommunalwahlen 2014 und 2019 vor Ort viel unterwegs und habe sehr viel gesehen. Es gibt Gemeinden, die es sehr redlich und ordentlich machen. Es gibt aber auch andere, die versuchen, die Opposition kleinzuhalten. Da wird dann gesagt, wir sparen Geld, wir setzen anstatt elf nur neun Leute in den Ortsrat. Dann sparen wir im Jahr vielleicht 5.000

Euro ein. Das sind Vorwände. Ich habe Angst, dass man das auch bei den Gemeinderäten versucht. Das wird man im Ausschuss beraten können.

Der zweite Punkt ist, dass man gleiche Anträge nur alle drei Monate stellen kann. Das ist auch wieder etwas, was die Opposition betrifft. Die Regierungsfraktionen stellen ihre Anträge und haben ihre Mehrheit gleich dabei. Dann wird also dieser Antrag auch angenommen und sie brauchen ihn nicht noch einmal zu stellen. Bei der Opposition sieht das anders aus. Es gibt Gemeinden, die auf die Opposition eingehen und sich vorher mit der Opposition beraten. Sie übernehmen auch mal Anträge. Es gibt natürlich auch einige Gebietskörperschaften, die radikal sind so wie dieses Hohe Haus hier auch.

(Sprechen.)

Die Opposition wird sofort abgebügelt. Insofern muss man etwas vorsichtig sein. Man muss immer davon ausgehen, dass die Leute sich Gedanken gemacht haben. Wenn man den Antrag heute für richtig hält, kann er in vier Wochen nicht falsch sein. Die regierenden Fraktionen haben immer das Recht, überhaupt nicht zu antworten und den Antrag sofort abzubügeln. Es wird also nicht sehr viel Zeit verbraucht. Dafür wären wir also nicht.

Insgesamt sind wir dafür, dass dieser Gesetzentwurf in den Ausschuss kommt und dort beraten wird. Danke schön.

Herr Dörr, Sie hätten noch 5 Minuten Redezeit.

Das brauche ich jetzt nicht. Ich stelle fest, dass bei manchen Fraktionen die Redezeit nur deshalb ausgenutzt wird, weil man sie hat. Bei uns ist das anders. Wir haben nur wenig Zeit. Ich hätte eben etwas mehr Zeit benötigt, das wäre mir lieber gewesen. Da hätte ich noch einiges zu sagen gehabt. Jetzt habe ich das gesagt, was ich sagen wollte. Da muss ich nicht unbedingt die Redezeit ausnutzen. Glück auf und Danke schön.

(Beifall bei der AfD.)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Zimmer von der SPD-Landtagsfraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das uns heute in Erster Lesung vorliegende Gesetz beinhaltet eine Vielzahl von wichtigen Änderungen in verschiedenen kommunalrechtlichen und beamten

(Abg. Schäfer (CDU) )

rechtlichen Gesetzen. Insgesamt handelt es sich hierbei um Änderungen von acht Artikeln.

Bevor ich allerdings auf den zentralen Punkt meiner heutigen Rede eingehen will, möchte ich gern ein paar Worte zum Kollegen Dörr finden. Herr Dörr, ich bin Mitglied eines Gemeinderates. Dort haben wir in der Satzung beschlossen, dass abgelehnte Anträge ein Jahr nicht mehr aufgerufen werden dürfen, außer es findet sich eine Zweidrittelmehrheit in dem Rat. Ich denke, das ist eine gute Lösung. Es gehört zu einer guten Demokratie, dass Entscheidungen, die man demokratisch getroffen hat, nicht immer wieder in jedem Gremium erscheinen, und dass nicht immer wieder der gleiche Unsinn fortlaufend beraten werden muss. Sollte es tatsächlich eine andere Überlegung geben, steht es den Räten offen, mit Zweidrittelmehrheit einen Punkt wieder auf die Tagesordnung zu nehmen. Hier sind wir uns mit dem Innenminister einig, dass es einer landesweiten Regelung bedarf, dass Räte das für sich entscheiden können. Wir sollten uns mit den wichtigen Dingen beschäftigen und nicht immer wieder mit dem gleichen Unsinn.

Herr Zimmer, Herr Dörr hat die Bitte einer Kurzintervention. Das hätten wir zwar zum Schluss machen können, aber es passt jetzt gut.

Als er zum ersten Mal „Unsinn“ gesagt hat, habe ich gedacht, es ist ihm so durchgerutscht, aber er hat es ein zweites Mal gesagt. Wir stellen keine unsinnigen Anträge. Wir stellen vielleicht unbequeme Anträge, aber es sind keine unsinnigen Anträge. Von den Menschen draußen, die das hören und sehen, werden wir angesprochen. Sie beglückwünschen uns dazu. Das heißt, bitte unterlassen Sie die Qualifikation unserer Anträge.

Ich äußere mich dazu lieber nicht, das ist es mir nicht wert. Ich habe auch nicht über den Landtag gesprochen, Herr Dörr, sondern über die kommunalen Räte, also nicht über Ihre Anträge hier.

Ein wesentlicher Punkt, das wurde auch vom Kollegen Raphael Schäfer bereits breit ausgeführt, ist bei den vorgeschlagenen Änderungen selbstverständlich die Aufnahme der Erstattung von für die Betreuung von Kindern beziehungsweise auch für die Betreuung von pflegebedürftigen Personen entstehenden Kosten. Uns allen ist bewusst, dass auf diesen Feldern gerade Frauen die wesentlichen Lasten tragen. Das zeigt sich auch in der Breite aller kommunalen Räte, denn hier sind Frauen erheblich unterrepräsentiert. Oftmals hilft noch nicht einmal die Quo

te, weil es einfach zu wenige Frauen gibt, die zur Übernahme bereit sind. Die Frauen sagen sich: Ich kann das nicht leisten, ich habe abends meine Kinder zu betreuen, ich habe zu Hause meine Mutter, meinen Vater zu pflegen; daher kann ich mich in solchen Gremien nicht einbringen. - Ich glaube, insoweit ergibt sich nun eine Verbesserung für die Zukunft, insoweit können wir mehr Gerechtigkeit schaffen. Ich glaube, insbesondere auch die besonders betroffenen jungen Frauen und Mütter können so künftig mehr für die kommunalen Räte zur Verfügung stehen. Ich freue mich darauf. Ihre Quote ist, so meine ich, in allen kommunalpolitischen Gremien dringend zu stärken.

(Beifall von der SPD und bei der CDU.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die zentrale und politisch wohl auch interessanteste Änderung ist die vereinfachte Ruhestandsversetzung von BürgermeisterInnen und die sich daraus ergebenden Folgeänderungen des Beamtenversorgungsgesetzes, zum Beispiel, dass der Versorgungsabschlag 10 Prozent nicht übersteigen darf. In Artikel 1 werden die vorgesehenen Änderungen betreffend die Abwahl und Ruhestandsversetzung von Bürgermeistern und Oberbürgermeistern, § 58a KSVG, neu geregelt. Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern wird die Möglichkeit eröffnet, in Fällen, in denen ihnen das erforderliche Vertrauen für die weitere Amtsführung nicht mehr entgegengebracht wird, die Versetzung in den Ruhestand zu beantragen. Darüber hinaus werden in Artikel 3 und in Artikel 4 weitere Regelungen hinsichtlich der kommunalen Wahlbeamtinnen und Wahlbeamten sowie der Begrenzung des maximalen Versorgungsabzugs bei Ausscheiden aus dem Amt getroffen.

Meine Damen und Herren, es stellt sich sicherlich die Frage, warum es gerade in diesen Bereichen einen Bedarf für die Neufassung der gesetzlichen Regelung gibt. Vor allem das Beispiel des Oberbürgermeisters von Duisburg Adolf Sauerland im Zusammenhang mit der Love-Parade-Katastrophe, Kollege Schäfer erwähnte es, hat gezeigt, dass die bestehenden Regelungen geradezu ein Hemmnis hinsichtlich der mit einem solchen Ereignis eigentlich verbundenen notwendigen Verhaltens- und Verfahrensweisen darstellen. Darüber hinaus kann festgestellt werden, dass die bestehenden Regelungen seit der Einführung der Direktwahl von kommunalpolitischen Wahlbeamtinnen und Wahlbeamten vor allem ein Interesse derjenigen potenziellen Bewerber, die nicht durch eine eigene politische Gruppierung getragen werden, gemindert beziehungsweise schlicht ausgeschlossen haben. Das allerdings ist gerade einer der Hauptbeweggründe für die Einführung der Direktwahl von hauptberuflichen Wahlbeamtinnen und Wahlbeamten gewesen.

Will man geeignete und hervorragende Bewerber für ein so wichtiges Wahlamt finden, dürfen sich die aus

(Abg. Zimmer (SPD) )

den bestehenden Gesetzen ergebenden Regelungen nicht als Hemmschuh erweisen, sondern sollten eine fördernde und angemessene Regelung in Bezug auf das Wahlamt beinhalten. Gerade in Zeiten, liebe Kolleginnen und Kollegen, in denen das Interesse an politischen und öffentlichen Wahlämtern stark zu schwinden scheint, dürfen die Gesetze nicht noch weitere Hemmnisse mit sich bringen. Wenn wir als politisch Verantwortliche in unserem schönen Land weiterhin eine breite demokratische Willensbildung und Gestaltung fördern wollen und auch künftig für unsere kommunalpolitischen Spitzenämter geeignete und hervorragende Frauen und Männer finden wollen, müssen die einschlägigen Gesetze eine fördernde und gesicherte Grundlage für Bewerberinnen und Bewerber darstellen. Sie müssen ihnen eine Zukunftsperspektive bieten. In diesem Sinne hat zum Beispiel das Bundesland Niedersachsen bereits vor einiger Zeit seine Gesetze in diesem Bereich angepasst und zukunftsfähig ausgestaltet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns diesem guten Beispiel folgen und in dem den nun anstehenden Anhörungen folgenden Verfahren, in der Zweiten Lesung, diese wichtigen Änderungen beschließen.

Über diesen Kernbestandteil des uns vorliegenden Gesetzentwurfs hinaus sollen mit den Artikeln 1, 2, 5 und 6 weitere Änderungen vorgenommen werden. Artikel 1 betrifft im Wesentlichen die Gestaltung der Gemeinde-, Orts- und Stadträte und der damit verbundenen Verfahrensrichtlinien innerhalb der kommunalen Ebene. Die SPD-Fraktion erachtet die eingebrachten Vorschläge als angemessen. Wir geben den kommunalen Räten auch die Möglichkeit, über ihre Größe und über sonstige kommunalpolitische Regelungen selbst zu bestimmen. Das bietet auch wieder, so möchte ich einmal sagen, etwas mehr kommunalpolitische Selbstverwaltung. Die Räte können künftig für sich auch entscheiden: Was ist in meiner Kommune machbar und was ist nicht machbar?

In Artikel 2 sind Änderungen über die kommunale Gemeinschaftsarbeit, in Artikel 5 redaktionelle Änderungen zur Klarstellung kommunalrechtlicher Vorschriften im Kommunalabgabengesetz, in Artikel 6 die Aufhebung des Gesetzes zur Einführung des Neuen Kommunalen Rechnungswesens im Saarland enthalten. Hierauf möchte ich aber heute anlässlich der Ersten Lesung nicht im Detail eingehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der uns heute in Erster Lesung vorliegende Gesetzentwurf beinhaltet eine Vielzahl von Änderungsvorschlägen betreffend kommunalrechtliche, abgabenrechtliche und beamtenrechtliche Regelungen. Die Koalitionsfraktionen werden gemeinsam das vorliegende Gesetz an den zuständigen Ausschuss zur Anhörung und Bearbeitung verweisen. Im weiteren Ablauf werden wir gemeinsam mit den Oppositionsfraktionen dieses Ge

setz in den bevorstehenden Anhörungen und den weiteren Beratungen diskutieren und nachfolgend in Zweiter und letzter Lesung ein zukunftsweisendes Gesetz verabschieden. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den Koalitionsfraktionen.)

Vielen Dank. Weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache. Bevor wir zur Abstimmung kommen, bitte noch einen Applaus für unsere Saaldiener, die heute Morgen wirklich viel zu tun haben!

(Beifall des Hauses.)

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 16/1389. Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Inneres und Sport zu überweisen.

Wer für die Annahme des Gesetzentwurfes Drucksache 16/1389 in Erster Lesung unter gleichzeitiger Überweisung an den Ausschuss für Inneres und Sport ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf Drucksache 16/1389 mit den Stimmen von CDU, SPD, der LINKEN, der fraktionslosen Abgeordneten Ensch-Engel angenommen ist, bei Gegenstimme des fraktionslosen Abgeordneten Hecker. Auch die AfD hat dafür gestimmt.

Wir kommen zu Punkt 2 der Tagesordnung:

Zweite Lesung des Gesetzes zur Schaffung eines inklusiven Wahlrechts (Drucksache 16/1087) (Abänderungsanträge: Drucksachen 16/1400 und 16/1403)

Zur Berichterstattung erteile ich der Vorsitzenden des Ausschusses für Inneres und Sport, Frau Abgeordneter Petra Berg, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Landtag hat den von den Koalitionsfraktionen eingebrachten Gesetzesentwurf in seiner 33. Sitzung am 20. November 2019 in Erster Lesung angenommen und an den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen. Die Anhörung musste wegen der damals bestehenden Corona-Beschränkungen verschoben werden, sodass wir heute erst den Gesetzesentwurf in Zweiter Lesung vorlegen können. Den Gesetzesänderungen liegen folgende Erwägungen zugrunde.

(Abg. Zimmer (SPD) )

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Beschluss vom 29. Januar 2019 und seinem Urteil vom 15. April 2019 den Wahlrechtsausschluss für schuldunfähige, aufgrund einer Anordnung nach § 63 in Verbindung mit § 20 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachte Personen nach § 13 Nr. 3 des Bundeswahlgesetzes für mit Art. 38 Abs. 1 Satz 1 und Art. 3 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig erklärt, weil er nicht geeignet ist, Personen zu erfassen, die typischerweise nicht über die Fähigkeit zur Teilnahme am demokratischen Kommunikationsprozess verfügen.

Den Wahlrechtsausschluss von Personen, für die nach § 13 Nr. 2 des Bundeswahlgesetzes zur Besorgung aller ihrer Angelegenheiten ein Betreuer nicht nur durch einstweilige Anordnung bestellt ist, hat das Bundesverfassungsgericht in dem oben genannten Beschluss für mit Art. 38 Abs. 1 Satz 1 und Art. 3 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes unvereinbar und für die Gerichte und Verwaltungsbehörden im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit für nicht mehr anwendbar erklärt, weil er den Kreis der von einem Wahlrechtsausschluss Betroffenen ohne hinreichenden sachlichen Grund in gleichheitswidriger Weise bestimmt.

Zugleich hat das Bundesverfassungsgericht in dem oben genannten Beschluss festgestellt, dass es Sache des Gesetzgebers sei zu entscheiden, wie er die festgestellte verfassungsrechtliche Ungleichbehandlung gleichermaßen betreuungsbedürftiger Personen im Wahlrecht beseitigt und dabei den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl und die Sicherung des Charakters der Wahl als eines Integrationsvorgangs bei der politischen Willensbildung des Volkes zum Ausgleich bringt. Eine entsprechende Anpassung hat auf Bundesebene mit dem Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes und anderer Gesetze vom 18. Juni 2019 bereits stattgefunden.