Protokoll der Sitzung vom 26.08.2020

Zugleich hat das Bundesverfassungsgericht in dem oben genannten Beschluss festgestellt, dass es Sache des Gesetzgebers sei zu entscheiden, wie er die festgestellte verfassungsrechtliche Ungleichbehandlung gleichermaßen betreuungsbedürftiger Personen im Wahlrecht beseitigt und dabei den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl und die Sicherung des Charakters der Wahl als eines Integrationsvorgangs bei der politischen Willensbildung des Volkes zum Ausgleich bringt. Eine entsprechende Anpassung hat auf Bundesebene mit dem Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes und anderer Gesetze vom 18. Juni 2019 bereits stattgefunden.

Da sich auch im saarländischen Landtags- und Kommunalwahlrecht wortgleiche Wahlrechtsausschlüsse finden, wurde bereits im Vorfeld der Europa- und Kommunalwahlen am 26. Mai 2019 durch das Gesetz über die Anwendung des Kommunalwahlgesetzes vom 29. April 2019 eine vorübergehende Regelung getroffen. Da dieses Gesetz bis zum 31. Dezember 2019 befristet ist, wurde eine dauerhafte Regelung erforderlich. Das Landtagswahlrecht und das Kommunalwahlrecht werden im Interesse der Wahlberechtigten, der Wahlvorschlagsträger und der Wahlbehörden mit dem Bundes- und Europawahlrecht harmonisiert, um die Anwendung der Wahlgesetze zu vereinheitlichen und so die Vorbereitung und Durchführung der verschiedenen, teilweise gleichzeitig stattfindenden Wahlen im Saarland zu erleichtern. Das ist der sogenannte Harmonisierungsgrundsatz. Landesspezifische Unterschiede jedoch bleiben hiervon unberührt.

Eine Beibehaltung der bisherigen Regelungen ist nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr möglich. Weiterhin wurde eine Streichung der Wahlrechtsausschlüsse ohne eine gleichzeitige Regelung einer zulässigen Assistenz und deren Grenze nicht dem vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Gestaltungsauftrag des Gesetzgebers gerecht. Eine solche Regelung ist zum Ausgleich zwischen den Verfassungsbestimmungen Allgemeinheit der Wahl und der Sicherung der Höchstpersönlichkeit der Wahl zwingend erforderlich.

Der Gesetzesentwurf wurde vom Ausschuss gelesen. Es wurden zwei Anhörungen durchgeführt, unter anderem unter Beteiligung des Landesbeirats für die Belange von Menschen mit Behinderungen, des Sozialverbands VdK Saarland e.V., des BSK-Landesverbands Selbsthilfe Körperbehinderter Saarland e.V. sowie des Betreuungsrichters Gero Bieg. Die Organisationen und Verbände haben das Gesetzesvorhaben nahezu einhellig begrüßt. Die Koalitionsfraktionen haben zu dem Gesetzesentwurf Drucksache 16/1087 einen Abänderungsantrag eingebracht, der Ihnen als Drucksache 16/1403 vorliegt. Die DIE LINKE-Landtagsfraktion hat einen eigenen Abänderungsantrag, Drucksache 16/1400, in den Ausschuss eingebracht, der mehrheitlich abgelehnt wurde. Der Abänderungsantrag der Koalitionsfraktionen wurde einstimmig angenommen.

Der Ausschuss für Inneres und Sport empfiehlt daher dem Plenum die Annahme des Gesetzentwurfs unter Berücksichtigung des angenommenen Abänderungsantrags in Zweiter und letzter Lesung. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den Koalitionsfraktionen.)

Vielen Dank, Frau Berichterstatterin. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat der Abgeordnete Ralf Georgi von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Schaffung eines inklusiven Wahlrechts begrüßen wir natürlich. Das ist lange überfällig. Eine ganze Personengruppe pauschal vom Wahlrecht auszuschließen, ohne hinreichenden sachlichen Grund, in gleichheitswidriger Weise, das wird unserem demokratischen Selbstverständnis nicht gerecht. Es ist sehr traurig, dass dies erst vom Bundesverfassungsgericht nach so vielen Jahren klargestellt werden musste.

Die pauschalen Wahlrechtsausschlüsse waren nicht nur verfassungswidrig, sie haben zudem im eindeutigen Widerspruch zur UN-Behindertenrechtskonvention gestanden. In Artikel 29 der Konvention heißt

(Abg. Berg (SPD) )

es; ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin: Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, „(…) sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen wirksam und umfassend am politischen und öffentlichen Leben teilhaben können, sei es unmittelbar oder durch frei gewählte Vertreter oder Vertreterinnen, was auch das Recht und die Möglichkeit einschließt, zu wählen und gewählt zu werden (…).“ - Es ist auch insoweit bedauerlich, dass dieses Urteil nicht schon früher umgesetzt wurde, rechtzeitig zur Kommunalwahl.

Hier im Saarland galt ja eine Übergangsregelung. Die Betroffenen, also Menschen, die eine Betreuung in allen Angelegenheiten haben, und Schuldunfähige im psychiatrischen Maßregelvollzug, mussten erst einen Antrag stellen, um das Wahlrecht zu erhalten. Das ist eine Hürde, die so hoch war, dass kaum jemand vom neuen Wahlrecht Gebrauch gemacht hat: Im Saarland waren es von rund 850 Betroffenen gerade einmal fünf.

Umso besser, dass dies mit dem nun vorliegenden Gesetzentwurf behoben wird. Aber: Obwohl wir hier und heute über ein inklusives Wahlrecht reden, gibt es keine verpflichtenden Regelungen, wonach auch wirklich für alle Wähler alle Wahlräume barrierefrei erreichbar und ausgestattet sein müssen. Das widerspricht dem Ziel, allen ein gleiches Wahlrecht zu ermöglichen. Das hat in der Anhörung auch der BSK-Landesverband Saarland kritisiert. Ich zitiere, erneut mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin: Die weitere Zulassung nicht barrierefreier Wahlräume und orte, in denen das Wählerverzeichnis eingesehen werden kann, konterkariert das formulierte Ziel zur Schaffung eines inklusiven Wahlrechts, wenn durch bauliche Barrieren weiterhin eine Benachteiligung von Menschen mit Mobilitätsbehinderung bei der Ausübung ihres Wahlrechts im gleichen Wahlbezirk zu nicht behinderten Bürgern aufrechterhalten wird.

Wir haben uns deshalb in unserem Abänderungsantrag an den Vorschlägen des BSK orientiert. Wenn wir allen Menschen die Teilhabe an unserer Demokratie und an demokratischen Wahlen ermöglichen wollen, muss sichergestellt sein, dass alle den Ort der Abstimmung erreichen können und vor Ort Materialien zur Wahl vorfinden, mit denen sie umgehen können. Bei der letzten Landtagswahl waren landesweit 162 Wahlräume nicht barrierefrei erreichbar. Das muss sich ändern. Ziel muss sein, dass bei der nächsten Wahl wirklich alle Räume barrierefrei zugänglich und barrierefrei ausgestattet sind.

Kolleginnen und Kollegen, wir werden uns mit diesem Thema auch weiterhin beschäftigen müssen. Denn auch mit diesem Gesetz ist noch nicht alles in trockenen Tüchern. Nötig ist zum Beispiel die Klarstellung, was eine erlaubte technische Hilfe bei der Wahl ist. Der Sozialverband VdK hat in der Anhörung geeignete Strategien gefordert, dieses näher zu definieren, um Missbrauch beziehungsweise Ein

flussnahme zu verhindern. So hat er angeregt, dass eine Vertrauensperson aus dem Kreis der Wahlhelfer bestimmt wird, um die technische Hilfe im Wahllokal umzusetzen und die Unabhängigkeit des Verfahrens zu gewährleisten. Wird nicht näher definiert, was erlaubte technische Hilfestellungen sind, bleibt eine rechtliche Grauzone. Dann werden auch weiterhin viele Menschen daran gehindert, an Wahlen teilzunehmen, so befürchtet der BSK Landesverband.

Wenden Wahlvorstände und Wahlhelfer die Regelungen konsequent an, wird es beispielsweise für die Assistenz verboten sein, Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen in den Wahlkabinen daran zu erinnern, dass beispielsweise die CDU die Partei von Angela Merkel oder AKK ist. Es wird aber Menschen geben, die eine solche Erinnerung brauchen, um sich an die Entscheidung zu erinnern, die sie vielleicht zu Hause getroffen haben. So hat uns das der Landesverband Selbsthilfe Körperbehinderter erklärt. Und das Amtsgericht Saarbrücken bestätigt auch, dass dieser Aspekt intensiv diskutiert werden muss, gerade auch mit Blick auf die Briefwahl, um die Unabhängigkeit des Verfahrens zu gewährleisten.

Kolleginnen und Kollegen, dieses Gesetz bedeutet also einen Fortschritt, und zwar einen überfälligen Fortschritt, der große Wurf aber ist es noch nicht. Der große Wurf wird es aber mit unserem Abänderungsantrag.

Die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen muss mit noch viel mehr Schwung und Ehrgeiz vorangetrieben werden. Wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen und bitten um Zustimmung zu unserem Abänderungsantrag. - Vielen Dank.

(Beifall von der LINKEN.)

Vielen Dank. - Die nächste Rednerin ist Petra Fretter von der CDU-Landtagsfraktion.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Bevor ich zu meiner Rede komme, möchte ich noch eine Bemerkung machen, die sich an den Kollegen Dörr richtet. Ich kann mir eine Anmerkung nicht verkneifen, denn ich kann die von Ihnen eben getätigte Aussage nicht so stehen lassen. Ich denke, jede unserer Kolleginnen und jeder unserer Kollegen wendet hier die Zeit auf, die für nötig gehalten wird, um die Argumente zum jeweiligen Thema, zu dem sie reden, darzulegen. Deshalb bitte ich Sie - wie Sie das ja immer umgekehrt auch tun -, es zu unterlassen, die Sinnhaftigkeit der Länge der aufgewendeten Redezeit infrage zu stellen.

(Abg. Georgi (DIE LINKE) )

(Beifall von der CDU.)

Wir haben gerade die Berichterstattung über die Empfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport zur Schaffung des inklusiven Wahlrechts in Zweiter und letzter Lesung gehört. Bevor ich näher darauf eingehe, möchte ich kurz noch etwas Allgemeines zu den Themen Wahlrecht und Demokratie ausführen.

Sie alle wissen, wir leben in Deutschland in einer repräsentativen, parlamentarischen Demokratie. Das heißt, die Herrschaft des Volkes, wenn man es so sagen will, wird indirekt durch seine gewählten Vertreterinnen und Vertreter ausgeübt. Entscheidungen und Gesetze werden also von Gruppen, sprich hier den Parteien, stellvertretend im Auftrag der Allgemeinheit getroffen. Wir haben eine Verfassung in dieser Demokratie, die auf die Mehrheit und nicht auf den Einzelnen ausgerichtet ist. Unabhängig von den Demokratieformen und ihren Definitionen, von denen es mehrere gibt, war und ist jedoch eines immer Kern dieser Staatsform: Das Volk übt die Macht aus. Und der Wille des Volkes wird bekanntlich durch Wahlen ermittelt.

Früher gab es in Demokratien unterschiedliche Begrifflichkeiten, wie man Wahlberechtigung definiert. Viele Bürgerinnen und Bürger mussten auf das Wahlrecht verzichten, weil sie, wie zum Beispiel in Amerika, Sklaven waren oder weil sie der falschen Religion oder Rasse angehörten, was auch in unserer Historie teilweise der Fall war. Die Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht konnte ausschlaggebend sein, ob man wählen durfte oder nicht, oder einfach nur die Tatsache, dass man eine Frau war. Das konnte die Stimmabgabe und das Recht, ihre oder seine Meinung als Mitglied der Volksgemeinschaft kundzutun, ausschließen. Diese Zeiten sind Gott sei Dank bei uns in Europa und auch in vielen anderen Teilen der Welt vorbei. Viele Männer und Frauen haben in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten für ein Wahlrecht für alle gekämpft. Wer die Historie kennt, weiß, welchen Kraftakt und welchen Mut es erfordert hat, standhaft zu bleiben und allen Widerständen zum Trotz, selbst unter Gefahr für Leib und Leben, nicht aufzugeben. Wahlrecht ist ein Menschenrecht, daran gibt es nichts zu rütteln, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Es gibt immer noch genügend Länder auf der Erde, die freie, demokratische Wahlen ablehnen, boykottieren, manipulieren und mit Füßen treten. Ausführungen hierzu kann ich mir sparen, denn wer die Nachrichten ausführlich verfolgt, weiß, dass auch in demokratischen Ländern Versuche gestartet werden, auf Wahlen Einfluss zu nehmen.

Warum führe ich das alles aus? Unsere Gesellschaft ist wie alles um uns herum in einem ständigen Wandel. Werte und Sichtweisen ändern sich, vieles wird zur Normalität und Selbstverständlichkeit. Demokra

tie und Wahlrecht, wie wir sie kennen, sind aber nicht einfach selbstverständlich. Das sind hart erkämpfte Privilegien, die es zu schützen und zu erhalten gilt. Natürlich sind wir als Volksvertreter in unserer parlamentarischen Demokratie gehalten, alles zu tun, um genau das zu bewirken. Ich möchte darauf nicht näher eingehen, weil das den Rahmen meiner Redezeit sprengen und auch vielleicht zu weit vom heutigen Thema abschweifen würde. Aber ich wünsche mir schon, dass es gelingen möge, den Stellenwert dieses kostbaren Gutes, eines freien, unabhängigen, demokratischen Wahlrechts für jede volljährige Bürgerin und für jeden volljährigen Bürger unseren Mitmenschen in unserem schönen Land wieder näherzubringen.

Heute nun gehen wir, wie so viele vor uns, auf dem Weg der Demokratie wieder einen Schritt voran, um Ungleichbehandlung im Wahlrecht auszuräumen. An dieser Stelle begrüße ich sehr herzlich die anwesenden Vertreter der Organisationen, Verbände und sozialen Einrichtungen. Sie kämpfen Tag für Tag für die Belange, für die Rechte, für die Gleichstellung von Menschen, die ihnen anvertraut sind, die sich ihnen anvertraut haben. Und sie haben es geschafft! Der Gesetzentwurf für die Schaffung eines inklusiven Wahlrechts liegt vor und wird heute verabschiedet. Ich glaube, das ist ein wirklich guter Tag!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Wir schaffen die Möglichkeit der Wahlbeteiligung inklusive Hilfestellung bei der Stimmabgabe für Menschen mit Behinderungen, die einen gesetzlichen Betreuer zur Seite haben. Das ist ein guter Schritt, ein kraftvoller Schritt und ein schon lange notwendiger Schritt. Ich möchte unsere ehemalige Kollegin Ruth Meyer an dieser Stelle zitieren: „Wir geben den Menschen damit ihr Wahlrecht und ein Stück ihrer Würde zurück.“ Genauso ist es und genauso ist es gut und richtig, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Die CDU hätte sicherlich die Schaffung dieses Gesetzes gern viel früher vorgenommen, aber Schnellschüsse schaden meistens im Hinblick auf ein gutes Ergebnis und gehen in der Regel nach hinten los, im schlimmsten Fall auch ins Knie, wenn ich das so bildlich sagen darf. Das hilft niemandem und schon gar nicht den Menschen, denen wir mit unserem Mandat verpflichtet sind. Wir sind und waren es den Menschen mit Behinderungen schuldig, die Schaffung des inklusiven Wahlrechts so gut wie möglich zu machen. „Keine halben Sachen“ hat auch der Kollege Ralf Georgi in seiner Rede am 29.04.2019 gesagt. Genau das haben wir gemacht, keine halben Sachen, sondern eine runde Sache. Deshalb war es einfach notwendig und richtig, den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29.01.2019, das Urteil vom 15.04.2019 und die Anpassung des Gesetzes auf Bundesebene vom 18.06.2019 abzuwarten.

(Abg. Fretter (CDU) )

Wir hatten für die letzte Kommunalwahl eine Übergangslösung für 850 Betroffene geschaffen, auch wenn leider nur fünf davon Gebrauch gemacht haben, und damit begonnen, den Weg zu diesem Gesetz zügig, aber umsichtig zu beschreiten mit einem klaren Ziel vor Augen: verfassungsrechtliche Ungleichheit auszuräumen, keine Wahlrechtsausschlüsse mehr für Menschen zuzulassen, bei denen eine Betreuung angeordnet ist, den Gedanken der Inklusion durch die Schaffung des inklusiven Wahlrechts voranzutreiben, gleichberechtigte politische Teilhabe zu ermöglichen, die Möglichkeit der Hilfestellung bei der Ausübung des Wahlrechts zu schaffen, damit Menschen mit Behinderungen und anderen Beeinträchtigungen ihre Stimme bei einer Wahl abgeben und am demokratischen Prozess teilnehmen können. Unser Ziel, die bestmögliche Regelung für Behinderte und betreute Menschen in diesem Gesetz festzuschreiben, ist hier und heute mit dem vorliegenden Gesetzentwurf erreicht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Also keine halben Sachen, sondern eine runde Sache!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Noch ein paar Worte zu den Änderungsanträgen. Der Antrag des Ausschusses für Inneres und Sport, das wurde schon gesagt, beinhaltet redaktionelle und notwendige Änderungen im Hinblick auf die Anwendung im Kommunalwahlgesetz. Im aktuellen Entwurf ist noch die Übergangsvorschrift von 2019 enthalten, die am 31.12.2019 außer Kraft getreten ist. Diese Regelung in Absatz 2 ist somit nicht mehr erforderlich und deshalb aufzuheben. Diesem Änderungsantrag werden wir als CDU-Fraktion zustimmen.

Im Antrag der Fraktion DIE LINKE geht es hauptsächlich um die Umformulierung der Artikel 1 und 2 im Blick auf die Zuständigkeiten der Gemeinden für barrierefreie Wahlräume und Ausstattung. Ich denke, im vorliegenden Gesetzentwurf ist dies rechtlich konform zur UN-Behindertenrechtskonvention ausführlich geregelt. Deshalb sehe ich keinen Grund, hier eine Änderung vorzunehmen; die CDU-Fraktion wird Ihren Antrag ablehnen.

Ich komme zum Schluss. Wir ebnen heute den Weg im Sinne der Gleichbehandlung, wir ebnen heute den Weg im Sinne der Menschlichkeit, wir ebnen heute den Weg im Sinne der Freiheit und der Einbeziehung, im Sinne der Akzeptanz von Individualität, im Sinne der Gleichwertigkeit, und vermitteln damit jedem von diesem Gesetz betroffenen Menschen Wertschätzung und Zugehörigkeitsgefühl, Solidarität und damit letztendlich Normalität. Diesen für unsere behinderten Mitmenschen so wichtigen Gesetzentwurf sollten wir heute mit großer Mehrheit, wünschenswerterweise einstimmig, verabschieden. Ich bitte deshalb herzlich um Ihre Zustimmung und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank. - Es kann sich bereithalten der Abgeordnete Rudolf Müller von der AfD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt einige salbungsvolle Worte gehört über die Wichtigkeit des Wahlrechts, über dieses hohe Recht - das ist es ja auch tatsächlich. Aber das bisherige Recht und die bisherigen Verfahren waren ja wohl nicht undemokratisch. Es besteht durch die Ausweitung des Wahlrechts auf Leute, die als schuldunfähig gelten und in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind, eine gewisse Gefahr dahingehend, dass dieses edle Recht doch etwas angekratzt und entwertet wird. Wenn man solchen Leuten, die offenbar ihre Sinne gar nicht mehr zusammenhaben, die nicht mehr wissen, was sie denken, meinen, fühlen und so weiter, das Wahlrecht geben will, kann man es zum Beispiel hellwachen 16- oder 17-Jährigen auch nicht verwehren.

Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt anders entschieden, wohl aufgrund des Zeitgeistes, wie er sich inzwischen entwickelt hat. Aus Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht werden wir uns bei diesem Gesetzentwurf enthalten. - Ich danke Ihnen.

(Beifall von der AfD.)

Das Wort hat anschließend Petra Berg von der SPDLandtagsfraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Inklusion Demokratie ausbauen! Wer dachte, unsere Demokratie sei vollständig, sie sei perfekt, hat sich getäuscht. Immer noch sind Menschen ausgeschlossen, die entweder unter Vollbetreuung stehen oder aber in einer forensischpsychiatrischen Einrichtung untergebracht sind. Die größten Bedenken gegen eine Reform waren seit über zehn Jahren, dass das Wahlrecht von Dritten missbraucht werden könnte. Die Befürchtung war nicht, dass die Menschen das Wahlrecht nicht ausüben könnten, nein, die Befürchtung war, dass Dritte es missbrauchen könnten.

Unsere Demokratie ist sicher nicht perfekt, aber sie ist freiheitlich und offen. Sie kann und muss immer neu durchdacht, organisiert, kontrolliert und überprüft werden, getragen von dem Gleichheitsgrundsatz, dass alle Menschen, mit oder ohne Behinderung, gleich sind. Das inklusive Wahlrecht, das wir

(Abg. Fretter (CDU) )

heute in Zweiter Lesung verabschieden werden, baut die Demokratie aus, denn es gewährleistet, dass die Freiheit der Wahl - das ist wichtig - und auch der Charakter der Wahl als Integrationsprozess bei der politischen Willensbildung gesichert sind.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)