Protokoll der Sitzung vom 08.12.2020

(Beifall von der LINKEN.)

Vielen Dank, Herr Fraktionsvorsitzender. - Das Wort hat nun der Kollege Stefan Thielen für die CDU‑Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben diese nette Nikolaus-Überraschung von unserem Umweltminister erhalten. Einen ähnlichen hat auch mein Sohn am Samstag erhalten. Er hat sich mit seinen 18 Monaten darüber gefreut. Aber am Sonntagmorgen musste ich lachen. Noch mehr hat er sich gefreut, als er das aktuelle Nachrichtenmagazin SPIEGEL aufgeschlagen und herumgeblättert hat. Er hat ein Coronavirus gesehen und hat sich riesig über dieses tolle Ding gefreut. Ich muss sagen, es ist schön, dass wenigstens einer ei

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )

ne positive Überraschung mit dem Coronavirus hat. Bei uns allen ist es anders herum. Wir werden von diesem Virus ständig nur negativ überrascht. Das nimmt einfach kein Ende, so gut wir uns auch vorbereiten. Immer wieder erhalten wir neue Nachrichten, die ganz gegen das sprechen, womit wir eigentlich gerechnet haben.

Als der Ministerpräsident im Oktober seine Regierungserklärung gehalten hat, dass es auf jeden Einzelnen ankomme, sind wir wie alle Wissenschaftler in dem Bereich davon ausgegangen, wenn wir einen Wellenbrecher-Lockdown machen, von dem man geredet hat, dann wird das ein großer Erfolg und es wird im November stark abebben. Leider sind wir überrascht worden und müssen feststellen, dass es sich nicht in dem Umfang ausgezahlt hat, wie wir erwartet haben.

Es ist natürlich besser geworden. Darüber besteht Einigkeit im Plenum. Wir haben jetzt stagnierende Zahlen, aber auch diese Zahlen sind gefährlich. Das muss man so zur Kenntnis nehmen. Herr Kollege Lafontaine, Sie sagen selbst, wie die Zahlen sind, die für uns entscheidend sind. Wenn die Zahlen stagnieren, dann müssen wir davon ausgehen, dass sich früher oder später bei langen Liegezeiten die Beatmungsplätze in den Intensivstationen füllen und dass es ein Problem gibt, wenn es eine immer stärkere Belastung der Mitarbeiter auf den Stationen gibt und es zu mehr Todesfällen, aber auch zu mehr langfristigen chronischen Erkrankungen durch die Infektion kommt.

Gerade deswegen müssen wir reagieren. Es kommt auf jeden Einzelnen an. Das ist auch der Hintergrund, warum wir als Fraktion diesen neuen Weg unterstützen, nämlich die Neuanpassungen der Verordnung, wie sie durch den Ministerpräsidenten vorgestellt worden sind.

Warum tun wir es und warum sind wir der festen Überzeugung, dass das richtig ist? Wir sehen eben wenig Alternativen. Wir sehen die Tatsache, dass wir am Ende des Monats zwei für die Menschen wichtige Feste haben - zum einen Weihnachten und zum anderen Silvester -, wo sich der Kreis der Menschen, die sich dort zusammenfinden, ganz fundamental unterscheidet. Natürlich gibt es die Familien, die zusammen Weihnachten feiern und eine Woche später zusammen Silvester und Neujahr. Meistens ist es aber anders. Die Familien treffen sich, Kinder reisen von weit her zu ihren Eltern. Auf der anderen Seite trifft man eine Woche später den Freundeskreis in größerem Rahmen. Dann könnten diese Infektionen weitergetragen werden. Ich habe es gestern schon gesagt, wir müssen einfach mit einer exponentiellen Ausbreitung des Virus rechnen, wenn wir hier nicht handeln.

Wir haben die Alternative, welches Fest wir quasi eher einschränken müssen. Ich sage es ganz wert

neutral, auch wenn ich für eine christliche Partei am Rednerpult stehe: Ich will keine Überhöhung von Weihnachten. Wir müssen hier ganz rational und zahlenbasiert handeln. Das haben Sie auch gesagt. Dann müssen wir sehen, dass Silvester für uns im Moment das gefährlichere ist, natürlich nicht nur, weil man sich im anderen, größeren Rahmen trifft, sondern weil enthemmt gefeiert wird. Das hat Silvester so an sich. Deswegen sollten wir diese Einschränkungen, die eben von unserem Ministerpräsidenten vorgestellt worden sind, beschließen und unterstützen.

Was für mich auch wichtig ist, und darüber sollten wir uns einig sein: Wir brauchen Vertrauen in unsere Menschen. Ich glaube, wir müssen nicht alles gesetzlich bis ins Detail regeln. Wir müssen klare Richtlinien und einen klaren Weg vorgeben. Wir sollten den Menschen zutrauen, dass sie es einhalten. Deswegen bin ich froh, dass wir nicht generell ein großes Feuerwerksverbot und kein durchgehendes Alkoholverbot im Saarland vorgenommen haben. Ich will nicht ausschließen, dass es nicht vielleicht irgendwann in den nächsten Tagen und Wochen notwendig wird, aber im Moment fahren wir diesen Weg. Wir vertrauen den Menschen in unserem Land, dass sie es richtig handhaben und nicht anders vorgehen. Wir sind für die Situation vorbereitet, in der es beispielsweise auf großen Plätzen im Saarland weitere größere Feste geben könnte.

Ich sehe es bei vielen Familien, die sich jetzt klar entscheiden wollen. Sie sagen, nein, wir wollen nicht die Großeltern zu Weihnachten einladen, weil es diese Gefahr gibt, und wir werden uns daran halten. Ich glaube, wir sollten das Vertrauen in die Menschen setzen und an sie appellieren. Es hilft uns allen. Je mehr wir hier vernünftig agieren, desto besser werden wir die Situation durchstehen.

Herr Kollege Lafontaine, Sie sagen, natürlich habe man immer andere Wege. Man könnte die Gastronomie öffnen und hätte eine vielleicht nur gering steigende Inzidenz. Aber ich muss fragen, was das im Endeffekt bringt. Wir ziehen immer nur alles weiter nach hinten, damit wir wieder Öffnungen machen können. Das halte ich nicht für den richtigen Weg. Natürlich müssen wir ständig unsere Strategie überprüfen. Ich habe es angesprochen. Wir werden von diesem Virus immer wieder vor Überraschungen gestellt werden, aber der richtige Weg ist sehr schwer zu finden. Ich glaube, wir haben das bisher ganz gut durchgestanden; das können wir uns selbst ins Zeugnis schreiben.

Sie sprachen das Thema Tübingen an, ob wir nicht besser die vulnerablen Gruppen schützen und die Altenheime abschotten sollten. Ich bin nicht sicher, dass das alleine helfen wird. Ich glaube, wir brauchen auch die andere Maßgabe, dass wir Kontakte verringern, weil sich Risikogruppen nicht nur in Altersheimen befinden. Natürlich sind die Menschen

(Abg. Thielen (CDU) )

dort am meisten gefährdet, aber es gibt auch ältere Menschen, die sich im normalen Verkehr beim Einkaufen oder bei einem Arztbesuch trotz Masken und aller Vorsichtsmaßnahmen infizieren können.

Man kann das nicht alleine auf die Altenheime reduzieren. Wir können diesen Lockdown auch nicht ewig durchhalten, wie wir ihn im Frühjahr hatten, als Enkel ihre Großeltern nicht mehr treffen durften. Der Verfassungsgerichtshof hat uns ins Stammbuch geschrieben, dass wir uns daran halten müssen. Von daher könnte das ein Weg sein, aber wir müssen uns einmal darüber unterhalten. Ich bin nicht sicher, dass das genau das bringt, was wir wollen.

Die Sterbezahlen sind inzwischen wirklich enorm. Das muss man ganz klar sagen. Wenn man die Zahlen hochrechnet, dann sind wir bei aktuell 600 Menschen. Das ist einfach nicht mehr zu tolerieren. Es handelt sich um Menschenleben und wir sind gehalten, sie zu schützen.

Ich will das an dieser Stelle nicht weiter ausführen. Ich glaube, der Ministerpräsident wird gleich selbst auf Ihre Ausführungen antworten. Ich bleibe beim Appell: Lassen Sie uns zusammen daran arbeiten und im Detail weitere Maßnahmen prüfen. Wir sollten uns aber untereinander verständigen, dass wir die Kontakte so schnell wie möglich weiter einschränken wollen, und wenn die Impfung kommt, können wir dieses Virus bezwingen, damit es uns keine bösen Überraschungen mehr bringen kann. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. - Das Wort hat nun für die AfD-Fraktion Herr Fraktionsvorsitzender Josef Dörr.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst einmal bin ich dem Ministerpräsidenten dankbar, dass er hier berichtet. Ich habe nicht daran gezweifelt, dass er sein Wort hält. Er hat gleich die Gelegenheit dazu. Er hat einen ordentlichen Bericht abgegeben.

Allerdings habe ich schon öfter ein paar Gesichtspunkte vorgetragen, die eigentlich nie so richtig ankommen. Ich frage mich, was eine Runde von Ministerpräsidenten unter der Moderation der Bundeskanzlerin soll. Was soll die beschließen oder vereinbaren, was uns im Saarland trifft? Ich glaube, die Probleme sind in Brandenburg oder in NordrheinWestfalen sicherlich anders als bei uns. Das Saarland ist auch für das Saarland zuständig. Ich könnte mir vorstellen, dass man in einer solchen Runde Er

fahrungen austauscht. Man könnte zum Beispiel sagen, in Tübingen haben wir das gemacht, was einen Erfolg gebracht hat, oder dort haben wir das versucht, was überhaupt nicht hingehauen hat. Eine solche Runde könnte ich mir denken.

Aber die Probleme sind ja verschieden. Sie sind hier im Saarland auch von Rheinland-Pfalz verschieden und auch innerhalb des Saarlandes. Das ist das Problem. Deshalb können wir den Ministerpräsidenten nicht beneiden, wenn er eine Entscheidung treffen will, weil die Probleme nämlich innerhalb des Saarlandes ganz verschieden sind. Ich kriege schon seit Wochen und Monaten diesen Bericht vom Gesundheitsministerium; Sie wahrscheinlich auch. Ich bin auch sehr dankbar dafür. Ich habe über die Zeit hinweg verfolgt, wie viele Tote es gegeben hat. Jeder Tote tut einem leid. Ich habe auch nachgeschaut, wie viele in Krankenhäuser eingeliefert wurden, wie viele auf der Intensivstation sind und wie viele künstlich beatmet werden.

Ich habe versucht, mir daraus ein Bild zu machen, ob es schlimmer wird oder ob man die Kurve kriegt. Zwischenzeitlich kam - das ist ein paar Wochen her die Geschichte, dass man überlegt hat, kurzfristig die Grenze nach Luxemburg zuzumachen. Ich habe den Außenminister Asselborn im Interview gesehen, als er beteuerte, um Gottes Willen, wir sind doch nicht schlimmer dran als vor acht Tagen; wir testen nur viel mehr. Mir hat das sofort eingeleuchtet; anderen anscheinend auch. Die Grenzen wurden auch nicht geschlossen.

Aber es ist ja auch bei uns innerhalb des Landes ganz verschieden. Nun bitte ich um Folgendes. Je besser man sich selbst informiert - mit Daten nicht nur für das ganze Saarland, sondern vielleicht für die Bezirke der einzelnen Gesundheitsämter oder noch enger -, je besser man die Leute informiert und je besser sie Bescheid wissen, umso eher sind sie bereit, Maßnahmen, die man ihnen empfiehlt, einzuhalten.

Ich lebe ja in einem Dorf. Da sehe ich, wie die Leute reagieren. Sie reden auch darüber. Es gibt viele Leute, die bereit sind, wenn sie Vertrauen in die Regierenden haben, dann auch die Maßnahmen, die man ihnen empfiehlt, durchzuführen. Es gibt auch eine Menge Gastwirte, die alle Einrichtungen, die man von ihnen verlangt hat - Hygienevorschriften und anderes -, gemacht haben, aber dann staunen, dass sie trotzdem ihr Gasthaus, Restaurant oder ihre Bar zumachen müssen. Da wäre es auch besser, wenn man genau weiß, wie es in Blieskastel oder Saarlouis aussieht, und vielleicht noch genauer, wie es in den Heimen und Krankenhäusern aussieht. Wenn die Information wirklich ganz genau ist, wissen die Leute vor Ort am besten, wie es bei ihnen aussieht. Sie sind dann auch bereit, das zu machen, was man ihnen empfiehlt.

(Abg. Thielen (CDU) )

Da bin ich auch bei Herrn Thielen. Es ist kontraproduktiv, wenn man den Leuten mehr und mehr alles vorschreibt und die Daumenschrauben anzieht. Auf einmal sagen die Leute: Rutscht mir den Buckel rauf! Wie wollen Polizei, Ordnungsdienst und Ordnungsamt alle die Vorschriften, die jetzt schon da sind, wirklich kontrollieren? Wie will man in allen Familien kontrollieren, ob da wirklich nur drei Haushalte zusammen sind oder ob es nur zehn Personen sind? Man ist sowieso auf das Vertrauen und die Mitarbeit der Leute angewiesen.

Deshalb ist meine Empfehlung, sich zuerst wirklich umfassend zu informieren, und zwar genau im Land selbst, und dann zu versuchen, die Dinge vor Ort lösen zu lassen oder zu lösen und sich insgesamt möglichst auf Empfehlungen zu beschränken. - Danke schön.

(Beifall von der AfD.)

Danke, Herr Fraktionsvorsitzender. - Das Wort hat nun für die SPD-Fraktion der Kollege Dr. Magnus Jung.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Normalerweise sage ich sehr gerne: „Meine sehr geehrten Damen und Herren!“, aber leider tagen wir ja quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Jedenfalls können die Bürgerinnen und Bürger auch heute de facto an der Landtagssitzung kaum teilnehmen. Das geht zwar im Livestream, aber es ist schade, dass bei den Sitzungen niemand dabei ist. Ich wollte einmal sagen, dass ich wirklich bedaure, dass auf den Zuschauerrängen niemand sitzt und dass wir nicht das parlamentarische Leben führen können, das wir normalerweise führen, gerade im Rahmen von Haushaltsberatungen.

Was die heutige Debatte zur Corona-Entwicklung angeht, hat sich in erster Linie die Einschätzung der Lage geändert. Wenn ich mich zurückerinnere, heute vor einer Woche haben Sie, Herr Ministerpräsident, hier vorgetragen, der R-Wert liege bei 0,82. Sie haben damals angekündigt und zumindest gehofft, dass die Zahlen bis Weihnachten so weit runtergehen würden, dass wir wieder eine Inzidenz von 50 hätten. Sie haben gesagt, das müsse nicht so sein, aber Sie waren immerhin so optimistisch, diese Hoffnung in den Raum zu stellen. Den Optimismus haben sicherlich auch manche geteilt.

Heute können wir feststellen, dass wir erst seit ein oder zwei Tagen wahrgenommen haben, dass der R-Wert bei 1,01 liegt. Wir diskutieren wieder über Verschärfungen bis hin zu einem harten Lockdown. Die Verordnung, die heute noch einmal angepasst worden ist, enthält sicherlich moderate Veränderun

gen, um die es dabei ging, aber ganz andere Dinge stehen doch im Raum. Deshalb ist zunächst die Frage zu stellen, was eigentlich in der letzten Woche geschehen ist. Was hat sich tatsächlich verändert? Die Zahl der Neuinfektionen ist leicht angestiegen. Aber wir stellen mittlerweile eindeutig fest, die bisherigen Maßnahmen erreichen nicht das erwartete und auch nicht das versprochene Ziel, denn das war ja die Botschaft, die am 28.10. den Bürgerinnen und Bürgern gegeben worden ist.

Sie lautete: Im November strengen wir uns an, da halten wir uns zurück, dann können wir schön gemeinsam Weihnachten feiern. So scheint es nun zumindest in der Weise, wie es versprochen und erhofft worden war, nicht zu kommen. Aber wenn wir uns die Zahlen anschauen, wie sie sich in der letzten Woche entwickelt haben, können wir auch feststellen, dass die Hospitalisierung seit fünf Wochen in etwa auf dem gleichen Niveau verharrt.

Der Kollege Lafontaine hat eben die Zahl der Beatmungsplätze mit 26 genannt. Kurz vor 17 Uhr kamen die neuesten Zahlen. Jetzt sind es nur 19 in dem Bereich. Das heißt, die Zahl der Menschen in den Intensivstationen ist ungefähr gleichgeblieben. Die Zahl der Menschen mit COVID-19 ist in der letzten Woche leicht angestiegen. Wir haben in der letzten Woche im Gesundheitsausschuss von der saarländischen Krankenhausgesellschaft die Einschätzung erhalten, dass die Krankenhäuser in den nächsten Wochen, soweit man absehen kann, die Last werden tragen können.

Wir stehen deshalb heute vor der Frage, was jetzt zu tun ist oder was die Optionen sind, die wir in den nächsten Tagen haben. So, wie es aussieht, gibt es zwei unterschiedliche Optionen. Es gibt Alternativen. Die eine Alternative heißt schärfere Maßnahmen, weniger Kontakte, harter Lockdown und der Appell an die Selbstverantwortung und die Selbstbeschränkung der Bürgerinnen und Bürger. Ja, Kontaktbeschränkungen können ein Mittel sein, aber ich bitte darum, sich die Zahlen vor Augen zu führen.

Wir haben auf der einen Seite aktuell offiziell ungefähr 2.200 bis 2.300 Corona-Positive. Wenn wir die Dunkelziffer dazunehmen, dann sind es vielleicht 6.000 oder 7.000. Also sind rund 0,7 Prozent der Bevölkerung heute Corona-positiv. Wir haben 1 Million Saarländer. Jetzt wissen wir nicht, wie viele Kontakte ein Saarländer im Durchschnitt am Tag hat. Einsame und alte Menschen haben vielleicht nur einen oder keinen; andere im Berufsleben vielleicht hundert Kontakte am Tag. Multiplizieren wir das einmal mit zehn. Das sind 10 Millionen Kontakte. Bei 10 Millionen Kontakten kommt es im Moment zu ungefähr 200 Neuinfektionen am Tag. Jetzt versuchen wir, die Kontakte so zu beschränken, dass bei 10 Millionen Kontakten die Zahl der Infektionen von 200 auf ungefähr 100 zurückgehen wird.

(Abg. Dörr (AfD) )

Daran sieht man, dass das ein Riesenaufwand ist, den man mit dem allgemeinen Instrument der Kontaktbeschränkung ergreifen muss, um relativ kleine Wirkungen in den Zahlen zu erreichen. Es kann sein, dass wir in Situationen kommen, in denen das noch einmal verschärft notwendig ist. Das will ich nicht ausschließen. Aber ich sage auch, es gibt möglicherweise Alternativen, über die es sich lohnt nachzudenken. Wenn es nämlich schon gelungen ist, in den letzten ungefähr fünf Wochen die Zahl der Neuinfektionen, der Menschen in Krankenhäusern, der Menschen auf Intensivstationen, der Menschen an Beatmungsplätzen bei uns ungefähr gleich zu halten, dann könnte es möglich sein, auch in Zukunft Schulen, Betriebe und Geschäfte offen und die Gesellschaft am Leben und am Laufen zu halten, allerdings in Kombination mit gezielten Maßnahmen.

Wenn wir also eine Entscheidung zwischen solchen Alternativen treffen sollten, so oder so, dann werden wir diese Entscheidung immer in einer Situation der Unsicherheit treffen müssen. Wir wissen auch heute nicht, ob wir sozusagen am Beginn einer dritten Welle stehen - das kann niemand ausschließen - oder ob es uns gelingt, mit den geltenden Regeln und kombiniert mit neuen Maßnahmen die Zahlen einigermaßen konstant zu halten. Bei Entscheidungen in Unsicherheit haben wir nun einmal das Problem das haben wir insgesamt, wenn wir vor die Bürgerinnen und Bürger treten -, dass die Politik am Ende immer den Anschein erweckt, kurzatmig zu sein, dass sie heute so sagt und in einer Woche so und dass wir vor allen Dingen möglicherweise keinen Plan haben, der über mehrere Monate trägt. In jedem Fall müssen wir aber entscheiden. Deshalb glaube ich, dass wir vor allen Dingen dort handeln müssen, wo wir als Land selbst etwas tun können.

Da bin ich beim Thema Altenhilfe. Dabei wende ich mich auch an unsere Sozialministerin, nicht, um ihr ein Problem ans Bein zu binden oder um sie zu kritisieren oder irgendeinen parteipolitischen Streit oder so etwas anzuzetteln. Das liegt mir völlig fern. Uns eint an diesem Punkt mit Sicherheit - das ist auch die Diskussion im Sozialausschuss - die gemeinsame Suche nach guten Wegen und guten Instrumenten. Deshalb sage ich, wir müssen uns gemeinsam stärker auf den Bereich Altenhilfe konzentrieren.

Wir haben heute in der Zeitung lesen können, was wir schon aus dem Ausschuss wussten, dass nämlich ein Drittel der Altenheime betroffen ist. Wir haben auch lesen können, dass ungefähr ein Viertel der aktuellen Infektionen etwas mit Altenheimen zu tun hat. Ich habe mich in meinem Landkreis St. Wendel erkundigt. Da gab es noch einmal eine ordentliche Steigerung in der letzten Woche. Zwischen einem Drittel und der Hälfte der Neuinfektionen pro Tag in den letzten Tagen hat etwas mit der Altenhilfe zu tun. Deshalb müssen wir in diesem Bereich etwas anders machen, als wir es bis jetzt ge

macht haben. Ich glaube, das liegt auf der Hand. Wenn wir einen solchen Schwerpunkt an Infektionen erkennen, dann muss man genau an dieser Stelle handeln. Wir stellen fest, dass zumindest bis zur letzten Woche ein Drittel der Altenheime diese Testkits überhaupt noch nicht hatte, weil sie überhaupt noch keine Testkonzeption beim Sozialministerium eingereicht hatten. Das halte ich für schlecht. Das halte ich auch für vermeidbar. Deshalb müssen wir gemeinsam an diesen Testkonzepten arbeiten. Da gibt es viele Schwierigkeiten. Viel testen heißt viel Personal, Organisation und viel Geld, das dafür aufgewandt werden muss. Das schüttelt man nicht aus dem Ärmel, aber es kann vorbereitet und umgesetzt werden.

Wir haben in der letzten Woche im Ausschuss gehört, dass nach wie vor unklar ist, wer diese Infektionen in die Altenheime hineinträgt. Die einen Experten sagen, das wird im Wesentlichen das Personal sein. Die Träger sagen, nein, das können wir ausschließen, das Personal ist es nicht.

Klar ist vor allem, dass die Zahlen in diesem Bereich steigen und dass wird dort etwas ändern müssen. Deshalb ist mein Vorschlag am heutigen Tag, nicht nur allgemein für die nächsten Wochen über Einschränkungen zu diskutieren. Mein dringender Wunsch ist, dass wir nicht übermäßig Angst in der Bevölkerung schüren sollten. Es gibt viele Menschen, die so stark Angst haben, dass Corona ihr tägliches Leben in einem Maß auch psychisch belastet, das wirklich bedenklich ist.

Ich bin der Meinung, dass wir in der Debatte auch diejenigen ernst nehmen müssen, die mit guten Argumenten die bisher vorgeschlagenen Maßnahmen kritisch sehen, sei es mit Blick auf die Situation bei der Übersterblichkeit oder anderen Argumenten. Zuletzt hat uns ein Brief eines Medizinprofessors aus dem Saarland erreicht, der ein hervorragender Arzt ist. Er hat uns dazu aufgerufen, unterschiedliche Perspektiven anzuwenden. Wir brauchen in dieser Situation einen stärkeren Rat der Wissenschaft. Ich will aber vor allem vorschlagen, dass wir sehr schnell - das ist meine Bitte an das Kabinett und speziell an das Sozialministerium - ein eigenes Testprogramm für die Altenheime auflegen. Am besten wäre es, wir würden jeden Tag jeden testen, der in das Altenheim hineingeht, auch jeden Mitarbeiter. Wenn ich es richtig sehe, dann ist im Moment vorgesehen, die Mitarbeiter einmal in der Woche zu testen. Das scheint mir doch deutlich zu wenig zu sein mit Blick auf die Zahlen, die ich eben genannt habe.