Sehr geehrter Herr Lafontaine, Sie haben Andreas Rödder zitiert. Er hat in seinem Beitrag gesagt, dass wir aufpassen müssen, dass wir durch das Hin und Her Vertrauen von Bürgerinnen und Bürgern nicht verlieren. Er hat aber auch gesagt, dass das bisherige Krisenmanagement sehr, sehr gut sei. Er hat Weiteres gesagt. Da möchte ich auf das eingehen, was Sie angesprochen haben. Sie haben zwei Anregungen gegeben und gesagt, dass Sie daraus keinen Antrag machen. Zum einen geht es darum, bei den Geschäften nicht die Begrenzung zu machen, wie sie jetzt in der Verordnung vorgeschlagen ist. Zum anderen wollen Sie, dass man ‑ ‑ Jetzt muss ich in meinen Notizen schauen, was Sie noch gefordert haben. Entschuldigen Sie.
Die Gastronomie öffnen. Natürlich gehe ich genauso gerne wie Sie in die Gastronomie und esse dort sehr gerne und auch sehr gut. Letztendlich sind wir aber in der Situation, dass wir - das hat das RKI ganz deutlich gemacht - 75 Prozent der Infektionen nicht nachvollziehen können. Wenn es ein gesellschaftlicher Konsens ist - wie Sie es hier auch gesagt haben -, dass wir die Wirtschaft aufrechterhalten und die Geschäfte nicht schließen, wenn es in diesem Haus ein Konsens ist, dass wir die Schulen offenhalten, dann haben wir schon eine so große Menge an Menschenkontakten zugesagt, dass wir die 75 Prozent nur noch ganz schwer erreichen können.
Von daher will ich hier nicht sagen - gerade als Geschäftsmann, der ich selbst bin -, dass das alles gerecht ist. Ich kann auch nicht immer nachvollziehen, warum eine Kosmetikerin ihr Gewerbe nicht ausüben darf, ein Friseur aber schon. Ich kann allerdings nachvollziehen, dass Landesregierungen beziehungsweise Verordner letztendlich sagen, dass
Ich glaube, wir haben aus dem ersten Lockdown gelernt, dass in dem Bereich des Friseurs ein großer Bedarf besteht und man das als Risiko akzeptieren kann. Bei den anderen geht man eben stärker und effektiver ran. In einem Punkt bin ich ganz bei Herrn Commerçon. Natürlich hätten wir gerne die Kulturstätten auf, natürlich würden wir gerne als Sportler unseren Sport ausüben. All die Dinge, die letztendlich anstehen, muss man überprüfen. Sie haben richtigerweise gesagt, dass die Datenlage sehr, sehr schwierig ist. Die Datenlage - das hat auch Herr Lafontaine gesagt - ist unbefriedigend. Ich bin ganz Ihrer Meinung. Aber warum ist die Datenlage unbefriedigend? - Die Datenlage ist unbefriedigend, weil wir bei den hohen Infektionszahlen nicht nachkommen, die einzelnen Kontakte so zu verifizieren, wie das notwendig ist.
Herr Lafontaine hat gefragt, wo denn die Zettel geblieben sind. Wenn es ordentlich gehandhabt wird, liegen sie vier Wochen in dem Unternehmen, in dem Restaurant oder bei dem Friseur. Wenn das Gesundheitsamt keine Nachfrage hat, können sie nach vier Wochen vernichtet werden.
Zumindest ist es so angedacht und ich hoffe, dass es in den meisten Fällen so gehandhabt wird. Deshalb ist das trotzdem richtig. Ich kenne jemanden, der jetzt in einem Gesundheitsamt hier im Regionalverband arbeitet. Sonst ist er an einer anderen Stelle im Regionalverband tätig. Er berichtet mir täglich, dass sie viele, viele Stunden nachtelefonieren und versuchen, der Situation Herr zu werden. Es wird auch samstags und sonntags gearbeitet und es wird alles versucht, um zu verifizieren, wo Infektionen stattfinden können.
Ich glaube, nach zehn Monaten Pandemie haben wir das eine oder andere schon gelernt, aber wir machen mit Sicherheit noch nicht alles richtig. Das ist kein Sprint, würden wir Sportler sagen. Das ist ein Dauerlauf. Das ist eine Mittelstrecke, auf der wir uns befinden. Wie es von Ihnen schon richtig gesagt worden ist, ist das Ziel noch nicht in Sicht. Es gibt das eine oder andere Licht am Ende des Tunnels, aber ob dahinter wirklich das Ziel liegt, kann man so noch nicht sagen, glaube ich.
Herr Lafontaine, Sie haben gesagt, wir bewegen uns auf Autokratie zu, dass also der Staat alles bestimmt. Echte Autokraten wie Herr Putin oder wie in China oder in anderen Nationen gehen mit Menschenrechten natürlich anders um als wir. Wir erleben es, wenn wir uns darüber zu Recht ärgern, dass wir unsere Grundrechte eingedämmt bekommen, aber auf der anderen Seite natürlich zu Recht eingedämmt bekommen. Schauen wir einmal nach Frankreich, Spanien oder England. Der Ministerpräsident
hat es in seiner Regierungserklärung deutlich gemacht. Dort sind härtere Eingriffe in die Grundrechte der Menschen gemacht worden. Dort gibt es Ausgehverbote. Als ich hierhergefahren bin, habe ich gehört, dass in der Türkei ältere Menschen über 65 abends nach 20 Uhr nicht mehr auf die Straße dürfen oder keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen dürfen. Das sind Maßnahmen, die vielleicht sogar wirken, aber die wir in diesem Land nicht wollen. Ich glaube, deshalb ist der Weg, den man hier gewählt hat, der richtige Weg, nämlich indem man versucht, einen Mittelweg zu gehen.
Sie haben als Bundesfinanzminister 1998 etwa ein halbes Jahr lang die Möglichkeit gehabt, etwas zu tun, wie man mit Geld in Deutschland, in Europa und in der Welt umgehen sollte. Sie haben das nach etwa einem halben Jahr wieder gelassen. Sie erwähnen einen Milliardär. Ich kann es gar nicht beurteilen und glaube nicht, dass jemand in der Lage ist, mit seiner Leistung 1 Milliarde zu erwirtschaften und wie gerecht oder ungerecht das ist. Aber eines weiß ich auf jeden Fall: Wenn wir dieses Kapital in Deutschland so stark besteuern, dass man für sich die Chance sieht, in Frankreich oder sonst wo in der Welt das Geld günstiger anzulegen, dann wird das Geld auch sehr schnell weg sein. Das heißt, es wird nach der Pandemie fehlen, um die Wirtschaft zu stützen.
Wir wollen nicht bis über die Pandemie hinaus die Wirtschaft mit Steuergeldern und irgendwelchen Maßnahmen weiter stützen. Letztendlich haben Sie recht. Ich bin auch kein Fan von Milliardären. Ich wäre auch froh, wenn man sie besser in die Verantwortung nehmen könnte, wie man das bei den amerikanischen Konzernen Google, Amazon und anderen sieht, die irgendwelche Dependancen in Irland oder sonst wo haben, um Steuern zu sparen. Da wäre ich gerne bereit, mehr Steuergerechtigkeit walten zu lassen, aber bitte immer mit dem Augenmerk darauf, dass wir uns nicht selbst Schaden zufügen und letztendlich privates Kapital aus Deutschland abfließt, das wir zur Bewältigung der Folgen der Pandemie und zum Anspringen unserer Wirtschaft brauchen.
Ich will auf die Akzeptanz unserer Corona-Maßnahmen kommen. Eigentlich könnten wir doch sehr froh sein. Ich habe eben die Länder um uns herum genannt und wie dort die Grundrechte eingeschränkt werden. Im ZDF-Politbarometer vom letzten Freitag haben 51 Prozent der Menschen gesagt, sie sind mit den Maßnahmen, die die Bundesregierung und die Landesregierungen machen, zufrieden.
Eine Zahl hat mich aber gewundert. 30 Prozent waren nämlich damit nicht zufrieden, aber nicht in der Hinsicht, dass sie sagen, sie wollen diese Maßnahmen nicht. Nein. Sie sagen, sie wollen stärkere Maßnahmen. Sie wollen mehr Einschränkungen. Sie wollen mehr begrenzen, weil sie sich davon verspre
chen, schneller durch diese Pandemie zu kommen, um damit ihre eigenen Grundrechte ausüben zu können.
Wir haben gehofft, dass der November-Lockdown ausreicht und dass die Zahlen dementsprechend zurückgehen. Herr Hecker hat recht. Wir haben eine Seitwärtsbewegung. Es ist zwar ein Erfolg, dass wir mit den Infektionsraten nicht noch einmal nach oben gehen, aber wir haben noch nicht das erreicht, was wir wollen. Deshalb war der Dezember notwendig. Das hat natürlich zur Debatte beigetragen, die wir jetzt führen. Herr Brinkhaus - Sie haben ihn eben erwähnt - hat in seiner Rede deutlich gemacht, dass natürlich auch das Geld des Bundes irgendwann zu Ende gehen wird und man nicht weiterhelfen kann.
Eines muss man an dieser Stelle ganz deutlich sagen. Restaurants, die Messebranche, Kultur - in vielen Bereichen wird es Verlierer geben. Es wird Strukturen geben, die wir verlieren und die wir mit Geld nicht auffangen können. Die werden im Land zur Lebensqualität fehlen. Man kann nicht alles schönreden und man kann auch nicht alles bezahlen. Aber trotzdem glaube ich, dass der Bund und die Länder in den vergangenen zehn Monaten hervorragend zusammengearbeitet haben und ihrer Verantwortung gerecht geworden sind. Ich glaube auch, dass man die Diskussion um die Gelder führen muss, aber ich bin eher bei Hubertus Heil, der in dieser Woche in einem Interview gesagt hat: Lasst uns jetzt erst einmal die Krise bewältigen und alles tun, um die Krise in den Griff zu kriegen, und alles tun, damit es den Menschen wieder gut geht und wir mit normalem Wirtschaften anfangen können; dann reden wir über die Finanzierung.
Vor zwei Tagen hat Olaf Scholz gesagt: Wir schaffen das. Wir haben in den vergangenen Jahren so gut gewirtschaftet, dass wir - wenn wir diese Maßnahmen machen - bei circa 70 Prozent unserer Wirtschaftskraft liegen. Das ist unter den G7-Staaten die beste Situation. Alle anderen sind viel höher verschuldet. Vor 13 Jahren in der Bankenkrise waren wir bei über 80 Prozent. Ich will damit nicht wegreden, dass wir das bezahlen müssen und dass das kommt, aber da kommt das Thema, das ich eben schon einmal vorgebracht habe. Ich glaube, wir müssen alles tun, damit die Wirtschaft nach dieser Krise wieder losgeht. Wir müssen alles tun, damit wir den Verlierern dieser Krise, die wir nach dem 31.12. erkennen, wenn das Insolvenzrecht noch einmal greift, helfen, so gut wir das irgendwie können.
Aber das können wir nur dann, wenn das eintrifft, was Lars Feld mit seinen Wirtschaftsweisen sagt. Vor ein bis zwei Wochen hat er ein Gutachten abgegeben. Es wird ein Wirtschaftswachstum von minus 5,4 Prozent geben. Jeder weitere Monat Lockdown light wird noch einmal 0,2 Prozent kosten. Letztendlich geht er davon aus, dass wir relativ schnell in einen positiven Bereich kommen können, wenn die
Krise vorbei ist. Wenn es uns mit den Maßnahmen, die wir gemacht haben, und mit den Investitionen, die notwendig sind, gelingt, dann können die Steuern noch einmal fließen - dabei schaue ich Peter Strobel an -, damit sich die Schulden etwas zurückentwickeln. Das ist ein wichtiger Faktor, den wir für die Zukunft dieses Landes brauchen.
Wir haben viel gemacht. Wir haben, nicht wie man vielleicht annehmen könnte, uns darauf ausgeruht, dass uns der Bund die Dinge finanziert. Nein. Das Saarland war ganz schnell und hat als eines der ersten Bundesländer die Soforthilfen für Betriebe mit bis zu zehn Mitarbeitern auf den Weg gebracht. Es hat sehr schnell diese Hilfen für Betriebe bis 50 Mitarbeiter und bis 100 Mitarbeiter auf den Weg gebracht, lange bevor es der Bund gemacht hat. Der Bund war später dran. Das hat uns geholfen und hat unsere Hilfen etwas unnötig gemacht. Ich mache der Landesregierung und dem Wirtschaftsministerium ein Kompliment. Damals ist das Geld sehr schnell bei den kleinen und mittleren Unternehmen gewesen. Das hat ganz viele Unternehmen gerettet.
Wir haben mit 2,1 Milliarden Euro ein Zukunftspaket auf den Weg gebracht, wovon über 743 Millionen für die Wirtschaft vorgesehen sind. Wir haben - das ist auch schon angeklungen - deutlich gemacht, dass wir unser Gesundheitswesen fit machen müssen. Natürlich gibt es dort auch Defizite. Natürlich haben wir noch nicht alles im Griff. Das ist eine Situation, die einmalig ist und die wir in dieser Art und Weise noch nicht vorgefunden haben.
Deshalb ist es richtig zu sagen, alles, was bisher gemacht worden ist, ist mit sehr viel Engagement und Kraft gemacht worden. Wir werden in der nächsten Woche - wahrscheinlich hier im Hause - zwei Haushalte mit einer Gesamtsumme von 10 Milliarden Euro auf den Weg bringen. Dort sind viele Maßnahmen drin, die unser Gesundheitswesen fit machen und die unserer Wirtschaft die notwendigen Investitionen ermöglicht. Wir haben nicht gewartet, bis der Bund kommt. Tilgungszuschuss 12 Millionen, Eventbrache 1,5 Millionen, Bustransfer - das alles ist schon erwähnt worden. Von daher will ich das nicht weiter ausführen. Es ist unglaublich viel gemacht worden.
Wir haben unseren Kommunalpakt gerettet. Das haben nur ganz wenige Länder, soweit ich weiß, oder in dieser Art und Weise überhaupt kein Land. Wir haben im letzten Jahr 1 Milliarde Euro investiert und die Hälfte der Schulden unserer Städte und Gemeinden übernommen. Wir haben den Städten und Gemeinden zugesagt, dass wir die Steuerausfälle durch die Pandemie zu 50 Prozent auffangen werden. Der Bund macht es in diesem Jahr auch mit 50 Prozent. Aber wir haben es bis 2022 zugesagt.
Der Bund hat die Kosten der Unterkunft von 50 auf 75 Prozent erhöht. Das bringt uns 200 Millionen Euro bis 2022. Wir haben ein Netz für den Kommunalen Finanzausgleich gespannt - 180 Millionen Euro. Nein. Ich glaube, wir brauchen uns nicht zu verstecken. Wir haben alles gemacht, um die Wirtschaft nach vorne zu bringen. Wir haben alles gemacht, um diesen Dauerlauf - eventuell sogar den anstehenden Marathon - zu absolvieren und erfolgreich ins Ziel zu kommen.
Es wird Verlierer geben. Die werden wir nicht alle auffangen können, aber wir werden uns bemühen. Eine ganz wichtige Botschaft, die ich an dieser Stelle loswerden möchte, ist, dass wir alles tun werden, damit die Menschen im Saarland und die Unternehmen keinen Deut schlechter gestellt sind als das in anderen Bundesländern der Fall ist. Wenn es notwendig ist und die Pandemie uns im neuen Jahr zu weiteren Maßnahmen zwingt, werden wir dies für die Menschen in diesem Land auf den Weg bringen. Eines ist nämlich wichtig. Wir müssen die gleichen Lebensverhältnisse haben wie die anderen. Wir müssen unsere Tradition und unseren Charakter im Saarland behaupten. Das geht nur, wenn wir uns mit ganzer Kraft einsetzen.
Lassen Sie mich enden mit Marie von EbnerEschenbach. „Für das Können gibt es nur einen Beweis: das Tun.“ Lassen Sie uns handeln und tun, denn das ist der einzige Weg, um aus dieser Krise herauszukommen. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Kürze der Zeit möchte ich noch einmal auf einige ganz grundsätzliche Punkte hinweisen. Es geht bei dem, was die Regierung mit den Verordnungen und den ganzen Maßnahmen macht, nicht um das normale Regierungshandeln einer Regierung, also irgendwelche Verordnungen, Verträge und sonst etwas, was natürlich auch auf der Basis von normalen, einfachen Gesetzen basiert. Es geht vielmehr um die Einschränkung von sage und schreibe Grundrechten - im Plural. Darum geht es. Es ist unser Anliegen, dass bei solchen Dingen vorher hier im Parlament diskutiert wird. Vorher, nicht nachher.
Herr Lafontaine hat die soziale Lage angesprochen. Ja, das klingt zunächst einmal schön neutral. Ich will das nicht abwerten, Herr Lafontaine. Aber was beinhaltet die soziale Lage? Stellen Sie sich kleine
Selbstständige vor, die es sowieso oft schon sehr schwer haben und die jetzt durch diese Maßnahmen, die möglicherweise viel zu weitgehend und ungerechtfertigt sind, in die Pleite geraten. Wer als kleiner Selbstständiger in die Pleite gerät, der ist sozial halbtot. Das kann ich Ihnen sagen. Ich kenne Beispiele dafür. Wer sich dann etwas antut, der ist vielleicht ganz tot. Das muss man auch berücksichtigen.
Sonst wird immer gesehen, wie sich alles Mögliche auf der ganzen Welt in den hintersten Ecken auswirkt, da, wo sich arme Leute irgendwie durchwursteln müssen. Man weiß auch, dass die Maßnahmen hier sehr große Auswirkungen gerade in armen Ländern haben, von wo manche Leute zu uns kommen.
Zur Finanzierung ist auch gesprochen worden. Bei der Finanzierung dieser vielen Maßnahmen fällt der SPD normalerweise die allgemeine Steuererhöhung ein. Bei der LINKEN heißt es die Reichensteuer. Ich möchte bei der Gelegenheit an Folgendes erinnern. Leute, die sehr viel Geld erwirtschaftet haben oder denen es zugeflossen ist aus der Arbeit und natürlich auch von anderen Leuten, haben ja nicht sehr viel mehr davon als andere. Die können sich auch nicht mehr als satt essen. Sie können ihren Hintern nicht in mehr als einem Sessel breitmachen. 150 Jahre alt werden sie auch nicht. Vielmehr ist ihr erfolgreiches Handeln auch ein Erfolg für unsere Volkswirtschaft. Ich bitte, das nicht zu vergessen.
Es geht ja um Milliarden. Sie wissen vielleicht, dass die Europäische Union selbstverständlich unter der Mitwirkung von Deutschland ein Hilfspaket beschlossen hat, bei dem unter dem Strich für Deutschland 80 Milliarden an Belastung herauskommt. 80 Milliarden! Ich will Ihnen klarmachen, was das ist. Teilen Sie einmal die 80 Milliarden durch die 80 Millionen, die wir sind, dann kommen Sie auf 1.000 Euro pro Nase und zwar pro Nase ab dem kleinsten Kleinkind bis zum ältesten Rentner. Die einen können noch nichts erwirtschaften; die anderen können nichts mehr erwirtschaften. Wenn Sie also eine vierköpfige Familie haben, dann sind das rechnerisch - so ist ja auch die Realität - 4.000 Euro, die denen aufgedrückt werden für Dinge, die die anderen Europäer irgendwie nicht hinkriegen. Das ist nicht demokratisch zu rechtfertigen. Das ist auch nicht moralisch zu rechtfertigen. Wenn jetzt das Argument kommt das ziemlich dumme Argument -, dass die Leute dann bei uns einkaufen, ist das ungefähr so, wie wenn der Kaufmann in seine Kasse greift, auf die Straße geht und in der Hoffnung das Geld verteilt, dass die Leute wieder zu ihm kommen, um einzukaufen. Das ist hirnverbrannt.
Zu Ihnen, Herr Commerçon. Es geht nicht um Details, die hier geregelt werden. Es geht nicht um 10 oder 20 m². So etwas kann die Regierung mit links machen. Es geht um Grundrechte - noch mal zur Verdeutlichung. Herr Wegner hat von 75 Prozent der Infektionen gesprochen, die überhaupt nicht nachzu
verfolgen sind und bei denen man nicht weiß, wo sie herkommen. Das weiß man eben nicht! Ich weiß es nicht, dann mache ich einfach mal Ihren Betrieb zu. Und all das, weil ich es nicht weiß. Das ist eine eigenartige Logik. Das geht nicht. Ich bestehe noch mal darauf - und rate in diesem Sinne eindringlich -, dass, wenn Grundrechte eingeschränkt werden müssen oder sollen, das Parlament vorher damit befasst werden muss. Vorher, nicht nachher! Wenn das gemacht wird, sind sogar - je nach Lage - radikale Maßnahmen möglich, denn dann weiß man, wo die Verantwortung liegt. Dann kann jeder Parlamentarier in seinem Bereich den Leuten erklären, warum dieses gemacht und jenes nicht gemacht wird. - Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich macht die heutige Landtagssitzung Sinn, Herr Kollege Hecker, auch wenn die Corona-Verordnung schon beschlossen ist, denn die Debatte schafft Transparenz. Von dieser Stelle aus muss erklärt werden, von dieser Stelle aus muss gerechtfertigt werden, von dieser Stelle darf auch verteidigt und kritisiert werden. Es ist ein wesentlicher Teil von Demokratie, dass eine Debatte darüber stattfindet - zu welchem Zeitpunkt auch immer. Deshalb macht sie Sinn. Weiterhin verschafft die Debatte am heutigen Tag Legitimation. Es ist das Recht des Parlamentes, das aufzuheben, was die Regierung in der letzten Woche beschlossen hat und was am Sonntag in Kraft getreten ist. Ich stelle aber fest, es liegt kein Antrag vor, die Verordnung aufzuheben, die vor wenigen Tagen beschlossen wurde. Insofern verleihen die heutige Debatte und deren Verlauf sowie das Verhalten aller Fraktionen den Entscheidungen der Landesregierung ein großes Maß an Legitimation. Das ist schon eine bedeutende Sache, die am heutigen Tag stattfindet.
Ich bin aber auch der Meinung, dass das Maß an Legitimation noch größer wäre, wenn die Debatte vor der Entscheidung der Regierung stattfinden würde. Ich bin ebenfalls der Auffassung, dass es kein Gnadenakt der Regierung ist, dass das Parlament sich trifft - so habe ich Ihre Ankündigung auch nicht verstanden -, sondern eine Selbstbehauptung des Parlamentes. Deshalb gab es vor dem heutigen Tag Debatten in mehreren Fraktionen darüber, dass wir erneut zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Ich begrüße am Ende auch die Ankündigung, dass wir zukünftig im Zusammenhang mit jeder Verord
nung, in der es um die Einschränkung von Grundrechten geht, eine Sondersitzung des Parlamentes haben können. Mein persönlicher Wunsch ist, dass das am besten vor der Beschlussfassung geschieht. Wenn ich es mal platt sagen kann, ist es so: Die Entscheidungen, die während der Woche vorbereitet werden, finden in der Regel freitags statt. Dann kann freitagsmorgens das Parlament tagen und mittags die Regierung. So hat man alles an einem Tag mit einem guten Grad der Legitimation.